4. Zweite Reise nach London.

Ende November 1712 erscheint sein Name wieder in den dortigen Zeitungen, und zwar bei Anzeige seiner neuen Oper


Il pastor fido. 1712.

Das Directorium hatte schon wieder eine Veränderung erlitten, die dritte in zwei Jahren, und war von Heidegger auf Mac Owen Swiney übergegangen, von einem ehrlichen Manne auf den andern. Wir werden von jetzt an eine neue Quelle, den Bericht eines Zeitgenossen über die italienische Oper Londons fleißig mit zu Rathe ziehen. Es war Francis Colman, ein unermüdlicher Besucher der Opern, auch später als Consul in Livorno und Florenz noch mit Händel in Verbindung stehend, der über die Aufführungen von 1712 bis 1734 in aller Kürze ein recht genaues Register führte. Die Handschrift, nur wenige Quartblättchen umfassend1, beginnt mit unserm Pastor fido. »Bühne und Scenen des Operntheaters waren in den Ferien verändert[377] und ausgebessert. Man eröffnete das Haus am 26.2 November 1712 mit einer neuen Pastoraloper, genannt Der treue Schäfer. Die Musik componirt von Mister Handel. Die Partien gegeben von folgenden Sängern: Signor Cavalier Valeriano Pellegrini, zum ersten Mal auf dieser Bühne; Signor Valentino Urbani, wieder von Italien zurückgekommen; Signora Pilotta Schiavonetti; Signora Margarita del' Epine; Miß Barbier; Mr. Leveridge. Sangen alle italienisch. Es war keine Subscription, und der Preis wie gewöhnlich: Logen 8 Shilling, Parterre 5 Sh., Gallerie 2 Sh. 6 Pence.« Rossi, der Verfasser des Rinald, hatte auch diesen Text gemacht. Anstatt das Werk recht sorgsam vorzubereiten, wurde alles wieder mit der größten Eile und diesmal auch mit einer gewissen Leichtfertigkeit betrieben. Schon die Wahl des Gegenstandes war dem englischen Publikum gegenüber eine verfehlte: die Liebesabenteuer der getreuungetreuen Schäfer waren diesem wie alles Einfache langweilig, sobald sie nicht von Sängern ersten Ranges zur Darstellung gebracht wurden. Valentini war keine hervorragende Größe, und der neue Ritter Valeriano konnte den fehlenden Nicolini nicht ersetzen. Ein pastoraler Gegenstand an sich vermag nur unter der Bedingung eine allgemeine Theilnahme zu erregen, daß der Chor mit in die Handlung eingreift, so wie Händel es bei Acis und Galatea gemacht hat; aber das war bei der italienischen Oper nicht durchzuführen. Colman sagt: »Die Decorationen repräsentirten bloß die Landschaft Arkadien. Die Kleider waren alt. Die Opera kurz.« Es war ein Mittwoch, an welchem der getreue Schäfer zuerst herauskam; nur Mittwochs und Sonnabends war italienische Oper. Man gab ihn wieder an den drei folgenden Abenden, am 29. Novbr., 3. und 6. Decbr., ferner am 27. Decbr., und zum sechsten und letzten Mal am 21. Februar 1713. Eine andere Pastoraloper, Dorinda, kam schon am 10. Decbr. 1712 hinzu, von N. Haym aus italienischen Arien zusammen geflickt, mit denselben Scenen Kleidern und Preisen. »Keine von diesen beiden Opern machte volle Häuser.« Colman.

Nach diesem Erfolge muß man den Werth der Composition nicht[378] abschätzen wollen. Schon Manche, denen die Partitur zur Hand kam, haben ihre Schönheit gepriesen ohne von dem schwachen Erfolg ihrer ersten Aufführungen etwas zu ahnen. Das Werk steckt voll schöner Gesänge, die auch später, als Händel es 1734 umarbeitete und »mit Chören« ausstattete, in vielen Aufführungen vollständig zur Wirkung kamen. Weil es daher mehr in diese letzten Jahre gehört, wollen wir auch die Besprechung bis dahin aussetzen. Von dem alten Manuscript hat sich glücklicherweise der Schluß erhalten: »Fine dell Atto terzo | G F H | Londres |ce 24 d'Octobr v.st. | 1712«. Hiernach muß er spätestens anfangs October in London angelangt sein. Auch wo die Bezeichnung v.st., d.h. alter Styl oder Calender, fehlt, ist zu merken, daß die englischen Daten bis zum Jahre 1752, wo die Calender ausgeglichen wurden, allesammt elf Tage hinter den unsrigen zurückstehen. Nach dem verbesserten römischen Calender vollendete Händel den Pastor fido also am 4. November. Das Textbuch ist einer hochstehenden Dame, Lady Anna Cartwright, zugeschrieben. Wir wenden uns gleich zu der zweiten Oper, die Händel auch noch in den letzten Wochen vor Weihnacht zu Stande brachte und die, wenn auch eben nicht besser, so doch augenblicklich zeitgemäßer war.


Theseus. 1712.

Unterzeichnet: »Fine del | Drama | G F H | à Londres | ce 19 de Decembr | 1712«. Die erste Aufführung ging am 10. Januar des folgenden Jahres vor sich. Colman erzählt: »Mr.O. Swiney, der Director des Theaters, bereitete also eine neue Oper vor, eine heroische. Alle die Kleider neu und reicher denn die vorigen, mit 4 neuen Scenen und anderen Decorationen und Maschinen. Die tragische Oper wurde Theseus genannt. Die Musik setzte Mr. Hendel, Maestro di Capella di S.A.E. D'Hannover. Als die Oper soweit bereitet war, suchte Mr. Swiney für die ersten sechs Male eine Subscription zu erlangen, konnte aber nicht. Darauf gab er Billets zu einer halben Ginee aus, Loge und Parterre zusammen, die beiden ersten Abende. Das Haus war sehr voll. Nach diesen beiden Aufführungen brach Mr. Swiney zusammen und lief davon und ließ die Sänger unbezahlt und die Decorationen und Kleider ebenfalls unbezahlt. Die Sänger waren in einiger Confusion, doch zuletzt beschlossen sie[379] die Opern auf eigne Hand fortzuführen und den Gewinnst unter sich zu theilen.« So wurde Theseus zu gewöhnlichen Preisen noch oft gegeben, durchweg bei gutem Besuche. Händel gehörte sicherlich auch zu den Betrogenen, und wahrscheinlich um ihm eine Entschädigung zu bieten, wurde die Schlußvorstellung in dieser Saison am 15. Mai für seinen Säckel angesetzt, wobei er den Leuten mit seinem Clavierspiel ein Gegengeschenk bereitete; for Mr. HENDEL, with an entertainment for the harpsichord. Heidegger übernahm die Führung der Geschäfte und Rechnungen für die Sänger.

Theseus ist von Nicola Haym gedichtet, denn dem Signor Rossi mußte es schwer fallen zwei Texte so schnell hinter einander zu machen. Das Buch wurde dem Grafen Burlington zugeschrieben, einem edlen Freunde der Kunst und der Künstler, bei dem Händel eine ganze Zeit wohnte und in dessen Palast wir bald eintreten werden. Ein Dramma tragico nannte Haym es wahrscheinlich in dem Sinne des alten Stephan von Buchaw, der von seiner »Königin aus Lamparden« (Nürnberg 1551) gesteht, daß sie »auch füglich ein Tragedia mag genent werden dieweil solcher Tumult darin geübt wird.« Offenbar wurde das Stück nach dem glücklichen Muster des Rinald zugeschnitten. Theseus und Rinald, Agilea und Almirena, Medea und Armide sehen einander ähnlich; hier wie dort ist halbgeschichtlicher, beständig durch Zaubereien unsicher gemachter Boden.

Händel's Musik, die wieder in ganz kurzer Zeit entstanden sein muß, bekundet auf's neue den unerschöpflichen Reichthum seiner Phantasie. Die Ouvertüre ist in drei Sätzen ziemlich weit ausgeführt; in dem zweiten bewirkt eine Pause von zwei Takten einen scherzhaften Gang von der Art, die dem Vater Haydn so natürlich stand. Der dritte Satz spannt außer Oboen und Fagotts auch Hautcontre und. Taille an, aber die Hörner fehlen noch überall. Stellen die uns jetzt als gewöhnlich vorkommen, weil sie durch vielfachen Gebrauch abgespielt sind, mußten den Hörern von 1713 zum großen Theile als kühn und neu erscheinen.

Die hervorragendste Partie in dem ganzen fünfactigen Drama ist die der Agilea, der Geliebten des Theseus. Die beiden Gesänge, mit denen sie die Handlung eröffnet, sind ausgesucht sein instrumentirt und haben noch eine kunstreiche Zugabe erhalten, der erste durch[380] den Baß, der im Mitteltheil das Motiv der begleitenden Oberstimme wieder zur Anwendung bringt, der andere durch die Oboe, die der Singstimme canonisch nachgeht. Ihre dritte Arie (M'adora l'idol mio), die den ersten Act beschließt, hat einige instrumentale Bravourpassagen, dazwischen aber eine Stelle von überraschender Schönheit. Die Oboe ist auch hier wesentlich beschäftigt, wie überhaupt in der ganzen Oper: Händel hatte jetzt den braven Galliard im Orchester sitzen und machte sich dessen Fähigkeiten zu nutze. Aus dem Hauptgedanken des zweiten Theiles dieser Arie:


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entstand später der erste Theil des berühmten Trio in Acis und Galatea:


4. Zweite Reise nach London

4. Zweite Reise nach London

[381] Die freudige Versicherung beständiger Liebe dient im Acis einem verwandten Gedanken zum Ausdruck, dem, daß ihre Neigung zu einander noch fester gegründet sei, als der geordnete Gang der Natur. Die Musik ist keineswegs genau dieselbe, wie Burney sagt, sondern zeigt schon zu Anfang bedeutende Verbesserungen und dehnt sich im Verfolg viel breiter und schöner auseinander. Im zweiten Act hat Medea das Regiment, Agilea erscheint im dritten wieder, aber ihre beiden schönsten Gesänge hat sie erst im vierten Act. Hier singt sie zuerst eine prächtige Schlummerarie an Theseus (Deh! v'apprite), mit Flöten und gedämpften Violinen begleitet, durchaus einfach gehalten und von der unschuldigsten Stimme herauszubringen. Wie sanfte traumhafte Dämmerung ist die begleitende Harmonie darüber gebreitet. Dann folgt ein Adagio (Amarti sì vorrei), welches sich[382] nur mit Lascia ch'io pianga vergleichen läßt; die Situation ist ähnlich, die Gestaltung ganz abweichend, und an musikalischer Schönheit steht es diesem nur in der Abrundung des Ganzen nach. Gerade da, wo die tiefsten Regungen der Seele zur Sprache kommen, findet Händel in unendlicher Fülle immer neue Töne. Die Melodie ist für das Lied der Susanna »If guiltless blood be your intent« benutzt; der abweichende Text gestattete nicht die Aufnahme aller melodischen Schönheiten, Händel fügte aber einen ganz neuen und selbständigen Schlußtheil hinzu, der nun die Krone dieses Gesanges bildet. In dem Duett mit dem Geliebten »Cara, caro« haben wir eine Fortsetzung der Kammerduette, eine bedeutende und sehr ansprechende Composition, in welcher Burney sogar eine größere Vereinigung von Feuer und Originalität zu bemerken glaubte, als vielleicht in allen Zwiegesängen aus der Zeit.3 Margarita del' Epine, welche die Agilea gab, war eine sehr bedeutende Sängerin und schon seit 1702 in London; später, an Geld und Ehren reich, heirathete sie den Dr. Pepusch.

Medea ist fast in allen Stücken das Gegenbild ihrer Nebenbuhlerin. Gesungen wurde sie von derselben Signora Pilotti, die im Rinald die Armide gab. Ihr erster Gesang (Dolce riposo), der auf eine der italienischen Cantaten zurückgeht (S. 237), kommt an Schmelz und Wohllaut der genannten Schlummerarie nahe. Auf diese Cavatina, d.i. Arie ohne Mitteltheil, die hier aber durch ein Recitativ unterbrochen ist, folgt ein feuriger Gesang, der zu einer Zänkerei mit dem Gemahl Egeus überleitet. Das Duett, welches diese Scene abschließt, ist höchst originell angelegt. Wie die Meinungen der Zankenden laufen auch die Töne auseinander und fließen dahin als der ungehemmte natürliche Ausdruck der Empfindung. Der geistreiche, die Situation mit allen der Musik zu Gebote stehenden Mitteln idealisirende Tonsatz nimmt unter Händel's Duetten eine besondere Stellung ein. Medea hat in der Folge noch mehrere bedeutende Gesänge, in welchen die ganze Wildheit und dämonische Gewalt ihrer Natur zu Tage tritt. Auch die accompagnirten Recitative, mit denen Händel sie mehr als die übrigen Personen ausstattete, sind sämmtlich musterhaft im Wortausdruck und von durchdringender Kraft.[383]

Alles übrige kann man auf einen Haufen werfen. Was etwa noch Ausgezeichnetes darin ist, steckt in den durchweg sehr melodiereichen Nebenpartien, und diese können schon als solche in einer italienischen Oper nicht hervortreten. Die männlichen Hauptpersonen stehen hinter den weiblichen zurück; Theseus ist kein Rinald, Egeus kein Argantes. Die nächste Ursache ihrer musikalisch unbedeutenderen Zeichnung mag man mit Burney immerhin in dem Mangel an wahrhaft großen Sängern erblicken. Aber wer weiter sieht, dem kann nicht entgehen, daß der Fehler schon in der Handlung liegt. Selbst Medea bildet zu der Agilea nicht den natürlichen Gegensatz, den wir zwischen Armide und Almirena wahrnehmen, es ist etwas Gemachtes darin. Und die Männer scheinen nur der Decoration wegen da zu sein; sie kommen nie in das Feuer der Leidenschaft, daher ihre kühlen Gesänge. Bei der natürlichen Stellung, die Händel zu den Gegenständen einnimmt, bildet seine Musik stets die beste Kritik der dramatischen Unterlage. Bei Mozart ist es ebenso. Sie handelten einfach als gesunde ehrliche Künstler, und das allein kann ihnen ein Recht geben, ihren Sängern gegenüber sich so unbefangen zu verhalten, wie sie es zu thun pflegten. Anders steht es um die Componisten, welche großer Sänger bedürfen, damit der Quell ihrer Erfindung in Fluß komme, ohne Rücksicht auf die dramatischen Vorgänge. Nicolini und Boschi, die beiden männlichen Stützen des Rinald, fehlten. Theseus' Arien alle ohne Ausnahme, besonders »S'armi il fato« und »Chi ritorna«, würden etwas anders geworden sein, wenn Händel den Part für Nicolini geschrieben hätte. Die ganze Rolle des Egeus ebenfalls, wenn Boschi zugegen gewesen wäre. Es war jetzt überhaupt kein irgend erträglicher Bassist zu haben, daher mußte diese Partie für einen Altcastraten zurecht gemacht werden und demzufolge die ganze Oper ohne Vocalfundament bleiben. Das erste Liebespaar ist für Sopran und Altcastrat, Margarita del' Epine und Valeriano, das zweite für Sopran und Altcastrat, Pilotti und Valentini, das dritte für Sopran und Alt in Mannskleidern, la Vittoria Albergatti und Miß Barbier.


