III.

London.

[59] Einladung nach London. – Faust-Ouvertüre und Züricher ›Tannhäuser‹. – London: Präger, Sainton, Lüders, Klindworth. – Das philharmonische Orchester: Mendelssohnsche Vortrags-Tradition. – Anfeindung durch die Kritik. – M. v. Meysenbug. – Londoner Eindrücke. – Lektüre des Dante. – Freundliche Gesinnung der Königin. – Berlioz. – Letztes Konzert und Abreise.


›Das sind nun meine besten Jahre, die ich so verbringe mit einer vollkommen gehinderten und nach außen gehemmten künstlerischen Tätigkeit‹.

Brieflich, aus London 1855.


Das in schwerer Sorgenbedrückung heraufbeschworene Gespenst auswärtiger Konzertdirektionen stellte sich vor dem gänzlichen Abschluß des bedrängnisreichen Jahres 1854 gerade noch pünktlich ein. ›Es muß etwas mit London geschehen,‹ hatte er ausgerufen ›ich will selbst nach Amerika gehen! Das biete ich noch, um meine Nibelungen fertig zu machen!‹ Und siehe, ganz ohne sein Zutun erreichte ihn noch in den letzten Dezembertagen eine überraschende Einladung. Die philharmonische Gesellschaft in London stellte durch ihren Sekretär Mr. Hogarth die Anfrage: ob er geneigt sei, in der bevorstehenden Saison ihre Konzerte zu dirigieren. War eine solche ungewöhnliche Zumutung nicht gar am Ende ein Schicksalswink? War sie von kurzer Hand abzuweisen? Ein zahlreiches Orchester, großartige Mittel boten sich ihm dar; und wo gab es sonst wohl einen Ort, um unter eigener Anleitung seinen ›Lohengrin‹ aufzuführen? Vielleicht gelang es ihm, die Engländer so weit für sich zu gewinnen, daß sie ihm für nächstes Jahr, unter dem Protektorat des Hofes, eine auserlesene deutsche Oper mit seinen Werken dort ermöglichten! Und – seine nächstliegende Arbeit, die Instrumentation der ›Walküre,‹ – war sie am Ende nicht ebensogut in London, wie in Zürich auszuführen, in der reichlichen freien Zeit zwischen den von ihm zu dirigierenden Konzerten? [59] Liszt erklärte den Antrag für ganz annehmbar; der alte Röckel,1 mit den dortigen Verhältnissen wohl vertraut, empfahl ihn dem Meister als die beste Gelegenheit, seine Werke in London würdig zu Gehör zu bringen. Zum Überfluß erschien um die Mitte Januar noch ein Mr. Anderson zu persönlichem Besuch. Er stellte sich als den Treasurer der Philharmonic Society vor, der die Reise von London nach der Schweiz nicht gescheut habe, eigens um die eingeleiteten Verhandlungen über einige noch zweifelhafte Punkte mündlich zum Abschluß zu bringen. Kaum war die Zusage erfolgt, so spielte der Telegraph die Nachricht davon auch schon aus Zürich nach England hinüber, von wo sie sich in alle Welt hinaus verbreitete. Es gab kein Zurück mehr. ›Mir war übel dabei zu Mute‹, meldet der Meister an Liszt ›meine Sache ist's nicht, nach London zu gehen und philharmonische Konzerte zu dirigieren, selbst wenn ich, wie man wünscht, von meinen Kompositionen darin aufführen soll.‹ Auch meinte er mit großem Recht, zu zweihundert Pfund (für vier Monate) ›sich zu sehr niederem Preise verkauft zu haben.‹ Dennoch schien es ihm, als handle es sich um die Alternative: entweder jeder Aussicht und jedem Streben nach Wirkung in der umgebenden künstlerischen Öffentlichkeit ein für allemal zu entsagen oder – gerade hier und diesmal die ihm dargebotene Hand zu ergreifen Seine Züricher Freunde beglückwünschten ihn, und schienen einzig die Gefahr im Auge zu haben, es könnte ihm in London so gut gefallen, daß er gar nicht mehr geneigt sein würde, nach Zürich zurückzukehren.

Sehr bald nach Vollendung der Komposition der ›Walküre‹ hatte er deren Orchestrierung in Angriff genommen, die er in London zu Ende zu führen gedachte. Da überkam ihn, wie er selbst sagt, plötzlich eine völlige Lust, seine alte ›Faust‹-Ouvertüre noch einmal neu zu bearbeiten. Er hatte sich die Partitur bereits vor zwei Jahren (im Oktober 1852) durch Liszt nach Zürich senden lassen; damals hatte Liszt in bezug auf den Mittelsatz den freundschaftlichen Wunsch ausgedrückt, ihn durch Einführung eines auf Gretchen bezüglichen, weichen, zarten Satzes zu erweitern und ihm dadurch, im Verhältnis zu dem Vorausgehenden und Nachfolgenden, mehr Biegsamkeit zu verleihen. Weshalb er diesem Wink nicht in vollem Maße – durch ein neues Thema – nachkommen konnte, hatte er dem Freunde schon damals näher motiviert.2 Dagegen machte es ihm ein besonderes Vergnügen, das ältere Werk, das ihm schon der Zeit wegen, aus der es stammte, von Interesse war, einer sorgfältigen Neubearbeitung zu unterziehen, die Instrumentation durchgehends neu zu redigieren, manches ganz zu ändern, dem Mittelsatz durch breitere Entwickelung mehr Ausdehnung und Bedeutung zu geben; kurz eine ganz neue Partitur [60] zu schreiben. Mit Genugtuung konnte er bei ihrer Übersendung an Liszt sich darüber äußern: ›mir ist, als ob man an dergleichen Umarbeitungen am deutlichsten sehen könnte, wes Geistes Kind man geworden und welche Roheiten man abgestreift hat.‹ In dieser Gestalt gelangte das verjüngte Werk am 23. Januar in einem Züricher Konzerte zur erstmaligen Aufführung und machte auf die Zuhörer einen gewaltigen Eindruck.3 Überhaupt wurde er in den Monaten Januar und Februar, während die Instrumentation der ›Walküre‹ bis gegen den Schluß des ersten Aktes vorrückte, mehr, als ihm lieb war, in das Züricher Konzertwesen mit hineingezogen. Ein Überblick über diese Betätigung in fünf aufeinanderfolgenden Konzerten zeigt uns, daß er am 9. Januar die Eroica, am 23. die ›Faust‹-Ouvertüre und die C moll-Symphonie, am 30. das Septuor von Beethoven, am 6. Februar die A dur-Symphonie und die ›Freischütz‹-Ouvertüre, am 20. Februar die ›Faust‹-Ouvertüre, das ›Lohengrin‹-Vorspiel, Elsas Brautzug zum Münster und die ›Tannhäuser‹-Ouvertüre dirigierte. An Ovationen des begeisterten Publikums fehlte es besonders bei diesem letzteren Konzerte nicht. Durch eigens dazu erwählte ›Ehrenjungfrauen‹ der Stadt Zürich wurde ihm ein stattlicher Kranz überreicht und er mußte in einer kurzen Ansprache seinen Zuhörern eigens die Versicherung seiner Rückkehr geben Nicht genug damit, mußte er sich vor seinem Londoner Ausflug von den Züricher Kunstfreunden und -Spekulanten gutmütiger Weise förmlich noch auspressen lassen ›Sogar habe ich mich,‹ schreibt er an Frau Ritter ›dazu noch herum bekommen lassen, mit einer Aufführung des »Tannhäuser« auf der hiesigen lächerlichen Bühne mich herumzuplagen!‹ Der gute Wille der sehr mittelmäßigen Sänger bestimmte ihn zu größerer Teilnahme, als er anfangs daran setzen wollte, und, Schritt für Schritt zu weiteren zeitraubenden Einmischungen gedrängt, hatte er schließlich, zu seinem eigenen wahren Erstaunen, einen Erfolg seiner ›allerdings entsetzlichen!‹ Anstrengungen zu erleben, wie er ihn sich nie vermutet hätte. Er dirigierte nicht selbst, weil er mit dem angestellten Dirigenten des Theaters recht wohl zufrieden war, und erlebte so zum ersten Male als Zuhörer einen wirklich ergreifenden Eindruck von seinem Werke. Daß ihm das mit solchen Sängern gelang, ließ ihn allerdings ›fast an Wunder glauben‹ und diente mit dazu, seine Hoffnung auf eine Züricher Aufführung der Nibelungen sehr zu bestärken. Zur zweiten Vorstellung des ›Tannhäuser‹ (am 23. Februar), kurz vor seiner Abreise, gelang es dem vereinigten Ansturm der Sänger und des Direktors, ihn endlich auch noch – trotz seines[61] Widerstrebens – bis an das Dirigentenpult zu drängen. Die Partitur der ›Walküre‹ hatte dies zu entgelten. Er mußte das Manuskript ihres ersten Aktes un vollendet nach London mitnehmen, als er am Montag den 26. Februar früh, ziemlich ermüdet von allen vorausgegangenen Anstrengungen, sich über Paris an seinen Bestimmungsort jenseit des Kanales aufmachte, den er seit jenem ersten achttägigen Aufenthalt (August 1839) im Verlauf von sechzehn wechselreichen Lebensjahren nicht wieder betreten hatte

An die kurze Rast in der Seinestadt erinnern uns eine Anzahl von Paris datierter Briefe, an Fischer, Tichatschek, nach Zürich und nach London, wohin er seine Ankunft für den nächsten Sonntag (4. März) ankündigt. Dagegen wollte es ihm nicht gelingen, sich auf die Adresse von Liszts Kindern zu besinnen, zu denen ihn damals Liszt selbst geführt hatte, – so sehr er ›sein Gedächtnis danach zermarterte‹. Der Londoner Brief ist an einen gewissen, ihm bis dahin gänzlich unbekannten Ferdinand Präger gerichtet, der ihm als ein Jugendfreund der Brüder Röckel durch deren, in Basel lebenden alten Vater warm empfohlen worden war.4 Prägers Adresse hatte er schon seit vier Wochen, sowohl Liszt als seinen übrigen Freunden, im voraus als die seinige für London angegeben, bis er ›eine hübsche Wohnung‹ gefunden haben würde (so daß demnach Liszt nicht ganz im Rechte ist, wenn er seinen ersten Brief nach London mit dem scherzhaften Vorwurf eröffnet, Wagner habe vergessen, ihm seine Adresse mitzuteilen5). In Prägers Hause, 31 Milton Street Dorsetsquare, brachte er auch die erste Nacht nach seiner Ankunft zu, nachdem er an dem bezeichneten Sonntag früh von Paris ausgefahren, abends in London angekommen und noch vor Mitternacht in die Wohnung seines dortigen Empfohlenen eingetreten war. Mit dieser – mitternächtlichen – Begegnung tritt uns zum ersten Male die aufgeregte Gestalt dieses seltsamsten aller Gastfreunde entgegen, dessen bescheidene Musiklehrer-Existenz durch die Erinnerung an manche, dem Meister erwiesene, gelegentliche Hilfleistung und Gefälligkeit im ehrenwertesten Sinne im Gedächtnis der Nachwelt fortleben wurde, hätten nicht in späten Zeiten (mehr als zehn Jahre nach Wagners Tode) Eitelkeit und Spekulationssucht im Bunde mit greisenhafter Schwäche und offenbarer geistiger Erkrankung ihn zu dem leichtfertigen Versuch fortgerissen, seine ›Freundschafts‹-Beziehungen in so wahrheitswidrig ungeheuerlicher Weise aufzubauschen, als dies in seinem berüchtigten Buche geschehen, dem Anschein nach eigenhändig (?) durch ihn selbst.6 Charakteristisch ist sogleich sein Auftreten bei dieser ersten Begegnung, indem er den reisemüden Meister dabei durch seine sprudelnde Unterhaltung so andauernd [62] in Anspruch nahm, daß er ihn (nach seinen eigenen Worten) erst ›spät morgens in sein Schlafzimmer führte.‹ Sein wahres Verhältnis zu Wagner wird von diesem selbst zwei Jahre später auf das ausgiebigste charakterisiert, in Anlaß einer freundschaftlichen Warnung, daß Präger ihn ›verrate‹ und ›sein Vertrauen mißbrauche.‹ Er verwahrt sich dabei ausdrücklich gegen eine Überschätzung des Wertes dieser Beziehungen ›Jedenfalls‹, heißt es bei dieser Gelegenheit, ›muß Ihnen doch klar geworden sein, daß ich nur einen sehr oberflächlichen Umgang mit ihm hatte: wenn es aber häufiger war, so kam dies daher, daß ich, bei meiner leidenschaftlichen und ernsten Natur, in dergleichen Umgang mehr Befriedigung eines Bedürfnisses des nonchalanten Michgehenlassens, einer ausspannenden Behaglichkeit suchte, als irgend etwas Anderes. Ich suche dann Bequemlichkeit, und werde durch Gefälligkeit und Geschmeidigkeit leicht gewonnen: auch ist es mir dann lieb, wenn ich Jemand zur Hand habe, den ich ein wenig hänseln kann, weil mir das wohl tut. Dies war, sehen Sie, der Inhalt meines Verkehres mit Präger, und urteilen Sie, ob ich je in den Fall kommen kann, von ihm verraten zu werden: das ist rein unmöglich! Über ihn selbst habe ich noch nie Veranlassung genommen, tiefer nachzudenken; für jetzt aber fürchten Sie nichts wegen meiner. Mein »Vertrauen« kann Präger unmöglich mißbrauchen; in der Lage ist er wahrlich nicht zu mir.‹7

Die vor allem nötige und erwünschte ›hübsche Wohnung‹, durch deren Auffindung er seinem Gastgeber nicht länger mit seiner Einquartierung lästig zu fallen brauchte, war sogleich an seinem ersten Tagein London verhältnismäßig leicht entdeckt. Es war dieselbe, auf die ihn Mr. Anderson schon in Zürich mündlich hingewiesen hatte. 22 Portland Terrace an der Südostecke des Regents Park.8 Wirklich war ihre Lage in den verschiedensten Beziehungen äußerst günstig. Nach dem Regentspark richtete der Meister, in Erwartung eines baldigen Frühjahrs, an Ruhetagen gern seine Spaziergänge, und – bei den sonst ungeheueren Entfernungen der Weltstadt – waren doch hier die ihm zunächst interessierenden Örtlichkeiten nicht allzuweit von ihm entlegen. Nach Süden hin, im weiteren Verfolg des Portland Place zur Regent Street, das Konzertlokal der philharmonischen Gesellschaft, die Hanoversquare-Rooms, kaum über eine Viertelstunde entfernt Nach Westen hin [63] die Milton Street längs dem Regentspark in noch kürzerer Zeit erreichbar. Zwischen beiden die Wohnung des Mr. Anderson in der Nottingham Street, und noch eine fernere Lokalität, die dem Meister durch ihre Bewohner demnächst von sehr angenehmer Bedeutung werden sollte: der Manchester Square mit der Hindestreet Nr. 8, in recht naher Nachbarschaft. Nur wenn er vermeinte, den Mr. Anderson bei jener Züricher Unterredung etwas davon murmeln gehört zu haben, daß ihm dieses Unterkommen ›unentgeltlich‹ besorgt werden würde,9 so erwies sich diese Voraussetzung als eine arge Täuschung. Er bezeichnet sie vielmehr bald darauf in seinem ersten Briefe nach Zürich als eine ›teure Wohnung‹ und fügt die weitere Bemerkung hinzu, es sei hier überhaupt ›ohne furchtbares Geld gar nicht vom Flecke zu kommen‹. Im übrigen war dieser erste Tag in London den nötigen Visiten bei den Häuptern der philharmonischen Gesellschaft gewidmet, insonderheit ihrem eigentlichen Oberhaupt, eben jenem Mr. Anderson, einem ältlichen Herrn,10 dem übrigens zahmen und fügsamen Gatten einer hochbetagten, ehrgeizigen Dame, die einst als Klavierspielerin ihre Glanzzeit gehabt und die Ehre genossen hatte, der Prinzessin Viktoria den Musikunterricht zu erteilen.11 Ferner bei dem Sekretär der Gesellschaft, Mr. George Hogarth, dem sehr achtungswerten Schwiegervater des berühmten Romandichters Charles Dickens. Mit diesen Antrittsbesuchen stellte er sich eben nur einfach den Herren Direktoren zur Disposition und dokumentierte durch sein Erscheinen die Erfüllung seines Versprechens, eine Woche vor dem ersten Konzert in London einzutreffen. Er ließ sich dabei sehr natürlicher Weise durch Präger begleiten, da ihm letzterer – beim Zurechtfinden in der ihm fast völlig fremden Weltstadt, deren Sprache ihm nicht einmal geläufig war – zur ersten Orientierung vielfach behilflich sein konnte. Auf diese Art wurde dieser Zeuge des ziemlich lebhaften Protestes, mit welchem der Meister sich bei einer vorläufigen Beratung der aufzuführenden Musikstücke der Zumutung zu erwehren hatte: eine ›preisgekrönte Symphonie‹ Lachners dirigieren zu sollen! Der alte Herr Anderson sei ganz Hofmann und sehr geschmeidig und höflich gewesen, deshalb auch die ersten Empfangsreden von beiden Seiten so glatt und poliert als möglich. Die vorzunehmenden klassischen Werke werden genannt und alles ging ruhig vorüber, bis Anderson von der projektierten Aufführung der Lachnerschen Symphonie sprach. Da sei Wagner mit seiner gewohnten Heftigkeit vom Stuhle aufgesprungen, daß dieser schallend zu Boden fiel, und habe laut ausgerufen: ›Bin ich deshalb aus meinem ruhigen Zürich nach England gekommen, [64] um eine Preissymphonie von Lachner zu dirigieren? Wenn das eine Bedingung meines Kontraktes sein soll, so breche ich ihn und gehe auf der Stelle zurück in die Schweiz‹ Mr. Anderson sei über den jähen Gefühlsausbruch, der sich halb französisch, halb deutsch in leidenschaftlicher Rede entlud und ihm deshalb doppelt unverständlich blieb, ganz außer sich vor Erstaunen gewesen. Als er erst begriff, um was es sich handelte, war der Stein des Anstoßes durch Streichung der Symphonie vom Programme leicht aus dem Wege geräumt, und die Begegnung endete so freundlich und höflich, als hätte der drohende Zwischenfall gar nicht stattgefunden. Die lebendige Wiedererzählung dieser drastischen Szene durch ihren Augenzeugen läßt es doppelt bedauern, daß das unglückliche Buch, dem sie angehört, so fürchterlich voll ist von systematischen Unwahrheiten, leichtfertigen Erfindungen, Entstellungen und Übertreibungen der einfachsten Vorgänge. Wie gern würden wir uns sonst gerade durch die Londoner Episode, die einzige teilweise mit erlebte, von ihm geleiten lassen, – und wäre es nur, um die Gestalt des in den Londoner Konzertnebeln leidenden und ringenden Künstlers einmal auch aus der Froschperspektive zu gewahren!

