VI.

Auf dem ›grünen Hügel‹.

[144] Freude an der neuen Behausung. – Abermalige Verhandlung mit Härtels wegen der ›Nibelungen‹. – Rückschlag: Entschluß für ›Tristan und Isolde‹. – Einladung nach Brasilien. – Besuch Eduard Devrients. – Wesendoncks Einzug. – Präger, Rob. Franz, Richard Pohl und Bülows. – Dichtung von ›Tristan und Isolde‹. – Beginn der Komposition.


Mit dem Entwurfe von ›Tristan und Isolde‹ war es mir, als entfernte ich mich selbst nicht eigentlich aus dem Kreise der durch meine Nibelungen-Arbeit mir erweckten dichterischen und mythischen Anschauungen.

Richard Wagner.


Dort am linken Ufer des Züricher Sees, am Fuße der Albiskette, auf der mäßigen Höhe des Hügelrückens zwischen dem See und dem Sihltal, war im Laufe des letzten Jahres die prachtvolle Villa Wesendonck aus dem Boden gewachsen, deren unteres Stockwerk die künstlerischen Neigungen des Hausherrn im Verein mit seinen fürstlichen Mitteln nachmals zu einer förmlichen privaten Gemäldegalerie ausgestalteten, deren luxuriös verziertes Treppenhaus durch seine vorzügliche akustische Beschaffenheit sich zugleich als vortrefflicher Konzertsaal bewährte. Und daneben das kleine Gartenhaus auf dem angrenzenden Grundstück, durch die kundige Hand eines befreundeten Baumeisters im Laufe weniger Monate in ein sicher trauliches Heim auch für die rauhere Jahreszeit umgewandelt, im Innern aber durch den Bewohner selbst, mit gehöriger Anstrengung, doch zum größten Behagen, seinen Bedürfnissen entsprechend hergerichtet. ›Das Talent Wagners, überall, wo er sich niederließ, sein Heim so behaglich und komfortabel als möglich einzurichten, hatte sich auch hier bewährt. Das kleine Haus hatte er keineswegs luxuriös, aber sehr wohnlich ausgestattet; er bewohnte darin den oberen Stock, seine Gattin Minna das Parterre. Sein ziemlich kleines Arbeitszimmer hatte den Ausblick nach dem oberen See und nach dem Glärnisch; daneben lag ein[144] schmales Musikzimmer, an dieses stieß der Salon mit einer Veranda nach der Züricher Stadtseite.‹1 Des Fremdenzimmers, eines ›höchst freundlichen Stübchens‹ ganz oben im Hause, worin man es ›im Sommer für die Nacht und den Morgen schon aushalten könnte‹, erwähnt er selbst wiederholt in seinen Einladungen an auswärtige Freunde; auch rühmt er den herrlichen Ausblick von der Gartenterrasse auf den See und die erhabenen goldbekränzten Berge. Der mannigfachen ›Ruheplätzchen‹ und des ›Raumes zu kleinen Promenaden‹ innerhalb des wohlgepflegten Gartens gedenkt er in dem eben zitierten Briefe an Liszt (S. 142). Und wie sehr war gerade er befähigt, all dieser Schönheiten sich vollauf zu erfreuen! ›Er war ein großer Naturfreund: in seinem Garten belauschte er das Nestchen der Grasmücke; eine Rose auf seinem Schreibtische konnte ihn beglücken, und das Waldweben im »Siegfried« erzählt von dem Geflüster hoher Wipfel im Sihltalwalde, wohin er auf weiten Wanderungen, öfters in Gesellschaft des Dichters Georg Herwegh, seine Schritte lenkte.‹2

Die ersten drei Wochen hindurch genoß er in der schönen Jahreszeit einer ›fast berauschenden Annehmlichkeit‹, so daß er noch gar keine Laune selbst zur Arbeit fand, die doch andererseits auf diesem neuen Boden nach seiner Hoffnung nun erst recht gedeihen sollte. Alsdann begann er mit der Reinschrift der Partitur des ersten Aktes, mit dem Vorsatz, diese als bloße Gelegenheitsarbeit recht langsam zu beenden, und seine eigentliche gute Stimmung der Komposition des zweiten Aktes zuzuwenden, die denn auch unter so günstigen Verhältnissen am 30. Juli zum Abschluß gelangte. Mehr als zwei Monate vergingen ihm noch bis zu dem endlichen Einzuge Wesendoncks in voller Einsamkeit, so daß es ihn erfreute, wenn die Züricher Freunde ihn ab und zu auf seinem Landsitz besuchten. Vom 5. Juni datiert ist eine an Herwegh gerichtete Aufforderung ›Ich sehe wohl‹, heißt es darin, ›ich maß mit einer wohlkonditionierten Einladung kommen, um Dich einmal auf mein Asyl herauszulocken! Somit bitte ich Dich und Deine liebe Frau, Sonntag Abend bei uns zuzubringen. Kommt nicht zu spät – ich meine so um 6 Uhr – damit Ihr unsere Herrlichkeit noch bei Tage inspizieren könnt.