Wenn man auf die Werke sieht, welche Händel außerdem noch in dieser Saison vollendete, muß man Pastor fido und Theseus fast[384] für Nebenarbeiten halten. Er verließ jetzt die italienische Bühne und stellte sich in die Reihen der Engländer als einer der ihrigen. Der bevorstehende Friedensschluß und die damit in Verbindung stehenden Maaßregeln des neuen Tory-Ministeriums bildeten schon seit längerer Zeit das hauptsächlichste Tagesgespräch. Um für eine öffentliche Feier rechtzeitig gerüstet zu sein, nahm Händel das englische Te Deum zur Hand. Schon am 14. Januar 1713 hatte er die Composition vollendet. Aber ob es ihm gestattet werde, sie bei der öffentlichen Danksagung in der Hauptkirche aufzuführen, war eine Frage die seine Freunde jetzt angelegentlich erörterten; denn trotz der Unfähigkeit der lebenden englischen Kirchencomponisten waren die Reichsgesetze gegen eine derartige Einmischung eines Ausländers. Die königliche Capelle mußte aus Eingebornen bestehen, und ohne Zustimmung des Parlamentes durfte hierin keine Aenderung vorgenommen werden. Was Addison forderte, nationale Musik, war in seinem Vaterlande eine unfruchtbare Wirklichkeit. Dr. Turner, Dr. Croft, Goldwin, Isham, King, John Eccles, und wie die vergessenswerthen Meister und Doctoren der Musik alle heißen, erbten mit den Würden und Einkünften auch das Geschäft, am Namenstage den Herrscher herauszustreichen und bei vorfallenden Gelegenheiten Gott zu loben. Um das Gesetz wirksam zu umgehen, hörte Händel auf den Rathschlag seiner Freunde und componirte zunächst eine feierliche Ode zu dem nahen Geburtsfeste der Königin. Ein Conflict mit Master Eccles, Esquire, der während seiner 37jäh rigen Capellmeisterschaft (1698–1735) alljährlich eine Neujahrs- und Geburtstags-Ode vorlegte und die übrige Zeit in dem Wasser zu Kingstone angelte, war hier leicht zu vermeiden; denn Königin Anna konnte jetzt als Begründerin eines Weltfriedens gepriesen werden, und diese starke Schmeichelei hatte auf ihre natürliche weibliche Eitelkeit, nach der sie bei allem Nichtsthun gern als die Schöpferin großer segensreicher Dinge angesehen sein wollte, auch den besten Erfolg.


Ode auf den Geburtstag der Königin Anna. Am 6. Februar 1713.

Der Text, dessen Verfasser mir unbekannt blieb, ist recht musikalisch angelegt. Durch den Friedensschluß, so unnöthig auch die Königin dafür gepriesen wurde, kamen Dichter und Componist doch[385] über das Gebiet gewöhnlicher Gratulation glücklich hinweg. »Gesegnet sei der Geburtstag der Königin Anna, die der Welt einen dauernden Frieden gab«: das ist der Grundgedanke, der, in sechs Chören mit stets neuer und eindringlicherer Betonung ausgesprochen, sich durch das Ganze hinzieht. Es ist eine ausgezeichnete Composition. Die meisten Einzelgesänge, sechs für eine Stimme und drei für zwei Stimmen, sind Chorarien, Gesänge die der Chor aufgreift und in seiner Weise weiterführt. Die Chöre sind sämmtlich kurz. Den reichen Inhalt des ersten hat Händel zunächst in der deutschen Passion verwandt, dann aber in dem großen achtstimmigen Anfangschor der Debora weiter ausgebaut und zwar in dem zweiten Theile desselben zu den Worten, die von Gott einen kriegerischen Helden erflehen (O grant a leader). Das Thema


4. Zweite Reise nach London

ist eins von denen, die auf der Grenzscheide des vocalen und instrumentalen Gebietes stehen und beiden angehören. In dem dritten Oboenconcert finden wir die Musik für Instrumente ausgeschrieben, nur wenig geändert, kleine Zwischengedanken und einige Gänge, die sich für Singstimmen nicht schicken, ausgenommen. Das Concert benutzte er sodann als Ouvertüre zu dem Anthem My song shall be alway; die Musik ist Takt um Takt beibehalten, aber für ein kleineres Orchester zusammen gezogen, so daß die Füllstimmen allein der Orgel überwiesen wurden. Händel kann das Concert von Hannover mitgebracht und zunächst für die Ode umgearbeitet haben. Wer aber sehen will, wie sich dieselben Gedanken für Singstimmen und wie sie sich für Instrumente gestalten, muß das Oboenconcert mit dem Chor in Debora vergleichen, denn der Ode fehlt noch die geläuterte Form. In dem sechsten Chore kommt die frohe Aussicht, daß ein dauernder Friede gewonnen sei, am feurigsten zum Ausdruck, und in einer Weise die das »lord of lords, king of kings« im Halleluja des Messias vorbildet. Als Erstling einer Gattung in der Händel sein Höchstes leisten sollte, als Versuch die Einzelnen mit den Chormassen vereint wirken zu lassen, hat diese Serenata noch einen ganz besonderen[386] Werth. Doch das alles ist nur Vorspiel des erhabenen Te Deum, welches auch schon fertig war. Laut Angabe des undatirten Originals sangen in der Ode die Herren Hughes, Eilfurt, Wheely und Gates, die Altistin Miß Barbier und die Sopranistin Miß Robinson, Robison schreibt Händel. Die Dame betrat erst am 27. Januar 1714 die Bühne und wurde schon in den Jahren vorher, als sie in ihrem Hause große musikalische Gesellschaften gab, für die erste englische Sängerin gehalten. Daß die Ode in St. James vor der Königin aufgeführt wurde, wird nirgends gesagt, versteht sich aber von selbst. Mainwaring sagt »one of which was for Oueen ANNE, and performed at St. James's«, macht aber den unrichtigen Zusatz »but afterwards lost«. Memoirs p. 155. Brachte John Eccles auch dies Jahr seine musikalische Gratulation an, so wurde der Königin die Vergleichung des großen Ausländers mit ihren dienstthuenden Musikern sehr erleichtert. Und alsobald gab sie Händel den Auftrag, die Composition des Te Deum und Jubilate für eine kirchliche Friedensfeier nun mit aller Kunst und allem Fleiße zu vollenden.

Wir kommen hiermit zu dem Werke, welchem von allen bisher beschriebenen nicht nur ein großer Ruhm, sondern nach und nach auch eine allgemeine Verbreitung zu Theil wurde. Selbst dem dreißig Jahre späteren und in vieler Hinsicht reiferen Dettinger Te Deum gegenüber hat es sich dieses Ansehen zu erhalten gewußt, in Deutschland ist es sogar bekannter als das Dettinger. Drei unbekannte spätere Compositionen desselben Textes nehmen wir gleich dazu.


Utrechter Te Deum und Jubilate in D. 1713.

Te Deum in B. Cannons, um 1718–19.

Te Deum in A. Cannons, um 1719–20.

Te Deum in D, um 1720, und für Königin Karoline 1737.


Das Original des Utrechter Te Deum hat die Beischrift: »S D G. | G F H. Londres ce 14 de Janv. v.st. | 1712«. Die auffallende Jahreszahl macht uns keine Schwierigkeit. Man bezeichnete die ganze Wintersaison auch wohl kurzweg nach der ersten Hälfte; 1712 ist also nur ein nachlässiger Ausdruck für 1713/14. Er brachte seine Composition eher zu Stande, als der Congreß zu Utrecht die Verhandlungen, die erst Ende März 1713 erledigt waren.

Man kann die Composition trotz der vierzehn Einschnitte als einen einzigen Satz, als ein durchcomponirtes Lied von vierzehn[387] Strophen ansehen. Der geringe Umfang dieser Ein- oder Abschnitte und der einheitliche Ton, der das Ganze durchdringt, wird beim Anhören nur das Gefühl von zweckmäßiger schöner Gliederung, nicht das von hervortretenden breitentfalteten einzelnen Sätzen aufkommen lassen. Der Gesammtausdruck ist es, welcher sich auf bewundernswerthe Weise überall geltend macht, auch da wo die Musik an sich nicht gerade ausgezeichnet zu nennen ist; ihn zu erreichen, sehen wir alle musikalischen Künste hier freudig vereint. Gewiß muß diese meisterhaft leichte und gewandte Handhabung der schwierigsten contrapunktischen Kunstmittel Erstaunen erregen; aber noch viel unerklärlicher ist es, wie Händel schon bei einem Alter von 28 Jahren in religiösen Dingen die reife Erfahrung gewinnen konnte, die sich hier kund giebt. Man sieht, er führte, auch wenn er sanften italienischen Liebesweisen nachging, ein ernstes Innenleben, das dann von Zeit zu Zeit, angeregt durch frohe Erlebnisse seiner Mitmenschen, gewaltig hervorbrach.

Die Genesis dieser Composition läßt sich noch ziemlich weit verfolgen. Mit dem Te Deum, mit einem Kirchenwerke trat Händel den englischen Meistern, wenn auch nur den verstorbenen, näher, als mit italienischen Opern. Purcell hatte vor zwanzig Jahren zur Feier des Cäcilientages auch ein Te Deum nebst Jubilate gesetzt, das alljährlich wenigstens einmal aufgeführt und einstimmig für die größte Composition dieses Textes, auch wohl für unübertrefflich gehalten wurde.4 Nun legte Händel das Werk vor sich hin und arbeitete danach sein eignes aus. Daß er dies that, ist weder durch Entlehnung ganzer Gedanken oder Sätze, noch durch bestimmte Nachrichten bezeugt, aber es ist nichtsdestoweniger gewiß. Die Verwandtschaft ist so groß, als sie ohne Gleichheit nur sein kann. Gewöhnlich ist bei Händel Chor was bei Purcell Chor ist, mit den Soli verhält es sich ebenso; ja im Jubilate geht die Uebereinstimmung in der Anlage so weit, daß die Worte »Be shure that the lord« bei beiden ein Duett in Amoll, und die folgenden »O go your way into his gates« einen Allabreve-Chor bilden. Häufig haben kleine Stellen fast dieselben[388] Töne. Bei der innigen Geistesverwandtschaft, die zwischen Händel und Purcell besteht, müßte ihr Te Deum ähnlich geworden sein, auch wenn Händel von dem Werke seines Vorgängers niemals gehört hätte; aber als Unterwurf konnte er es nur benutzen, so wie er gethan, wenn er es sich in bestimmter Absicht vorlegte. Händel hat dies sein erstes Te Deum so gut nach Purcell gemacht, als er sein letztes, das Dettinger, nach Urio gemacht hat. Aber hier suche man doch nach dem schwächsten Schatten eines Plagiats! Purcell's Jubilate hält den Vergleich am wenigsten aus, ihm fehlt die tiefe weihevolle Poesie des Händel'schen; gute Musik bleibt es immer, aber nach Händel's übermächtiger That wird man kaum noch davon erfaßt. Das Te Deum selbst scheint mir bedeutend hoher zu stehen. Im Grundgefühl stimmen beide Meister wesentlich überein, doch auch in den Sätzen, die uns solches recht deutlich beweisen, hebt Händel sich durch einen längeren stärkeren Athem hervor; und wenn es gilt Wirkung zu machen, so kennt er die wahren Wege und Schliche der Kunst immer am besten. Sein Werk hat fast die doppelte Länge des Purcell'schen. Aber Purcell's Composition wird groß und berühmt bleiben, obwohl die seines Nachfolgers größer und idealer ist. Hätte Händel sich mit seiner That jemals gebrüstet, so würde es bekannt genug geworden sein, daß er Purcell übertreffen wollen und übertroffen. Aber nichts lag ihm ferner, als Ueberhebung über große Vorgänger.