Leider mahnt die Aufdringlichkeit des Erzählers, in seiner beständigen Hervorkehrung des eigenen Ich, zugleich auf Schritt und Tritt an den sich aufblähenden Frosch der Fabel Selbst der harmlose Umstand, daß sich der Meister, der englischen Sitte gemäß, für diese formellen Besuche statt seines Reisehutes den obligaten Zylinder anzuschaffen hatte,12 wird von ihm in das Licht gestellt, als sei dies durch sein besonderes Verdienst geschehen, als habe er es gegen Wagners ›halsstarrigen Protest‹ durchgesetzt. Wagner habe nämlich einen sogenannten ›Heckerhut‹ getragen, und dieses ›Abzeichen eines politischen Freidenkers‹, in manchen Teilen Deutschlands polizeilich verboten (S. 22), würde gerade damals in dem hochkonservativen England Anstoß erregt und zu der Würde eines Dirigenten der philharmonischen Konzerte nicht gepaßt haben. ›Es gab einen harten Strauß; aber Wagner gab mir schließlich doch Gehör, und so fuhr ich (!) mit dem Komponisten des »Tannhäuser« siegreich zu einem der berühmtesten Hutmacher in Regent Street, wo unter den vielen vorrätigen Kopfbedeckungen keine so recht passen wollte; aber schließlich kamen wir doch zum Ziele.‹ Im übrigen ist es gerade bei dieser selben Gelegenheit, an dem ersten Londoner Morgen, daß ihm der Meister (noch im Hutladen oder auf der Fahrt dahin) auf seine wiederholten Erkundigungen nach dem Befinden Röckels eine ›bittere Enttäuschung‹, ein ›schmerzhaftes Zucken im Herzen‹ verursacht, indem er ihm [65] mit unwillkürlich barscher Ablehnung erwidert: ›Ach, diese Wühler sind nie zufrieden, als bis sie alles von innen nach außen gekehrt haben; vielleicht versucht Röckel jetzt die Gefangenwärter zu republikanisieren!‹13 Die seither veröffentlichten Briefe an Röckel mit ihrem liebevollen Interesse für des Freundes Wohl14 bekunden unzweideutig, wem die in der angeführten Äußerung enthaltene Ablehnung in Wahrheit gegolten habe, nämlich gewiß nicht, wie Präger es darstellt, dem Gegenstande der Frage, sondern dem lästigen Frager. Auch in der geschilderten Szene mit Anderson nimmt Präger das Verdienst ihrer besänftigenden Wendung für sich in Anspruch: der Vorschlag, die Lachnersche Symphonie beiseite zu setzen, sei von seiner Seite ausgegangen. Das ist nicht unmöglich; ihm kam die Vermittlerrolle ganz von Rechts wegen zu. Er sprach eben englisch, und Anderson hatte dem ›aufgeregten Presto-Agitato von Wagners Französisch‹ nicht folgen können. Aber welches Verdienst, sobald es in seinen Augen ein solches ist, nimmt er in seiner Darstellung nicht für sich in Anspruch? Will er doch sogar, wiewohl er Wagner damals noch gar nicht kannte, die Ursache seiner Berufung nach London gewesen sein!

Wie es sich in Wahrheit mit dieser Berufung verhielt, war dem Meister selbst noch ein Rätsel geblieben, das sich ihm erst hier an Ort und Stelle lösen sollte. Ein Zweifel darüber ist gänzlich ausgeschlossen, sämtliche anderweitigen Überlieferungen, mit einziger Ausnahme der Prägerschen, sagen völlig das Gleiche aus. Seit Mendelssohns Tode war die Old philharmonic Society in steter Verlegenheit um einen Dirigenten. Der bisherige Dirigent Costa war zurückgetreten und man mußte Ersatz in einem Manne von mindestens gleicher Bedeutung finden Lindpaintners war man überdrüssig geworden, Spohr hatte (so heißt es) die Einladung abgelehnt, und, wie die zögernd um die Flamme kreisende Motte, stürzte man sich am Ende tollkühn in die anziehende Gefahr. In einer Sitzung des siebenköpfigen Direktoriums wurden viele Namen genannt: einige brachten deutsche, andere französische Musiker in Vorschlag, wieder andere bestanden darauf, man solle nur einen in England geborenen oder wenigstens dort ansässigen Musiker ernennen. Schließlich erhob sich der Franzose Prosper Sainton, der erste Violinist des Orchesters und als solcher einer der Direktoren, und schlug Wagner vor Er selbst wisse zwar aus persönlicher Erfahrung leider nichts über Wagners Fähigkeiten; aber ein Mann, der so heftig angegriffen würde, müsse [66] bedeutenden Wert besitzen. Diese Ansicht fand allgemeinen Beifall, und es wurde einstimmig beschlossen, den Sprung ins Ungewisse zu wagen. Diese Überlieferung15 hat vor allem den nicht unbedeutenden Umstand für sich, daß sie genau mit den eigenen gleichzeitigen brieflichen Angaben des Meisters übereinstimmt, die einzig Saintons, mit keinem Worte aber Prägers, als der Ursache seiner Berufung gedenken. Der Hauptschuldige allerdings war erselbst gewesen, indem er die Einladung annahm! Das verschwieg er sich nicht, und ertrug deshalb die ganze Londoner Fatalität mit wahrem Heroismus bis an ihr Ende als eine ›Abbüßung der von ihm begangenen großen Torheit und Inkonsequenz‹. Insbesondere trat die gesamte musikalische Kritik von Hause aus zu ihm in einen erbitterten Gegensatz. An ihrer Spitze James Davison, durch seine Doppelstellung als Musikrezensent der tonangebendsten politischen Zeitung, der ›Times‹, und der bedeutendsten Musikzeitung, ›Musical World‹, im Besitz eines fast unbeschränkten Einflusses. ›Überfiel mich der Musikkritiker der Times (ich bitte zu bedenken, von welchem kolossalen Weltblatte ich Ihnen hier erzähle!) bei meiner Ankunft sofort mit einem Hagel von Insulten, so genierte Herr Davison sich im Verlaufe seiner Ergießungen nicht weiter, mich, als Lästerer der größten Komponisten ihres Judentums wegen, dem öffentlichen Abscheu anzuempfehlen.‹ Es war dies – außerhalb Deutschlands – die erste, fast noch überraschende Erfahrung von der festgeschlossenen Organisation des internationalen ›musikalischen Judentums‹. An der unmittelbaren Beeinflussung der beiden Hauptkritiker der englischen Presse, Davison und Chorley, durch seinen einstigen Pariser Protektor hat weder Wagner noch einer seiner Londoner Freunde den leisesten Zweifel gehegt. ›Sie wissen am besten, was sie wollen: sie sind bezahlt, mich nicht aufkommen zu lassen, und verdienen sich somit ihr tägliches Brot, was in London nicht so wohlfeil ist, als mancher Amerikaner glaubt.‹16 ›Von der Nichtswürdigkeit, Unverschämtheit, Bestochenheit und Gemeinheit der hiesigen Presse ist jeder, der hier lebt, innig überzeugt.‹17 Daher denn auch der auffallende, [67] im Verlauf der Londoner Konzerte sich beständig steigernde Gegensatz zwischen seiner Aufnahme einerseits durch die Kritik und andererseits durch das Publikum.

Seine besten Londoner Freunde gewann er sich auch sogleich in den ersten Tagen nach seiner Ankunft. Mit der größten Lebhaftigkeit berichtet er über diese Beziehungen in seinen gleichzeitigen Londoner Briefen ›Bis jetzt ist meine liebste Bekanntschaft der hiesige erste Violinist Sainton, ein Toulouser, feurig, gutherzig und liebenswürdig: er allein ist der Grund meiner Berufung nach London. Er wohnt nämlich seit vielen Jahren mit einem Deutschen, Lüders, in innigster Freundschaft zusammen. Dieser hat meine Kunstschriften gelesen, und ist durch diese so für mich eingenommen worden, daß er so gut wie möglich sie Sainton mitteilte, und beide daraus schlossen, ich mußte unbedingt ein tüchtiger Mensch sein. So hat denn Sainton, als er mich den Direktoren vorschlug und erklären sollte, woher er mich kenne, gelogen: er habe mich selbst dirigieren sehen – weil, wie er sagte – der wahre Grund seiner für mich gefaßten Überzeugung den Leuten nicht verständlich gewesen wäre. Nach der ersten Probe, wo Sainton mich voll Entzücken umarmte, konnte ich nicht umhin, ihn einen »téméraire« zu nennen, der froh sein könnte, daß er diesmal nicht übel angekommen wäre. Dieser Mensch ist mir sehr angenehm.‹ Sainton und Lüders, der feurig temperamentvolle joviale Franzose und der ruhig phlegmatische Hamburger, der sich durch nichts aus der Fassung bringen ließ, beide durch unzählige gemeinschaftliche Konzertreisen und ein jahrelanges Zusammenleben in London eng verbrüdert, – das waren die beiden Bewohner der ›Hindestreet No. 8‹ (S. 64), bei denen er sich am liebsten aufhielt. Diese beiden Trefflichen überboten sich in rührendem Wetteifer, wenn es galt, ihm ihre Gastlichkeit und enthusiastische Ergebenheit zu erweisen, – bis in alle Kleinigkeiten seiner täglichen Bedürfnisse hinab. Sainton hielt es für seine besondere Pflicht, ihm sein Zigarrenetui regelmäßig mit vortrefflicher Ware zu füllen, und von Lüders ruft der Meister noch in der Erinnerung aus: ›Gott, wenn es dem lieben Menschen nach gegangen wäre, wie wohl hätte ich mich in London fühlen müssen! Wenn er manchmal in Feuer kam, war er ganz hinreißend.‹ Sehr gefiel ihm aber auch ein junger Musiker, Karl Klindworth, den ihm Liszt als ›Wagnerianer de la veille‹ und vorzüglichen Dirigenten und Klavierspieler aus seiner Schule empfohlen hatte. Er konnte ihm u.a. auch über die vor einem halben Jahre in der Philharmonie stattgefundene erstmalige Londoner Aufführung der ›Tannhäuser‹-Ouvertüre unter Costa; berichten. Die Leute hatten dazu noch [68] die Köpfe geschüttelt, einige sogar gepfiffen. Klindworth und Reményi waren fast die einzigen gewesen, die den Mut hatten zu applaudieren und damit ›dem alt eingenisteten Philisterium der Philharmonie zu trotzen‹18 Reményi, dem Meister noch von der Baseler Begegnung her wohl erinnerlich, weilte damals nicht mehr in London; destomehr erfreute er sich an Klindworth, ›Hätte der Mensch eine Tenorstimme‹, so schreibt er mit sichtlichem Wohlgefallen über ihn nach Zürich,19 ›so entführte ich ihn unbedingt; denn sonst hat er alles, und namentlich auch das ganze Äußere, zum Siegfried‹ Mit dem höchsten, lebendigsten Interesse an dem Großen, Neuen, warf sich dieser vorzüglich gebildete Musiker auf das Studium der Nibelungen-Partitur, und, als wahrhaft zu solcher Arbeit Berufener, machte er sich sogleich an die Arbeit eines Klavierauszuges der ›Walküre‹. Es war dabei weniger auf eine leichte spielbare Bearbeitung, als vielmehr auf eine möglichst detaillierte, mit genauer Angabe der Instrumentation etc. ausgestattete Wiedergabe der Originalpartitur abgesehen, deren Stelle der Klavierauszug (bei völliger Ungewißheit darüber, wann diese Partitur in den Druck gelangen würde!) wohl auf längere Zeit hinaus zu vertreten haben sollte. Wenigstens erfaßte Klindworth seine Aufgabe in diesem Sinne. Die Partitur des ›Rheingold‹ befand sich zu gleichem Zwecke bereits in Bülows Händen, wurde aber später ebenfalls Klindworth übergeben Sainton, Lüders, Klindworth, – diese drei ergebenen Freunde bildeten, nebst einigen wenigen gelegentlichen Erweiterungen dieses Kreises,20 fast den ganzen Londoner Umgang Wagners Andere als diese rein persönlichen Beziehungen in der geräuschvollen Weltstadt aufzusuchen, lag ihm fern. Das spezifisch englische Wesen, wie er es in seinen Londoner Briefen eben so anschaulich wie sarkastisch schildert, blieb ihm im Innersten antipathisch. Am allerwenigsten konnte er es über sich gewinnen, den dringenden Ratschlägen Folge zu geben, mit denen man ihn von allen Seiten her bestürmte: jene anmaßungsvollen Spitzführer der musikalischen Kritik und Irreleiter des öffentlichen Urteils, wie sie es anderweitig gewohnt waren, durch einen Höflichkeitsbesuch zu entwaffnen! Er hätte damit [69] nicht mehr getan, als jeder sonstige berühmte oder unberühmte Musiker es der hergebrachten Sitte gemäß zu tun pflegte, sofern er irgend darauf ausging, sich in der Londoner Öffentlichkeit zur Geltung zu bringen. Nie und nimmer konnte sich Wagner für seine Person zu einem ähnlichen Schritte entschließen. Was in aller Welt ging ihn dieses ganze London mit seinen musikalischen Velleitäten und kritischen Rädelsführern an? Das Weiteste, wozu eine persönliche Rücksicht auf Sainton ihn bewog, war ein Besuch bei dem sonstigen Dirigenten der philharmonischen Konzerte, Michele Costa. Auch mit dieser seltsamen Londoner Musik-Autorität, dem Kapellmeister der Kgl. italienischen Oper, wie der Sacred Harmonic Society, der die geistlichen Konzerte in Exeter Hall ins Leben gerufen und fast alle großen Musikfeste in England dirigierte, hatte er zwar durch den bloßen Umstand, daß er für diese Saison sein Nachfolger in der Leitung der philharmonischen Konzerte war, noch lange nicht das Mindeste gemein! Doch wünschte er nicht, daß die Unterlassung einer solchen persönlichen Aufmerksamkeit ihm als hochmütige Selbstüberhebung ausgelegt würde und vielleicht gar seine Freunde darunter zu leiden haben sollten. Dagegen ›widerstand es ihm wie Gift‹, irgend einen Schritt tun zu sollen, um ›jenes Lumpenpack von Zeitungsschreibern‹ für sich zu gewinnen, und diese – ›schimpften nun fort, daß es eine Freude war.‹21

