Neunzehntes Kapitel
Graf Lamberg • Der Fürstbischof von Breslau • Mein Engagement • Hirschjagd • Ich werde Eques aureatus • Friedrich II. in Roßwalde • Graf Hoditz • Leutseligkeit des Kronprinzen gegen mich • Meine Promotion zum Forstmeister

[178] Auf meiner Triester Reise hatte ich die Bekanntschaft des Grafen Lamberg, Präsident und Chef des Kaiserlichen Herzogtums Schlesien, gemacht. Er kam von seinen Gütern unweit Laibach nach Wien, um nach seinem Departement nach Troppau zu gehen, und ich machte ihm meine Aufwartung. »Wie wäre es«, sagte er, als er von meinem Vorsatze zu reisen hörte, »wenn Sie Ihre erste Exkursion über Troppau machten und mit mir dahin führen? Alsdann nehmen Sie Ihre Route über Warschau, Danzig, Hamburg, die Niederlande, Holland, England und Frankreich, dann zurück an die Höfe im römischen Reiche usw.«

Der Vorschlag behagte mir nicht übel, und am vierten Tage darauf saß ich mit ihm in seinem Wagen.

Er war reich, hatte keine Kinder und machte daher in Troppau einen Aufwand, den niemand ihm nachtun konnte. Beständig gab er große Tafel, Assembleen und Konzerte. Außer ihm war noch ein Graf Chorinsky daselbst, der sowohl im östreichischen als preußischen Schlesien begütert war und sich eine sehr artige Kapelle hielt. Mit Hilfe dieser und anderer Musiker von Troppau brachte ich ein zwar kleines, aber doch zur Not besetztes Orchester zusammen.

Bald darauf kam der Fürstbischof von Breslau, der damals[179] auf seinen im kaiserlichen Schlesien gelegenen Bistumsgütern in Johannisberg wohnte, nach Troppau, um dem Chef des Landes einen Besuch zu machen. Bei dem Konzerte, das ihm zu Ehren gegeben wurde, sagte mir der Fürst viel Verbindliches über mein Spielen und über meine Komposition, und am dritten Tage nachher war ich mit ihm zur Tafel. Er war von Natur sehr gesprächig, und als ein außerordentlicher Liebhaber der Musik unterhielt er sich während der Tafel größten Teils mit mir und wußte mir nicht nur meinen ganzen bisherigen Lebenslauf, sondern auch meinen Plan für die Zukunft abzufragen, wobei er mir nicht verhielt, daß er vormals, als er noch in bessern Umständen gewesen wäre und in Breslau residiert hätte, daselbst nicht nur eine große Kapelle gehalten, sondern auch verschiedene Kastraten, unter andern den bekannten Quadagni, in seinen Diensten gehabt hätte.

Es wird vielen Lesern aus gedruckten Blättern bekannt sein, wie und wodurch der Fürstbischof von Breslau bei Friedrich dem Zweiten in Ungnade fiel. Allein diese Blätter sind größtenteils in preußischen Ländern herausgekommen, und alles ist darin mit zu schwarzen Farben aufgetragen. Ich glaube also nichts Überflüssiges zu tun, wenn ich die Sache erzähle, wie ich sie aus dem Munde des Grafen Lamberg habe.