Durch beständigen Wechsel und Gegensatz der musikalischen Gedanken ist die Composition auch den ganz ungelehrten Ohren verständlich gemacht. In das fugirte Vorspiel, das feierlich und fröhlich dahin zieht, stimmt der Gesang zugleich mit den Trompeten ein. Der vierstimmige Chor ist aus freien harmonischen Gängen und kleinen motettartigen Imitationen zusammen gewoben; es ist der erste Chor »Wir preisen dich Herr«, der in einem kleinen Nachspiel der Saiten austönt und, sich absenkend, pianissimo verhallt. Unmittelbar hieran schließt sich der Einsatz des Basses zum zweiten Chor, der dem vorigen entgegengesetzt von unten aufsteigend das »Alle Welt dienet dir« verkündigt: eine kleine, höchst geistvoll durchgeführte und in vieler Hinsicht köstliche Doppelfuge; man beachte besonders den Ausdruck des Wortsinnes von Thema und Gegenthema, sowie den feierlichen phrygischen[389] Schluß in Fisdur auf den der Strom der Harmonie hindrängt. In das folgende Duo für zwei Altstimmen »Zu dir alle Engel rufen laut« singen Tenor und Baß im Einklange dreimal forte hinein. Der Satz hat etwas Eigenthümliches und Auffallendes. Er beginnt in Fisdur und schließt, nachdem er in reicher Modulation die zwischenliegenden Moll- und Durtöne durchlaufen, in Cisdur. Die Begleitung ist bei den Solostellen auf das Quartett beschränkt, welches die Figur


4. Zweite Reise nach London

ohne Unterbrechung durchführt. »Tothee all Angels cry aloud« singen die Alte, und eben dies ist das Auffallende, daß es in einem Tone geschieht, der eher Kummer, als Freude und Herrlichkeit ausspricht. Der Gebrauch, den Händel bald nachher in der deutschen Passion bei Christus Gebet am Oelberg und wiederholt später von dieser Begleitung gemacht hat, zeigt seine Absicht ganz unzweideutig. Burney nimmt an, das mehrdeutige Wort to cry habe Händel seinem nächsten Sinne nach als »schreien« aufgefaßt, da es hier, wie schon Eschenburg anmerkte, doch nur »rufen, anrufen« bedeuten kann5; »singen immer mit hoher Stimm« hat es Luther gegeben. Später in der Geschichte macht Burney die Bemerkung, daß auch Purcell, der geborne Engländer, die Stelle ganz ähnlich aufgefaßt hat, und ohne Händel bei dieser Gelegenheit von dem Vorwurfe sprachlicher Mißdeutung wieder zu befreien, begnügt er sich zu sagen: bei der Behandlung des Wortes cry schienen ihm alle Componisten der Ambrosianischen Hymne auf einem Irrwege zu sein.6 Sollte aber dieser angeblich allgemeine Irrthum nicht vielmehr eine allgemeine Wahrheit einschließen? Daß Händel bei diesem Utrechter Te Deum die Stelle etwas zu scharf faßte, vielleicht durch cry, vielleicht durch seinen Vorgänger, vielleicht durch die Vorstellung von gefallenen Engeln mißleitet, wird man nicht in Abrede nehmen können; aber bei dem Dettinger, eben demjenigen, welches von Burney mit der Sprachbemerkung beschenkt wird, kann nur falscher Vortrag ein Mißverständniß der Art erzeugen. Die Stelle muß wohl larghetto e piano, wie die Ueberschrift lautet, aber durchaus nicht klagend gesungen werden: dann klingt sie wie ein Ton, der in sanftem Wogen durch das Universum[390] zieht, an seiner Quelle, da wo die Engel singen, laut schallend, für fernere Räume sanft und weich; »die Himmel und alle ihre Gewalten« singen die unteren Stimmen unisono und stark dagegen. Wem diese Auffassung zu sublim vorkommt, und den meisten Te Deum-Componisten gegenüber ist sie es sicherlich, der wird sich die Anlage des Satzes leicht aus der musikalischen Praxis erklären können. Der vorausgehende Satz muß ein starker Chor sein, der nachfolgende ebenfalls, musikalische Rücksichten erheischen ein contrastirendes Mittelglied, und die Componisten stellten nun meistens ohne tiefere Bedeutung einen Pianosatz dazwischen. So erklärt sich die Uebereinstimmung, denn die physischen Gesetze der Klangordnung werden von allen Musikern empfunden.

»Heilig Gott, Herr Zebaoth, Himmel und Erde sind voll von deiner Majestät« braust hierauf um so lauter. Unmittelbar vor dem Schlusse sucht er das Wort majesty noch besonders würdevoll zu betonen und schwingt sich daher von Emoll zu Cdur auf:


4. Zweite Reise nach London

zu einem Accord, der garnicht in der Tonart liegt, aber in der alten Musik, in den Tonwerken des 16. Jahrhunderts beständig gebraucht wurde. Händel hat diesen Accord auf dem Unterganzton mehrmals verwandt, doch nur in seinen strengkirchlichen Arbeiten, und stets mit entschiedener Wirkung. Bei den unendlich feierlich betonten Schlußworten »und den heiligen Geist den Tröster, also the holy ghost the comforter« betonte er das letzte Wortdeutsch comfórter statt cómforter


4. Zweite Reise nach London

was er bei der nächstfolgenden Composition desselben Textes also besserte


4. Zweite Reise nach London

Noch bestimmter lautet es in dem Dettinger Te Deum


4. Zweite Reise nach London

[391] und sodann zum Schlusse desselben


4. Zweite Reise nach London

Die letzte Betonung, musikalisch ungewöhnlich, ist sprachlich von allen wohl die richtigste. Die verschiedene Behandlung des Wortes comforter ist bezeichnend für Händel's Art, seine Werke nicht durch beständiges Ausfeilen des ersten Entwurfs, sondern durch unablässig wiederholtes Entwerfen, Umbilden und Neuschaffen zu vollenden. Burney hat bei einer allgemeinen Vergleichung zwischen Purcell und Händel als Vorzug des ersten angeführt, daß er oft den Sprachlaut englischer Worte am besten zu treffen gewußt, sogar deren Gehalt und Tönung, und krönt seine flache Bemerkung durch das unglückliche Bild von Original und Uebersetzung.7 Geist und Leben der Sprache hat noch keiner so zum Ton gestalten können, als Händel; behauptet Burney dies im Ernst von Purcell, so verwechselt er Declamation mit Composition. Doch in dem Accent englischer Worte versteht sich der Vorzug des Engländers von selbst, besonders dem Utrechter Te Deum gegenüber, wo Händel noch mit dem Wörterbuche in der Hand componirte. Aber sollte nicht auch Master Clayton dasselbe Lob in Anspruch nehmen dürfen? Und ist das in der That ein nennenswerther Vorzug, den auch ein Clayton besessen haben könnte?

Den Chor »Du bist der König der Herrlichkeit« hat er in das Anthem Have mercy upon me o Lord, Psalm 51, zu den Worten »Thou shalt make me hear of yoy and gladness« wieder aufgenommen,[392] dabei nicht bloß Begleitung, Stimmführung und Stimmenvertheilung gebessert, dem neuen Texte und den veränderten Verhältnissen anbequemt, sondern auch einen selbständigen längeren Mitteltheil mit anderen Worten und neuer Musik dazwischen geworfen, beide Gedanken zum Schlusse kurz zusammen gedrängt und so aus dem ursprünglich kleinen Chore einen vierfach vergrößerten entstehen lassen. Dem zweitnächsten Satze, einem Solo für Alt über die Menschwerdung des Gottessohnes durch die Jungfrau (When thou tookest upon thee) wurde in dem unmittelbar folgenden Satze desselben Anthems (Make me a clean heart o God) eine ganz ähnliche Umbildung zu Theil. Auch hier reicht das Entlehnte nur für den ersten Theil des neuen Liedes aus, der zweite »Verwirf mich nicht von deinem Angesicht« hat eine andere Weise, die aber von einem sanften Motiv aus dem vorhergehenden kunstreich durchflochten ist. Rechnet man hinzu, was aus dem Utrechter Te Deum in die nächstfolgenden einging, so wird ersichtlich, daß Händel seine erste große Kirchencomposition ziemlich ausgeschöpft hat.

Den Schlußchor intoniren die oberen Stimmen mit den Instrumenten im Einklange bei figurirtem Basse:


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Ein ähnlicher, die Quarte umspannender Auf- und Abgang ist schon vorhin in zwei Motiven dagewesen:


4. Zweite Reise nach London

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[393] doch weder mit so hervorbrechender Gewalt, noch im Grundton der Tonart und an der Spitze des Chores stehend. In dem achten hannöverschen KammerduettTacete, ohimè, tacete wird er sehr pathetisch und nur wenig abweichend betont:


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Der Gang, aus dem alten Kirchengesange stammend wo er die Gebete mit


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schloß, ist schon im 16. Jahrhundert vielfach für den gelehrten Contrapunkt ausgebeutet. Auch Händel's Zeitgenossen haben wiederholt danach gegriffen, ich will nur Steffani, Perti und Bach nennen. Steffani's Duett Tengo per infallibile zeigt ihn auf diese Weise:


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In einer achtstimmigen Fuge von Perti, die 1704 für den Großherzog Ferdinand III. von Toscana gesetzt wurde, ist die Eintheilung fast dieselbe:


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Bach beginnt seinen vierstimmigen Chor, den er für die Rathswahl-Cantate »Wir danken dir Gott« 1731 anfertigte und dann wegen der besonderen Künstlichkeit, wie ich vermuthe, in der Hmoll-Messe noch zweimal zu verschiedenen Texten absingen ließ, mit einer Engführung:


4. Zweite Reise nach London

[394] 8


Auf den Sinn der Worte gesehen, scheinen die Töne für das Gebet um Frieden nur insofern angemessen zu sein, als dieses den Schluß der Messe bildet. Die Fähigkeit, eine große religiöse Composition zu schließen, zu krönen, hat allein Händel in dieser Tonreihe erkannt, im wunderbarsten Einverständniß mit der uralten Kirchenweise; wir gewahren hier eine merkwürdige Vergeistigung des psalmodischen Halleluja und Amen. Er intonirte damit den Schlußgesang des Anthem O praise the Lord ye Angels, bloß durch den Alt ohne Hinzutreten anderer Stimmen oder Instrumente:


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Weit erhabener noch und dem Schlußchor unseres Te Deum fast[395] gleich tritt das Thema in einem andern Anthem (Led God arise) auf; eine kleine Abweichung entsteht daraus, daß der Gesang in die tieferen Stimmen, Alt II, Tenor und Baß, gelegt ist:


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Das belebtere Gegenthema ruht hier auf Halleluja; mit dem vorigen vereint und wechselnd, gestaltet sich ein prachtvoller Schlußchor, der den Utrechter bei gleicher Anlage durch größere breitere Entfaltung überragt. Das genannte Anthem ist der Vorläufer des Oratoriums Israel in Aegypten, in welchem unser Thema mit dem Siege Israels gleichsam seinen eignen Sieg feiert. Es baut sich dort an ihm einer der größten Chöre auf, die Händel geschaffen hat, der achtstimmige Lobgesang des erlösten Volkes »Ich will dem Herrn singen«. Alt und Tenor in beiden Chören intoniren:


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Der Chor eröffnet den zweiten Theil, zum Schlusse lenkt das Oratorium dahin zurück und wiederholt ihn fast in voller Länge; weil aber hier, dem Sinne entsprechend, das feurig lebendige Contrathema »for he hath triumphed gloriously, denn er hat eine herrliche That gethan« zuerst vorgeht und obige Töne erst später aufleuchten, hält Burney diese wirklich für das Contrathema und bewundert sie eben als solches außerordentlich.9 Bei den Engländern war es noch immer so, daß selbst Mißverstand und mangelhafte Kenntniß zu Händel's Preise ausschlugen; bei den Deutschen sehen wir das umgekehrte Verhältniß, namentlich bei den gelehrten. Schließlich führt das Halleluja des Messias in seinem zweiten Hauptgedanken – Contrathema kann man hier nicht mehr sagen – dieselbe Melodie vor:


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[396] In den aufgewiesenen Gestaltungen hat Händel den Gehalt dieser Tonreihe erschöpft und durch die beiden letzten, Israel und Messias, zu einer so hohen Vollendung gebracht, daß eine Weise, die in ihrer Einfachheit dem planen Kirchengesange die Hand reicht, nun in überirdischer Erhabenheit prangt.

Schon die Themas zu den fugirten Stücken in diesem Te Deum sind sämmtlich Muster von Einfachheit, wie bei Händel überall. Auch in der Durchführung wagt er sich nicht weiter, als der ungelehrteste Sinn zu folgen vermag. Er scheint sich seiner priesterlichen Thätigkeit bewußt zu sein, daß er hier den Lobgesang Aller in Tönen, die Jeder faßt, als die seinen erkennt und im Herzen mitsingt, emporzutragen habe. Nur bei völligem Versenken in den Gegenstand und in die Seele derer, für die der Gegenstand eben da ist, kann solches gelingen: dann bleibt von dem eignen Selbst nur die Kunst und die Kraft erhalten, die Subjectivität geht unter. Und das sind die Stunden, in denen der Künstler das Ewige erlebt und das Unvergängliche schafft.

Die Chöre sind zuerst vierstimmig, von Nummer 4 an fünfstimmig mit zwei Discanten. Eine besondere Abwechslung gewährt dazwischen der siebenstimmige Chor »Day by day, tagtäglich loben wir dich«, ein bewegter Doppelchor mit lebhaftem Wechsel der Motive und Tonlagen und von glänzender Gesammtwirkung, ganz im Styl der alten italienischen und deutschen Capellchöre. Der vorletzte Chor tritt an den wenigen Stellen, wo er sich geltend macht, in sechs Stimmen auseinander. Der letzte ist wieder fünfstimmig. Die Schlußtakte enthalten einen der größten Druckfehler, mit denen Arnold's Ausgabe so reichlich bedacht ist. Die Cadenz in Gdur, der Unterquinte des Grundtones, ist garnicht aufgelöst, sondern ganz treuherzig bis zu Ende ausgehalten, und zwar in allen Stimmen.

