[84] Es war weder Oper noch Komödie hieselbst, als ich durchreisete, und ich würde dieser Stadt in meinem Tagebuche gar nicht erwähnen, wenn ich nicht während der Mittagsmahlzeit mit einer Musik wäre unterhalten worden, dergleichen ich zuvor noch nie in Italien gehört hatte. Sie bestund aus einem dreystimmigen Psalm, welcher von Knaben verschiedenen Alters abgesungen ward, die aus ihrer Schule in Proceßion mit ihrem Lehrer, einem Priester, der den Baß sang, nach der Domkirche gingen. Es war mehr Melodie darin, als in dieser Art Musik sonst zu seyn pflegt, und sie hielten recht gut Takt und Ton, ungeachtet sie ziemlich schnell über die Gasse giengen. Diese Knaben gehen gewissermaßen auf eine Art von geistlicher Werbung aus, denn sie führen alle Knaben, die sie unterweges antreffen können, mit sich zur Kirche, wo sie catechisirt werden.
Als ich von Verona hierher kam, traf ich eine Menge junger Pilgrimme an, die nach Aßisi zum Grabe des heil. Franciscus wallfahrteten: sie waren gewohnt jährlich nach Loretto zu gehen, allein der Senat hatte ihnen verboten, aus dem venetianischen Gebiete zu gehen. Einige von ihnen giengen in grossen Haufen einher, und sangen oder psalmodirten vielmehr Hymnen und Psalmen in canto fermo.
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Tagebuch einer musikalischen Reise
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