Der Fürstbischof war aus der ansehnlichen Familie der Grafen Schaffgotsch. Sein Vater, der oberster Landsdirektor, gleichsam Vicekönig, in Schlesien war, als es noch allein dem östreichischen Hause gehörte, resignierte auf seinen Amtsposten bei der ersten Besitznahme Friedrichs II. von Schlesien 1740 und zog sich mit Erlaubnis des Königs auf seine große Herrschaft Warmbrunn an[180] dem schlesischen Riesengebürge, wo er noch viele Jahre lebte, zurück. Der König, der schlau genug war, die schlesischen Stände so wie die Untertanen, hauptsächlich aber die Katholiken, an sich zu ziehen, gewann große Vorliebe für den Sohn desselben, den damaligen Domherrn und Prälaten, machte ihn zum Coadjutor und nach dem bald darauf erfolgten Hintritte des Bischofs und Kardinals Sinzendorf zum Bischof von Breslau, welcher allemal auch regierender Fürst des Fürstentums Neiße und Herzog des Herzogtums Grottkau ist. Der König lebte mit dem Bischof auf einem so freundschaftlichen Fuß, daß er ihn alle Jahre auf einige Monate nach Berlin oder Potsdam kommen ließ. Diese Vertraulichkeit währte viele Jahre ununterbrochen fort. Auch zu Anfang des Siebenjährigen Krieges hielt sie noch aus. Nachdem des Königs sieggewohnte Armee in das Innerste von Böhmen gedrungen, die kaiserlichen Truppen geschlagen und gezwungen hatte, sich in Prag zu werfen, auch Prag belagerte und endlich nach Östreich vorzurücken im Begriff war, geschahe die Bataille von Kolin, die der König verlor. Das Glück der Waffen schlug sich auf Seiten der Östreicher, dergestalt, daß sie die Preußen nicht allein aus Böhmen herausschlugen, sondern auch bis in das Herz von Schlesien vordrangen und nach der Bataille bei Breslau sich dieser Hauptstadt wieder bemächtigten. Jedermann, selbst der König, gab Schlesien für immer und ewig verloren. Alle schlesische katholische Geistliche und Untertanen, die der Religion wegen immer gut kaiserlich gesinnt gewesen waren, gaben hierüber ihren Jubel zu erkennen, und auch der Fürstbischof legte bei dieser Gelegenheit nicht nur zu voreilige, sondern auch zu auffallende Zeichen seiner Freude hierüber an den Tag.[181]

Unterdes gab die kaiserliche Generalität in Breslau, die gegen den Fürstbischof als ehemaligen Günstling des Königs mißtrauisch war, demselben den Rat, sich bis nach Ausgang des Krieges nach Rom zu begeben. Während er dort war, schlug das Kriegsglück wieder um. Er kehrte zurück, setzte sich nach Nikolsburg in Mähren und harrte dem Ausgange des Krieges entgegen. Hier schrieb er an den König und wandte alles Mögliche an, sich mit dem König wieder auszusöhnen. Allein er erhielt dafür jenen bekannten Brief, worin ihm der König nicht nur seine Undankbarkeit vorwarf, sondern ihn auch einen treulosen Verräter schalt, den er in seinen Staaten nicht dulden könne und der Schande des eigenen Bewußtseins überlassen wolle. Der Fürstbischof bat beim kaiserlichen Hofe um Fürsprache, und der König gab auf dessen Vermittelung dahin nach, daß er wieder nach Schlesien kommen dürfe.

Da man aber kein Beispiel hat, daß sich Friedrich II. mit dem, der einmal in Ungnade gefallen war, je wieder ausgesöhnt hätte, so durfte der Fürstbischof auch keine Rekonziliation hoffen. Schon an der Grenze erhielt er das Verbot, nicht nach Breslau zu kommen, und es wurde ihm dafür Oppeln – ein kleines miserables Städtchen in Oberschlesien – zu seinem Wohnsitze angewiesen. Aus Mangel eines Quartiers daselbst mußte er ins Minoriten-Kloster ziehen und sich dort mit ein paar elenden Zimmern behelfen. Ob man ihm gleich förmlich erklärte, daß er kein Staatsgefangner wäre, so war sein Schicksal doch nicht viel besser. Im ersten Quartal bezog er die Einkünfte im preußischen Schlesien für voll; im zweiten aber wurden ihm die Hälfte, im dritten Dreivierteile verabfolgt, und endlich im letzten wurden ihm gar die sämtlichen[182] Einkünfte in Beschlag genommen. Ebenso wurde seine bischöfliche Gewalt so beschränkt, daß er nicht einmal eine vakante Pfarre ohne Genehmigung des schlesischen Ministers besetzen konnte.