‹ Von auswärts her hatten sich eine ganze Reihe willkommener Besuche bei ihm angekündigt, die denn zum Teil auch wirklich noch im Laufe dieser Sommermonate, zum Teil (wie Tichatschek und Niemann) erst im nächstfolgenden Jahre eintrafen. Neben seiner Arbeit beschäftigte ihn immer noch der sorgende Gedanke an die Unterbringung seiner ›Ring‹-Partituren in dem Breitkopf und Härtelschen Verlage. Diese Sache gestaltete sich nicht so einfach. Nach angelegentlichen mündlichen und brieflichen Besprechungen Liszts mit dem damaligen Chef [145] dieses Hauses, dem Dr. Härtel, war die Angelegenheit leider in einem ganz unersprießlichen Stadium stecken geblieben. Die Hoffnung, dieses ›Geschäft‹ zum Abschluß zu bringen und sich dadurch die Mittel zur gänzlichen Vollendung seines nun schon so weit vorgerückten Werkes gesichert zu sehen, das tröstliche Bewußtsein, dabei einen Liszt zum orientierenden Mittelsmann und begeisterten mündlichen Fürsprecher zu haben, hatte ihn bei aller Unsicherheit seiner Lebenslage das ganze Frühjahr hindurch aufrecht und in guter Stimmung erhalten. Mit ihr war er in sein Asyl auf dem grünen Hügel eingezogen. Die Zeit der Erfüllung schien ja nun nach schwerem Kampfe endlich gekommen. Endlich hatte er ein eigenes Dach über seinem Haupte! Die gesicherte ruhige Wohnstätte mußte seiner Arbeit förderlich sein. Für die Aufführung und seine damit zusammenhängende Rückkehr nach Deutschland standen Liszt und der Großherzog ein. Wie sollte es ihm nun nicht auch noch gelingen, das reichbemittelte Leipziger Handelshaus, das sich in anderen Fällen doch so wohlberaten und richtig entschlossen zeigte, zu der unerläßlichen Beihilfe bereitwillig zu finden oder – zu machen? Noch am 8. Mai schreibt er in diesem Sinne an den Weimarer Freund: ›Ich habe Deinen Rat augenblicklich befolgt und auf eine Weise an Härtels geschrieben, daß sie wohl gewiß nun zusagen, wenn sie – vorausgesetzt! – durch Dich gehörig über das Objekt unterrichtet worden sind.‹ Nun, daran hatte es von Liszts Seite nicht gefehlt. ›Dafür stehe ich Ihnen mit Wort und Tat‹, sagte er zu dem Dr. Härtel ›daß zwischen der Beendigung der Nibelungen, welche mit Ende des nächsten Jahres zu erwarten ist, und deren Aufführung kaum ein Jahr verstreichen soll, und daß die Freunde Wagners, und zuvörderst ich selbst, alles daran wenden werden, um diese Aufführung zu ermöglichen.‹ Leider, leider war er nicht der einzige Berater der berühmten Firma, und für diesmal trug in der so entscheidenden Angelegenheit doch der Dr. Jahn (S. 35) den Sieg davon! Denn kaum vierzehn Tage nach der obigen Meldung (am 19. Mai) folgt die fernere Nachricht Wagners: ›Liebster, diese beiliegende Antwort erhielt ich heute von Härtels!‹ Es waren geschäftliche Bedenken, die ihn durch ihren ganzen Inhalt recht traurig stimmten, daß er, um für die nächsten Jahre sich etwas Gewisses zu sichern, sich und sein Werk so feilbieten mußte. Gezwungen, alles zum Abschluß dieses Handels aufzubieten, lud er nun die Leipziger Herren eigens zu einem Besuche in Zürich ein, um ihnen mit Klindworths Beihilfe am Klavier einen Begriff von seiner Musik zu erwecken. Daß auch dieser Versuch nicht zum Ziele führte, und seiner Einladung nicht einmal Folge geleistet werden konnte, brachte dann freilich eine fundamentale Änderung seiner Beschlüsse zuwege. Er entschied sich, zugunsten seines, seit bereits drittehalb Jahren in ihm lebenden ›Tristan‹ ›das, obstinate Unternehmen der Vollendung seiner Nibelungen‹ bis auf weiteres – aufzugeben.