Dem ersten Konzert ging eine Probe voraus, von welcher wir bereits berichteten, daß der Enthusiasmus unter den Musikern groß war und Sainton den Meister nach derselben voll Begeisterung umarmte. ›Nach der ersten Probe waren die Direktoren der Philharmonie so entzückt und hoffnungsvoll, daß sie mich bestürmten, im nächsten Konzert schon etwas von meinen Kompositionen zu geben. Ich mußte nachgeben und bestimmte dazu die Stücke aus, »Lohengrin«. Weil ich dafür zwei Proben bekomme, wurde auch die neunte Symphonie bestimmt, was mir lieb ist, da ich diese mit einer Probe nicht gegeben hätte. Das Orchester, was mich sehr lieb gewonnen hat, ist sehr geschickt, hat große Fertigkeit und ziemlich schnelle Intelligenz; nur ist es für den Vortrag ganz verdorben, hat kein Piano und keine Nuance. Es war erstaunt, aber erfreut über meine Art, die Sachen aufzuführen. Mit den nächsten beiden Proben hoffe ich es ziemlich in Ordnung zu bringen. Diese Hoffnung, sowie über haupt mein Verkehr mit dem Orchester, ist aber auch alles, was mich hier anzieht: sonst ist mir alles, alles nur gleichgültig und widerwärtig.‹22 Der ganze Charakter der Londoner Konzertunternehmung ist in den vorstehenden Angaben genau gekennzeichnet. Als Wagner das Anerbieten der Philharmonie akzeptierte, geschah es unter der zwiefachen Voraussetzung: 1) daß ihm für jedes Konzert mehrere Proben, und 2) daß ihm [70] ein Assistent in der Direktion bewilligt würde; letzterer für die Leitung solcher Programm-Nummern, mit denen er wegen ihres teils gemischten, teils trivialen Charakters für seine Person nichts zu tun haben wollte. Beides war leider nicht zu ermöglichen gewesen. ›Eine Beethovensche Symphonie macht mir wohl große Freude; aber so ein großes Konzert mit allem, was drin vorkommt, ekelt mich tief an, und mit großem inneren Verdruß sehe ich mich genötigt, Zeug zu dirigieren, was ich wohl nicht mehr glaubte aufführen zu müssen‹, schreibt er an Fischer, und was die ihm für eine korrekte Vorführung nötige Anzahl von Proben betrifft, so fügt er die bittere Klage hinzu, daß ›hier stets nur sehr wenig Proben gemacht werden können, weil alles furchtbar teuer ist‹.23 So mußte er sich im allgemeinen für ein jedes dieser Konzerte trotz ihrer stark überladenen Programme mit einer Probe begnügen. Dazu kam als besondere Erschwerung seiner Dirigentenaufgabe die eigentümliche Vortragsweise des philharmonischen Orchesters. Dieses hatte Mendelssohn längere Zeit hindurch dirigiert, und ausgesprochenermaßen hielt man hier die Tradition der Mendelssohnschen Vortragsweise fest, welche sich andererseits den Gewöhnungen und Eigenheiten der Konzerte dieser Gesellschaft so gut anbequemte. ›Da in diesen Konzerten‹, so berichtet Wagner darüber noch in späteren Zeiten,24 ›ungemein viel Instrumentalmusik verbraucht, für jede Aufführung aber nur eine Repetitionsprobe verwendet wird, war ich selbst genötigt, öfter das Orchester eben nur seiner Tradition folgen zu lassen, und lernte hierbei eine Vortragsweise kennen, die mich allerdings sehr lebhaft an Mendelssohns gegen mich getane Äußerungen hierüber gemahnte.25 Das floß denn wie das Wasser aus einem Stadtbrunnen; an ein Aufhalten war gar nicht zu denken, und jedes Allegro endete als unleugbares Presto. Die Mühe, hiergegen einzuschreiten, war peinlich genug; denn erst beim richtigen und wohlmodifizierten Tempo deckten sich nun die unter dem allgemeinen Wasserfluß verborgenen anderweitigen Schäden des Vortrages auf. Das Orchester spielte nämlich nie anders als »mezzoforte«; es kam zu keinem wirklichenForte, wie zu keinem wirklichen Piano. Soweit dies nun möglich war, ließ ich es mir in den bedeutenden Fällen endlich wohl angelegen sein, auf den mir richtig dünkenden Vortrag, somit auch auf das entsprechende Tempo zu halten. Die tüchtigen Musiker hatten [71] nichts dagegen und freuten sich selbst aufrichtig darüber; auch dem Publikum schien es offenbar recht zu sein: nur die Rezensenten waren wütend darüber.‹26

Das erste der acht Konzerte fand am Montag den 12. März 1855 in dem Saale der Hanoversquare Rooms statt, mit folgendem Programm:


I.Symphonie Nr. 7 Haydn.

Terzett: ›Soave sia il vento‹ Mozart.

Dramatisches Violin-Konzert (Herr Ernst)Spohr.

Szene und Arie: ›Ozean, du Ungeheuer‹Weber.

Hebriden-Ouvertüre (›Fingalshöhle‹)Mendelssohn.


II.Sinfonia Eroica Beethoven.

Duett: ›O mein Vater‹Marschner.

Ouvertüre zur ›Zauberflöte‹Mozart.


Bereits dieses erste Programm, dessen typischem Aufbau sich auch die folgenden sieben genau anschließen, weist in seiner widernatürlichen Massenhaftigkeit und Zusammendrängung heterogener Bestandteile den Grundzug des englischen Konzertwesens auf, der Wagner so tief widerstand. Diese ›vollen‹ Programme erinnerten ihn an den Ausruf der Omnibuskondukteure in den Londoner Straßen: full inside! (›ganz voll!‹), so daß ihm die ganze philharmonische Gesellschaft wie ein großer Omnibus vorkam und er selbst mitten darin als erzwungener Dirigent (Conductor) derselben sich zum zeitweiligen ›Omnibus-Kondukteur der philharmonischen Gesellschaft‹ degradiert fand. Von seiner Art zu dirigieren wird uns berichtet, daß sie sich in allem und jedem von dem sonst hier gewohnten automatisch-metronomischen Taktschlagen unterschied, er habe zuweilen ganz aufgehört den Taktstock zu schwingen; doch wenn er das Orchester zu einem ff leiten oder es bis zum pp abschwächen wollte, dann sei es wie mit tausend unsichtbaren Fäden an seinen Zauberstab gebunden gewesen. Der Beifall des Publikums sowohl beim Empfang als noch mehr am Schluß war lebhaft und scheinbar begeistert, trotzdem wurde dem Meister nicht klar, ob es eigentlich eines wirklichen Eindruckes fähig sei, da es ›das Ergreifendste ganz so wie das Langweiligste hinnahm.‹ ›Mit welcher Gleichmütigkeit diese Menschen z.B. zuhörten, als ihnen 30 Sekunden nach dem Schluß der Eroica ein langweiliges Duett vorgesungen wurde, war für mich doch etwas Neues zu erfahren. Alle Welt versicherte mir, daran nehme niemand den geringsten Anstoß, und ganz so wie die Symphonie wurde das Duett applaudiert.‹ ›Sonderbar‹, schreibt er an Liszt, ›war das Geständnis von Mendelssohnianern, daß sie die »Hebriden«-Ouvertüre noch nie so gut gehört und verstanden hätten, als unter meiner Leitung.‹ Nach dem Konzert fand sich der kleine Kreis von Londoner Freunden, der sich in den ersten acht Tagen um ihn gesammelt, Sainton, Lüders, Klindworth und Präger, in [72] Wagners Wohnung zusammen, um ihm Gesellschaft zu leisten. Sainton habe sich als Meister in der Kunst bewährt, eine Hummermayonnaise zu bereiten, Lüders einen trefflichen dänischen Punsch präpariert, und der Meister selbst, nachdem er erst den Konzertdirigentenfrack mit dem Schlafrock vertauscht, sei wahrhaft kindlich froh und ausgelassen lustig gewesen. Er habe Anekdoten aus seiner Jugend mit erstaunlicher Lebendigkeit und dramatischer Reproduktionskraft erzählt und durch seine Unterhaltung, voll genialer Inspirationen, alle zum heitersten Übermut fortgerissen.

Zu solcher Heiterkeit hatte freilich die elastische Natur und die große Irritabilität seines künstlerischen Temperamentes reichlich das Ihrige beizutragen. Das Unerfreuliche seiner gesamten Londoner Situation drängte sich ihm nur allzu fühlbar auf. Noch hatte er sich in seiner Wohnung nicht so weit heimisch gemacht, daß er an eine Wiederaufnahme seiner großen Arbeit denken konnte. Durch Liszts, schon von Zürich aus zu diesem Zwecke angerufene Vermittelung erhielt er zwar von der Londoner Vertretung der berühmten Pariser Firma Erard einen schönen Flügel ins Haus geliefert; aber erst vierzehn Tage nach seiner Ankunft, auf welche Verspätung sich sein inzwischen noch von London aus wiederholter Notschrei bezieht.27 ›Ein Stehpult zum Schreiben mußte ich mir von einem Zimmermann besonders anfertigen lassen; nirgends war ein solches sonst zu bekommen.‹28 So war er, 2–3 Wochen nach seiner Ankunft, endlich zum Arbeiten eingerichtet, konnte aber auch dann nur erst noch spärlich beginnen. ›Die Unterbrechung war zu groß und heftig, im Anfang war mir meine Komposition wildfremd geworden‹.29 Einen schweren inneren Kampf und Entschluß kostete ihn auch die endliche definitive Regelung der Angelegenheit seines ›Tannhäuser‹ in Berlin. Die Entscheidung darüber fiel in die erste Londoner Woche; sie kostete ihn um Liszts willen Überwindung, aber sie war nicht länger hinauszuschieben. In die vierzehntägige Zwischenzeit bis zu dem zweiten Konzert fiel mancherlei Ursache zur Verstimmung. Je lebhafter sich das Publikum für den Künstler ausgesprochen, desto heftiger setzte die Londoner Presse unter Davisons Führung ihren zielbewußten Feldzug fort, um hierdurch das öffentliche Urteil zu terrorisieren Allen Quell für seine Befriedigung hatte er in den Verkehr mit dem ihm sehr zugetanen Orchester und in die Hoffnung auf schöne Aufführungen gesetzt. Deshalb hatte er viel darauf gegeben, für das nächste Konzert zwei Proben [73] halten zu dürfen, um bei dieser Gelegenheit das Orchester recht gründlich vorzunehmen. Sogleich die erste dieser Proben machte ihm diese Hoffnung zunichte; er sah ein, daß für seinen Zweck auch zwei Proben zu wenig seien. Er mußte vieles Wichtige übergehen, was er in nur noch einer Hauptprobe nicht nachholen konnte; so daß er für die neunte Symphonie doch nur einer ›relativ guten Aufführung‹ entgegensah. In betreff der Bruchstücke aus ›Lohengrin‹ empfand er mit großer Betrübnis, wie traurig es für ihn sei, immer nur mit solch spärlichem Auszug aus diesem Werke vor dem Publikum erscheinen und darnach sein ganzes Wesen beurteilen lassen zu müssen.30 ›Auch das Orchester kann mir keine Entschädigung bieten‹, schreibt er an Liszt ›es besteht fast nur aus Engländern, d.i. geschickten Maschinen, die nie in den richtigen Schwung zu setzen sind; das Handwerk und das Geschäft ertöten alles.‹31 Das pp im ›Lohengrin‹-Vorspiel mit den gradweisen cresc. und dim. machte den Musikern, die bis dahin ein wirkliches forte undpiano gar nicht gekannt hatten, anfänglich viel zu schaffen. Sie sahen sich untereinander an, als wollten sie sich fragen: ›wie leise und wie laut will er es denn haben?‹ Er brachte es mit der ihm eigenen Superiorität und siegreichen Energie endlich dahin, daß es genau so ging, wie er wollte; aber die mehrstündige Betätigung seines ganzen Wesens war aufreibend genug; er war verstimmt und angegriffen. Sainton entging dies nicht, er setzte es durch, mit ihm von der Probe nach Hause zu fahren: dort wartete er, bis Wagner sich umgekleidet, bestellte dann dessen einsames Hausdiner ab und nahm ihn mit zu sich in seine Junggesellenwirtschaft, wo der Meister mit ihm und Lüders ganz gemütlich en garçon speiste, bis er einigermaßen besserer Laune war. ›Ein solcher Mensch in London, unter den Engländern, ist eine völlige Oase in der Wüste‹, berichtet Wagner den Freunden nach Zürich. ›Etwas Widerwärtigeres als den eigentlich echten englischen Schlag kann ich mir dagegen nicht vorstellen: durchgängig haben sie den Typus des Schafes; und ebenso sicher, als der Instinkt des Schafes zum Auffinden seines Futters auf der Wiese, ist der praktische Verstand des Engländers; sein Futter findet er gewiß, nur die ganze schöne Wiese und der blaue Himmel darüber ist für seine Auffassungsorgane nicht da. Wie unglücklich muß sich unter ihnen jeder vorkommen, der dagegen nur die Wiese und den Himmel, leider so schlecht aber die Schafgarbe gewahrt.‹32

Für eine Herabstimmung seiner Erwartungen und Forderungen war durch diese erste Probe reichlich gesorgt; andererseits waren seine Anstrengungen [74] doch nicht vergeblich geblieben. Er hatte sich durch seinen Ernst die Achtung, ja Hochschätzung der Orchestermitglieder erzwungen und jene ›geschickten Maschi nen‹ menschlich zu beleben und zu sich herauszuziehen gewußt, und Sainton als Vorspieler tat das Seinige, um seine Kollegen anzufeuern. So brachte die folgende Probe manche Klärung. Insbesondere ging er mit gewohnter Energie an das Einstudieren der neunten Symphonie, und hier enthält die Erzählung Prägers als Augenzeugen manches anschauliche Detail. Hauptsächlich waren es die Sänger, die ihm zu schaffen machten, weshalb er auch plötzlich innehielt und die Frage an sie richtete: ›ob sie wohl einen Begriff von der Bedeutung ihrer Aufgabe hätten?‹ Der Bassist sang seine Partie zuerst wie ein Lied, worauf Wagner ihm die Anrede vorsang, mit einem so tiefgefühlten Ausdruck, mit solcher Würde, daß Mr. Weiß, der Bassist, daraus eine höchst wertvolle Belehrung zog, die er auch gleich aufs beste verwertete. ›Für das Orchester war die Probe eine Art Offenbarung. Daß Wagner das Riesenwerk auswendig dirigierte, offenbarte den Musikern eine Künstlernatur, deren ganze Seele in dieser Aufgabe lebte und webte.‹ Als er ihnen das große Rezitativ für die Streichinstrumente vorsang, wurde dies anfänglich von ihnen mit Laune als Spaß angesehen, bis ihnen schließlich ›die Augen darüber aufgingen, daß der Geist des Komponisten ungeachtet der forcierten Stimme des Dirigenten doch klar und verständlich daraus entnommen werden konnte, wozu überdies eine scharfe Erklärung in Worten noch bedeutend mithalf.‹ Auf die Chöre war es unmöglich, in diesen zwei arbeitsüberlasteten Orchesterproben auch noch einen Einfluß zu gewinnen. Er mußte sie singen lassen, wie sie eben sangen. ›Chöre miserabel! Hätte ich meinen Dresdener Palmsonntagschor!‹ schreibt er am Morgen des Konzerttages in einem Geschäftsbrief an den alten Fischer. Das zweite Konzert, am Montag den 26. März, hatte folgendes Programm:


I. Ouvertüre zum ›Freischütz‹Weber.

Arie: ›O salutaris‹ Cherubini.

Violinkonzert (Mr. Blagrove) Mendelssohn.

Auswahl aus ›Lohengrin‹: Vorspiel;

Brautzug zum Münster aus d. 2. Akt;

Hochzeitmusik und Brautlied Wagner.