Weil der Fürstbischof sich nun immer mehr und mehr gequält sah und nicht die mindeste Hoffnung hatte, sein Schicksal, solange der König lebte, erleichtert zu sehen, so ließ er alles Jenseitige sowohl an Einkünften als eigenen prächtigen Mobiliarschaften im Stich, flüchtete sich in das kaiserliche Schlesien und lebte da nun schon an die zwei Jahre bloß von den Einkünften der diesseitigen Güter von Johannisberg, welche in allem nur 13000 bis 14000 Gulden betrugen, während seine Einkünfte sich ehemals auf 100000 Gulden belaufen hatten.


Einst kehrte ich von einer großen Feierlichkeit auf der Herrschaft des berühmten Grafen Hoditz, Roßwalde, nach Troppau zurück und fand den Gewissensrat des Fürstbischofs, Padre Pintus, der vom Fürsten eigens an mich abgeschickt worden war, um mich in seinem Namen zu fragen, ob ich mich wohl entschließen könne, gegen ein anständiges Honorar diesen kommenden Winter auf Johannisberg zuzubringen und dem Fürsten ungefähr das zu sein, was David dem Saul war, als er letzteren durch sein Saitenspiel in trüben Stunden aufheiterte? – Der Fürst, sagte er, habe zwar keine Kapelle; aber da sich einige Bediente, ein paar Schreiber der Beamten und noch etliche Leute in Johannisberg befänden, die musikalisch wären, so könne ein kleines Orchester von acht Personen, jedoch ohne Blasinstrumente, aufgebracht werden; übrigens habe er den Auftrag, mir des Fürsten freie Tafel, Frühstück, freie Wohnung im[183] Schlosse, freien Unterhalt für meinen Bedienten und endlich monatlich 25 Dukaten zu offerieren; doch solle ich mich binnen drei Tagen bestimmt darüber erklären.

Während dieser Frist überlegte ich die Sache und – engagierte mich, sieben Monate lang, nämlich vom ersten November 1769 bis letzten Mai 1770, in Johannisberg zu bleiben.

Einen Vorfall während dieser Zeit kann ich nicht unerwähnt lassen, weil er der Grund wurde, warum ich meinen ganzen Reiseplan aufgab, und weil er überhaupt auf das ganze nachmalige Schicksal meines Lebens den unmittelbarsten Einfluß gehabt hat.

Der Fürstbischof stellte im September eine dreitägige große Hirschjagd im Zeug an, wozu er außer dem Grafen Larisch (dem Schwiegersohn vom Grafen Hoditz) und dem Gouvernialrat von Blanc, von dem ich schon einmal gesprochen, auch mich einlud. Ich erhielt ein paar der besten Kugelbüchsen und war so glücklich, gleich am ersten Tage sieben Kapital-Hirsche und zwei Rehböcke und überdies noch zwei Füchse damit zu erlegen. Am folgenden Morgen graute noch der Tag, als wir schon aufsaßen, und wir hatten gute fünf Stunden zu reiten, ehe wir ins hohe Gebirge nach dem bestimmten Standpunkte ankamen. Die Jagd dauerte bis tief in den Abend hinein, und wir blieben über Nacht im Gebirge in einer dazu errichteten Jägerhütte. Während wir uns alle, Gäste und Jägerpartei, welches ein Personale von 50 Köpfen gab, um ein in der Mitte befindliches Feuer lagerten, das die Jäger beständig unterhalten mußten, besprach ich mich einen großen Teil der Nacht hindurch mit dem Oberjäger und seiner untergebenen Jägerpartei, und da ich schon zu Schloßhof, teils durch eigene Erfahrung, teils[184] durch vortreffliche Bücher und den Umgang mit dem dortigen Oberjäger, mir einige Kenntnisse vom Jagd- und Forstwesen erworben und mich nachher selbst in Großwardein mit hoher und niederer Jagd beschäftigt hatte, so erregte ich bei diesen Leuten einen Grad von Verwunderung, der endlich in ein komisches Erstaunen überging. Am dritten Tage zog sich die Jagd in flachere Waldungen, und es gelang mir, mich wieder durch manchen glücklichen Schuß auf Rehe und Füchse auszuzeichnen.