[146] Vieles wirkte zu diesem Beschlusse zusammen. Aber es ist zu seiner Erklärung doch eine weitere Perspektive erforderlich, als diejenige des letzten Vierteljahres mit seinen – ach! – nur zu künstlich genährten Hoffnungen. Der Ausdauer, die er seit Beginn des ›Rheingold‹ der musikalischen Ausführung seines großen Werkes zugewendet hatte, war von keiner Seite her eine entscheidende Ermutigung entgegengekommen. Seit acht Jahren hatte keine Aufführung eines seiner dramatischen Werke mit erfrischender Anregung auf seine sinnlich konzeptiven Kräfte gewirkt. Deutschland, wo man seinen, von ihm selbst noch nicht gehörten ›Lohengrin‹ gab, blieb ihm verschlossen.3 Den Zustand, in welchen der schaffende Künstler unter solchen Entbehrungen geriet, schien sich keiner seiner praktischen Freunde in Deutschland zu vergegenwärtigen! Im Gegenteil drängte sich ihm von gar mancher Seite her die Wahrnehmung einer vorsichtigen Zurückhaltung gegen seinen großen Gedanken auf. Die Befürchtung, er möchte bei so langer Entwöhnung vom lebendigen Verkehr mit dem Theater wohl seine früheren Vorzüge einbüßen, in das ›Unpraktische, Unbühnen- und Unsängermäßige verfallen‹ und somit seinen neuen Arbeiten den Wert der Aufführbarkeit entziehen, setzte sich augenscheinlich als Ansicht, ja bei allen denjenigen, welche gegen ein weiteres Befassen mit ihm Grunde zu haben vermeinten, zu einer hoffnungsvoll tröstlichen Annahme fest. Man brauchte ihm, so schien es, nicht weiter zu folgen. Wie bitter der vereinsamte Meister diese Verkennung seines Schaffens empfand, beweist sein schmerzlicher Ausruf: ›soviel sehe ich, daß ich jetzt wieder einmal ein kleines Wunder tun muß, damit die Leute an mich glauben!‹4 Über die weitgehenden, ihm von Weimar erregten Hoffnungen hatte er stets ein sicheres Vorgefühl gehegt, das ihn schließlich nicht täuschte. Der Plan zu einem provisorischen Theater für das ›Nibelungen‹-Werk war schon entworfen; aber der Weimarische Hof scheute vor den Kosten zurück und wollte sich nicht ›in Projekte einlassen, deren Gelingen nicht im voraus garantiert sei.‹5 Dieser zweifelnde, schwankende Unglaube brachte Weimar, ganz wie Zürich, für immer um den Ruhm, das hervorragendste, gewaltigste Werk musikalisch-dramatischer Schöpfungs- und Gestaltungskraft der Welt zuerst vorgeführt zu haben. Seine Seelenstimmung bei solchen Beobachtungen bezeichnet er – anderthalb Jahrzehnte später – rückblickend [147] mit den ergreifenden Worten: ›Wenn ich so eine stumme Partitur nach der anderen vor mir hinlegte, um sie selbst nicht wieder aufzuschlagen, kam auch ich wohl zu Zeiten mir wie ein Nachtwandler vor, der von seinem Tun kein Bewußtsein hätte. Ja, blickte ich von diesen Partituren dann auf, in den hellen Tag, der mich umgab, diesen schrecklichen Tag unserer deutschen Oper mit ihren Kapellmeistern, Tenoristen, Sängerinnen und Repertoireängsten, so mußte ich selbst laut auflachen und an »dummes Zeug« denken, was ich da triebe.‹6 Gegen die fortgesetzten Anstrengungen, sein großes Werk der Mitwelt recht eigentlich aufzudrängen und es ihr zum Trotz auf dem klanglos bleichen Papier zu vollenden, während ihm dessen szenische Verwirklichung durch nichts verbürgt war, trat endlich die Reaktion ein. Es bedurfte gerade nur noch dieser Auseinandersetzungen mit seinen Leipziger Verlegern – als erster Berührung mit derjenigen Welt, die ihm die Realisation seines Unternehmens doch ermöglichen sollte, um ihn – ›zur letzten Besinnung zu bringen und‹, wie er bitter hinzufügt ›die große Schimäre der Unternehmung einsehen zu lassen.‹7