II. IX. Symphonie Beethoven.


Der Eindruck dieses Konzertes auf das Publikum war entscheidend. Sogleich die ›Freischütz‹-Ouvertüre, deren echt Webersche Vortragstradition er, im Gegensatz zu aller seitdem eingerissenen Verderbnis ihrer Vorführung, von frühester Kindheit an als heiliges Vermächtnis wahrte, gab er so verschieden und dem Orchester wie dem Publikum so neu, daß sie am Konzertabend stürmisch da capo verlangt wurde. Von allen Seiten vernahm man die Versicherung, daß man die Ouvertüre früher noch nicht gekannt habe. ›Mir war, als hörte [75] ich das poetische Tongemälde dieser Ouvertüre zum »erstenmal« erzählt eine begeisterte Zuhörerin dieses Konzertes, »und es ward mir plötzlich klar, daß ich sie jetzt erst höre, wie sie gehört werden müsse. Die ganze Waldsage mit ihrem Zauber, ihrem Schrecken und ihrer süßen Unschuld und Poesie stand wie verklärt vor meinem Blick.«33 »Der Eindruck, den die ›Lohengrin‹-Musik (auf die englischen Hörer) hervorbrachte, war ganz eigener Art. Von einer Instrumentation, wie die des Vorspiels, hatte man zuvor keine Idee; eine solche Zartheit kannte man nicht; und als darauf der feurige, rhythmisch originelle Marsch (?) das ganze Publikum zum Enthusiasmus hinriß, so war man ganz erstaunt, daß alles ganz anders kam, als man es erwartet hatte. Das musikalische Hauptjournal hatte Wagners Musik als ›höchst lärmend und wütend‹ beschrieben, – und nun hatte man nichts gefunden, was irgendwie zu solchem Urteil gestimmt hätte.«‹34 Sowohl nach den ›Lohengrin‹-Bruchstücken, als nach der 9. Symphonie, die den ganzen zweiten Hauptteil des Konzertes ausfüllte, wurden dem Meister die lebhaftesten und entschiedensten Beifallskundgebungen zuteil. Nichtsdestoweniger verharrte die gesamte Londoner Presse auch nach diesem Konzert bei der einmal angeschlagenen Tonart; ja er konnte bei einigen Berichterstattern (›Morning-Post‹) sogar ein gewisses befangenes Umlenken zu seinen Ungunsten wahrnehmen. Man versicherte ihn, dieses Umlenken sei vorauszusehen gewesen, und zwar eben weil ›Times‹ u.s.w. so schonungslos über ihn hergefallen wären, was jenen Berichterstatter zur Vorsicht nötigte. Keiner dieser Rezensenten, so ward ihm von Kennern der Verhältnisse versichert, wolle es ganz mit dem andern verderben, indem dazwischen die Gelegenheiten kämen, wo sie einander wechselseitig zu dienen hätten! Nur der Redaktion der ›Times‹ selbst war Davisons erneute fanatische Invektive zu stark und zu grob gewesen, weshalb sie seinen Bericht über das zweite Konzert nicht aufnahm. Einen desto freieren Spielraum für seine feindseligen Ergüsse hatte der gemaßregelte Kritiker dafür in seiner angestammten Musikzeitung, der ›Musical World‹, mit ihrem ausgebreiteten Leserkreise.

Zwischen dem zweiten und dritten Konzert lag durch die Osterferien eine etwas längere Pause. Sie kam der Partitur der ›Walküre‹ einigermaßen zugute Gesellschaftliche Beziehungen außer zu den bereits gewonnenen nächsten Freunden wieder eher, als daß er sie gesucht hätte; trotzdem konnte er nicht umhin, von einer angelegentlichen Empfehlung Gebrauch zu machen, die ihm Wesendonck an einen ›kunstliebenden‹ Londoner Handelsfreund gegeben. Es war dies ein reicher Kaufmann deutscher Herkunft, namens Benecke, dessen Frau eine Verwandte Mendelssohns war, wodurch er mit den Seinigen ›in musikalischen Dingen eigentlich auch zu der Partei der »Times« gehörte.‹ [76] Zunächst hatte er den Mann in seinem Geschäftslokal in der City aufgesucht; dann war er, bald nach dem ersten Konzert, in dessen eigenem Wagen nach der Wohnung seines neuen Gönners abgeholt worden, um den Glanz seiner gastlichen Häuslichkeit in Camberwell, 8 Meilen von Wagners Wohnung entfernt, in der Nähe zu bewundern. Einen unübertrefflich humoristischen Bericht über diese wiederholten Besuche im Schoße der Familie Benecke treffen wir in einem seiner Briefe nach Zürich. Diese Familie, heißt es da, finde sich regelmäßig Sonnabends in der Stärke von ungefähr einem Viertelhundert Köpfen an dem genannten Vereinigungspunkt zusammen. ›Er ist ein ganz netter Mann, Bourgeois von Kopf zu Fuß, wohlwollend und musikalisch; Sie ist eine Verwandte Mendelssohns, klug, zurückhaltend und – nicht übel. Töchter, Söhne, Schwäger, Schwägerinnen, Vetter und Muhmen setzen sich nach dem Essen zum Tee hin und lassen sich von zwei oder drei anderen Verwandten Klavier und Gesang vorführen, – natürlich nur von Mendelssohn. Ich habe dieses Ereignis nun bereits zweimal erlebt; für nächsten Sonntag habe ich leider eine Abhaltung. Woran das Viertelhundert mit mir ist, dürfte ihm noch nicht klar geworden sein; vielleicht findet sich das im Laufe der Zeit.‹ Noch in einen anderen deutschen Familienkreis in London geriet der Meister zufällig einmal, durch welche Vermittelung oder Empfehlung, entzieht sich unserer Kenntnis. Es war das Heim eines Professors Friedrich Althaus,35 in welchem seine erste Begegnung mit einer nachmaligen treuesten Freundin und Anhängerin, Malvida von Meysenbug, stattfand. Die Lebensschicksale dieser idealistischen Märtyrerin ihrer politischen und sozialen Überzeugungen sind durch ihre eigenen Memoiren so allgemein bekannt, daß wir sie an dieser Stelle nicht noch besonders reproduzieren. Dagegen sei der Bericht ihrer bisherigen Beziehungen zu Wagner mit ihren eigenen Worten hier eingeschaltet.36 Bereits im Jahre 1852 hatte sie sich von Hamburg aus, wo sie damals lebte, unter dem frischen Eindruck seiner soeben erschienenen Kunstschriften brieflich an den Meister gewandt. ›Mächtig ergriffen von dem Strome der Gedanken, der mir aus diesen Büchern entgegenflutete, in denen ich das Evangelium der Zukunft Deutschlands, wie auch ich sie träumte, erkannte, schrieb ich ihm, nachdem ich »Oper und Drama« gelesen, und erhielt auch eine[77] freundliche Antwort.37 Von seinen musikalischen Werken, die eben anfingen auf deutschen Bühnen hier und da gegeben zu werden, hatte ich leider vor meiner Abreise nach England nichts hören können, und es blieb mir ein tiefes Sehnen im Herzen, einer solchen Darstellung beiwohnen zu können. Auch die Korrespondenz mit dem genialen Schriftsteller und Dichter-Komponisten suchte ich weiter nicht fortzusetzen, weil ich ihm, als ihm gänzlich unbekannt, nicht beschwerlich fallen mochte, und weil überhaupt alle jene erlösenden Zukunftsgedanken doch in eine, wie es mir schien, für mich nicht mehr erreichbare, unabsehbare Ferne entrückt waren. Ich glaubte fest an die wahre Vollendung und Erlösung des Lebens durch die Kunst; aber mir schien es, als müsse noch eine lange, schwere Arbeit vorangehen, gleichsam die Urbarmachung des harten Erdreichs, ehe die höchste Blüte entkeimen könnte. In den Schriften Wagners hatte ich die vollendete Theorie dessen, was ich in unbestimmten Zügen empfunden und geahnt hatte, gefunden. Der Wunsch, etwas von jener Musik hören zu können, war für mich zur brennenden Sehnsucht geworden, zu deren Erfüllung aber auch nicht die leiseste Aussicht vorhanden schien. Wie sehr müsse mich nun die Nachricht erregen, daß der Verfasser jener bedeutungsvollen Bücher, der Schöpfer jener poesieerfüllten Texte nach London käme. Ich hörte von seinem Eintreffen durch eine ehemalige Hausgenossin, eine junge deutsche Musikerin, und beneidete dieselbe, daß sie ihn mehreremal im Hause einer ihm befreundeten Familie gesehen hatte.38 Was ich in dem Konzerte, dem ich beiwohnte, erlebte, war eine Offenbarung, die mir wie zum ersten Male die geheimnisvolle Sprache der Tonwelt aufzuschließen schien. Die Persönlichkeit des Dirigenten kam bei diesem Eindruck so wenig, wie beim Lesen seiner Bücher, in Betracht: ich saß zu fern, um mir von derselben einen rechten Begriff machen zu können; nur hatte ich die Empfindung, als flösse sichtbar von seinem Taktstock eine Harmoniewelle über das Orchester hin und mache die Musiker unbewußt in einer höheren Weise spielen, als sie es bis jetzt je vermocht hatten. Unter allem, was ich im konzertreichen England bis jetzt gehört hatte, stand dies Konzert einzig da. Man kann sich denken, mit welcher Freude ich einige Zeit darauf eine Einladung von Anna‹ (Frau Althaus) ›annahm, um einen Abend mit Wagner, der ihnen zugesagt, bei ihnen zu verbringen. Der Eindruck, den ich empfing, entsprach nicht ganz meiner Erwartung: Wagner war verstimmt durch seinen Aufenthalt in England und verhielt sich kühl, beinahe abweisend dem herzlichen, begeisterten Entgegenkommen gegenüber, welches ihm zuteil wurde. In der Tat hatte sich zwischen ihm[78] und der englischen, vom Mendelssohn-Kultus durchdrungenen Gesellschaft von vornherein ein Antagonismus festgestellt, der in den musikalischen Berichten und Kritiken der Saison zu Absurditäten Anlaß gab wie die, daß man unmöglich das Rechte von einem Dirigenten erwarten könne, der sogar Beethovensche Symphonien auswendig dirigiere! Nur kurz wurde indeß des unbefriedigenden musikalischen Treibens gedacht: fast von vornherein wandte sich das Gespräch auf die Werke eines Philosophen, dessen Name ganz plötzlich wie ein strahlendes Gestirn aus der Vergessenheit, in der man ihn mehr als ein Vierteljahrhundert gelassen, heraufgestiegen war. Dieser Philosoph war Arthur Schopenhauer. Ich weiß nicht, auf welche Weise der Hausherr von Wagners bewundernder Verehrung für Schopenhauer erfahren hatte; er brachte das Gespräch auf diesen und bat ihn um eine Auseinandersetzung der Grundgedanken der Schopenhauerschen Philosophie, die er noch nicht kannte. In dem darauf folgenden Gespräch traf mich mit besonderer Macht der Ausdruck: »die Verneinung des Willens zum Leben«, welchen Wagner für das Endresultat der Schopenhauerschen Weltanschauung erklärte. Gewohnt den Willen als die Kraft der sittlichen Selbstbestimmung anzusehen, war mir dieser Satz, als höchste ethische Aufgabe der Menschheit, ganz unverständlich. Doch klang er in mir nach wie ein Etwas, vor dem ich nicht als Rätsel stehen bleiben dürfe und dessen Verständnis in mir vorbereitet liege. Er zog mich an, als müßte er der Schlüssel sein zu der Pforte, hinter der mir das Licht der letzten Erkenntnis scheinen werde. Der Abend verlief, ohne daß sich ein wärmerer Ton zwischen Wagner und uns hergestellt hätte. Um es nicht bei diesem Eindruck bewenden zu lassen, schrieb ich nach einiger Zeit ein paar Worte an Wagner und lud ihn ein, nach Richmond hinauszukommen. Leider erhielt ich eine abschlägige Antwort, welche seine nahe Abreise und die derselben vorhergehenden Beschäftigungen als Grund angab.‹39

Am 3. April ward der erste Akt der ›Walküre‹ in der Instrumentation beendet. Wie sehr widerstrebte ihm jede ablenkende Zerstreuung, solange er sich mit dem einzig Wichtigen im Rückstand befand. ›Laßt mich meine Nibelungen vollenden!‹ ruft er tags darauf in einem Briefe an Liszt ›das ist alles, was ich verlange. Vermag das meine edle Zeitgenossenschaft nicht, so hole sie mit all ihrem Ruhm und Ehren der Teufel!‹ Alles hing ihm wie [79] Blei am Geiste und Leibe; seinem Hauptwünsche für dieses Jahr, in London die Partitur der ›Walküre‹ zu beenden und gleich nach seiner Rückkehr auf dem Seelisberg den ›Siegfried‹ beginnen zu können, mußte er nun schon entsagen. Aus dieser Verstimmung befreite ihn ein Besuch Klindworths, dem es übrigens auch schlecht ging, da er fast während der ganzen Zeit von Wagners Londoner Anwesenheit sich mit Krankheit zu plagen hatte. Aber nun, nachdem er mit dem Meister zu Mittag gespeist, mußte er an den Flügel; und was er spielte, war Liszts große Sonate in H dur. Auf das tiefste fühlte sich Wagner davon ergriffen, und alle Londoner Misere war mit einem Male vergessen. ›Die Sonate ist über alle Begriffe schön,‹ ruft er dem Freunde zu ›groß, liebenswürdig, tief und edel, – erhaben, wie Du bist. Klindworth hat mich durch sein Spiel in Erstaunen versetzt: kein Geringerer als er durfte es unternehmen, mir Dein Werk zum ersten Male vorzuführen.‹ Mit Sainton gemeinschaftlich besuchte er auch der Kuriosität halber eines der Konzerte der Konkurrenz-Gesellschaft der Philharmonie, der ›New Philharmonic Society‹; er war erstaunt über den hohen Grad von Mittelmäßigkeit der Leistungen dieses Orchesters und seines naiv unbefähigten Dirigenten. ›Da ging es hintereinander her mit Ouvertüren, Symphonien, Concertos, Chören, Arien u.s.w., daß es eine Freude war: alles von Dr. Wylde dirigiert, klitsch-klatsch, bis alles fertig war. Publikus applaudierte, wie immer; und anderen Tags hieß dieses Konzert in allen Zeitungen das schönste der ganzen Saison.‹ Die eigentliche Wonne der Engländer aber lernte er in den großen Oratoriumsaufführungen der Exeter-Hall aus eigener Wahrnehmung kennen, und gibt darüber nach Zürich an Freund Wesendonck den anschaulichsten Bericht. ›Vier Stunden sitzen sie da und hören eine Fuge nach der anderen an, in sicherer Überzeugung, nun ein gutes Werk verrichtet zu haben, wofür sie einst im Himmel nichts wie die schönsten italienischen Opernarien zu hören bekommen werden. Diesen tief brünstigen Drang des englischen Publikums hat Mendelssohn so schön verstanden und ihm Oratorien komponiert und dirigiert, wofür er denn nun auch der eigentliche Heiland der englischen Musikwelt geworden ist. Mendelssohn ist den Engländern vollkommen das, was den Juden ihr Jehovah. Jehovahs Zorn trifft mich Ungläubigen denn auch jetzt; denn Sie wissen, daß unter anderen großen Eigenschaften dem lieben Gotte der Juden auch sehr viel Rachsucht zugeschrieben wird. Davison ist der Hohepriester dieses Gottes-Zorns. Was meint die Tante‹ (Frau Wesendonck), ›wenn ich ein Oratorium für die Exeter-Hall schriebe?‹