Als der Fürst vor der Tafel jeden seiner Jagdgäste fragte, was er erlegt hätte, und die Reihe an mich kam, da ließ mich der Oberjäger nicht zum Worte kommen, sondern erzählte groß und breit von meinen Heldentaten und setzte endlich hinzu: »Ew. Durchlaucht können glauben, daß nicht nur ich, sondern alle fürstliche Waldbereiter und Jäger bereit sind, ein Zeugnis auszustellen, daß dieser Herr da alle Fähigkeit besitzt, an jedem Hofe die erste Jagd- und Forststelle zu bekleiden.«

Diese Worte waren nicht umsonst gesagt, sondern hatten nach langer Zeit noch die Folge, daß mir eine Stelle übertragen wurde, bei welcher Kenntnisse vom Holz- und Forstwesen erforderlich waren, und wodurch ich mich hier für immer fixierte, wie ich weiter unten sagen werde.

An diesem Tage fiel auch das Gespräch auf meine Reise, die ich mit Gluck gemacht hatte, und der Fürst fragte mich, was es für eine Bewandtnis mit seinem Chevalier-Titel habe und ob er von Adel sei. Ich gab ihm darüber gehörige Auskunft. Er ward nachdenkend und entfernte sich von der Gesellschaft. Nach dem Souper fragte er mich, ob ich Messen und auch italienische Singsachen komponiert habe, und als ich es bejahte, bat er mich[185] sehr verbindlich, ihm eine meiner besten Messen, eine italienische Arie, ein Violinkonzert und eine Sinfonie in Partitur schreiben zu lassen und ihm das alles nach Johannisberg zu schicken. Ich ermangelte nicht, es so bald als möglich von Troppau aus zu besorgen, ohne etwas für die Kopiatur zu liquidieren. Der Fürst antwortete mir, daß er meine Musikalien zwar erhalten habe, aber da ich das Schreiberlohn anzusetzen vergessen, so lege er etwas dafür – es waren 20 Dukaten – bei; auch gab er mir Nachricht, daß am letzten Oktober Wagen und Pferde in Troppau eintreffen würden, um mich nach Johannisberg zu bringen.

Als ich nun hier ankam, fand ich das, was sich so Musiker nennen ließ, so erbärmlich vor, daß mir vor dieser Kapelle von zehn Personen, mich mit eingeschlossen, gar sehr ekelte. Aber was war zu machen? – Ich mußte damit vorlieb nehmen. Durch beständige Übung und Korrektionen brachte ichs indessen doch endlich dahin, daß man uns nach Verlauf eines Monats ohne Grausen hören konnte.

Am Neujahrsmorgen verfügte ich mich mit dem Padre Pintus zum Fürsten, um ihm die gewöhnliche Gratulation abzustatten. Wie ward ich überrascht, als er sogleich nach meinem Eintritt aus seinem Bureau ein vierfach zusammen gelegtes Pergament hervorzog und es mir mit den Worten überreichte: »Lieber Ditters, man hat mir von Rom aus die Kommission gegeben, Ihnen dies hier zum Neujahrsgeschenk zu machen.« – Und es war? – ein Diplom, was er durch den Kardinal Archinto hatte von Rom kommen lassen, worin ich, nach geschehener Approbation meiner übersandten Kompositionen, zum Ordensritter vom goldenen Sporn erhoben worden[186] war. Zugleich zog der Fürst aus einem Schächtelchen das Ordenskreuz hervor, das an einem Ponceau-roten Bande hing, und indem er es mir eigenhändig anzuhängen geschäftig war, setzte er vergnügt hinzu: »Nun sind Sie so gut Chevalier, als es der Gluck ist, und als Eques aureatus ac Sacri Palatii et aulae Lateranensis Comes haben Sie, wenn Sie nach Rom kommen, das Recht, gleich jedem gebornen Kavalier vom ersten Range, in den päpstlichen Palast einzutreten und bei allen öffentlichen Funktionen gegenwärtig zu sein.« – Man denke sich meinen kleinen Freudenrausch unter den Händen des gütigen Fürsten, der dies alles schon vor vierzehn Tagen erhalten, aber bis heute verschoben hatte, um mich damit zum Neuen Jahre zu überraschen!