Gleichsam als Heilmittel gegen die hieraus erzeugte Verstimmung regte sich die Lust zur Ausführung seines neuen Werkes, das ihm, durch seine minder umfassenden Dimensionen, die Möglichkeit einer sofortigen Aufführung in Aussicht stellen durfte. ›Da mir Deutschland hierfür eben noch verschlossen blieb, muß es nicht unerklärlich fallen, daß ein sehr seltsamer Antrag von außen her bei der Konzeption meiner neuen Arbeit mit einiger Lebhaftigkeit mich beeinflußte. Ein – wirklicher oder angeblicher – Agent des Kaisers von Brasilien eröffnete mir die Neigung seines Souveräns für mich und deutsche Kunst überhaupt, und wünschte mich zu bestimmen, eine Einladung nach Rio de Janeiro, sowie den Auftrag anzunehmen, für die dortige ausgezeichnete italienische Operntruppe ein neues Werk zu schreiben.‹8 Wir finden die erste Erwähnung dieses seltsamen Begebnisses bereits in jenem Briefe vom 8 Mai, dem ersten aus dem ›Asyl‹ an Liszt gerichteten. Es scheint sich demnach gerade in den Tagen seines Umzuges zugetragen zu haben. ›Jetzt hat mich‹, heißt es dort, ›der Kaiser von Brasilien auffordern lassen, zu ihm nach Rio de Janeiro zu kommen; ich soll dort alles die Hülle und Fülle haben. Also – wenn nicht in Weimar, in Rio!!‹9 Und weiterhin noch am 28. Juni: ›Ich denke daran, den Tristan gut in das Italienische übersetzen zu lassen, um ihn dem Theater in Rio de Janeiro – das wahrscheinlich vorher schon den Tannhäuser aufführen wird – als italienisches Opus zur ersten Repräsentation anzubieten. Dem Kaiser von Brasilien aber, der schon nächstens die Exemplare meiner letzten drei Opern‹ (also: des fliegenden Holländers, Tannhäuser und Lohengrin) ›empfängt, werde ich es dedizieren, [148] und aus dem allen, denke ich, soll sich genug für mich abwerfen, um einige Zeit ungeschoren zu bleiben.‹10 Dies ist die letzte Erwähnung der Angelegenheit; weder Don Pedro noch sein rätselhafter Agent ließen etwas weiteres von sich hören. ›Es blieb meinerseits‹, fährt der Meister in seiner Erzählung fort ›bei dem Erstaunen über das Wunderliche dieses Begegnisses, und nur der eine Erfolg davon wirkte in mir nach, welcher mir aus der Erwähnung der Möglichkeit, mich einmal mit italienischen Sängern zu befassen, erwuchs. Was jeden, dem ich meine nicht ungünstigen Ansichten hierüber mitteilte, bis zum Auflachen erschreckte, war die Erwägung des sehr tiefen Standes der rein musikalischen Bildung dieser Sänger, welche sie unfähig machen mußte, mit einer Musik wie der meinigen in irgendwelchem Grade sich vertraut zu machen. Ich mußte dagegen finden, daß eben nur diese, auf dem Intellekte dieser Sänger lastende, Schwierigkeit zu überwinden sei, was vielleicht weniger durch abstraktes Universalstudium der Musik, sondern durch ein sehr eingehendes spezifisch-konkretes, stets nur das Pathos des Vortrages bloßlegendes Einstudieren dieser einen besonderen Partie, und dann leichter als man glaube, erreicht werden könnte. Man hörte mir zu und verleitete mich endlich selbst zum Mitlachen. Doch blieb mir auch hiervon ein dunkles Gefühl zurück, als ob für die Lebensbedingungen meiner Kunst noch ein anderes Element aufzusuchen sei, als dasjenige, an welches ich bisher allein gewiesen war, und welches diese Bedingungen nur so ungemein dürftig in sich schloß.‹11