Für die Kenntnis sonstiger Eindrücke der Physiognomie Londons auf seinen empfänglichen Sinn und sein für alles Neue und Eigenartige (selbst wo es ihn nicht anzog) offenes Auge fließt uns leider keine andere Quelle als die, in diesem Falle recht harmlosen, Angaben Prägers. Gleich am ersten Tage, berichtet dieser, sei ihm die Eigenheit Wagners aufgefallen, [80] in den überfüllten Straßen der Weltstadt ›mit einer Behendigkeit, die uns alle in Erstaunen setzte, sich durch Fußgänger, Wagen und Pferde hindurchzudrängen.‹ ›Seine Kühnheit hierbei grenzte dicht an Verwegenheit, und während wir noch einen passenden Augenblick abwarteten, um durch das gefährliche Gedränge zu schlüpfen, stand er schon längst auf der anderen Seite der Straße, mit einem hellen Gelächter uns erwartend und gewöhnlich noch eine geschickte Pirouette ausführend.‹ – Bemerkte er an den glänzenden Schaufenstern eines der großen Magazine etwas auffallend Schönes, so ›sprang er mit einem Ausruf der Freude näher hinzu, um es in Augenschein zu nehmen, und ließ sich in seinem Enthusiasmus so ungezwungen darüber aus, daß wir durch das Ungewöhnliche einer solchen, dem Engländer fremden Aufregung oft einen ganzen Kreis müßiger Badauds um uns versammelt fanden.‹ – ›Über die Mißhandlung eines Pferdes geriet er einmal so in Wut, daß er den Karrenführer wild am Arme packte Dieser war gleich bereit, sein Recht mit den Fäusten zu verteidigen, und es gelang nicht ohne Mühe, dies zu verhüten.‹ – Bei einem gemeinsamen Besuche der ›Guildhall‹ (des Stadt- und Rathauses der City) mit ihrem ungeheueren Saale belustigten ihn die in dem letzteren befindlichen, Gog und Magog genannten, ungeheueren Holzfiguren, die früher dem Lord Mayor bei seinem Umzug vorangetragen wurden, so daß er in den komischen Ausruf ausbrach: ›Herrje! das sind ja meine Riesen Fasolt und Fafner!‹ – Mehr Anziehungskraft, als das Straßengedränge der City zwischen den ungeheueren Steinmassen hoher dunkler Häuser unter grauem bleifarbenem Himmel, hatte für ihn der weitausgedehnte Regentspark mit seinen grünen Wiesen, schönen Baumgruppen, frischen Wasserpartieen, durch Herden von Schafen und alle Arten von Wasservögeln ein wohltätiges Abbild des Landlebens inmitten dieses ungeheueren Komplexes von Häusern, Straßen und Plätzen. Sein täglicher Spaziergang galt diesen prächtigen Anlagen: dort auf einer kleinen Brücke konnte man ihn häufig sehen, wie er die Enten fütterte, wozu er immer den nötigen Proviant mitnahm. ›Er kannte die Enten alle, die in einem Schwarme auf den immer wiederkehrenden Freund lauerten und ihm schon von weitem lärmend entgegenschwammen. Auch hatte er ganz besondere Vorliebe für einen sehr großen und majestätischen Schwan, den er seinen Lohengrinschwan nannte.‹40 – Seine Tierfreundschaft bewies er auch [81] gegen Prägers schönen großen schwarzen norwegischen Hund, Namens Gipsy, der sogleich nach des Meisters Ankunft in London eine besondere Anhänglichkeit an ihn zeigte. Da Wagner fand, daß das arme Tier aus Mangel an Raum in dem kleinen Hofe elend verkam, machte er es gleich zur Regel, daß er ihn jeden Morgen zu einem gesundheitstärkenden Spaziergang abholen würde: ›eine Regel, welche während seines ganzen Londoner Aufenthaltes keine Unterbrechung erlitt.‹ ›Er machte bis ans Ende jeden Tag einen Spaziergang, und der Hund mußte mit, wer sonst auch immer noch mitging. Es gehörte nicht wenig Geduld dazu, ihn am Leitseil zu führen; denn er war sehr wild und ausgelassen freudig über diese Gelegenheit hin und her zu springen, und da er sehr groß und ungewöhnlich stark war, so zog er den Komponisten der »Nibelungen« mit hin und her, und es war wunderbar, die Geduld zu sehen, mit der Wagner seinen Sprüngen folgte, mit ihm sprach und seine Antworten extemporierte.‹ Leider war die Anhänglichkeit des edlen Tieres an seinen großherzigen Freund zu heftig und leidenschaftlich: sechs Wochen nach Wagners Abreise von London nach Zürich wurde ihm der plötzliche Tod seines Schützlings berichtet!41 – Mit diesen wenigen, wenn zwar auch zum Teil tief ansprechenden Zügen sind wir dann freilich mit unserer Auslese aus diesen Mitteilungen völlig zu Ende: ungenau ist schon gleich der sich daranschließende Satz: ›Wiewohl seine Wohnung in Portland Place dicht bei der St. Johns Chapel42 war, so wohnte er nur insoweit da, daß er dort gewöhnlich schlief, frühstückte und instrumentierte, – dann kam er zu uns, holte meinen Hund ab, verproviantierte sich für die Fütterung der Enten und kam nachher zu uns zum Essen, und dann blieben wir den Rest des Tages zusammen.‹ Die wohlerhaltenen eigenen Erinnerungen Wagners wissen nichts von einem solchen täglichen Zusammensein, – am wenigsten zum Mittagessen. Ein für allemal bei Sainton und Lüders zum Diner eingeladen, sah er sich – mit wenigen Ausnahmen – meistens veranlaßt, seine Mahlzeiten bei diesen trefflichen, treu ergebenen Freunden einzunehmen, wo denn auch Präger öfter sich einfand.43 – In seinen Briefen nicht besonders erwähnt, und dennoch in bedeutsamer Weise anregend war für ihn das mehrmalige Zusammentreffen mit seinem alten Dresdener Freunde [82] und nunmehrigen Exilgenossen Gottfried Semper. Wir entsinnen uns des warmen Interesses, mit dem sich Wagner in den ihm zugänglichen Züricher Kreisen für Sempers Schicksale und Unternehmungen verwendete, als dieser im Begriff stand, in der Londoner Fremde ein deutsches Atelier für junge Architekten zu begründen, welche auf irgend einer Bauschule ihre theoretischen Studien beendet und in ihrer praktischen Ausbildung unter seiner erfahrenen Anleitung weiter zu schreiten gedächten.44 Da ihm eine praktische Betätigung in dem ihm erwünschten größeren Maßstabe hier durchaus versagt blieb, beschäftigten ihn hauptsächlich literarische Arbeiten; einige kleinere, aber in ihrer Art klassische Abhandlungen über kunstgewerbliche Themata bewirkten, daß er bei der Gründung des berühmten Kensington-Museums mit zu Rate gezogen und dasselbe im wesentlichen nach seinen Vorschlägen eingerichtet wurde.45 Vor allem aber entstand in dieser entsagungsreichen Londoner Zeit sein größtes und epochemachendes, von Wagner in hervorragender Weise geschätztes Werk: ›Der Stilin den technischen und tektonischen Künsten.‹ Trotzdem hatte er nicht die mindeste Aussicht, seine praktischen Fähigkeiten auf diesem englischen Boden zu einer, ihrer würdigen Geltung zu bringen. Nachdem er sich jahrelang vergeblich bemüht in London festen Faß zu fassen, wurde die erneute persönliche Begegnung mit Wagner für den verbannten Künstler vollends entscheidend. Einzig durch Wagners feurige Fürsprache bei Sulzer genoß Zürich alsbald des schönen Vorrechtes, den reichbegabten Mann durch seine Berufung an das eben damals (Herbst 1855) neubegründete eidgenössische Polytechnikum auf lange Jahre hinaus sein eigen zu nennen

Das dritte Konzert, am Montag den 16. April, hatte folgendes Programm:


I.Symphonie in A dur

(italienische Symphonie)Mendelssohn.

Arie: ›va stra mondo‹ (Faust)Spohr.

Konzert B dur für Pianoforte Op. 19 Beethoven.

Arie: ›Bald schlägt die Abschiedsstunde‹Mozart.

Ouvertüre zu ›Euryanthe‹Weber.


II. Symphonie in C moll (Nr. 5) Beethoven

Recitativ und Arie: ›Ja ich fühl‹Spohr.

Ouvertüre (›Der Wasserträger‹)Cherubini.


Von diesem Programm vernehmen wir, daß darin insbesondere die Webersche Ouvertüre einen ganz neuen Eindruck auf die Hörer gemacht, und das sonst nicht leicht zu enthusiasmierende Publikum elektrisiert habe. Auch nach diesem Konzert begleiteten die Freunde ihn zum gemeinschaftlichen Nachtessen in seine Wohnung, und der Meister ging mit ihnen, im Anschluß an [83] die soeben stattgefundene Aufführung der ›Euryanthe‹-Ouvertüre, die ganze Oper in ihren Hauptmomenten am Klavier durch, bis der Morgen graute und ihm der Schnupftabak ausging.46 Im übrigen soll gerade dieses Konzert mit der Mendelssohnschen Symphonie in der Londoner Presse das Signal für eine organisierte Anklage gegen den Dirigenten geworden sein; und während die ›Daily News‹ konstatierte, man habe die italienische Symphonie nie besser gehört47, sprach die ›Times‹ von einer groben, kalten Aufführung. War man sonst wegen angeblicher Willkür und Eigenmächtigkeit in der Modifikation des Tempos und des Vortrages über ihn hergefallen (›e behandrele Beethoven und Mozart, als wenn sie »Kunstwerke der Zukunft« geschrieben hätten, – sempre tempo rubato!‹), so ward diesmal gegen ihn die Beschuldigung erhoben, er habe die Symphonie in der Probe, ohne irgend welche besondere Verbesserung, gerade nur durchspielen lassen. Die Grundlosigkeit und Böswilligkeit beider Vorwürfe liegt auf der Hand. Nach seiner ganzen Natur konnte Wagner gar nicht anders, als dem Mendelssohnschen Werke in seiner Art volle Gerechtigkeit widerfahren lassen. Dies wird auch durch die bekannte Überlieferung bestätigt, wonach er sich, wenn er ein Stück Mendelssohns dirigieren mußte ›langsam und höchst bedächtig ein Paar weiße Glacéhandschuhe angezogen habe, um den modisch formellen Charakter dieser Musik augenscheinlich anzudeuten‹. Außerdem war und blieb – neben dem wahllosen Charakter der Programme, bei deren Zusammenstellung aus beliebigen Gesang- und Instrumentalstücken keinerlei Rücksicht auf Einheitlichkeit oder künstlerische Gesichtspunkte genommen wurde – ihre unendliche Länge an sich ein schwerwiegendes Hindernis, jedem einzelnen Musikstücke von der karg bemessenen Zeit den ihm gebührenden Anteil zuzuwenden. Auch ließen es die Musiker ihrerseits, nach wie vor, nicht an Protesten fehlen, wenn Wagner ein langsameres oder schnelleres Tempo wählte, als sie bisher es genommen hatten, oder eine poetische Nuance einführte, die ihnen fremd war. ›Ich bin‹, schreibt er in diesem Sinne an Liszt, ›mitten hinein in einen Sumpf von Konvenienzen und Gewohnheiten getreten, in dem ich nun bis über die Ohren stecken muß, ohne das mindeste frische Wasser zu meiner Erquickung hineinleiten zu können. »Mein Herr, das ist man nicht gewohnt«, – das ist das ewige Echo, was ich höre!‹ – Alles dies vereinigte sich, um seine Verstimmung immer höher zu treiben; und in den angesammelten Zündstoff brauchte nur noch ein Funke zu fallen, um ihn zur Explosion zu bringen. Zu einer solchen kam es denn auch wirklich gelegentlich des am Mittwoch den 2. Mai stattfindenden vierten Konzertes, dessen Programm ganz besonders lang und übelgewählt war:


[84] I.Symphonie Nr. 3 B dur (Manuskript) Lucas.

Romanze aus den ›Hugenotten‹

(Hr. Reinhardt) Meyerbeer.

Nonett (für Streich- und Blasinstrumente)Spohr.

Rezitativ und ArieBeethoven.

uvertüre zum ›Beherrscher der Geister‹Weber.


II.Symphonie A dur Nr. 7Beethoven.

Duett aus ›Cosi fan tutte‹Mozart.

Ouvertüre ›L'Alcade de la Velga‹Onslow.


Es war während dieses vierten Konzertes, daß der sich aufbäumende Unmut über den Mißbrauch seiner Person zu solchen Handwerksleistungen zum offenen Bruch mit dieser ganzen Konzertwirtschaft drängte. Mehrere Zufälligkeiten wirkten dazu zusammen. Die einleitende Symphonie hatte er zwar glücklicherweise nicht zu dirigieren, da der anwesende Komponist selbst ihre Leitung übernahm; dagegen ereignete sich sogleich in der ersten Nummer unter seiner Direktion ein ärgerlicher Zwischenfall. Bei der Arie aus den ›Hugenotten‹ fiel der Tenorist Reinhardt nach einer Pause von ein paar Takten nicht im rechten Augenblick ein, worauf sich Wagner ihm zuwandte – natürlich ohne dem Orchester Einhalt zu gebieten. Der Sänger kam gänzlich heraus; aber als pfiffiger Komödiant kehrte er sich mit erstaunter Gebärde zum Dirigenten, alsob dieser sich geirrt habe und an dem Fehler schuld sei. Bereits gereizt durch diese Ungezogenheit, und durch den weiteren Verlauf des endlosen Konzertprogrammes ermüdet und gepeinigt, schäumte es in ihm über, als er endlich nach der A dur-Symphonie von Beethoven noch ein gleichgültiges Gesangstück und eine triviale Ouvertüre von Onslow dirigieren mußte. ›Als ich‹, so schreibt er darüber an Fischer nach Dresden ›nach dem Konzert in das Garderobezimmer trat, traf ich dort mehrere Freunde, denen ich meine höchst ärgerliche Laune und Mißstimmung darüber mitteilte, daß ich mich dazu hergegeben habe, überhaupt derlei Konzerte zu dirigieren, was nun einmal meine Sache nicht wäre; und wie ich nun einmal bin, erklärte ich in tiefem Mißmut laut: ich hätte heute zum letztenmal dirigiert; morgen würde ich meine Entlassung nehmen und heimreisen. Zufällig war ein Konzertsänger R(einhardt) – ein deutscher Judenjunge – zugegen; er vernahm meine Auslassungen und hat sie jedenfalls auch einem Zeitungsschreiber warm zugebracht Seitdem kursieren nun in den deutschen Zeitungen die Gerüchte, die auch Dich irre geführt haben. Ich brauche Dir nicht erst zu sagen, daß es den Vorstellungen meiner Freunde, die mich nach Hause begleiteten, gelang, von meinem im Unmut vorschnell gefaßten Entschlusse mich abzubringen.‹ Daß es vorzüglich die Rücksicht auf seine Frau gewesen sei, was ihn bestimmte, bis zum letzten Konzerte auszuhalten, gibt er in seinen gleichzeitigen Briefen wiederholt ausdrücklich zu verstehen: sie ›würde dieses plötzliche Aufgeben, mit allem, was darüber geschrieben worden [85] wäre, mit großer Betrübnis aufgenommen haben.‹48 Nichtsdestoweniger machte das einmal entfesselte Gerücht gewissenhaft die Runde durch alle deutschen Zeitungen und zwar in der erlogenen Gestalt, als sei Wagner bereits faktisch von London abgereist, versteht sich infolge eines Zerwürfnisses mit der Direktion der philharmonischen Konzerte und einer unfreundlichen ablehnenden Haltung des Publikums! Leider war die daraus geschöpfte freudige Genugtuung eines Ferdinand Hiller und ähnlicher ›deutscher Kunstkollegen‹, die ihn um seine Berufung nach London beneideten und sich dadurch gekränkt und übergangen fühlten,49 von kurzer Dauer. Das falsche Gerücht wurde durch die Tatsache widerlegt, daß gerade das englische Publikum, bis in seine höchstgestellten gesellschaftlichen Schichten, in voller Unabhängigkeit von einer feilen und parteiischen Kritik, den deutschen Meister von Konzert zu Konzert immer lebhafter und begeisterter auszeichnete. Hiergegen konnte ihm das fortgesetzte ›Geschimpfe‹ der Londoner Rezensenten50 ganz gleichgültig sein, die sich um die gleiche Zeit dazu hergaben, die ärmliche Musik von Meyerbeers ›Etoile du Nord‹ in den Himmel zu erheben.51 ›Sie zeigen‹, schreibt er an den alten Fischer ›durch ihre Anfeindungen aller Welt eben nur, daß ich sie nicht bestochen habe.‹ Es machte ihm im Gegenteil ein stilles Vergnügen, zu beobachten, wie sie ihm fast bis zuletzt immer noch ›die Tür offen hielten‹: die mindeste Annäherung seinerseits würde sie umgestimmt haben. Die vom ersten Moment an gegen ihn inszenierte schamlose Hetze bewirkte tatsächlich ganz das Gegenteil von ihrer Absicht: das Publikum bewies ihm in immer wärmerer Weise seine Gunst.

Das fünfte Konzert, am Montag den 14. Mai, brachte am Schlusse seines ersten Teiles die ›Tannhäuser‹-Ouvertüre, ›sehr schön gespielt‹ nach dem eigenen Urteil des Meisters. Mit liebenswürdiger Hingebung hatte [86] Sainton als Vorspieler die ungewöhnlich schweren Violinpassagen jedem Violinisten einzeln einstudiert, und durch seinen höchst gewissenhaften Eifer wurde ein hoher Grad von Voll kommenheit des Vortrages erreicht. Für gewisse Passagen hatte er jedem der ersten Violinisten eigens den Fingersatz vorgezeichnet. Das Programm war folgendes:


I.Es dur-SymphonieMozart.

Arie: ›Agitato‹ (Sign. Belletti)Paer.

Klavier-Konzert (Mstr. Charles Hallé)Chopin.

Arie (Mlle. Jenny Ney)Mozart.

Ouvertüre (›Tannhäuser‹)Wagner.