Bei allen diesen Gnadenbezeugungen, bei aller der leutseligen und menschenfreundlichen Begegnung, womit mich der Fürst beehrte, wurde mir doch die Einförmigkeit in Johannisberg lästig, und ich sehnte mich nach dem Ende des Mais, um mein Engagement los zu werden und zum bevorstehenden Sommer meine Reise anzutreten. Aber als wenn es durchaus nicht hätte sein sollen, erhielt ich unvermutet eine Einladung vom Graf Hoditz, nach Roßwalde zu kommen, die sich schlechterdings nicht abschlagen ließ, und da war ich also wieder genötigt, meine Reise wenigstens bis zum Herbst zu verschieben.


Die Veranlassung zu dieser Einladung war ein Besuch, welchen König Friedrich II. dem Grafen daselbst abstatten wollte. Er hatte ihn schon im Siebenjährigen Kriege kennen gelernt und hielt ihn als einen Philosophen sehr hoch. Kaiser Joseph II. hatte dem König bekanntlich[187] 1769 in Neiße eine Visite gemacht, und da dieser dem Kaiser versprochen hatte, ihm seinen Gegenbesuch im künftigen Sommer zu Mährisch-Neustadt, unweit Olmütz, zu machen, so schrieb der König, wolle er bei dieser Gelegenheit seine Marschroute so einrichten, daß er sowohl im Hinwege als im Rückwege jedesmal in Roßwalde übernachten würde. Der Zweck, warum ich nun vom Grafen dazu eingeladen wurde, war, um zu verschiedenen Spektakeln, die er präparierte, meine Hand zu bieten. Vierzehn Tage vor der Ankunft des Königs erschien ich denn also und arrangierte alles nach den erfindungsreichen Planen dieses würdigen Mannes, so gut ichs vermochte.

Genau am bestimmten Tage nachmittags um vier Uhr traf der König in Roßwalde ein. In seinem Gefolge waren der Kronprinz, Prinz Friedrich August und Prinz Leopold von Braunschweig, welch letzterer nachher zu Frankfurt an der Oder ertrank, und der General Lentulus.

Bald nach der Ankunft dieser hohen Herrschaften schlug der Graf dem Könige eine Promenade im Garten vor, welche er auch annahm. Während des Spazierganges ward er durch kleine unvermutete Spektakel, ein Ballet zum Beispiel auf einem lebendigen Theater, das die Verwandlung der Daphne in einen Lorbeerbaum vorstellte – durch ein Fest der Druiden – insonderheit aber durch eine Pygmäenstadt überrascht, über welche er sich außerordentlich amüsierte. Mit Sonnenuntergang retirierte er sich und ging zu Bette; sein Gefolge aber blieb.

An beiden Seiten des Chinesischen Gartens, den der Graf sehr geschmackvoll hatte illuminieren lassen, waren zwei Grotten mit der transparenten Überschrift: [188] östreichische Grotte und preußische Grotte angebracht. Auf die Frage des Grafen an den Kronprinzen, in welcher dieser Grotten es ihm gefällig wäre, ein kleines Konzert zu hören, antwortete er: »Ich habe heute das Vergnügen, in den östreichischen Staaten zu sein, und also wird es mich sehr freuen, das Konzert in der östreichischen Grotte zu hören.« – Es ward also darin veranstaltet.