Unter allen Umständen hätte ihm eine solche Aufführung im fremden Weltteil, durch fremde Sänger, in fremder Sprache, die heimische nicht ersetzen können. Er beabsichtigte demnach, in betreff einer ersten Aufführung seines Werkes mit einem Straßburger Theaterdirektor über eine dortige deutsche Opern-Unternehmung für einige Sommermonate sich zu verständigen und hierher, dicht an die Grenze des deutschen Bundesgebietes, von welchem er ausgeschlossen war, die Freunde seiner Kunst durch öffentliche Aufforderung einzuladen. ›Ich habe den Plan gefaßt‹, meldet er an Liszt ›Tristan und Isolde in geringen, die Aufführung erleichternden Dimensionen sofort auszuführen und heute übers Jahr mit Niemann und der Meyer (Luise Meyer-Dustmann) in Straßburg aufzuführen. Man hat dort ein schönes Theater; das Orchester und übrige unbedeutende Personal soll mir ein benachbartes deutsches Hoftheater (vielleicht Karlsruhe) stellen, und so denke ich denn mit Gott auf meine Art und auf meinem Wege mir wieder einmal etwas vorzuführen.‹12 Wie an Liszt, so teilte er sich über sein Projekt auch an Eduard Devrient in Karlsruhe mit, als einem jener ›Praktischen‹ unter seinen älteren Freunden Dieser riet ihm abzuwarten, ob es den Bemühungen des Großherzogs Friedrich von Baden nicht gelingen werde, ihn wenigstens für die [149] nötige Zeit des Studiums seines neuen Werkes in seine Residenz zu berufen, wo man ihm dann gern alle Mittel zu einer guten Aufführung bereit halten würde. Der humane Fürst, erst seit Beginn dieses Jahres (1857) Großherzog des Landes, dessen Regierung er bis dahin als Prinz-Regent geführt, und seine hochsinnige Gemahlin, Prinzessin Luise von Preußen (die Tochter des Prinzen Wilhelm), besaßen ein hinreichend aufrichtiges Interesse für den verbannten Künstler, um an seine edelsinnige Verwendung bei der deutschen Bundesregierung die hoffnungsvollsten Aussichten zu knüpfen. So geschah es, daß Eduard Devrient, durch das Interesse des Landesherrn an den Schicksalen seines alten Freundes mit bestimmt, von Karlsruhe aus den Ausflug in die Schweiz unternahm, um Wagner – in den drei ersten Tagen des Juli – zu persönlicher Besprechung zu besuchen und dabei das Fremdenstübchen des neuen Hauses einzuweihen. Er bestätigte dem Meister die unleugbaren Schwierigkeiten der von ihm beabsichtigten Straßburger Aufführung, die sich dieser selbst nicht verhehlt hatte; im übrigen schenkte er dem ›Tristan‹-Projekt, wie auch der vorläufigen Zurückstellung der Nibelungen durchaus seine billigende Zustimmung und nahm es auf sich, eine erste Aufführung des neuen Werkes in Karlsruhe unter Wagners Leitung zu vermitteln. Noch während seiner Anwesenheit traf auch von seiten des Großherzogs ein ganz überraschend liebenswürdiger Brief an den Meister ein, der für diesen wirklich Wert hatte als das erste ihm zuteil gewordene Zeichen des ›Zerreißens einer ängstlichen und hoffärtigen Etikette‹, wie er sie bis dahin an deutschen Fürsten einzig kennen gelernt. Die Veranlassung war eine kleine Aufmerksamkeit, die er durch Übersendung eines Albumblattes der jungen Großherzogin erwiesen, und für die ihm nun der hohe Herr ›ganz gerührt und rührend‹ in ihrem und seinem Namen dankte.13