II.PastoralsymphonieBeethoven.

Romanze ›Roberto‹ (Mlle. Jenny Ney)Meyerbeer.

Barcarole: ›Sulla poppa‹ (Sign. Belletti)Ricci.

Ouvertüre (›Preziosa‹)Weber.


Aber das ganze Konzert wurde über dem gar nicht zu beschreibenden Eindruck vergessen, den die ›Tannhäuser‹-Ouvertüre auf das Publikum hervorbrachte. Stürmischer Beifall folgte ihr, des lärmenden Bravorufens war kein Ende; die ganze Zuhörerschaft erhob sich und wehte mit den Taschentüchern. Mr. Anderson erklärte, in den langen Jahren seiner Zugehörigkeit zur Philharmonie einen solchen Sturm von Begeisterung noch nicht erlebt zu haben. Unter den Mitwirkenden dieses Konzertes befand sich jener Klaviervirtuose Charles Hallé, der einst in Paris, vor 14 Jahren, Zeuge der mißglückten Aufführung der ›Kolumbus‹-Ouvertüre durch das Orchester des Herrn Valentino gewesen war; ferner die soeben am Coventgarden-Theater gastierende Kgl. Sächs. Hof- und Kammersängerin Ney.52 Sie war dem Meister durch Fischer angelegentlich empfohlen und wird daher in Wagners Londoner Briefen an den alten Freund wiederholt genannt.53 Er hatte sie auf Fischers Empfehlung hin in ihrer Londoner Wohnung aufgesucht, auch in der Oper als ›Fidelio‹ gehört, wo sie ihm ›allerdings nicht genügte‹. Nun konnte sie dem Alten in Dresden mündlich Genaueres von dem Londoner Erfolg der Ouvertüre berichten, über die ihm Wagner bloß schreibt, daß sie ›sehr schön gespielt, vom Publikum wohl freundlich aufgenommen, doch aber noch nicht [87] recht verstanden worden sei‹. Um so lieber war es ihm daher, daß die Königin, die nur selten und durchaus nicht jedes Jahr die philharmonischen Konzerte mit ihrer Anwesenheit beehrte, im voraus ihren Besuch für das 7 Konzert ankündigte, und eine Wiederholung der Ouvertüre befahl. ›Es wird immer interessant sein‹, fügt Wagner dieser Meldung hinzu, ›wenn ich als steckbrieflich verfolgter Hochverräter vor ihr und dem Hofe dirigiere. Man könnte sich daran ein Beispiel nehmen.‹54

Nun, was an den Londoner Konzerten gut und erfreulich war, war gut und erfreulich, doch konnte es das viele Üble, vor allem die Behinderung seines Schaffenstriebes durch eine zwecklos nichtige Beunruhigung nicht um ein Haar verbessern. Er war weit davon entfernt, irgend jemand, außer sich selbst, deshalb einen Vorwurf zu machen. ›Ich halte hier aus wie ein Opferlamm: meine Sache aber ist's nicht, und hoffentlich war dies das letzte Mal, daß ich in London bin. Ich habe hier nichts zu suchen und ihre albernen Konzerte können ihnen auch die Juden dirigieren.‹55 Und wieder in einem Briefe vom 16. Mai (zwei Tage nach dem letzten Konzert): ›Ich lebe hier wie ein Verdammter in der Hölle. So tief habe ich nicht geglaubt wieder sinken zu müssen! Wie elend ich mir vorkomme, in diesem mir ganz widerwärtigen Verhältnisse auszuhalten, läßt sich nicht beschreiben, und ich erkenne, daß es eine reine Sünde, ein Verbrechen war, diese Londoner Einladung anzunehmen. Alle Lust zur Arbeit schwindet mir immer mehr dahin; ich wollte in den vier Monaten hier die Partitur der »Walküre« vollenden, wovon nun schon keine Rede mehr ist; ich werde nicht mit dem zweiten Akte fertig werden, so gräßlich entgeistigend drückt diese lasterhafte Lage auf mich. Im Juli wollte ich auf dem Seelisberg am Vierwaldstätter-See den »jungen Siegfried« beginnen: ich denke schon daran, diesen Beginn bis an das nächste Frühjahr hinauszuschieben!‹56 Ja, unter den obwaltenden Umständen war es einzig dieser Resignations-Entschluß, der ihm ›etwas Ruhe verschaffte‹. Trotzdem empfand er diese Arbeitsunlust als das Schlimmste: ›es ist mir, als ob mit ihr auch die ewige Nacht über mich hereinzöge: denn was habe ich noch in dieser Welt zu tun, wenn ich nicht arbeiten kann?‹ Sein eigenes Werk war ihm fremd geworden; er hatte in dieser Umgebung ›das innere Gedächtnis dafür verloren‹. Er stand vor seinen Skizzenheften und ›mußte sich oft lange besinnen, wie er dies und jenes darin gemeint hätte‹. Es gab, ›entmutigte, nüchterne Stunden‹, in denen er z.B. drauf und dran war, die große Szene Wotans im zweiten Akte ›für den Gang des großen vierteiligen Dramas die wichtigste Szene‹, ganz verwerfen zu wollen. Um sich darüber zu entscheiden, nahm er den Entwurf noch einmal zur Hand und trug sich selbst die Szene mit allem nötigen Ausdruck vor, wobei er denn glücklicherweise [88] das Ungerechtfertigte seines ›Spleens‹ erkannte. Der Klavierauszug des ersten Aktes war unter Klindworths Händen wohl geraten, und der Meister hatte seine Freude daran, wie ›famos‹ er ihn spielte. Leider fand er selbst sich dabei, in seiner unvergleichlich beredten Interpretation der Gesangspartieen, durch die schädlichen Einflüsse des Londoner Klimas auf seine Singstimme lästig behindert. Überdies war der arme junge Freund die ganze Zeit hindurch immer sehr krank. Hatte er trotz seines ununterbrochenen Unwohlseins die Arbeit des Klavierauszuges durchführen können, so konnte doch Wagner während dieser Wochen (und schließlich Monate) nichts mit ihm unternehmen, und fühlte sich dadurch eine große Erheiterung entzogen. ›Jetzt geht es ihm etwas besser, aber spazieren gehen darf er noch nicht mit mir.‹ Gleichzeitig mit dieser Nachricht an Liszt erwähnt er aus dem Kreise seines Londoner Verkehrs noch eines neugewonnenen Bekannten. ›Neuerdings hat sich mir ein Herr Ellerton, reicher Dilettant, recht herzlich angeschlossen; er hat meine Opern in Deutschland gehört und mein Portrait seit zwei Jahren bei sich aufgehängt. Er ist der erste Engländer, der sich nicht sonderlich viel aus Mendelssohn macht, – ein seiner liebenswürdiger Kopf.‹

Durch die ›Hölle‹ seines Londoner Daseins begleitete ihn die Lektüre des Dante, zu der er bisher eigentlich noch nie recht gekommen war. Wunderbarerweise geschah dies, ohne beiderseitige Kenntnis davon, um eben die gleiche Zeit, als sich Liszt in Weimar zu seiner, zum Teil bereits im Stillen skizzierten, großen ›Dante-Symphonie‹ sammelte; so daß er Wagners Mitteilung über seine Lektüre sogleich mit der Ankündigung seiner neuesten gewaltigen Tonschöpfung beantworten konnte. So kam der 22. Mai, der zweiundvierzigste Geburtstag des Meisters heran, und mit ihm mancherlei briefliche Grüße und Angebinde aus dem fernen Zürich; aus der Wesendonckschen Familie ein Brief des Hausherrn und eine gestickte Börse von Frau Wesendonck, die ihn zu dem Ausruf veranlaßt: ›Wieder eine Börse! Gott, wer meinen Vorrat an Börsen kennt, müßte wahrlich glauben, ich sei in Bezug auf Ihre liebe Frau Börsenspekulant geworden!‹ Im übrigen trugen solche Freundschafts-und Liebesbeweise doch nur dazu bei, inmitten der Londoner Ode seine Sehnsucht nach Hause zu vermehren. ›Wenn Sie sich einen Tiger im Käfig denken, der immer nur hin und her sich windet, und nur den einen Gedanken hat, wie er es anfange, durch das Gitter hindurch zu kommen – so haben Sie das Bild meiner täglichen Unruhe vor sich.‹ Und das Alles nur, weil er sich die bloße materielle Möglichkeit seines weiteren Schaffens hatte gewinnen oder erleichtern wollen! ›Es ist eine liebe Not mit mir: aber soviel ist gewiß, – zum Geldverdienen bin ich nicht in der Welt, sondern zum Schaffen; und daß ich das ungestört kann, dafür hätte nun eigentlich die Welt zu sorgen, die man bekanntlich aber nicht zwingen kann, sondern die ganz nur tut, wozu sie Lust und Laune hat, – ungefähr wie [89] ich es einzig auch nur tun möchte. So sind wir denn, – die Welt und ich – zwei Starrköpfe gegen einander, von denen natürlich der mit dem dünneren Schädel eingeschlagen werden muß, wovon ich wahrscheinlich oft meine nervösen Kopfschmerzen habe. Sie, liebster Freund‹, fährt er dann gegen Wesendonck fort, ›haben sich nun mit dem vortrefflichsten Willen zwischen uns beide gestellt, gewiß um die Stöße abzuschwächen: nehmen Sie sich in Acht, daß Sie nicht auch etwas abbekommen!‹ – – –

Das Programm des sechsten Konzertes (Montag, den 28. Mai) war das folgende:


I.Symphonie in G mollC. Potter.

Arie aus der ›Entführung‹ (Herr Formes)Mozart.

Violin-Konzert (Mr. Sainton)Beethoven.

Sicilienne (Mme. Bockholz-Falconi)Pergolese.

›Leonoren‹-OuvertüreBeethoven.


II.A moll-SymphonieMendelssohn.

Arie ›noch mit dir‹ (Mme. Bockholz-Falconi)Mozart.

Arie (Herr Formes)Händel.

Ouvertüre ›Der Berggeist‹Spohr.


Eine eigentümliche Dirigenten-Erfahrung gelegentlich dieses Konzertes blieb dem Meister lange im Gedächtnis, so daß er sie nach anderthalb Jahrzehnten noch in seiner Schrift ›über das Dirigieren‹ zum Besten geben konnte. Sie betraf die als Eingangsnummer des Programms figurierende Symphonie des englischen Komponisten Cyprian Potter. Bereits erwähnten wir, daß seine Bemühungen, gegen die Mendelssohnsche Vortrags-Tradition des Darüberhinweggehens einzuschreiten, den tüchtigen Musikern der Philharmonie zwar im allgemeinen zur Befriedigung gereichte, wie nicht minder das Publikum sich damit einverstanden erklärte; nur die Rezensenten hätten dagegen gewütet und die Vorsteher der Gesellschaft dermaßen eingeschüchtert, daß er von diesen ›wörtlich einmal darum angegangen wurde, den zweiten Satz der Es dur-Symphonie von Mozart doch ja wieder so ruschlich herunterspielen zu lassen, wie man es nun einmal gewohnt sei, und wie denn doch Mendelssohn selbst auch es habe tun lassen.‹ So belustigend originell ihn eine solche, wohl nur auf diesem Boden eines spezifisch englischen Musikbetriebes erklärliche Zumutung berührte, so war sie doch immerhin, unter dem Druck des kritischen Terrorismus, einer mehr geschäftlich als künstlerisch am Gelingen interessierten Vorsteherschaft gegen ihre bessere Überzeugung eigens erst abgepreßt. Dagegen war es ihm nun etwas Neues, die fatale Mendelssohnsche Maxime ganz wörtlich in der an ihn gerichteten Bitte eines Komponisten mit Beziehung auf sein eigenes Werk sich präzisieren zu sehen, – aus keinem anderen Grunde als dem einer allzugroßen Schüchternheit und Bescheidenheit! Es [90] war dies eben jener Herr Potter57, ein tüchtiger, liebenswürdiger Musiker, der seine Studien in Deutschland und Italien vollendet und während seines Aufenthaltes in Wien auch die persönliche Bekanntschaft Beethovens gemacht hatte. Nach dem etwas karikierten Bilde, das Präger von ihm entwirft, habe seine Persönlichkeit einer der Th. Hoffmannschen Gestalten geglichen: ›von ungewöhnlich kleiner Statur, sehr mager, mit markierten Gesichtszügen, in denen besonders ganz ungewöhnliche buschige Augenbrauen auffielen, war seine Kleidung prinzipiell nach veralteten Wiener Modellen geschnitten und besonders seine Hemdkragen von riesigen Dimensionen.‹ Der kleine gediegene Beethoven-Enthusiast (dessen Wagner selbst in diesem Zusammenhange als eines ›sehr gemütlichen älteren Kontrapunktisten‹ gedenkt) habe übrigens dem Meister sehr wohl gefallen. Wie wunderlich mußte es ihn nun berühren, als dieser, dessen Symphonie er zu dirigieren hatte, ihn ganz buchstäblich in dem Sinne jener fatalen Maxime ›herzlich anging, das Andante derselben doch ja nur recht schnell zu nehmen, weil er große Angst habe, es möchte langweilen.‹ ›Ich bewies diesem nun‹, fährt Wagner in seiner Erzählung des Vorfalles fort, ›daß sein Andante, es möge so kurz dauern wie es wolle, jedenfalls langweilen müßte, wenn es ausdruckslos und matt heruntergespielt würde, wogegen es zu fesseln vermöge, wenn das recht hübsche naive Thema etwa so, wie ich es ihm nun vorsang, auch vom Orchester vorgetragen würde, denn so habe er es jedenfalls doch wohl auch gemeint. Herr Potter war auffällig gerührt und entschuldigte sich nur eben damit, daß er diese Art von Orchestervortrag gar nicht mehr in Rechnung zu ziehen gewohnt sei. Am Abend drückte er mir, gerade nach diesem Andante, freudigst die Hand.‹58

Das siebente Konzert (11. Juni) brachte auf besonderen Befehl der Königin von England die Wiederholung der ›Tannhäuser‹-Ouvertüre, wiederum an der gleichen Stelle des Programms, nämlich als Abschluß des ersten Teiles desselben:


I.Ouvertüre ›Chevy-Chase‹Macfarren.

Arie aus ›Jessonda‹ (Signor Belletti)Spohr.

Jupiter-SymphonieMozart.

Szene aus ›Oberon‹ Mme. Clara NovelloWeber.

Tannhäuser‹-OuvertüreWagner.


II.Symphonie Nr. 8Beethoven.

Ave Maria (Mme. C. Novello)Paer.

Ouvertüre ›Anakreon‹Cherubini.