Das um 1719 gesetzte Te Deum in Bdur verdankt seine Entstehung nicht einer bedeutenden öffentlichen Begebenheit, sondern hauptsächlich dem Wunsche des kunstliebenden Herzogs von Chandos,[397] vom Händel einmal wieder ein Te Deum zu hören. Dabei war der Componist in den Gesangmitteln beschränkter, so daß er nur über einen fünfstimmigen Chor – und zwar in dieser sonderbaren Zusammensetzung: Discant, Tenor I, Tenor II, Tenor III und Baß, eine Knabenstimme und vier Männerstimmen – verfügen konnte. Aus solchen Umständen erklärt sich die ganze Haltung der neuen Composition. Sie ist weniger kirchlich-feierlich, behende muntere Gänge sind mit Vorliebe aufgenommen; sie hat fast die doppelte Länge der Utrechter, man müßte dieses Te Deum das große nennen wenn es auf die Länge ankäme. Mehrere gewichtige Stellen sind aus dem Utrechter neu bearbeitet eingegangen, manche andere Sätze sind offenbar nach dem Muster dieses herrlichen Bahnbrechers zugeschnitten. Dazwischen steht Anderes in Selbständigkeit und großer Schönheit, von dem wahrlich zu beklagen ist, daß man es nicht einmal dem Namen nach kennt. Es gehört dahin gleich der zweite Satz »All the earth doth worship thee« bis zu den Worten »heav'n and earth are full of the majesty of thy glory«, der also drei kleinere Absätze der früheren Composition vereinigt. Schon deßhalb, noch mehr aber wegen seiner glücklichen Verschmelzung eines leichten Melodienflusses mit tiefernster Chorwirkung, würde ich dieses Stück für eine öffentliche Aufführung unbedingt vorziehen, es läßt sich auch ohne die geringste Schwierigkeit für die drei Utrechter Sätze einordnen. Die Behandlung des cry der Engel ist hier einem Mißverstande schon viel weniger unterworfen, obwohl zum Theil dieselben Töne verwandt sind. Der Satz wird überall einen bedeutenden Eindruck machen. Man sieht daß Händel mit Liebe und in dem Glauben, auf diese Weise mindestens etwas dem Früheren Ebenbürtiges schaffen zu können, daran gearbeitet hat. Dasselbe gilt vielleicht in einem noch höheren Maaße von dem Chore »Du sitzest zur Rechten Gottes«; dieser besonders würde bei einer Aufführung des Utrechter Te Deum für den älteren Satz einzuschalten sein, da er ihn an Länge fünfmal und auch an Bedeutung übertrifft. Aus einem neuen, echt Händel'schen Thema


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ging hier eine reguläre ausgeführte Fuge hervor, denn in Cannons[398] war eine gewählte Zuhörerschaft, die dergleichen verstand und zu schätzen wußte. Das Utrechter Te Deum kann mit Hülfe der bezeichneten Chöre die für eine große Aufführung völlig ausreichende Breite gewinnen. Der zarte süßklingende Gesang über Christi Menschwerdung:


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hat in dem folgenden Te Deum in Adur eine gewähltere sorglichere Harmonie und Instrumentirung erhalten:


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[399] Der Grundgedanke dieses Gesanges gefiel ihm so sehr, daß er ihn in dem Satze für Bariton im Dettinger Te Deum wieder benutzte, aber durchgehends umgestaltet:


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Der genannte siebenstimmige Capellchor »Day by day« mußte hier, auf fünf Stimmen zusammengezogen, bedeutend verlieren. Seinem Instrumentalvorspiel von zwei Trompeten und Baß, d.i. Orgel,[400] sind nun zwei Violinen und Oboe hinzugefügt, wofür die eine Trompete wegfiel: ein Fingerzeig, wie derartige, bei jetzigen Aufführungen oft so kahl und zopfig erscheinende Stellen passend ausgefüllt werden können.

Das Te Deum in Adur, wohl ein Jahr nach dem vorigen und für dieselbe Capelle geschrieben, ist wesentlich nur eine verkürzende Bearbeitung der beiden vorausgegangenen, besonders des letzten. Es beginnt wie dieses, umgeht dann aber die erwähnten großen neuen Chorsätze und lenkt zum Utrechter zurück, läßt auch mehreres von einer einzelnen Stimme ohne Unterbrechung absingen, wodurch allerdings früher das Ende erreicht wird. Aber der Schlußchor ist neu gesetzt und bedeutend. Alle Chöre sind sechsstimmig, auch wieder in eigenthümlicher Stimmenvertheilung, so daß stellenweise drei verschiedene Bässe erscheinen. Beide Chandos-Te Deum sind undatirt, man kann sie daher nur unbestimmt in die Jahre 1718–20 setzen und nur aus ihrer Beschaffenheit dem in Bdur auch der Zeit nach den Vorrang einräumen. Das S.D.G., Gott allein die Ehre! fehlt nirgends.

Auch das kleine Te Deum in Ddur, 1737 zu Ehren der Königin Karoline aufgeführt, muß schon in Cannons entworfen und gesungen sein. Die Handschrift, jetzt unvollständig, enthält wie gewöhnlich die Angabe der Sänger. Genannt sind Mr. Leigh und Bayly, die um 1737 für ihn sangen; ausgestrichen sind Hughes, Menz, Eilfurt, Gates, Baker, Wheely, die er in Cannons hatte, an einigen Stellen sind sie auch wie aus Versehen wieder nicht ausgestrichen. Vermuthlich setzte Händel die Stücke für die Geburtstage des Herzogs in den drei Jahren 1718, 19 und 20. Das letzte in Ddur hat am wenigsten Selbständigkeit, es ist aus den Gedanken der vorigen und einigen andern Lieblingsgängen zusammen gestellt. Die kleinen Chöre sind sämmtlich fünfstimmig. Die im Utrechter Te Deum angestimmte Weise sehen wir somit in Händel's eigenen Werken nach und nach völlig aus- und abgesungen. Erst in dem Dettinger (1743) erhob er sich wieder, angeregt durch ein Te Deum von Fr.A. Urio und durch eine große nationale Begebenheit, zu einem wahrhaft neuen Lobgesange.

Auch noch ein Jubilate setzte Händel für die Friedensfeier, das einzige welches er gemacht hat; sein Vormann Purcell schrieb[401] ebenfalls Te Deum und Jubilate. In Deutschland ist das Werk bekannt als der hundertste Psalm, aus dem der Text genommen wurde, und als solcher vor vielen Jahren bei Breitkopf und Härtel gedruckt. Es gehört zu seinen großartigsten Schöpfungen. Durch eine längere Instrumentalsymphonie, die nachträglich hinzu kam, aber in dem deutschen Drucke fehlt, ist es für einen von dem Te Deum gesonderten Vortrag noch zweckmäßiger eingeleitet; sie besteht ihrem Haupttheile nach aus der Einleitung und Begleitung zu dem ersten Chor des Te Deum. Das Jubilate ist diesem an Länge fast gleich, enthält aber nur sieben Sätze. Der erste, ein Aufruf zu heiliger Freude, entsprang aus dem lateinischen Psalm laudate pueri (S. 165). Eine Stimme beginnt den Gesang, von der Trompete vorgebildet, unterstützt, vom Chor emporgeschwungen »O sei fröhlich in dem Herrn alle Welt!« Mit großer Kunstweisheit sind die Mittel gewählt, die eine erzbewegende Freude maaßvoll feierlich und zugleich im höchsten Grade lebendig ausdrücken. Lang ausgehaltene verhallende Töne beginnen das Vorspiel, auch den Gesang der einzelnen Stimme und des Chores, und als Andeutungen des Unaussprechlichen durchziehen sie die sonst lebhafte Bewegung. Man sehe aber was die erwähnte deutsche Partitur daraus gemacht hat. Das Trompetensolo ist gestrichen, der Vorgesang der einzelnen priesterlichen Stimme auch, der so bedeutungsvolle ausgehaltene Ton in beiden ebenfalls, ja sogar zu Anfang des Chores; dafür blasen zwei Flöten und zwei Trompeten mit, auch die Pauken sind angespannt, die 46 Takte sind auf 21 zusammen gezogen, und der Choranfang »Jauchzet dem Herrn alle Welt« klingt nun wie ein gemeiner Aufschrei, ohne Würde und Weihe. Das nannte man und nennt man leider noch immer Händel's Tonsätze für moderne Ohren genießbar machen! Schon gegen die Art den Text deutsch zu geben muß man sich entschieden auflehnen. »Jauchzet dem Herrn alle Welt« fängt der hundertste Psalm allerdings in Luther's Uebersetzung an, doch paßt die Wortstellung nicht im mindesten zu Händel's Musik. Händel hielt sich natürlich an die englische Bibel, sowie er in Deutschland nicht ohne Grund von der deutschen abgegangen sein würde; aber bei nachträglicher Uebersetzung ist das musikalische Werk maaßgebend, nicht Luther's Version. Das Englische »O be yoyful in the Lord all ye lands« läßt sich ungezwungen[402] nachsingen »O sei fröhlich in dem Herrn alle Welt«, und so allein kann hier der Musik Genüge geschehen. Der Anfang des wundervollen Chores in Fdur ist ebenfalls durch gedankenloses Zurechtbiegen nach Luther's Worten um seinen schönsten Sinn gebracht. In der deutschen Partitur ist überhaupt Alles verschlechtert, nur wie zufällig begegnen sich hie und da der starke Luther und der starke Händel in einem treffenden Ausdruck. Solche Stellen muß man eifrig festhalten, aber ebenso sehr die zügellose Willkühr verabscheuen, die das Werk des einen großen Mannes zum Deckmantel nimmt, um das des andern zu mißhandeln.

In den Chören ist wieder beständiger Wechsel. Der erste Chor hat vier Stimmen, der zweite anfangs eben falls, dann theilt sich der Discant, damit sich Thema und Gegenthema in der herrlichen Doppelfuge ausbreiten können, der dritte und längste Chor ist wieder vierstimmig, der Lobpreis der Dreieinigkeit achtstimmig, das feierliche Amen fünfstimmig: alles nach Erforderniß des Textes. Dieser musikalische Ausbau der Wortvorlage läßt sich bis in's Einzelnste verfolgen und bleibt ein unvergängliches Muster für alle Tongestaltung. In dem zweiten Chore führen die Worte »Serve the Lord with gladness, dient dem Herrn mit Freuden« das froh bewegte erste Thema, und nach einmaliger vierstimmiger Durchführung bis zu einer Cadenz auf der Dominante heben die Mittelstimmen unisono das im Choralton feierlich dahinziehende Contrathema an »and come before His presence with a song, und kommet vor Sein Antlitz mit Gesang«. Langsam senkt es sich von der Quinte der Tonart in den Grundton, wie sich das Vorderthema munter eine Quarte aufschwang, bildet also den klaren musikalischen Gegensatz, den in solchen Fällen die Schulregel von Thema und Contrathema fordert, der sich hier aber, überflügelnd jede Satzung, aus einer tiefgeistigen Auffassung des Textes gestaltet. Denn es liegt ein Fortschritt in den Worten »Dienet dem Herrn mit Freuden – und kommet vor sein Antlitz mit Gesang«: der Nach- und Gegensatz nimmt, bei aller Gemeinsamkeit der Stimmung, einen veränderten, einen erhabeneren Gesichtspunkt, die Schaar fühlt sich versetzt vor das Angesicht Gottes und singt dem Ewigen, wie das von Händel so unvergleichlich erfaßt und ausgedrückt ist.[403]

Dennoch ist es nicht dieser Chor, der voran zu stellen wäre, wenn das höchste Muster einer Psalmencomposition genannt werden sollte, sondern der folgende; ein wahrhaft göttlicher Gesang, der alles abgestreift hat was vergänglich ist. Das knappe Wort dehnt sich hier aus zu einem unendlichen, poesie- und weihevollen Lobgesange, und der Musik merkt man nichts Gewöhnliches, Bekanntes, früher schon Dagewesenes an, alles quillt auf den Zauberschlag des Wortes wie ursprünglich hervor. »O go your way into his gates, o gehet ein zu seinen Thoren«, ruft Einer dem Andern zu, »mit Danken« sagen sie vereint, und immer lauter, immer eindringlicher erschallt ihr Ruf. Die Saiteninstrumente führen einen neuen Gang ein, der in freier Nachahmung die Singstimmen durchläuft, während die Instrumente das erste Thema wieder aufnehmen. Mit Takt 85 senken sich Gesang und Begleitung gemeinsam neun Takte lang, die letzten sieben auf dem Worte praise, in einen feierlichen phrygischen Schluß nach Adur, und haben hiermit den Ton, der zu Anfang angestimmt wurde, ausgesungen. Wie Einer den Andern zur Wallfahrt nach Gottes Tempel aufruft, wie sie gemeinsam dahin ziehen, wie die Menge immer mehr anwächst, eine steigende Lebendigkeit und Fülle gewinnt, wie man endlich in die Thore eintritt: das ist bisher verkündet. Ein Hauptabschnitt ist erreicht. Nun steht die Schaar im Heiligthum angesichts des Allerheiligsten und erhebt sich zu einem neuen Liede »O danket, danket Ihm und rühmet Seinen Namen!« Mit dem Tenor unmittelbar in den Schluß des Vorgesanges eingreifend, entfaltet sich hier sein Gegenbild: das Grundgefühl ist dasselbe geblieben, aber die Haltung ist ruhiger, feierlicher, ganz so wie es sich für die ziemt, die vor Gott stehen. Innige Freude und erhabener Ernst ist in diesen Lauten des Dankes, die in reizvollem Wechsel auf und ab schweben, auf eine Weise verschmolzen, welche vollkommen genannt werden muß. Es ist der Grundgedanke jeder religiösen Dichtung, und namentlich der Psalmen, daß dem Aufrufe der Gehorsam, dem Wunsche die Erfüllung werde, denn diese Lieder sind nichts anderes und wollen nichts anderes sein, als Stimmen des vielfach und tief Erlebten. Wenn es also heißt »Gehet ein zu seinen Thoren!« so ist der Dichter selber in fröhlicher Menge schon viele Male eingezogen in diese Thore, und wenn er dann weiter sagt »O danket, danket Ihm!« so bekennt[404] er nur was er in Gottes Heiligthum lebenslang gethan und was er an wunderbarer Hülfe vielfältig erfahren. Aber welche religiöse Stärke und Klarheit und welche Fülle selbsteigner Erfahrung mußte in dem jungen Tonsetzer vorhanden sein, der den Grundgehalt dieser wenigen Worte zu einem solchen musikalischen Hymnus auszubauen im Stande war! Das Dichterische, oder vielmehr das Geistige und Göttliche, wird hier in einem Maaße frei und klar, daß man, in sein Anschauen verloren, alle eigentlich tonkünstlerische Gestaltung vergißt.