An die Tage von Devrients Besuch hat sich manche kleine Erinnerung erhalten: so die Einladung Wagners an Herwegh, sogleich am ersten Tage der Anwesenheit des Gastes, Mittwoch den 1. Juli, bei ihm zu Mittag zu speisen;14 auch eine Erwähnung der dabei von Devrient zum besten gegebenen Vorlesungen aus Shakespeare – bekanntlich seine besondere Stärke! – durch Gottfried Keller. ›Es wurde Shakespeare und »Faust« gelesen und aus Wagners großem Nibelungenwerk musiziert, wobei es sehr hoch und poetisch zuging. Hübsche Damen waren fleißig im schönen Dasitzen und meine Wenigkeit ganz emsig im stillen Unschönsein. ‹15 Devrient erzählte von seiner Karlsruher Inszenierung des ›Tannhäuser‹, u.a. von einer von ihm beliebten Änderung am Schlusse des Werkes, wonach er Elisabeth die Wartburg nicht[150] erreichen, sondern auf dem Wege dahin, im Walde, sie vom Tode ereilen ließ: die Pilger trugen sie auf einer, aus jungen Birken, mit herabhangenden Zweigen, gebildeten Bahre auf die Szene, der Landgraf deckte die Leiche mit seinem Mantel zu – alles, wie in Eile improvisiert. Auch erfuhr Wagner durch ihn Neues und Günstiges über den jungen Sänger Ludwig Schnorr, von dessen besonderer Vorliebe für seine Musik und die von ihm dem dramatischen Sänger gebotenen Aufgaben. Von dem jungen, damals einundzwanzigjährigen Künstler erhielt er auch etwas später einen schönen Brief mit fast leidenschaftlicher Versicherung seiner Ergebenheit.

Der Straßburger Plan war aufgegeben und in Übereinstimmung mit Devrient das sogleich in Angriff zu nehmende Werk für eine erste Aufführung am großherzoglichen Theater in Karlsruhe bestimmt. Der Großherzog schien hierüber von Devrient bereits im voraus benachrichtigt zu sein; in seinem an Wagner gerichteten Briefe spielte er auf seine Zuversicht an, den Meister bald in seiner Residenz zu sehen.16 Trotzdem konnte sich dieser doch nicht so mit einem Male von seinem ›Siegfried‹ losreißen. Noch am 28. Juni, also kurz vor Devrients Besuch, hatte er zwar schon an Liszt die Worte geschrieben: ›ich habe meinen jungen Siegfried noch in die schöne Waldeinsamkeit geleitet; dort hab' ich ihn unter der Linde gelassen und mit herzlichen Tränen von ihm Abschied genommen.‹ Aber er fügt hinzu, daß er sich damit Zwang angetan: ›ich habe mitten in der besten Stimmung ihn mir vom Herzen gerissen und wie einen lebendig Begrabenen unter Schloß und Riegel gelegt. Dort will ich ihn halten und keiner soll etwas davon zu sehen bekommen, da ich ihn mir selbst verschließen muß.‹17 Dieser plötzliche Zwang, dieses völlige Verschließen des Werkes vor sich selbst war doch nicht im buchstäblichen Sinne möglich. Tatsächlich führte er die einmal aufgenommene Arbeit am zweiten Akte in der Kompositionsskizze doch noch (bis zum 30. Juli) völlig zu Ende. Auch redete er sich damals gern noch ein, die Zurücklegung geschehe nur für einen ganz kurzen Zeitraum. In einem Briefe an Frau Ritter (vom 4. Juli) heißt es ausdrücklich: er stehe eben im Begriff, den Siegfried auf ein Jahr im Walde allein zu lassen, um sich mit einem ›Tristan und Isolde‹ Lust zu machen. Er bittet sie ferner, alles darauf Bezügliche ›ganz unter uns‹ sich gesagt sein zu lassen. ›Noch schlummert das Gedicht in mir: ich gehe mit Nächstem daran, es zum Leben zu rufen.