Diesem Konzerte wohnte nun die Königin Viktoria mit ihrem prinzlichen [91] Gemahle, laut ihrer vorausgegangenen Ankündigung, persönlich bei. War es an und für sich schon erfreulich, daß die hohe Frau, ganz absehend von der hart kompromittierten politischen Stellung des Künstlers (die von Davison in der ›Times‹ mit besonderer Bosheit kurz zuvor berührt worden war), ohne Scheu einer von ihm dirigierten öffentlichen Aufführung beiwohnte, so gab ihr weiteres Benehmen während dieses Konzertes ihm endlich noch für alle hier erlittenen Widerwärtigkeiten und gemeinen Anfeindungen eine rührende Genugtuung Sie und Prinz Albert (bekanntlich der Bruder des Liszt so wohlgesinnten Herzog Ernst von Koburg-Gotha) saßen dem Orchester zunächst vornan und applaudierten nach der ›Tannhäuser‹-Ouvertüre mit herausfordernder Freundlichkeit, so daß das Publikum in den lebhaftesten andauernden Beifall ausbrach. Während der Pause ließ ihn die Königin in ihren Salon rufen und empfing ihn vor ihrem Hofe mit den herzlichen Worten: ›Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Ihre Komposition hat mich entzückt!‹ In einem längeren Gespräche, an welchem der Prinz mit teilnahm, erkundigte sie sich des Weiteren nach seinen anderen Werken. Sie knüpfte die Frage daran, ob es nicht möglich wäre, seine Opern, damit sie sie auch in London hören könne, in das Italienische zu übersetzen? Natürlich mußte dies Wagner verneinen, und sprach sich überhaupt dahin aus, daß sein hiesiger Aufenthalt nur ein vorübergehender sein könne, da das Einzige, was ihm hier offen stünde, das Dirigieren von Konzertaufführungen, doch eigentlich nicht seine Sache sei. Am Schlusse des Konzertes applaudierten die Königin und der Prinz wieder sehr demonstratio. Die ganze freundlich-herzliche Begegnung empfand der Meister mit wirklicher Rührung. ›Dies waren wahrhaftig‹, schreibt er an Liszt ›die ersten Menschen in England, die offen und unverhohlen sich für mich auszusprechen wagten! Bedenkt man, daß sie es dabei mit einem politisch verrufenen, steckbrieflich verfolgten Hochverräter zu tun haben, so wird man mir wohl Recht geben, wenn ich den Beiden das recht herzlich danke.‹

Seit Beginn des Juni war zur Leitung der bis dahin von Dr. Wylde dirigierten Konzerte der ›Neuen Philharmonischen Gesellschaft‹, um auch diesen einen Aufschwung zu geben – Hektor Berlioz in London, den Wagner zuletzt vor zwei Jahren bei seinem Ausflug nach Paris gesehen. Es kam zu mancherlei Begegnungen; doch führten diese am Ende nicht viel weiter als auf den Punkt, auf dem sie schon seit lange gestanden. ›Glaube mir, ich liebe Berlioz‹, hatte Wagner schon vor längerer Zeit gegen Liszt erklärt ›mag er sich auch mißtrauisch und eigensinnig von mir entfernt halten: er kennt mich nicht, aber ich kenne ihn.‹ Die Wärme seiner eigenen Natur, und sein guter Wille ließen ihn glauben, sein Entgegenkommen würde von Berlioz mit aufrichtigerer Zuneigung erwidert, als es tatsächlich der Fall war. Für einen ›wahren Gewinn‹ hielt und erklärte er daher die ›herzliche [92] und innige Freundschaft, die er für ihn gefaßt, und die sie Beide geschlossen.‹59 Hierzu stimmen Berlioz' gleichzeitige Äußerungen (ebenfalls gegen Liszt): ›Wagner hat für mich etwas merkwürdig Anziehendes, und wenn wir Beide schroff sind, so fügen sich wenigstens unsere Schroffheiten ineinander: er ist herrlich an Eifer und Herzenswärme, und ich gestehe, daß selbst seine Heftigkeiten mich entzücken.‹ Aber er fügt hinzu: ›es scheint, daß ein Unstern mich daran verhindert, seine letzten (?!) Kompositionen zu hören. An demselben Tage und zu derselben Stunde, wo er auf Verlangen des Prinzen Albert in Hanover Square rooms seine »Tannhäuser«-Ouvertüre dirigierte, war ich gezwungen, einer scheußlichen Chor-Probe für das Konzert der New-Philharmonic beizuwohnen, welches ich zwei Tage darauf dirigieren sollte.‹ Diesem Konzert unter Berlioz' Leitung wohnte auch Wagner bei; allerdings war er wenig erbaut von seiner Aufführung der MozartschenGmoll-Symphonie, und hatte ihn, wie er selbst erzählt, wegen einer sehr ungenügenden Exekution seiner ›Romeo und Julia‹-Symphonie zu beklagen.60 Vielleicht war es nach diesem Konzert, daß die von Präger geschilderte ›lustige Nachtgesellschaft‹ in seinem Hause stattfand? Berlioz habe daran (so heißt es bei ihm) mit seiner Frau teilgenommen, und letztere ihren ganzen Einfluß aufgeboten, um es zu keiner intimeren Annäherung zwischen beiden Meistern kommen zu lassen, so daß Berlioz zeitig, wenn auch ersichtlich ungern, aus dem heiteren Kreise schied.61 ›Einige Tage darauf‹, fährt Wagner im Anschluß an seine Erwähnung des Berliozschen Konzertes fort, ›waren wir aber allein bei Sainton zu Tisch. Er war sehr lebhaft, und meine in London gemachten Fortschritte im Französischen erlaubten mir, während eines fünfstündigen Zusammenseins alle Materien der Kunst, der Philosophie und des Lebens in reißender Mitteilung mit ihm zu besprechen.‹62 Er konnte sich dem französischen Meister gegenüber des Vorteils rühmen, dessen Schöpfungen vollständig verstehen und würdigen zu können, während seine eigenen Arbeiten jenem in dem wesentlichen Punkte ihrer Dichtung für immer unverständlich bleiben mußten. Berlioz, bis dahin als Komponist fast einzig in Deutschland zur Geltung gelangt, hatte es dennoch nie zu irgendwelcher Kenntnis der deutschen Sprache gebracht. ›Que voulez vous? j'ai une difficulté diabolique à apprendre les langues,‹ gestand er Wagner ›c'est à peine si je sais quelques mots d'anglais et d'italien‹. Die Verbitterung seiner nervösen Natur trat auch bei dieser [93] Gelegenheit (trotz eines Sprühregens von Witz und geistreichen Bemerkungen) genugsam zutage. Auf der anderen Seite auch deren fortwirkende Ursache: eine ewig bedrängte Lebensstellung. Sie hatte ihn auch jetzt, mehr als das Verlangen nach Ruhm und Anerkennung, über den Kanal nach London geführt. ›Ich gewann dadurch,‹ sagt Wagner, ›eine tiefe Sympathie für meinen neuen Freund: er wurde mir ein ganz anderer, als er mir früher war. Wir fanden uns plötzlich aufrichtig als Leidensgefährten, und ich kam mir – glücklicher vor als Berlioz.‹

Endlich, nach vier langen Monaten, schlug die ersehnte Erlösungsstunde. Für den 25. Juni war das achte und letzte Konzert angesetzt Keinen Augenblick länger wollte er in London verweilen, sondern bereitete für den folgenden Morgen seine Abreise vor. In die Zwischenzeit dieser letzten vierzehn Tage fällt, da er seine Abreise endlich ganz aufgegeben hatte, noch diese oder jene zerstreuende Exkursion. So u.a. ein – in Gesellschaft Eduard Röckels unternommener – Ausflug nach Greenwich Auch gab es zum Schluß noch allerlei Einkäufe und Besorgungen, bei denen er sich nach Angabe Prägers von dessen Frau in die ›feinsten Magazine der Regent Street und Bond Street‹ begleiten ließ, um ›etwas Hübsches zu kaufen: die feinsten seidenen Unterkleider für sich,63 kostbare irländische Spitzen für Minna etc, und meine Frau durfte nur etwas besonderes loben, so war es auch schon für sie mitgekauft.‹ Anlaß zu dem eben erwähnten Ausflug nach Greenwich gab der Wunsch der Freunde, den Meister einmal mit den berühmten, ›Whaitebait-Dinners‹, dem Glanz- und Höhepunkt der englischen Kochkunst, bekannt zu machen, wie sie gegen Ende jeder Parlamentssession jährlich einmal die Parteihäupter der Tories in der ›Ship Tavern‹, die der Whigs im ›Trafalgar Hotel‹ vereinigen. Röckel war eigens zu diesem Zwecke aus seinem Wohnort Bath nach London herüber gekommen. Es gab eine fröhliche Fahrt zu Schiffe die Themse hinab, und sodann bei Quartermaine in der berühmten ›Ship Tavern‹ ein so kostbar seines Mahl, daß es Wagner lange als Urbild eines lukullischen Gastmahls im Gedächtnis blieb und er den Züricher Freunden bei seiner Heimkehr viel davon erzählte. Die überaus schmackhaften ›Whaitebaits‹ sind kleine, kaum fingergliedlange Fischchen, die man nach Belieben mit Cayenne-Pfeffer und Zitronensaft würzt; den Hauptreiz bildet ihre höchst mannigfache und abwechselungsreiche Zubereitung. ›Du kannst dir‹, erzählte er Herwegh, ›von der Verschiedenheit in der Bereitung keine Vorstellung machen; mit jedem neuen Gang waren sie vortrefflicher, und zuletzt so ausgezeichnet, daß ich am liebsten die Stiefel ausgezogen hätte und mitten in die Schüssel hineingesprungen [94] wäre!‹ – Weniger entzückend in seiner Zusammenstellung als das Diner im Ship-Hotel war nun aber das Programm dieses achten Konzertes, bei welchem er sogar genötigt war, ein Duett aus dem ›Propheten‹ zu dirigieren! Vielleicht hatte zu der Wahl gerade dieses Programmbestandteiles durch den ehrenwerten hohen Rat der Philharmonie die gleichzeitige Anwesenheit Meyerbeers in London mit beigetragen? Selbst eine persönliche Begegnung mit seinem scheuen Antagonisten führte kurz vor diesem letzten Londoner Konzerte die Ironie des Zufalls herbei, in der Wohnung des Sekretärs Hogarth. Der wackere Hogarth (der in seiner Unschuld von ihren beiderseitigen Beziehungen keine Ahnung hatte) ›stellte ihn dabei Meyerbeer mit der Frage vor, ob diese beiden Berühmtheiten mit einander bekannt wären‹, so erzählt Berlioz.64 Man kann sich die peinliche Verlegenheit Meyerbeers vorstellen, den schon die bloße Nennung von Wagners Namen außer Fassung brachte! – Hier das Programm des Konzertes vom Montag den 25. Juni.


I.Symphonie Nr. 3 in C mollSpohr.

Szene aus dem ›Freischütz‹ (Mlle. Krall)Weber.

Klavier-Konzert in As dur (Herr Pauer)Hummel.

Gesang der Geister (Miß Dolby)Haydn.

Ouvertüre (›Sommernachtstraum‹)Mendelssohn.


II.Symphonie Nr. 4 in B dur.Beethoven.

Duett aus dem ›Propheten‹

(Mlle. Krall u. Miß Dolby)Meyerbeer.

Ouvertüre (›Oberon‹)Weber.


War es in dem vorausgegangenen Konzert die Königin gewesen, die durch ihren rückhaltlos lebhaften Beifall gegen die systematisch feindliche, lügnerische Kritik der Londoner Zeitungs-Presse demonstrierte, so ließ es nun bei diesem letzten Konzerte das Publikum und das Orchester nicht an rauschenden Ovationen und Beifallsausbrüchen fehlen. Man hatte ihm zwar immer schon gesagt, seine Zuhörer seien sehr für ihn eingenommen, und von dem Orchester erfuhr er wohl, daß es sich stets bemühte, seinen Intentionen nachzukommen, soweit schlechte Gewohnheit und Mangel an Zeit es zuließen. Andererseits war es ihm nicht entgangen, daß die Musiker, aus Rücksicht gegen ihren wirklichen Herrn und Despoten, eben jenen Mr. Costa (der sie nach Belieben anstellen und entlassen konnte) stets zu einem möglichst geringen und nicht kompromittierenden Maße von äußerer Beifallsbezeigung für ihn angehalten waren.65 Diesmal – zum Abschied – brach er aber doch durch: sämtliche Musiker erhoben sich, Mann für Mann, feierlich von ihren Sitzen, und vereinigten [95] sich mit den Zuhörern des ganzen, stark gefüllten Hauses zu einem betäubenden Beifallsgetöse von nicht enden wollender Dauer. Dann drängte sich das ganze Orchester zum Abschiedshändedruck an ihn heran; selbst aus den Reihen des Publikums wurden ihm endlich von wildfremden Personen, Männern und Frauen, Hände gereicht, die er gehörig drücken mußte. ›So gewann,‹ nach seinen eigenen Worten, ›diese, im Grunde höchst abgeschmackte, Londoner Expedition schließlich noch den Charakter eines Triumphes für mich, wobei mich mindestens die Selbständigkeit des Publikums, die es gegen die Kritik zeigte, erfreute. Daß von einem Triumphe in meinem Sinne nicht die Rede sein kann, versteht sich von selbst. Im besten Falle lernte mich niemand im Konzert-Saale vollständig kennen; dieser beste Fall – vollkommen meinen Intentionen entsprechende Aufführungen – war aber, hauptsächlich aus Mangel an Zeit, nicht zu ermöglichen Somit blieb mir stets nur das bittere Gefühl der Degradation, das sich dadurch steigerte, daß ich gezwungen war, ganze Konzertprogramme von der widerwärtigsten Stärke und von immerhin geschmack- und sinnloser Zusammensetzung, herunter zu dirigieren. Daß ich die Konzerte bis zu Ende dirigierte, geschah endlich aus reiner Rücksicht auf meine Frau und einzelne Freunde, welche von den Folgen meines plötzlichen Fortganges aus London sehr bekümmert worden wären.‹66

Nach dem Konzert fand sich die ganze kleine Gruppe treu ergebener Londoner Freunde des Meisters auf seine Einladungen zum letzten Abschiedsfestmahl in seiner Wohnung am Portland Terrace zusammen: Klindworth, Lüders, Sainton, Präger, auch Berlioz, – mit seiner Frau, wie Wagner ausdrücklich berichtet. ›Wir blieben bis früh 3 Uhr zusammen, und trennten uns für diesmal unter herzlichen Umarmungen.‹67 Berlioz erwähnt die Freude Wagners über seinen endlichen Abschied von London; über seine Orchesterleitung spricht er mit merkwürdigem Mangel an Verständnis: ›er dirigiert in dem freien Stil, wie Klindworth Klavier spielt (!); aber er ist anziehend durch seine Ideen und durch seine Unterhaltung.‹68 Auch in seinen Briefen an Liszt betont er mehr den hinreißenden Eindruck der Persönlichkeit Wagners,69 als den des schaffenden Künstlers, von dem er irgendwelche Kenntnis sich bis dahin weder verschafft, noch auch in der Folge sich zu schaffen bemüht hat. Die ›erneuerten Wutausbrüche der gesamten Kritik gegen ihn nach dem letzten [96] Konzert‹70 konstatiert er ohne ein Wort des Bedauerns, fast mit einer gewissen Befriedigung; nicht minder die ›ausgelassene Freude Davisons‹, als ihm dieser gleich nach Wagners Abreise den im, Musical World: mitgeteilten Passus aus ›Oper und Drama‹ ins Französische vorübersetzt, worin er ihn (Berlioz) ›auf die komischeste und geistreichste Weise herunterreiße.‹71 Vor Insinuationen solcher Art, die ihm die empfangenen Eindrücke nur allzubald verwischten und zersetzten, wäre es seine Sache gewesen, sich zu schützen, wenn er es ernstlich gewollt hätte. Wieviel nobler sind auch bei dieser Gelegenheit wieder Wagners briefliche Äußerungen über Berlioz, als diejenigen Berlioz über Wagner! – – Er, den all jene ohnmächtigen Ausfälle betrafen, befand sich um diese Zeit bereits sicher geborgen auf dem Schiffe, das ihn über den Kanal nach Calais trug.

Hatte das Londoner Klima ihn geistig und körperlich in fast stetem Übelbefinden erhalten, so ward ihm mit dem Betreten des Kontinentes sofort wohler. ›Das Wetter ist schön, die Luft sommerlich und wohltätig‹, schreibt er von Paris aus, ›von großer Ermüdung habe ich mich diese Nacht gut erholt, und freue mich einer gewissen ruhigen Stimmung.‹ Hier traf er zugleich seinen alten drolligen Freund Kietz, dem er über alles Erlebte sein Herz ausschüttete, und trat dann mit einem anderen Freunde, der ihn von Zürich aus deshalb hier erwartete, vollends den Rückweg an. Am 30. Juni (Sonnabend) traf er wohlbehalten wieder in der schönen schweizerischen Heimat ein.

Fußnoten

[97] 1 Vater der beiden Brüder August und Eduard Röckel, damals in der Schweiz, in Basel wohnhaft.


2 Vgl. Briefwechsel I, S. 200 und auch Briefe an Uhlig S. 248.


3 Nach den Erinnerungen der Frau Wesendonck habe der Meister die Absicht gehabt, die ›Faust‹-Ouvertüre ihr zu widmen; plötzlich aber labe ihn der Gedanke überkommen, daß das unmöglich sei. ›Unmöglich‹, rief er aus ›kann ich Ihnen das furchtbare Motto an die Brust heften (»und so ist mir das Dasein eine Last, der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt«)!‹ So begnügte er sich, ihr die Partitur zu verehren und darunter die wenigen Worte zu setzen: ›Der lieben Frau! (‹ Allg. Musikzeitung 1896, Nr 9, S. 94.)


4 An Röckel (S. 53): ›Dein Vater, der sich sehr liebenswürdig gegen mich benahm, empfahl mir Präger; ich werde zunächst bei ihm absteigen‹.


5 Briefwechsel II, S. 58, verglichen mit Seite 55!


6 Näheres darüber im Anhang des gegenwärtigen Bandes.


7 Vgl. auch die klassische, unübertrefflich lebendige Charakteristik des Mannes in ChamberlainsEchte Briefe an Ferdinand Präger, Kritik der Prägerschen Veröffentlichungen‹, Bayreuth, Grausche Buchhandlung, 1894. (Der Titel, ›Echte Briefe‹ bezieht sich auf die bei diesem Anlaß zuerst veröffentlichten Briefe des Meisters an Präger, welche dieser Letztere in seinem Buche, um seiner Eitelkeit zu schmeicheln, Zeile für Zeile und Wort für Wort durch gröbliche Fälschungen, Zusätze und Weglassungen entstellt hatte!)