Man kann diesen Tonsatz ansehen als eine Motette in zwei Abschnitten, von gleicher Länge und ganz ähnlicher Anlage, durchweg doppelt fugirt, mit einigen freigewählten, nicht durch den Contrapunkt bedingten Eintritten und Gängen untermischt. Händel hat die erste Hälfte davon drei Jahre später in der deutschen Passion von Brockes wieder verwandt:


4. Zweite Reise nach London

4. Zweite Reise nach London

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[405] aber dadurch nur bewiesen, daß das wirklich Vollendete nicht übertragen, nicht einem Fremden angepaßt werden kann, daß es mit dem Grunde, auf welchem es sich erhob, steht und fällt. Zwischen den Psalmworten und der Versicherung der Jünger des Heilandes »Wir alle wollen eh' erblassen, als durch solch' Untreu dich betrüben« mag immerhin eine geringe Verwandtschaft bestehen, auch mag sich die Musik zu der Innigkeit, mit der die Versicherung kundgegeben werden muß, recht wohl schicken; aber dennoch steht fest, daß das Original hier nach allen Seiten abgeschwächt, seines wesentlichen Gehaltes beraubt ist, sowie, daß Händel nur dazu griff, weil die matten deutschen Worte ihn zu nichts Eignem anregten, und weil er dieses Werk in eine Gegend sandte wohin der Schall seines Jubilate nur durch Zeitungsnachrichten gedrungen war. Neben den vielen glücklichen, oft so bedeutungsvollen Umbildungen, von denen Händel's Werke vollere Zeugnisse geben als die irgend eines anderen Tonmeisters, ist auch diese nicht glückliche, nicht geistig begründete sehr lehrreich. Erst wenn man beides, das Gelungene wie das Mißlungene, zusammen hält, läßt sich sein Verdienst und das Vermögen der Vocalmusik ermessen. Höchst auffallend sind hier Winterfeld's Worte. Er sagt von der deutschen Passion: »Händel hat dieses Werk späterhin – man darf es wohl so nennen – zerpflückt wie keines; obgleich er wohl noch in folgenden Tagen zuweilen einen einzelnen Tonsatz der besonderen Beifall gefunden hatte, einem andern Werke ein zweitesmal einverleibt hat. Das Trefflichste aus seiner Passion ist in seine frühesten Oratorien Esther und Debora, auch in seine Anthems übergegangen.[406] So bildet der Chor der Jünger, womit sie den Worten des Herrn ›ihr werdet all' in dieser Nacht euch an mir ärgern, ja, mich ganz verlassen‹ betheuernd antworten: ›Wir alle wollen eh erblassen als durch solch' Untreu dich betrüben‹, den 3ten Satz seines hundertsten Psalms (Jubilate): ›Gehet zu seinen Thoren ein mit Danken‹; so ist der Gesang« u.s.w.10 Nicht die Behauptung von dem Zerpflücken des deutschen Werkes ist es, die mich in Verwunderung setzt – obwohl z.B. aus der Agrippina fast noch mehr entlehnt ist, und schon aus dem bisher Mitgetheilten deutlich geworden sein muß, daß Händel diese Entlehnung und Umbildung von früh an über alle seine Werke ausdehnte, nicht erst später in einzelnen Fällen noch bloßen Beifalles wegen vornahm –, sondern der Beweis für eine solche Behauptung, die Angabe, der Chor sei aus der Passion, die 1716 entstand, in das Jubilate, das 1713 aufgeführt wurde, eingegangen; um so mehr, da Winterfeld auf Seite 56 desselben Bandes das Jubilate nach dem Lexicon richtig in das Jahr 1713 gesetzt hat. Wie vorhin bemerkt ist, verwandte Händel nur die erste Hälfte des Chores für die deutsche Passion, denn den zweiten herrlicheren Theil desselben anderswo zu gebrauchen, ist ihm wohl niemals in den Sinn gekommen. Indem Winterfeld von Allem das Gegentheil angiebt, sagt er uns damit auch, daß er diesen Psalmchor, dessen Kenntniß unser Dasein um ein erhabenes Ideal reicher macht, nicht einmal näherer Untersuchung würdig hielt.

Eingefaßt ist der Chor von zwei kleineren Sätzen für zwei und drei Stimmen. Das Duett, eine außerordentlich kunstvolle Arbeit, geht vorauf mit der Versicherung, daß der Herr Gott ist, daß wir durch ihn und nicht durch uns selbst entstanden, daß wir sein Volk und Schafe seiner Weide sind; die Violinen und eine Oboe, welche sich in canonischer Nachahmung den Sängern zugesellen, machen den Zwiegesang vollständig zu einem Satze für vier Solostimmen. Den Hauptgedanken bildete Händel sich aus seinem Kammerduett A mirarvi io son intento (S. 365), aber nicht nach dem Anfange wo der Gefährte dem Führer erst im vierten Takte und zwar in der Quinte folgt, sondern nach der in den Einklang gelegten Engführung[407] des 21- bis 23sten Taktes. Alles andere weicht ab, selbst diese beiden Takte sind nur soweit ähnlich, daß man sie als Vorlage erkennen kann. Das Kammerduett ist weiter ausgeführt, aber das spätere in seiner gedrungenen Kürze ist doch wohl gehaltreicher, auch sicherlich leichter und angenehmer zu singen, und in jeder Hinsicht eine köstliche Frucht der hannöverschen Studien. Es beweist uns wieder, daß Händel nicht bloß im Ausgestalten des Großen, des Chormäßigen, sondern auch im Vervollkommnen der seinen Steffani'schen Bildchen unablässig weiter strebte. Um das Verlangen des Ohres nach einem sanfteren Mittelsatze zwischen zwei starken Chören zu befriedigen, wählte Händel mit einer Sicherheit, die ihm bei seinen früheren deutschen und italienischen Versuchen noch abging, eben die Texte, welche ihrem Inhalte wie ihrer Fassung nach eine zartere, eine individuellere Gestaltung erheischen: und so sehen wir ihn auch in der sehr schweren Kunst, den Texten poetisch gerecht zu werden, steigend fortschreiten. Das Gesagte läßt sich ebenfalls auf das nachfolgende Terzett anwenden, doch enthält dieses – die Versicherung von Gottes endloser Barmherzigkeit und seiner die Menschengeschlechter überlebenden Wahrheit – schon so viel Pathos und Wärme, daß es nur eines leisen Anhauches bedürfte um in die hellen Flammen des Chores aufzulodern. Mit voller Macht bricht alsdann das »Ehre sei Gott dem Vater Sohn und heil. Geist« herein, achtstimmig gesetzt, aber vielhundertstimmig klingend. Das anschließende Amen führt in einem längeren fünfstimmigen Satze die Dorologie, und damit das ganze Jubilate, den ganzen Friedensgesang feierlich und herrlich zu Ende.

Das Jubilate ist wohl einige Wochen, vielleicht Monate, nach dem Te Deum entstanden. Die Handschrift hat: »S D G | G F Hendel«, läßt uns aber über das weitere rathlos, denn der Buchbinder, der das Manuscript für seinen Pappdeckel zurechtbog, hat das Datum geschickt weggeschnitten; nur von der Zahl 1713 blieb die obere Hälfte, und zwar so weit daß man noch gerade die 3 erkennen kann. Geschrieben ist das Werk für Chorknaben und männliche Sänger, die schon genannten Hughes, Wheely u.s.w.; Frauen, die eben damals in Hamburg anfingen sich die Kirchenchöre zu erobern, haben in England dieses Gebiet erst viel später einnehmen dürfen.

Die Königin bestimmte den 7. Juli '13 für die öffentliche Feier.[408]

Wie der Postbote, eine Londoner Zeitung, noch am 2. Juli meldete, wollte Ihre Majestät in Begleitung des Parlamentes zur Kirche gehen. Aber sie erkrankte und mußte in St. James bleiben. Das Parlament begab sich in Prozession nach der Paulskirche, am Abend war die Stadt erleuchtet, auf dem Wasser brannten prächtige Feuerwerke. Am 16. desselben Monats war die Königin so weit hergestellt, daß sie im Parlamente erscheinen konnte.11 Das Werk ist wohl nachträglich in ihrer Privatcapelle noch einmal gesungen worden. Sie setzte dem Componisten ein Jahrgehalt von 200 Pfund aus, obwohl seine Dienstverhältnisse zu Hannover ihr nicht unbekannt waren12; das einzige Beispiel in diesen Jahren, daß sie einer mit dem Hofe von Hannover in Verbindung stehenden Person eine Wohlthat, oder nur gerechte Belohnung zu Theil werden ließ. Aber die Künstler besitzen ja das Vorrecht außer dem politischen Ringe zu stehen. Ein Glück für Händel, daß man ihm diesen freieren Spielraum gewährte, denn seiner eigentlichen Dienst- und Unterthanenpflicht hatte er mit dem Te Deum gänzlich zuwider gehandelt; die geziemende Zeit, die sein Urlaub gewährte, war überschritten. Colman schweigt von der Friedensfeier, die ganze Partei der Whigs hielt sich grollend von aller Festlichkeit fern. Hier müssen wir auf die Lage der öffentlichen Angelegenheiten einen Blick werfen. Der Sohn des vertriebenen Königs Jakob II. und Bruder der Königin Anna, Jakob der Prätendent genannt, war nebst seinen Nachkommen von der Thronfolge ausgeschlossen. Er saß in Lothringen, auf günstige Gelegenheit wartend, dem Papste und Frankreich vertrauend, und ließ die Jesuiten mit seinen Freunden in Schottland Irland und England für seine Zurückführung wirken. Anna zu vertreiben war unmöglich, bei ihrer zunehmenden Kränklichkeit auch unnöthig. Nun lauerte alles auf ihren Tod. In den ersten Jahren ihrer Regierung ließ sich die Königin von den Grundsätzen ihres Vorgängers Wilhelm III. leiten, England und Schottland wurden vereinigt, und Marlborough's Siege umstrahlten ihr Regiment. Aber nach und nach gewann die Neigung zu den verbannten Verwandten bei ihr die Oberhand, und[409] nun kam 1710 ein Ministerium an's Ruder, wie es in England kaum jemals schlechter gewesen ist. Es wurde den Franzosen leicht gemacht, alles das durch Unterhändler wieder zu gewinnen, was sie im Felde verloren hatten; man ging in der Ehrlosigkeit, in der Verwahrlosung des Volkswohls so weit, daß ein englischer Geschichtschreiber der Zeit mit Recht sagen konnte, die Friedensbedingungen müßten schlecht genannt werden, auch wenn England ebenso viele Niederlagen erlitten hätte, als es Siege erfocht. Die Verbündeten auf dem Festlande wurden verrathen, einige der schwächeren, namentlich die edlen Catalonier, einem grausamen Schicksal schamlos überliefert. Die Schuld der englischen Minister, Bolingbroke und Harley, ist um so größer, da jeder wußte, daß Frankreich in die Nothwendigkeit versetzt war, viel bessere Zugeständnisse gewähren zu müssen. Die Königin war gutmüthig, aber höchst schwach, kleinlich und engherzig, daher ganz geschaffen sich durch Intriguen beherrschen und von irgendeinem Günstling blindlings leiten zu lassen; so eng war ihr Herz, bemerkt der boshafte Swift, daß es zur Zeit nur für Einen Raum hatte. Jemehr ihre Abneigung gegen das Haus Hannover sich in bitteren Haß verwandelte, desto williger entschloß sie sich zu Hülfsleistungen, welche dem Prätendenten seine dereinstige Wiedereinsetzung erleichterten. Daß sie in der Verletzung der Reichsgesetze noch weiter ging, noch offner handelte, verhinderte ihre natürliche Furchtsamkeit. Aber in der Verletzung des Anstandes ging sie schon so weit als möglich, wenn der Bänkelsänger Tom D'Urfey, dieser unverbesserliche fröhliche Sünder, ihr Spottlieder auf die hochbejahrte edle Churfürstin Sophia von Hannover reimen und vorsingen mußte, gegen noch bessere Bezahlung als dem Te Deum-Componisten zu Theil wurde; für das eine welches anfängt »Die Kron' ist zu lastig für Schultern von Achtzig (The crown is too weighty for shoulders of eighty)« zahlte sie 50 Pfund! Sie war Protestantin; und mit einem Erfolge, den man sonst nur bei katholischen Regenten gewohnt ist, konnte ihr durch Vorhalten der Religionspflichten das Gewissen geschärft, oder richtiger eingeschüchtert werden: hierdurch ist manches schlechte Unternehmen gehemmt, was ihr zum Lobe gereicht, mag auch ihr persönliches Verdienst dabei noch so gering sein. Ganz ohne Gewissen, und gar ohne religiöses, waren dagegen ihre Minister, der[410] schlaue Harley und der hochbegabte Bolingbroke. Um sich in der Gewalt zu erhalten, verabredeten sie mit Frankreich und den Jesuiten einen förmlichen Operationsplan, nach welchem in aller Stille gehandelt wurde. Die Spione des Prätendenten schrieben immer hoffnungsreicher. »Der Hauptpunkt wird der sein«, heißt es in einem dieser Schreiben, am 18. August '13, also kurz nach dem Friedensfeste unterzeichnet, »Herrn Albert [Königin Anna] zu überreden, obgleich ich meine, daß diese Herren [die Minister], wenn sie es wirklich ehrlich meinen, die stattgefundene Eröffnung festhalten, oder irgend eine andere auffinden sollten. Es ist eine lange und schwere Arbeit, den ganzen Vorschlag in einem Briefe zu entwickeln, doch Folgendes ist das Wesentliche: Herr Raucourt [der Prätendent] muß bei Herrn Albert an demselben Tage erscheinen [in England landen], an dem Herr Puisieux ankommt [das Parlament eröffnet wird], und Herr Albert muß dann Herrn Cassel [dem Hause der Lords] und Herrn Canaple [dem Unterhause] gemeinschaftlich einen Bericht über seine Verständigung mit Herrn Raucourt erstatten und seinen Wunsch nach dem Beitritt beider aussprechen. Ich glaube die Ueberraschung würde so groß sein, daß keiner der beiden Herren Nein sagte, und ich zweifle nicht, daß Herr Arthur [das englische Volk], der sehr wankelmüthig ist, auf die Sache sofort mit derselben Freude eingehen würde, welche er früher bei gleichen Gelegenheiten bewiesen hat, davon garnicht zu sprechen, daß Herrn Raucourt's Zusammensein mit Herrn Albert die Sache vollständig entscheiden würde. Dieser Weg dürfte die Sache leichter zur Entscheidung bringen, als wenn man mit Horne [dem Churfürsten von Hannover] vor Gericht geht, oder sich abmüht Herrn Puisieux [das Parlament] zu gewinnen, der oft schlechter Laune ist und schwer in die rechte Stimmung gebracht werden kann.«13 Der Prätendent hatte die meisten Schotten und Iren für sich. Ebenfalls der englische Landadel war größtentheils auf seiner Seite, beschränkte sich auch die Parteinahme dieser Edlen fast nur darauf, daß sie bei Tafel, wenn auf das Wohlsein des Königs angestoßen wurde, die Gläser über die Wasserflasche weg schwenkten, womit sie sagen wollten: des Königs jenseit des Wassers! Die Minister hatten es mit[411] Hannover für immer verdorben und konnten, sobald ein entscheidender Schlag geschah, von den jakobitischen Irrpfaden nicht wieder zurücklenken. Man sage also, ob die Whigs nicht Recht hatten, wenn sie die protestantisch-hannöversche Thronfolge und alle Volksrechte, die daran hafteten, für gefährdet hielten.