‹ Erst wenn ihm dieses ganz nach Wunsch gelungen, wenn es ihn selbst vollkommen befriedige, betrachte er das Projekt wörtlich als zur Ausführung bestimmt. In gleicher Weise empfiehlt er Liszt mit Beziehung darauf vorläufig ein ›absolutestes Stillschweigen.‹18 Nur die Intimsten bekamen [151] davon zu erfahren. ›Am 6. Juli 1857‹, erzählt die Tochter seines alten Züricher Freundes Alexander Müller, ›machten wir vor einer Reise nach Deutschland unseren Abschiedsbesuch im »Gabler«19 neben Herrn Wesendoncks Villa; Meister Wagner spielte uns den Feuerzauber vor und teilte uns seine Pläne in bezug der Aufführung seiner Nibelungen mit.‹20 Von Tristan wird in dieser Angabe kein Wort erwähnt, – kein Wort von einem so entscheidenden Vorgang, wie der Unterbrechung seiner Arbeit am ›Siegfried‹, die denn auch faktisch noch durch den ganzen Monat (bis zur Vollendung des Aktes) fortgesetzt wurde. Ein feierliches Schweigen nach außen sollte die neue Schöpfung seines Geistes in ihrem zartesten ersten Entstehen vor jeder neugierigen Besprechung und Betastung schützen.

In diese Julitage fällt denn auch der durch mehrere Wochen sich hin, ziehende Einzug seiner freundlichen Nachbarn Wesendoncks: das allmähliche Anrücken von Mobiliar, von Kisten und Kasten, teils aus Paris, teils aus ihrer früheren Niederlassung im Hotel Baur, – endlich deren persönliche Übersiedelung in die neue Umgebung Ferner der ungefähr vierzehntägige Besuch seines Londoner Gastfreundes Präger,21 dessen harmloser, einzig die Geduld des Wirtes auf die Probe stellender Verlauf in seiner abenteuerlich wuchernden Einbildungskraft nachträglich zu einem ›zweimonatlichen Verweilen‹ unter dem Dache Wagners aufgebauscht, ja zu einem förmlichen Roman ausgesponnen ist, mit der lächerlichen Pointe: er sei es eigentlich gewesen, der den Meister auf den ›Tristan‹ Gedanken gebracht habe.22 Wir werden dadurch unwillkürlich an die Berechtigung der wunderlich wohlgemeinten Warnung jenes Londoner Freundes (nicht Klindworth!) erinnert, er möchte sich doch vor Präger in acht nehmen, weil ihn dieser ›verrate‹ und ›sein Vertrauen mißbrauche‹ Der Mann, von dem sie ausging, muß doch ein tiefblickender Psychologe gewesen sein Weniger ernsthaft, als er, nahm Wagner seinen seltsamen Gast! Wir haben bereits gesehen, wie großmütig arglos [152] er jene Warnung in den Wind schlug, nachdem er ihn, als Jugendbekannten der Röckelschen Familie, einmal unter seine Freunde aufgenommen. Höchstens, daß er sich veranlaßt sah, vollends ihm gegenüber mit der Nennung seines neuen dichterischen Gegenstandes zurückzuhalten und ihn während seines ganzen Verweilens nicht direkt in seine Absichten einzuweihen. Vielleicht hat er eben dadurch, ohne es zu ahnen, den subjektiven Ausgangspunkt zur Entstehung der Prägerschen ›Tristan‹-Legende gegeben! Sonst war er nach Möglichkeit bemüht, durch jede Art von Gastlichkeit ›dem guten Präger für die Londoner Episode etwas Entschädigung