8 ›Er sprach – glaube ich – von einer hübschen Wohnung am Regentspark, die man mir verschaffen könnte‹. (Chamberlain, Echte Briefe an F. Priger, S. 77.)


9 A. a. O.


10 Seit undenklichen Zeiten dem Direktorium angehörig und schon seit fünfzehn Jahren (1840) als ›Treasurer‹ der Gesellschaft ihr Hauptgeschäftsverwalter.


11 Mme. Lucy Anderson, † im Dezember 1878 in dem hohen Alter von 88 (nach andern 92) Lebensjahren; in Wagners Briefen an Sainton lebt sie unter dem, ihr vom Meister erteilten Spitznamen ›Karl der Große‹ fort.


12 Findet sich doch für den Nichtkenner englischer Sitten und Gebräuche in jedem Reiseführer die charakteristische Notiz, daß es ›in London durchweg Sitte ist, Zylinderhüte zu tragen‹, woran sich ›der Fremde indeß nicht zu kehren braucht‹, vgl. z.B. Bädeker, ›London‹ 5. Aufl. S. 50.


13 Vgl. Chamberlain, Echte Briefe S. 37.


14 Noch einige Wochen vor Wagners Abreise aus Zürich hatte Röckels alter Vater ihn von Basel aus besucht und ihm dabei auch über das Schicksal des Gefangenen manche ängstliche Besorgnis zerstreut: ›sein klares, verständiges, höchst präzises Wesen sprach sich auch über Dich so eigentümlich beruhigend aus, daß wir – aufrichtig gesagt – ein paarmal tüchtig ins Lachen kamen‹.


15 Vgl. Dr. Franz Hüffer, ›Half a Century of Music in England‹ S. 42.


16 An Wesendonck, 5. April 1855. Die scherzhafte Wendung ›mancher Amerikaner‹ bezieht sich auf Wesendoncks früheren Aufenthalt in New-York.


17 Einen besonderen Stachel erhielt die alles Maß überschreitende Wut der Londoner Meyerbeer-Presse durch den Umstand, daß eben damals die neueste Oper des weltberühmten Maestro: ›Der Stern des Nordens‹ am Coventgardentheater zur ersten Aufführung vorbereitet wurde. Die Musik dieses überaus schwachen Machwerkes hatte bekanntlich ursprunglich einer ganz anderen Oper angehört, dem ›Feldlager in Schlesien‹, das seinerzeit, auf Grund eines Rellstabschen Textes, mit Benutzung allerlei anekdotischer Züge aus dem Leben Friedrichs des Großen, mit der berühmten Jenny Lind als Hauptsängerin, zur Eröffnung des neuen Opernhausesin Berlin gedient hatte (Dezember 1844). ›Durch seinen spezifisch preußischen Charakter konnte das Werk außerhalb Preußens nirgends so recht Boden fassen; um aber nicht unnütz gearbeitet zu haben, benutzte der Komponist die Partitur als solche für die dem Pariser Publikum zuge da Oper, »L'etoile du Nord«: selbstverständlich waren es hier nicht preußische, sondern russische Regimenter, welche mitspielen, und nicht der alte Fritz, sondern der Zar bläst darin die Flöte‹! (Dr. A. Kohus, Biographie Mayerbeers S. 43/44)


18 Listz an Wagner, Briefwechsel II, S. 51. Vgl. auch Liszts Brief an Karl Klindworth vom 2. Juli 1854 in den La Maraschen ›Liszt-Briefen‹ I, S. 158, wo der gemeinschaftlichen Konzertreisen Klindworths mit Reményi, der beiden Weimarer ›Murls‹, i. J. 1854 gedacht wird.


19 An Wesendonck, März 1855.


20 Zu diesen wäre u.a. der Dr. phil. Gerber zu zähle, ein entfernter Bekannter Wagners aus der Dresdener Zeit. Wegen Beteiligung am Maiaufstande nach England geflüchtet, lebte er daselbst als Verbannter. Eine durch und durch edle Persönlichkeit, voll Geist und Gemüt, ursprünglich Theologe von Fach, wandte er sich in London dem Studium der Heilkunde zu und wurde Doktor der Medizin. Wenige Jahre später (1858) erkrankte er durch Überanstrengung an einer Gehirnaffektion und nahm auf einer Reise nach Amerika ein tragisches Ende: in einem plötzlichen Ausbruch von Verfolgungswahnsinn erdolchte er sich auf dem Schiffe (Mitteilung v. K. Klindworth).


21 An Liszt, Briefwechsel II, S. 67.


22 Ebendaselbst II, S. 60.


23 Briefe an Uhling, Fischer, Heine S. 326.


24 In der Schrift ›über das Dirigieren‹ (1869), Ges. Schr. VIII, S. 344/45.


25 ›Persönlich äußerte mir Mendelssohn einige Male im Betreff des Dirigierens, daß das zu langsame Tempo am meisten schade; ein wahrhaft guter Vortrag sei doch zu jeder Zeit etwas Seltenes; man könne aber darüber täuschen, wenn man nur mache, daß nicht viel davon bemerkt werde, und dies geschehe am besten dadurch, daß man sich nicht lange dabei aufhalte, sondern rasch darüber hinwegginge. Die eigentlichen Schüler Mendelssohns müssen von dem Meister hierüber noch Mehreres und Genaueres vernommen haben‹. Gesammelte Schriften VIII, Seite 344.


26 A.a.O.


27 Briefwechsel II, S. 55. Vgl. dazu S. 58: ›Ich bitte, liebster, liebster Liszt, den Brief an Erard‹ etc. Ferner S. 63: ›noch immer habe ich kein Piano; ich sehne mich herzlich, meine Arbeit wieder aufzunehmen‹. Darauf folgt, vom 12. März (dem Tage des ersten Konzertes) datiert, Liszts erbetener Brief an das Haus Erard (S. 58/59), über dessen Empfang Wagner (S. 60) quittiert: ›Schönen Dank für die Empfehlung an Bruzot: ich lechze nach einem Piano und nach meiner Arbeit!‹ Die richtige Reihenfolge der betr. Briefe ist: Nr. 177. 180. 178. 179. 181.


28 Brieflich an Wesendonck


29 Ebendaselbst.


30 ›Ich komme mir ganz abgeschmackt damit vor, weil ich weiß, wie wenig die Leute von mir und meinem Werke mit diesem dürftigen Musterkärtchen kennen lernen, mit dem ich bereits als Commis voyageur herumreise‹ (Briefl. an Wesendonck).


31 An Liszt II, S. 72.


32 Brieflich an Wesendonck (15. oder 16. März 1855).


33 Malvida von Meysenbug ›Memoiren einer Idealistin‹, Band II, S. 291


34 Präger.


35 Friedrich Althaus, geb. 1829 in Detmold als der jüngere Sohn des dortigen Superintendenten, lebte als Lehrer in London, und ist literarisch bekannt u.a. durch seine ›Englischen Charakterbilder‹ (Berlin 1870, 2 Bde). und die Biographie seines Bruders: ›Theodor Althaus, ein Lebensbild‹ (Bonn 1888).


36 Die nachfolgende Erzählung ist (mit starker Verkürzung) den bereits zitierten ›Memoiren einer Idealistin‹ (2. Auflage Stuttgart 1877) entnommen, wo sie sich im 2. Bande, S. 87–88, 288–295 findet. Vgl. auch den Aufsatz derselben Verfasserin: ›Genius und Welt, Briefe von Richard Wagner‹ in dem Bande: ›Stimmungsbilder‹ (4. Aufl. Berlin, bei Schuster und Löffler).


37 Vgl. Brief an Uhlig vom 25. März 1852; ›Gestern erhielt ich einen Brief aus Hamburg von einer Frau (von aristokratischer Geburt), die mir für meine Schriften dankt: sie sei durch sie erlöst worden: sie erklärt sich mir zur vollständigsten Revolutionärin.‹


38 Sollte dabei vielleicht, trotz des in diesem Falle nicht ganz zutreffenden Ausdruckes ›befreundet‹, an jene Familie Benecke zu denken sein?


39 Neben der begreiflichen Abneigung Wagners, sich von einer Londoner Bekanntschaft zur andern fortreißen zu lassen, mag ein damals unausgesprochener, aber schwerwiegender Grund seines ablehnenden Verhaltens gegen den vorgeschlagenen Besuch auch darin bestanden haben, daß Malvida v. Meysenbug damals als Erzieherin und Freundin in dem Hause des bekannten russischen Emigranten Alexander von Herzen lebte Dieser würde zwar, nach ihren Worten ›sich gefreut haben, Wagner kennen zu lernen‹; dem Meister aber verbot ohne Zweifel eine zartfühlende Rücksicht auf Herwegh, bei der unheilbaren Spannung beider Familien (Band II, S. 428), den Eintritt in das Herzensche Haus.


40 Auf gelegentliche Besuche des, den ganzen nördlichen Winkel des Regents-Park einnehmenden großen kgl. Zoologischen Gartens deutet eine (wenngleich ironisch gefärbte) Briefstelle an Wesendonck: ›Es wird schönes Wetter werden, und ich werde häufig die wilden Tiere sehen – – was will man mehr?‹ Zu diesem sehnlich erwarteten ›schönen Wetter‹ wollte es allerdings während seines ganzen Londoner Aufenthaltes nicht kommen! Indes, wenn das Gleichnis von den Schafen und grünen Wiesen (S. 74) uns sogleich auf seinen anschaulichen Ursprung, die Wiesen und Schafherden des Regents-Park, zurückführt, so leitet uns wohl ein anderes briefliches Gleichnis auf eine ähnliche Spur: das nicht minder lebendige Bild vom ›Tiger im Käfig‹ (S. 89) scheint ebenfalls auf einer kürzlich gewonnenen, ganz frischen Anschauung des gefangenen Raubtieres zu beruhen. Der zoologische Garten des Regents-Park hatte damals sicherlich mehrere prächtige Tiger-Exemplare aufzuweisen.


41 Vgl. Chamberlain, ›Echte Briefe Richard Wagners an F. Präger‹ S. 84: (Der Tod Deines Hundes) hat mich stark ergriffen: oft dachte ich an Gipsy, und wünschte, ihn mitgenommen zu haben. Nun ist das feurige Geschöpf plötzlich auch gestorben! – ›Das hat doch etwas Grauenvolles, – nicht wahr?‹


42 Präger schreibt mit gewohnter Flüchtigkeit: St. Johns Wood Chapel und verwechselt damit zwei verschiedene Londoner Lokalitäten seiner eigenen nächsten Nachbarschaft!


43 Vgl. auch Briefwechsel mit Liszt II, S. 74.


44 Vgl. Band II, S. 392 oben


45 Fr. Pecht, Deutsche Künstler des 19. Jahrh., I, S. 181.


46 Vgl. II, S. 20 Anmerkung.


47 Vgl. S. 72 über die ›Hebriden‹-Ouvertüre.


48 An Liszt, Briefwechsel II, S. 73 und 86. Vgl. an Wesendonck: ›Nun, meine Torheit ist einmal begangen, und meiner Frau zu Liebe, die das Gegenteil sehr betrübt haben würde, habe ich mich entschlossen, auszuhalten, wie sauer es mir auch werde.‹


49 Liszt an Wagner: ›In Düsseldorf erzählte man, daß Du schon von London abgereist wärest! Das neidische Philisterium freute sich sehr über diese Nachricht, die ich aber den Leuten nicht ungern verleidet habe.‹


50 Davison in der ›Times‹ vom 16. Mai 1855 von der ›Tannhäuser‹-Ouvertüre: ›Ein bombastischerer Aufwand von Ungereimtheit und Lärm ist dem Publikum selten geboten worden; es mußte Mitleid erregen, wenn man zusah, wie ein so vorzügliches Orchester sich zwecklos abmühte.‹ Und am 12. Juni: ›Selbst die wunderbarste Aufführung könnte diese »Tannhäuser«-Musik nicht annehmbar machen und wir hoffen aus vollstem Herzen, daß keine Aufführung, so großartig sie auch sein möge, jemals dazu führen wird, daß solche sinnlose Mißklänge in England für Kundgebungen gehalten werden, die etwas mit Kunst oder Genie gemein haben.‹


51 Meyerbeers ›Nordstern‹ ging eben damals als Novität über die Bühne des Coventgarden-Theaters, und wurde von derselben Kritik, welche die ›Tannhäuser‹-Ouvertüre in der vorstehenden Manier herunterriß, als ein Meisterwerk von Gediegenheit und melodiöser Erfindung gepriesen.


52 1855 mit dem Schauspieler Bürde verheiratet, seitdem unter dem Namen Bürde-Ney rühmlich bekannt. Vorübergehend hatte Wagner sie auch für die Darstellung seiner ›Isolde‹ in Aussicht genommen. Briefwechsel mit Liszt, II, S. 266


53 Briefe an Fischer, S. 328: ›Die Ney werde ich sehen.‹ S. 326: ›Die Ney habe ich besucht, auch im »Fidelio«, wo sie mir allerdings nicht genügte, gehört; heute singt sie im »Trovatore« von Verdi, wo sie jedenfalls mehr an ihrem Platze ist. In der Probe soll sie bereits außerordentlich gefallen haben, wie ich vom Orchester erfuhr. Im Konzert darf sie nicht singen, so lange sie bei der Oper ist.‹ S. 329: ›Die Ney sang in einem unserer Konzerte, und allerdings hat mich ihre Stimme und Gesangsweise sehr überrascht und erfreut!! –.‹


54 An Fischer S. 329.


55 An Fischer S. 328.


56 An Liszt, Briefwechsel II, S. 73.


57 Cyprian Potter, geb. 1792 in London, Klavierlehrer an der kgl. Akademie der Musik, 1832–1861 Direktor dieses Institutes.


58 Gesammelte Schriften VIII, S. 345.


59 An Liszt, Briefwechsel II, S. 86.


60 Vgl. auch die Erwähnung dieser Aufführung Ges. Schr. V, S. 250.


61 Nach dieser Erzählung habe Mme. Berlioz, wegen angeblicher oder wirklicher Kränklichkeit, die ganze Zeit auf dem Sofa gelegen und ihren Gatten jeden Augenblick aus der Mitte der Gesellschaft abgerufen. ›Bald verlangte sie das Riechfläschchen, bald einen Trunk Wasser, den sie aber, wenn er ihr gereicht wurde, nicht trank. Berlioz wurde so von ihr hin und her getrieben, daß er endlich wohl sah, es handle sich nur um die Launen einer stark verwöhnten Pariserin; er schlug deshalb vor, das nächste Mal allein zu uns zu kommen‹.


62 An Liszt, Briefwechsel II, Seite 87.


63 In betreff der von dem Meister bevorzugten seidenen Wäsche finden wir die Erwähnung, er habe aus physischen Ursachen nichts anderes als Seide auf bloßem Körper getragen: Baumwolle, selbst nur mit den Händen zu berühren, verursachte ihm ein Schauder durch den ganzen Körper; er hatte deshalb alte Taschen seiner Kleider von Seide, ebenso das Futter.


64Le brave Hogarth l'a présenté à son tour M. Meyerbeer, en demandant á ces deux illustres s'ils se connaissaient. – Briefl. an seinen Freund Theodor Ritter (Le Guide Musical 1895, S. 1026).


65 Briefwechsel zw. Wagner u. Liszt II, S. 85/86.


66 An Liszt II, S. 86.


67 An Liszt II, S. 87; vgl. auch Berlioz an Th. Ritter: ›nous allons boir du punch chez lui (Wagner) après le (dernier) concert: il m'embrasse avec fureur, disant qu'il avait eu sur moi une foule de préjugés, il pleure, il trépigne‹ etc.


68 Ebendaselbst: ›Joie de Wagner de quitter Londres, il conduit en effet en style libre comme Klindworth joue du piano, mais il est très attachant par ses idées et par sa conversation.


69Wagner a quelque chose de singulièrement attractif pour moi, il est superbe d'ardeur, de chaleur de coeur, et j'avoue que ses violences même me transportent.


70 An Th. Ritter: Recrudescence de fureur contre lui parmi tous les critiques après le dernier concert de Hanovre square.‹


71 Ebendaselbst: ›À peine est-il parti que le »Musical World« public le passage de son livre où il m'éreinte de la façon la plus comique et la plus spirituelle, – joie délirante de Davison en me traduisant cela.

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 3, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 59-98.
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