Das Orchester war nicht übel, denn ich hatte die beiden kleinen Kapellen der Grafen Hoditz und Chorinsky zusammen geschmolzen. Beim Eintritt der Prinzen begann eine Sinfonie von mir, nach welcher ich ein Konzert spielte. Gleich nach diesem trat der Kronprinz mit den Worten zu mir: »Ihr Name und Ihr Talent sind mir schon bekannt, denn ich besitze verschiedene Stücke von Ihrer Arbeit. Es freut mich, Sie auch von Person kennen zu lernen.« Späterhin bat er mich, noch etwas zu spielen, und als ich eine Sonate wirklich mit Liebe und Enthusiasmus gespielt hatte, sagte er mir so mancherlei Verbindliches, was sich ohne Unbescheidenheit nicht wiederholen läßt. Man muß den Herrn gekannt haben, um zu wissen, wie fein und verbindlich er gegen Künstler, die er schätzte, sein konnte.

Am folgenden Morgen sehr frühzeitig fuhr der König mit seiner kleinen Suite nach Neustadt, von woselbst er nach wenigen Tagen zum Mittagsmahl wieder in Roßwalde eintraf. Nach der Tafel schickte der Kronprinz nach mir und fragte mich, was für Spektakel in Bereitschaft wären. Ich nannte sie ihm; allein er bat mich, dafür lieber ein Konzert zu veranstalten und mich dabei hören zu lassen. Es geschah, und ich spielte dreimal vor ihm. Nach geendigtem Konzert kam Graf Hoditz aus[189] den Zimmern des Königs und proponierte dem Prinzen einige kleine Spektakel, welche der Kronprinz aber alle verbat, weil, wie er sagte, der König die Abreise morgen früh um zwei Uhr angesetzt habe. Endlich wandte er sich zu mir, trat mit mir an ein Fenster und beehrte mich sehr gnädig mit verschiedenen Fragen, die auf die Kunst und bekannte Künstler Bezug hatten. Endlich, als ich ihm von meinem Vorhaben zu reisen erzählte, sagte er in dem verbindlichsten Tone: »Gehen Sie auf Ihrer Tour ja nicht Berlin vorbei; ich werde suchen, Ihnen Ihren Aufenthalt daselbst so angenehm als möglich zu machen!« –

Der König bezeugte sich gegen den Grafen sehr generös. Er erhielt von diesem seinem hohen Gaste eine große goldene viereckigte Tabatiere, reich mit Brillanten besetzt und mit dem Porträt des Königs geziert; und in derselben lag ein zusammen gelegtes Quartblatt, worauf von des Königs eigener Hand geschrieben stand:

»Unser Etatsminister wird bei Angesicht dessen alsogleich 10000 Taler an den Grafen Albrecht Hoditz bezahlen. Friedrich.«

Ich verweilte noch zwei Tage nachher in Roßwalde, ging sodann wieder nach Johannisberg und machte nun in allem Ernste Anstalten zu meiner Reise, die ich bestimmt für den Oktober festsetzte. Meine erste Exkursion sollte nach Berlin gehen, wohin ich soeben vom Kronprinzen in den gnädigsten Ausdrücken eingeladen worden war. Allein – mein Geschick wollte es durchaus mit mir anders.