Gewiß ist es durch Mancherlei zu entschuldigen, daß Händel hier in Ruhmbegier und Künstlerdrang von seiner gewöhnlichen Vorsicht abwich. In Hannover war schier nichts mehr für ihn zu thun, die Stimmung war dort durch die Besorgnisse, welche die englischen Händel erweckten, so unmusikalisch wie möglich geworden, und für den Künstler schien nichts räthlicher zu sein, als still sitzen zu bleiben wo er gerade saß, bis sich das Gewitter nach irgend einer Richtung hin entladen hatte. So dachten auch Händel's Freunde, die doch meistentheils eifrige Whigs d.h. Anhänger der hannöverschen Erbfolge waren. Aber weil sie nebenbei den lebhaften Wunsch hegten, ihn zu befördern und um jeden Preis in England zu behalten, ermunterten sie ihn zur Verherrlichung einer Feier, die ihnen doch so verhaßt war; sie waren also partheiliche Rathgeber, daher hätte er hier sich selber rathen sollen. In schwierigen Lagen das Gewissen rein halten, geht doch über alles, und Dienstpflichten sind erst dann recht bindend, wenn ihre Ausübung eben durch den Sieg über erschwerende Hindernisse Werth haben kann. Ich traue Händel natürlich nicht zu, daß er die Absicht hatte sich unter allen Umständen in England zu halten, aber glaube ihm vorwerfen zu können, daß er sich hier über seine Pflichten zu Hannover zu leicht hinweg setzte. Selbst bei den allerunschuldigsten politischen Kenntnissen, die man ihm gern zutrauen wird, konnte er doch in jedem Kaffeehause erfahren, was sein Churfürst zu dem sogenannten »sicheren und ehrenvollen Frieden« denken mußte. Vielleicht hält man seine Verpflichtungen als hannöverscher Capellmeister nicht für erheblich, oder nicht für so ausgemacht, weil die gangbaren Erzählungen noch durch keine anderweitige Urkunden bestätigt sind. Aber Händel war es selber, und war es allein, der diese Erzählungen in Umlauf setzte. Schon daraus erhellt ganz deutlich, daß er in seinem Betragen späterhin ein Vergehen erblickte und aufrichtig um Verzeihung bitten ließ: hierin haben wir wieder ganz den offnen geraden Händel. Oder wollte man einwenden, daß[412] ein musikalisches Meisterwerk, unter mißliebigen Verhältnissen vollendet, der Nachwelt doch wohl mehr werth sein müsse, als eine völlig unfruchtbare Gewissenhaftigkeit, so blicke man eine kleine Strecke vorwärts. Nur ein Jahr noch währte es, da starb Königin Anna, Churfürst Georg bestieg den Thron, man sang wieder Loblieder, keiner hätte dem Händel die Composition streitig gemacht. Aber nun mußte er sich verkriechen. Würde denn nicht, ganz abgesehen von früheren hannöverschen Dienstverpflichtungen, eine ungleich höhere Bedeutung darin liegen, wenn Händel schon seine erste englische Kirchencomposition für die Thronbesteigung des Geschlechts gesetzt hätte, unter dem England groß frei und glücklich geworden ist, und dem späterhin seine Töne in Freud und Leid immer zu Gebote standen? Dies war doch wirklich ein Ereigniß, welches Freude und Dank gegen Gott hervorrufen konnte. An dem Frieden dagegen, der hier in unvergänglichen Tönen erhoben wurde, war alles schlecht, ausgenommen sein Name und Händel's Musik.

In Folge freundschaftlicher Einladung wohnte Händel die ersten Monate, beinah ein Jahr hindurch, bei einem Herrn Andrews von Barn-Elms in Surrey, einem reichen Musikliebhaber, der auch in London ein Haus hatte.14 Bis nach Aufführung des Te Deum, bis Mitte oder Ende Juli, mußten sie in der Stadt bleiben, den Sommer und Herbst werden sie auf dem Lande zugebracht haben.

Die vorjährigen Wirrsale müssen ihm die dortige italienische Oper so verleidet haben, daß er sich im ganzen folgenden Jahre nicht wieder damit befassen mochte. In der Saison 1713/14 ist keine einzige Oper von ihm gegeben, weder eine alte noch eine neue. Man behalf sich mit Backwerken, die auch recht gut zogen.

Um diese Zeit wurde der neue Palast des Grafen von Burlington der Versammlungsort aller ersten Künstler Londons. Der Graf war ein uneigennütziger und weitherziger Mäcen. Er war in Italien gewesen und suchte es nachzuahmen. Auf wiederholte dringende Einladungen zog Händel endlich zu ihm nach Piccadilly, in eine damals noch so reizend ländlich gelegene Wohnung, daß König Georg I. den Grafen fragen konnte, warum er so weit in's Feld hinein[413] gebaut habe. Burlington erwiederte: als ein Freund der Einsamkeit habe er sich einen Platz wählen müssen, wo niemand neben ihm bauen könne. Jetzt gehört Piccadilly zu den belebtesten und vornehmsten Stadttheilen Londons. Von den vier Jahren, die Händel diesmal in England zubrachte, verlebte er das erste bei Mr. Andrews, die drei folgenden bei Burlington. Der Aufenthalt in Burlington-House war fast in jeder Hinsicht eine Fortsetzung des ungezwungenen fröhlichen Lebens bei dem Römer Ruspoli und in Neapel. Hier sah er Alexander Pope, der das feinste Ohr hatte für Rhythmus und Wohlklang des Verses, aber gar keines für die Musik; John Gay, der ihm das schöne englische Pastoral Acis und Galatea dichtete; Dr. Arbuthnot, der sein enthusiastischer Verehrer und treuer Schildknappe wurde; und viele Andere mehr. Pope, dessen Meinung sich mitunter ebenso derb äußerte, als sie sich für gewöhnlich hinter zweideutigen Ausflüchten versteckte, bekannte einmal, nachdem er einige der feinsten Clavierstücke von Händel hatte vortragen hören, sein Ohr nehme sie mit derselben Gleichgültigkeit hin, als die Melodien der Straßenballaden. Der Componist war ihm aber unzweifelhaft ein Phänomen, das er erklärt wünschte, ein Genie, obwohl aus Deutschland gekommen. Er fragte daher den Arbuthnot, von dessen musikalischen Einsichten er keine geringe Idee hatte, nach seiner eigentlichen Meinung über Händel. »Macht euch von seinen Fähigkeiten die denkbar höchste Vorstellung«, sagte der Enthusiast, »und ich bin sicher, sie überragen alle eure Vorstellungen.«15 Die Hauptglieder dieser einzigen Tisch- und Kunstgesellschaft werden weiterhin in Händel's Leben noch oft wieder auftauchen. Sein Clavierspiel war eine stadtkundige Zierde des Grafensitzes. Gay besang die Schönheiten der damaligen Stadt London, Straße um Straße, und fand dabei den Weg nach Burlington-House so leicht wie ein Trinker den Krug, den Weg nach den hohen grauen Mauern und dem niedrigen bequemen Musensitz dahinter, außen Ebenmaaß, innen Schönheit, ein italienischer Palast im Norden, wo die Wände in Gemälden lebten, wo Händel durch Saitenrühren die Seele rührte, wo alle Musen fröhlich rasteten, wo auch der Dichter oft und gern[414] einkehrte.16 An allgemein bildendem Umgange stand der Aufenthalt bei Burlington nicht hinter dem in Italien zurück, und er schulte den Tonsetzer für die große englische Gesellschaft, in welche dieser bald eintreten sollte; aber eine bedeutende Aufmunterung zu künstlerischem Schaffen vermochte er nicht zu geben. In dieser Hinsicht muß man ihn vielmehr ansehen als eine Zeit der Ruhe, die alle Schönheiten und Annehmlichkeiten des Lebens in sich schloß, nur keine Funken zur Gestaltung origineller Tonwerke. Man weiß von Werken, die Händel in diesem Hause gemacht hat, aber nicht von solchen, die er für dieses Haus gemacht hätte. Bei genauerer Nachsuchung darf man die Erneuerung einiger italienischen Cantaten, die Composition einiger anderen zu italienischen Texten, einige Duette und sogar eine italienische Oper in diese Umgebung verlegen. Aber das alles wird nur dazu dienen, das Leben bei Burlington um so mehr noch als einen Nachklang der italienischen Zeit erscheinen zu lassen. Die kleine Oper heißt


Silla. Um 1714.

Sie ist in mehrfacher Beziehung eine Merkwürdigkeit, und für den Biographen ein Problem. Kein Schriftsteller nennt sie, ja in Abschriften läuft sie unter fremdem Namen um. Das British Museum bewahrt eine Copie davon aus Hawkins' Nachlaß »Sylla an Opera by Gio. Bononcini«;17 eine reine Abschrift, die sich von Händel's Manuscript, soweit es erhalten ist, und von der reinlichen Abschrift im Buckingham Palast nur durch Schreibfehler unterscheidet. Man[415] denke aber nicht, daß hier ein Fall vorliege ähnlich dem Magnificat von Erba. Händel's Handschrift sieht genau aus wie die seiner sonstigen Opern; ich habe keinen Augenblick gezweifelt, daß darin der erste Entwurf einer Originalcomposition bewahrt ist, mich aber später, als mir das Exemplar im British Museum vor Augen kam, noch um andere und für den Leser überzeugendere Beweise bemüht. Die Arie der Metella »Fuggon l'aure«, die zweite in der Oper, ist aus der dritten Arie der Rinald-Cantate (Forse ch'un giorno il Dio d'amore) genommen, nicht ohne sichtliche Correcturen. Es finden sich noch andere Entlehnungen und Anklänge, doch muß schon der eine Satz die Sache vollständig entscheiden. Die Musik hat durchaus Händel's Styl, aber seine starken hohen Züge fehlen. In der ganzen Oper findet sich nichts was wahrhaft groß genannt werden könnte, obwohl viel Schönes; das Duett »Sol per te bel Idol mio« ist in sich so vollkommen, wie er es in Italien noch nicht hätte machen können. Für eine öffentliche Bühne bestimmt, wäre das Werk schwach, nicht in einzelnen mißlungenen Sätzen, sondern in der Gesammthaltung. Ganz anders stellt sich das Verhältniß, wenn es auf Burlington's Liebhabertheater abgesungen wurde, nicht von großen geschulten Sängern, sondern von den Damen und Herren des Hauses und der Bekanntschaft, von Stimmen wie sie unser Herrgott noch alle Tage wachsen und durch Gesanglehrer wieder ruiniren läßt. Man begreift daher sehr wohl, warum Händel die Oper niemals auf das italienische Stadttheater brachte. Den Kern derselben hat er in seine nächstfolgende öffentliche Oper Amadis verarbeitet, aber in Theseus, Pastor fido und Rinald findet man nichts daraus entlehnt: dies ist die Stütze für die Annahme, Silla sei zwischen Theseus 1713 und Amadis 1715, also um 1714 entstanden, und daraus ergeben sich die weiteren Schlüsse; bestimmte äußere Zeugnisse, wie gesagt, fehlen gänzlich. Papier und Handschrift weisen auf die früheste englische Zeit hin.

Hier saß Händel nun, es dem Geschicke überlassend, wie lange er hier noch sitzen sollte; an Heimreise dachte er nicht, er fürchtete sich vielleicht vor der Seekrankheit und in Hannover vor einem nassen Jahr. Bei Burlington vervollkommnete er sich auch noch im Essen und Trinken, und faßte zu den Tafelfreuden Englands eine entschiedene[416] Vorliebe, aufgemuntert durch das Beispiel großer Autoritäten; selbst die Königin that hierin des Guten zu viel, und als sie ihren Minister Harley, Grafen von Oxford, entließ, war einer ihrer Gründe der, daß er oft angetrunken in ihren Rath komme. Die Stimmung zwischen der Königin und ihren gesetzlichen Nachfolgern wurde immer gereizter. Hauptsächlich in Folge eines bitteren Briefes von Anna starb die Churfürstin Sophia, vom Schlage gerührt, am 28. Mai (7. Juni) '14 im Garten zu Herrenhausen, reich an Ruhm und an Jahren, aber ohne die Grabschrift die sie sich so sehnlichst gewünscht hatte »Hier ruht Sophia, Königin von England«. Auch für ihr Haus schien jetzt die Hoffnung auf den Thron mehr und mehr zu schwinden, oder doch von dem Ausgange eines blutigen Bürgerkrieges abzuhängen. Die Jakobiten arbeiteten an ihren Plänen mit Macht, freilich ohne Einigkeit und nur auf den schlechten Theil der menschlichen Natur bauend. Aber das Schicksal arbeitete schneller und unterhöhlte ihr Werk. Als alle Anhänger des Prätendenten aus Eigennutz der Königin noch ein Jahr zu leben gönnten, da plötzlich starb sie am 1. August Morgens um 7 Uhr im 50sten Lebensjahre, nur zwei Monate nach der Churfürstin. Um 4 Uhr Nachmittags wurde Georg von Hannover als König ausgerufen, die jakobitischen Agenten, verwirrt und muthlos geworden, ließen sich von der neugierigen, Beifall schreienden Menge mit fortdrängen. »Nie vielleicht wurden die gegründetsten Berechnungen verständiger und nachdenkender Männer so durchaus und so zum Glück der Menschen getäuscht, wie bei dem Tode der Königin Anna. Sieht man auf den zerrütteten Zustand der Parteien in England, auf den Sturm von Unzufriedenheit der in Irland und Schottland auszubrechen bereit war, erinnert man sich, daß alle katholischen Mächte aus religiösen und viele protestantische aus politischen Gründen gegen die protestantische Thronfolge waren, daß Frankreich Spanien und Italien den Prätendenten so stark begünstigten, als sie durften, daß der Kaiser wegen deutscher Eifersüchteleien den Churfürsten nicht gern auf dem englischen Throne sah, daß den letzteren bloß die erschöpfte Republik Holland und das noch in der Wiege liegende Königreich Preußen unterstützten, faßt man ferner das Genie Bolingbroke's und seinen Einfluß auf die Königin in's Auge, so wird man sagen müssen, daß[417] von dem Hinscheiden der letzteren nichts als eine Periode heftiger Kämpfe und eines zweifelhaften Sieges erwartet werden konnte. Allein die geschickte Einmischung Shrewsbury's und die klugen Maaßregeln des Geheimenraths wendeten den vermutheten Zusammenstoß ab, und kein Sohn mit dem besten Rechtsanspruch und in den loyalsten Zeiten hätte seinem Vater mit mehr scheinbarer allgemeiner Bewilligung und Ruhe folgen 'können, als jetzt ein fremder und unbekannter Fürst als König von England begrüßt wurde. An der Thronbesteigung der Familie Hannover, das ist meine feste Ueberzeugung, hing die Sicherheit unserer Gesetze, unserer Gerechtsame, unserer Religion, die Sicherheit von allem was wir lieben und ehren. Trotz mancher Rückfälle war die Sache des Hauses Hannover unzweifelhaft die Sache der Freiheit, und die Sache der Stuarts die Sache des Despotismus.«18 Am 18. September landete Georg in Greenwich, am 20sten hielt er seinen Einzug in London. Es war ein sehr schöner Tag, sagt Colman. Erst am 20. October wurde der König in Westminster gekrönt. Der Tag war ebenfalls schön bis in die Nacht, die vorigen und folgenden waren regnicht, was allen denen, die sich dieser Thronbesteigung freuten, sehr zur Erbauung gereichte. Auch die Theater regten sich, aber Händel saß still. König Georg hatte jetzt ein besonderes Unglück mit seinen beiden besten Musikern; der eine beleidigte ihn durch seine Zurückhaltung, der andere durch seine Zudringlichkeit. Als er seine Stammlande verließ, gerührt durch vielfache Beweise von Anhänglichkeit, drängte sich auch der Concertmeister Farinelli herbei mit einer Composition des biblischen Textes »Herr gedenke mein wenn du in dein Reich kommst«. Er wollte es recht witzig machen, aber der König nahm eine solche Auslegung der Schrift sehr ungnädig auf,19 hatte indeß in den Wirren der politischen Verhältnisse und bei seiner großen Musikliebe die kleinen Abschweifungen der Musikanten bald wieder vergessen. Händel durfte nicht bei Hofe erscheinen, aber man ließ ihm in der Stadt freien Spielraum. Bald nach Eröffnung des Theaters wurde Rinald neu in Scene gesetzt und[418] zehnmal hintereinander gegeben. Die Anwesenheit Nicolini's und anderer Kräfte von Bedeutung nebst den zahlreichen vornehmen Besuchern ermöglichten prächtige Vorstellungen. Einige Mitglieder der königlichen Familie waren fast jeden Abend im Theater, namentlich der Prinz und die Prinzessin von Wales, Georg II. und Karoline, hörten Händel's berühmte Composition und sahen ihn selbst vom Flügel aus dirigiren. Die Oper unter Heidegger hatte ein gutes Jahr. Das englische Drama wurde vom Hofe viel weniger begünstigt; wie sollte es auch, da der König nicht einmal Englisch verstand und von allen Künsten nur die Musik allein liebte! Händel setzte noch Ausgangs dieser Saison ein neues Werk


Amadigi. 1715.

Amadis und Oriana sind Rinald und Almirena; die Zauberin Melissa ist Armide; Ritter Dardanus gleicht Argantes, ist zwar von Natur weniger fürchterlich angethan, muß aber sterben um als Geist wieder zu erscheinen, wodurch er dem Zauberer im Rinald doch wohl den Vorsprung abgewinnt. Es war auch nöthig, jede Person so reich und eigenthümlich als möglich auszustatten, denn nur aus diesen vier Personen besteht die Oper. In Hamburg 1717, wo sie Oriana hieß, steckte man drei neue Figuren hinein, ein ernsthaftes Paar und den »lustigen Diener« Diego, der Zoten reißt und die Zaubereien travestirt. Das Beiwerk an Tänzen Zaubereien Verwandlungen Decorationen und Poltereien ist zum Theil noch reicher als im Rinald, so reich, daß man den Subscribenten nicht mehr gestatten konnte auf der Bühne Platz zu nehmen, machte sich auch durch großen Zulauf wohl bezahlt. Amadis ist viel mehr, als Theseus, dem Rinald nachgedichtet, aber auch viel glücklicher. Von Hill's Musterkarte schien man garnicht abkommen zu können. Im Ganzen steht Amadis dem großen Vorläufer selbständig zur Seite, stellenweise übertrifft er ihn sogar. Namentlich die liebende Zauberin ist hier tiefer angelegt, denn nichts von dem, was Armide singt, kommt der Arie der Melissa »Ah spietato e non ti muove« gleich, selbst nicht die an Inhalt ganz ähnliche »Ah crudel«. Schon der Aufbau ist viel klarer, Singstimme und Oboe führen ein Gespräch, das Quartett begleitet. Es ist ein Satz ersten Ranges, bei dem man recht deutlich sieht, wie Händel[419] sich mit jedem Schritte weiter in die Tiefen der Leidenschaft hineinarbeitete. Ich möchte aber behaupten, der Meister sei hier im Ernsten und Hohen etwas zu weit gegangen, und die Wahrnehmung, daß er bald nachher die große Arie »Die ihr Gottes Gnad' versäumet« in der Passion ganz ähnlich anlegte, dürfte meine Meinung bekräftigen. Als Oriana sich des Zusammenseins mit dem Geliebten erfreut, in zauberhafter Umgebung freilich, singt sie die Siciliana »Ihr Freuden kommt in meine Brust weil alles Leid verschwunden (Gioie venite in sen)«, die sich über die Sperlingsmusik im Rinald ebenfalls weit erhebt, schon in der Form. Es ist ein Gesang voll Leben und Freude, mit äußerst seiner sinnvoller Coloratur, eine der schönsten Sicilianen die je geschrieben sind. So urtheilt schon Burney, der weiter noch die durchsichtige, den Gesang leicht umkleidende Begleitung rühmt, Eigenschaften also, durch welche die Melodie bald populär und ein Liebling großer Sänger geworden sein müßte, hätte sie nicht bisher in Händel's Manuscript begraben gelegen.20 Dort liegt sie denn auch jetzt noch, in guter Gesellschaft freilich, aber nutzlos für uns. Die Oriana wurde von Miß Robinson gesungen. Amadis (Nicolini) antwortet ihr in der leichten frischen Arie »E si dolce il mio contento«, nach der getanzt wurde. Als er sich entfernt, ruft sie ihm nach »O caro mio tesor«; auch dies ist eine der ersten Arien der Oper, eigenthümlich durch den Rhythmus, und reich im Tongange bei aller Einfachheit. Der Satz aus Silla »Jo non ti chiedo« ist hier verarbeitet. Aber ihren Hauptgesang hat Oriana erst im zweiten Act, in der Scene wo sie den Amadis wie todt zu ihren Füßen erblickt; nun ihr Idol todt sei, singt sie, wolle sie auch nicht länger leben (S'estinto è l'Idol mio). Das Grundgefühl ist das von »Cara sposa« und »Ombra cara«, aber es ist hier eine andere, man könnte sagen weibliche Gestaltung eingegangen, obwohl ebenbürtig an Tiefe und Größe. Wir brauchen also kaum noch zu sagen, daß die Arie zu Händel's ersten Operngesängen gehört. Bei aller Aehnlichkeit in den Kunstmitteln ist sie doch noch einfacher angelegt, als »Cara sposa«, dürfte daher, einmal erst bekannt geworden, auch eine größere Beliebtheit gewinnen. Aus den Schlinggewächsen der italienischen[420] Operntexte, in denen die Vernunft gefangen liegt, heben sich diese wundervollen Gesänge als Wahrzeichen des Reinen und Edlen hervor. Auch der folgende ist eine solche Blume des Gesanges. Als Oriana sich selbst tödten will, erwacht Amadis aus dem Zauberbann, weist sie aber von sich, weil er sie untreu glaubt, wehmüthig betheuernd, daß er sie wie sein eigen Herz geliebt habe (T'amai quant' il mio cor). Die langsame Melodie des Vordersatzes ist wie ein Volkslied einfach schön, und könnte noch heute ein solches werden, wenn sich die rechten Worte fänden. Auch dieses Stück, dürfen wir hoffen, wird man über kurz oder lang allgemein wieder singen und bewundern. Der unglückliche Liebhaber Dardanus beseufzt die großen Schmerzen, die sein Herz leide, in einer Sarabandenmelodie (Pena tiranna), bei deren Erfindung dem Tonsetzer offenbar »Lascia ch'io pianga« aus Rinald vorstand. Durch die Benutzung der Mittel, welche bei dem Vorgänger bescheiden in den Hintergrund traten, durch kunstreich mitwirkende Instrumente, ist sie aber doch so neu und selbständig geworden, als bei der Gleichheit des Grundes nur möglich war. Die Begleitung vereint Fülle und Kunst: sie besteht aus drei Violinen, Viola und Baß, im ersten Theil ohne, im zweiten mit Cembalo; Oboe und Fagott concertiren. Die Gesänge des kurzen dritten Actes sind fast alle aus der Operette Silla geschöpft. Der erste (Dolce vita del mio petto), in welchem Oriana sich glücklich schätzt für Amadis sterben zu können, enthält fast Takt um Takt die süße Musik, die Flavia in Silla zu »Un sol raggio di speranza« singt. Noch mehr gilt dies von dem dritten Satze, einem Duett zwischen Amadis und Oriana »Cangia al fine il tuo rigore«, in Silla »Sol per te bel Idol mio« anhebend, der außer Text und Tonart nur wenige, freilich sehr lehrreiche Aenderungen erlitt. Wie uns Burney mittheilt, hatte man den schönen Zwiegesang noch 1758 nicht vergessen, wo er in der Oper Solimano abgesungen und darauf gedruckt wurde.21 Beide Stücke sind von Bedeutung, namentlich das Duett, und beider wegen ist es durchaus nöthig, Händel's Autorschaft von Silla festzustellen, denn eine Entlehnung solcher Art ist nur bei eigenen Werken zulässig, bei fremden greift sie unzweifelhaft[421] über das Gebiet des Erlaubten hinaus. Dagegen ist die Verwandtschaft zwischen dem Redegesange des Geistes von Dardanus »Han' penetrato i detti tuoi« und der kleinen Strophe in Silla »Se 'l mio mal da voi dipende« so gering, daß man nur mit Mühe die Unterlage erkennt. »Wenn also mein Leiden von euch abhängt, warum, ihr Götter, verhindert ihr es nicht« singt Claudius in Silla. »Auf dein Zauberwort«, sagt Dardanus' Geist zu Melissa, »komme ich aus der Unterwelt, dir zu sagen, daß die gerechten Götter zwei Herzliebste gegen dich schützen wollen, und dir zu befehlen, von den Martern, die wir ihnen lange bereitet, endlich abzulassen.« Die Worte sind nicht verschiedener als die Töne; nur die Grundgänge behielt er aus Silla bei, die Melodie ist in der Singstimme wie in der Begleitung völlig neu herausgewachsen. Der Form nach ist das, was der Geist singt, ein Mittelding zwischen Lied und obligatem Recitativ, eine eindringliche musikalische Rede, die fremdartig und sehr ergreifend wirkt. Melissa hört die Botschaft in Verzweiflung und ersticht sich. Sterbend nimmt sie Abschied von ihrem Helden, den sie vergebens liebte. Ihr »Addio crudo Amadigi« leitet unmittelbar in ein kurzes Largo (Jo già sento l'alma in sen'), das auch aus Silla (Sei già morto Idolo mio) stammt. Dieser Uebergang in eine so schöne pathetische, einfache Melodie ist überraschend, die Töne verhauchen wie die Seufzer einer Sterbenden. So stirbt Melissa, rührend und bedeutend, geadelt durch ihren letzten Aufschwung, von den Ueberlebenden bemitleidet. Die Oper ist genau zur Hälfte tragisch, weil zwei sterben mußten, damit die beiden andern glücklich leben konnten. Zum Schlusse bricht die Freude durch, der letzte Chor ist ein prächtiges Tanzlied. Das ganze Werk ist sorglicher und gleichmäßiger gearbeitet als Rinald, schon im Entwurf weniger weitschweifig, dabei für die Schaulust noch unterhaltender; man bewunderte besonders den Wasserfall, der vielleicht nicht hinter dem, was Schott früher in Hamburg versucht hatte, zurückstand. Burney nennt es geradezu »eine Production, in welcher mehr Erfindung, Abwechslung und gute Composition enthalten ist, als in irgend einem von Händel's musikalischen Dramen, die ich doch sorgfältig und kritisch untersucht habe.«22 Kann man auch diesem Urtheil,[422] nach welchem Amadigi gewissermaaßen obenan stehen würde, nicht beitreten, so ist doch kein Zweifel daß er unter Händel's Opern in erster Reihe steht.