Eines Tages lud mich der Landeshauptmann Baron Zedlitz, ein weitläufigter Verwandter des Fürstbischofs, zu sich und erklärte mir nach allerhand verbindlichen Eingängen,[190] daß der Fürst mich zeitlebens in seinem Dienste zu behalten wünschte. Ich lehnte es aus dem Grunde von mir ab, weil ich während Lebzeiten des Fürsten meine besten Jahre hier versitzen würde, ohne die tröstliche Überzeugung zu haben, in meinem Alter versorgt zu sein. »Allein dafür ist gesorgt«, erwiderte er. »Der Fürst will Ihnen den Posten eines Forstmeisters des diesseitigen Fürstentums Neiße verleihen, er hat sich bereits vom Oberjäger sowohl als von der ganzen Jagdpartei ein schriftlich bestätigtes Zeugnis Ihrer Fähigkeit im Forst- und Jagdwesen geben lassen, und das Domkapitel ist bereit, Ihre Anstellung zu genehmigen.« Und hiermit zog er ein Schreiben hervor, in welchem klar und deutlich stand, daß das Domkapitel vollkommen geneigt sei, mir darüber die kapitularische Rekognition zu erteilen. Diese schloß eo ipso zugleich die Bestätigung in diesem Posten auch nach dem Tode eines Fürstbischofs in sich, wie denn in solcher Rekognition jedesmal die Worte enthalten waren: »Wir bestätigen denselben auch dergestalt, daß er nach dem Hintritte eines zeitlichen Fürstbischofs immediate an Uns so lange verpflichtet stehe, bis er von Uns an den nachfolgenden Bischof angewiesen wird.« – Das Gehalt, das mir angeboten wurde, war ansehnlich. Es bestand in 600 Fl. Salär und 900 Fl. Stammgeld, mithin in 1500 Fl. Dabei ward mir die Anwartschaft auf die erste im Bistum erledigte Amtshauptmannstelle, wodurch meine Lage dereinst noch um vieles verbessert werden sollte, und die Beibehaltung aller bisherigen Emolumente an Wohnung, Tafel, Frühstück usw. zugesichert.

Das war alles recht schön. Aber die erbärmliche Lage, worin sich die fürstliche Kapelle befand, wenn man anders[191] eine Handvoll Leute so nennen kann, war das einzige noch, was es mir unmöglich machte, dabei aushalten zu können. Allein man bedeutete mir, daß, indem von meinem bisherigen Gehalt von 1200 Fl. die Hälfte den fürstlichen Renten zu gute kam und, durch Erhöhung des Holzpreises, denselben ebenfalls noch 900 Fl. zuwuchsen, dem Fürsten noch reine 1500 Fl. übrig blieben, die er willens sei, auf die Verbesserung der Kapelle zu verwenden, gleich wie er auch die Summe von 1900 Fl., die man ausgemittelt gehabt hätte, um eine kleine Stuterei anzulegen und den eingegangenen Tiergarten wieder herzustellen, dazu bestimmen wolle. Auch solle die Einrichtung getroffen werden, die Hausleute, die nicht musikalisch wären, bei den Ämtern zu versorgen und musikalische dafür anzunehmen. Dies beruhigte mich und gab mir gute Hoffnung.

Bei allen solchen Aussichten bekämpfen sich endlich Neigungen und Bedenklichkeiten leicht. Wir gingen also beide zum Fürsten, besprachen mit ihm jeden Punkt, und nachdem alles ins Reine gebracht war, nahm ich die Dienstanerbietung förmlich und mit dem größten Danke an und leistete von nun an gänzlich Verzicht auf das Projekt meiner Reise. Den Tag darauf erhielt ich mein Anstellungs-Dekret und einen Bestallungsbrief über meine Einkünfte. Beides ward bald nachher vom Domkapitel in Breslau förmlich bestätigt. Nicht lange darauf legte ich vor der fürstlichen Regierung in Gegenwart der gesamten Jägerpartei den Eid der Treue ab; der Landeshauptmann stellte mich ihnen als ihren nunmehrigen Chef vor, worauf sie mir denselben wiederum leisten mußten. Und so war ich nun also wirklicher bestallter Forstmeister des diesseitigen Fürstentums Neiße.

Quelle:
Dittersdorf, Karl Ditters von: Karl Ditters von Dittersdorf Lebensbeschreibung, Seinem Sohne in die Feder diktiert. München 1967, S. 178-192.
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