Das Textbuch hat ein Graf dem andern, der Director Heidegger dem Lord Burlington zugeschrieben, dessen Protection, wie es in der Dedication heißt, dieses Werk um so mehr in Anspruch nehmen dürfe, »weil es in Ihrer eignen Familie componirt ist.«23 Es ist kein Dichter genannt und Heidegger gebehrdet sich als Autor; er mag, wie früher Hill, den Plan entworfen, Rossi oder Haym mag ihn ausgeführt haben. Vielleicht benutzten sie einen italienischen Text, doch ist mir kein ähnliches Stück bekannt geworden; für alle Fälle bleibt ihnen das Verdienst, in einer günstigen Zeit die rechten Mittel getroffen zu haben, mit denen sich auf ein englisches Publikum wirken läßt. Am 25. Mai war die erste Aufführung, die Saison schloß erst am 23. Juli. Das Parlament blieb länger als gewöhnlich beisammen, um der Regierung in der drohenden Gefahr zur Seite zu stehen. Manche Mißgriffe der neuen Verwaltung verstärkten den jakobitischen Anhang, der endlich im Spätherbst dieses Jahres in Schottland die Fahne des Prätendenten aufpflanzte. Die Aufrührer hatten mancherlei Hülfsquellen und fanden die Regierung nur schwach beschützt; wie furchtbar hätte die Empörung werden müssen, wenn König Ludwig XIV. nur noch ein halbes Jahr länger gelebt und Marschall Berwick die Expedition geleitet hätte! Aber so war es überall in dem Kampfe der Häuser Stuart und Hannover: Zwietracht und Unglück waren die ärgsten Feinde des Prätendenten, die stärksten Verbündeten des neuen Königthums. Alle Glücksterne schienen nur für Hannover zu leuchten, alle Mißgeschicke sich auf die entgegengesetzte 'Seite werfen zu wollen. Die Schiffe der Jakobiten mit Mannschaft Waffen und Geld wurden gefangen, vom Sturm zerschmettert oder sonstwie gehindert. Die königl. Familie Hannover hätte auf Fischerböten die Fahrt nach England wagen können. Sie schleppte Alles mit hinüber, selbst einige der bis dahin in England unbekannten braunen Ratten und die vielen gierigen Höflinge, von den Engländern mit bekannter Derbheit insgesammt Hannover-Ratten genannt. Unter den dicken Maitressen[423] Georg's I. war es namentlich die »gute« Herzogin von Kendal, geborne Herrengard Melusina von Schulenburg aus dem Braunschweigischen, welche Ehre und Gunst des Königs in Pfunden aushandelte und gegen einen Shilling mehr oder weniger durchaus nicht unempfindlich war. Es beleidigte die stolzen Engländer, daß ihr König sich mit Deutschen umstellte, daß er in dem neuen großen Reiche noch die enge Churfürsten-Politik fortsetzen wollte, und ihr vorübergehendes Schmollen verstärkte das jakobitische Lager. Doch Jakob war kein Held, überhaupt kein geistig bedeutender Mensch, daher ließ sich die Empörung bald dämpfen. Es kamen einige Hinrichtungen vor, die Theater feierten in der ganzen zweiten Hälfte des Jahres 1715. Aber am 1. Februar '16 begann die italienische Oper ihre Vorstellungen wieder, die am 12. Juli mit Amadis schlossen, einiges Neue brachte, doch von Händel nur das Bekannte, ausgenommen das vierte Oboenconcert in Fdur, welches am 13. Juni in Amadis gespielt, und vielleicht erst für diesen Zweck, vielleicht auch schon in Hannover geschrieben wurde.

In den Parodien, die auf Amadis gemacht wurden, haben wir einen gültigen Beweis von dem Zulauf den er fand, aber auch von dem noch fortdauernden Zwist zwischen Oper und Drama. John Gay schrieb sein Wie-nennt-man-das-Ding und nannte es eine tragikomische Pastoralfarce mit der Versicherung, Tragikomödien habe man bisher wohl geschrieben, aber das Verdienst, eine solche Pastoralfarce auf die englische Bühne gebracht zu haben, nehme er für sich in Anspruch. Es war sicherlich das geringste seiner Verdienste. Darin erscheint der Geist eines ungebornen Kindes, was auf Ritter Dardanus zielt. Noch ergiebiger waren die Schäferspiele, überhaupt zog Gay seine beste Nahrung aus den Sonderbarkeiten der italienischen Oper, deren ärgster Feind er späterhin werden sollte. Das Stück wurde 1715 in Drury Lane aufgeführt und 1716 schon in dritter Auflage gedruckt. Einen burlesken Amadis machte sich das niedriger stehende Theater in Lincoln's-Inn-Fields zurecht, wobei besonders die Decorationen Verwandlungen und Zaubereien nachgeahmt und mit oder ohne Absicht parodirt wurden. Schäferspiele drangen jetzt auch mehr als früher in das recitirende Drama ein, Gay dichtete sogar eine pastorale Tragödie. Bei allem Widerstand, den man[424] der italienischen Oper entgegenwarf, bewirkte sie doch nach und nach eine völlige Wandlung des Geschmackes und zog das alte Drama von einem Boden, auf dem es unbezwinglich war, immer mehr herunter; selbst da, wo man sie lächerlich machte, behielt sie den Sieg.

Händel's Mißverhältniß zu dem Hofe war noch immer nicht ausgeglichen, wenigstens nicht dem Könige gegenüber, denn die Prinzessin Karoline wird ihn wohl empfangen haben. Seine unvergleichlichen Fähigkeiten, der Beifall der Stadt und der Großen, die Liebe des Königs zur Musik, ließen bald eine Vermittlung finden. Kielmannsegge beredete mit Burlington und Anderen einen Plan, der vollständig glückte. Zu einer Wasserfahrt auf der Themse, wahrscheinlich zu der mit so großer Pracht bewerkstelligten am 22. August '15, sollte Händel eine neue vollstimmige Musik in Bereitschaft halten, um den König damit zu überraschen. Der Componist ging hierauf ein und machte die berühmte Wassermusik. Händel war mit in der Barke und dürfte bei dieser Gelegenheit noch einmal wieder die Violine gestrichen haben; er hatte alle gebräuchlichen Streich- und Blaseinstrumente angespannt. Die musikalische Bittschrift machte dem Könige ein großes und unerwartetes Vergnügen. Er verlangte zu erfahren von wem sie angerichtet worden, worauf der Baron den Delinquenten zum Vorschein brachte und um Erlaubniß bat eine Person vorstellen zu dürfen, die viel zu sehr von ihrem Vergehen überzeugt sei als daß sie sich zu entschuldigen wage, aber auch von Herzen begierig, ihren Fehler durch alles menschenmögliche Bezeigen von Dankbarkeit und treuen Diensten wieder gut zu machen, wenn sie nur hoffen dürfe, daß Sr. Majestät in Höchst Ihrer großen Gnade selbiges anzunehmen geruhen möchten, – und wie die Worte eines Hofmannes bei solchen Gelegenheiten weiter lauten. Der König machte keine Schwierigkeit, Händel durfte herbeikommen und das Lob seiner Musik anhören. Das Gehalt eines hannöverschen Capellmeisters, das man ihm in der Zwischenzeit doch nicht nachgesandt haben wird, erneuerte der König, indem er den 200. £. der Königin Anna noch andere 200. £. beifügte. Als Händel nach einigen Jahren Musikmeister der kleinen Prinzessinnen wurde, vergalt Prinzessin Karoline ihm dies auch jährlich mit[425] 200. £., so daß sich seine feste Jahreseinnahme auf 600 Pfund belief.24 Seine erste Einladung zu einem Hofconcerte bewirkte der berühmte Violinspieler Geminiani, ebenfalls im Bunde mit Kielmannsegge. Geminiani sollte seine Concerte bei Hofe spielen, erklärte aber nur Händel für fähig sie auf dem Flügel begleiten zu können. Die Concerte sind 1716 gedruckt und dem Baron Kielmannsegge gewidmet. Das Hauptverdienst des Barons bestand allerdings darin, daß seine Schwester Sophie (später Gräfin von Darlington) die zweite Maitresse des Königs war; weil er aber den besten Musikern seiner Umgebung so eifrige Dienste zu leisten sich bemühte, kann sein Geschmack in dieser Kunst nicht der schlechteste gewesen sein, und wir haben daher in einem Leben Händel's eigentlich keine Ursache, ihn und die Schwester kurzweg zu den Hannover-Ratten zu zählen. Er starb schon 1717.

Als die öffentlichen Angelegenheiten einigermaaßen geordnet waren, überwand das Verlangen des Königs nach seinen Geburtslanden alle Hemmnisse der politischen Lage und alle Einreden der Minister. Am 9. Juli setzte sich der Zug nach Hannover in Bewegung. Unter den vielen Begleitern befand sich auch Händel. So endete der zweite, fast vierjährige Aufenthalt in England, der zwei verschiedenartige Werke von großer Bedeutung, Te Deum und Amadis, veranlaßte, bei allen Annehmlichkeiten des Lebens doch voll Unruhen und Sorgen war, und auch noch dadurch merkwürdig bleiben wird, daß er unsern Meister als Tonkünstler wie als Menschen schon sehr weit in die englische Gesellschaft einführte.

Fußnoten

1 The Opera Register from 1712 to 1734 by Fr. Colman, Consul at Leghorn. 4. British Museum: Add. Mss. 11, 258.


2 Burney (IV, 234) nennt den 22sten, und hat die fünfte und sechste Aufführung ganz übersehen.


3 History IV, 243.


4 Te Deum and Jubilate for Voices and Instruments made for St. Caecilia's Day, 1694. By the late Mr. Henry Purcell. London 1697. Fol.


5 Commemoration p. 29. Eschenburg's Uebersetzung S. 24.


6 History III, 484.


7 »Handel, who florished in a less barbarous age for his art, has been acknowledged his superior in many particulars; but in none more than the art and grandeur of his choruses, the harmony and texture of his organ fugues, as well as his great style of playing that instrument; the majesty of his hautbois and grand concertos, the ingenuity of the accompaniments to his songs and choruses, and even in the general melody of the airs themselves; yet in the accent, passion and expression of English words, the vocal Music of Purcell is, sometimes to my feelings, as superior to Handel's as an original poem to a translation«. History III, 511. Mit dieser Vergleichung beschließt Burney das Capitel über Purcell.


8 »Wir danken dir Gott«, Ausgabe der Bachgesellschaft V. 1, 288. »Gratias agimus tibi«, ebenda VI, 84. »Dona nobis pacem« VI, 295.


9 Commemoration p. 39.


10 Ev. Kirchengesang III, 166–67.


11 Mahon, Geschichte Englands vom Utrechter bis zum Versailler Frieden, 1713–83. Deutsche Uebers. von Steger. Braunschw. 1856. 8 Bde. I, 47.


12 Mainwaring, Memoirs p. 88–89.


13 Mahon, Geschichte Englands VIII, 4–5. Urkundenband.


14 Hawkins, History V, 270.


15 Mainwaring, Memoirs p. 93–94.


16

Yet Burlington's fair palace still remains;

Beauty within, without proportion reigns.

Beneath his eye declining art revives,

The wall with animated picture lives;

There Hendel strikes the strings, the melting strain

Transports the soul, and thrills through ev'ry vein;

There oft I enter, (but with cleaner shoes)

For Burlington's belov'd by ev'ry Muse.


Trivia: or, the Art of Walking the Streets of London Book II, v. 493–500. S. Poems on Several Occasions. By Mr. John Gay. 2 vols. London 1745. I, 130.


17 Add. Mss. 5334. S. Catalog of the Manuscript Music in the British Museum p. 68.


18 Mahon, Geschichte Englands vom Utrechter bis zum Versailler Frieden I, 108 u. 115–16.


19 Vollk. Capellmeister S. 483. Mattheson nennt zwar keinen Namen, aber in Hannover war nur der eine Concertmeister.


20 History IV, 252.


21 History IV, 255.


22 History IV, 255.


23 Vgl. Burney, History IV, 251.


24 Mainwaring, Memoirs p. 90–92.

Quelle:
Chrysander, Friedrich: G.F. Händel. Band 1, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1858.
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Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

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