zu bieten‹. Mit ihm gemeinschaftlich machte er noch einen Ausflug nach Schaffhausen und war in jedem Sinne bedacht, ihm aus seiner Fülle zu geben, was er in sich aufzunehmen vermochte, um ihm die Erinnerung an diesen Aufenthalt teuer und wert zu gestalten. So weiß Präger zu berichten, daß er in des Meisters Hause die Musik der Rheintöchter durch jene mehrgenannte Frau Pollert (die Magdeburger ›Isabella‹) mit ihren zwei ganz jungen Töchtern zu Wagners Begleitung so vollkommen gehört habe, wie seitdem kaum wieder. Und selbst hierbei weiß er seiner konfusen Erzählung23 doch auch wieder einen häßlichen Beigeschmack zu geben. Er fügt nämlich hinzu, Wagner sei verdrießlich geworden, als ›die Familiarität der Bühnenheldin ihn um eine Prise Tabak bat und ihm mit Anekdoten die vergangene Zeit aufrührte, und habe den Besuch schließlich auf eine peinliche Art verabschiedet!‹ Es sei dies aus einem ›an Stolz grenzenden Gefühle geschehen, welches ihn frühere Verbindungen und Verhältnisse mit untergeordneten Naturen vergessen ließ (!).‹ Welche Undankbarkeit liegt, gerade von Prägers Seite, in dieser Behauptung! Wer Wagner wirklich kannte, hat von seiner großen Natur immer ganz genau das gerade Gegenteil mit Bestimmtheit erfahren! Nämlich die unbezwingliche Güte, mit der er seinen alten Freunden ›auch als weltberühmter Meister immer die alte Treue erhielt, sie nie vergaß oder verleugnete.‹24 Ein Hauptbeispiel dafür bildet Präger selbst, dessen mit den Jahren wachsende taktlos lästige Vertraulichkeit er bis zuletzt in Schranken zu halten wußte, ohne ihm deshalb die, auf einer so verschwindend kurzen Lebensepisode beruhenden ›Freundschafts‹-Beziehungen einfach zu kündigen. – Bald nach Prägers Abreise überraschte ihn noch ein anderer Londoner Besuch, Eduard Röckel, der sich auch vier Tage bei ihm aufhielt, so daß das Haus nicht lange leer wurde

Anfang August ward die Dichtung von ›Tristan und Isolde‹ mit dem [153] ersten Akte in Angriff genommen, bei gleichmäßiger Fortdauer der nachbarlichen und freundschaftlichen Beziehungen und, solange der August währte, noch manchen Besuchen von außen her. Auch das Wesendoncksche Haus entfaltete eine glänzende Gastlichkeit, die Frau Wille in ihren Erinnerungen nicht genug zu rühmen weiß. ›Es war‹, so berichtet sie, ›eine Zeit fast verklärten Daseins für alle, die in der schönen Villa auf dem grünen Hügel zusammenkamen. Reichtum, Geschmack und Eleganz verschönerten dort das Leben. Der Hausherr war ungehindert im Fördern dessen, was ihn interessierte, voll Bewunderung für den außerordentlichen Mann, den das Schicksal ihm nahe gebracht. Die Hausfrau, zart und jung, voll idealer Anlagen, war mit Welt und Leben nicht anders bekannt, als wie mit der Oberfläche eines ruhig fließenden Gewässers: geliebt und bewundert von ihrem Gatten, eine junge glückliche Mutter, lebte sie in Verehrung des Bedeutenden in Kunst und Leben, der Macht des Genius, die ihr bisher noch nicht in solchem Umfange des Wollens und Vermögens vorgekommen war. Die Einrichtung des Hauses, der Reichtum des Besitzers machten eine Geselligkeit möglich, an welche jeder, der sie genossen, gerne zurückdenken wird. So gestaltete sich ein Verhältnis, das, unter wechselnden Stimmungen und Erlebnissen, auf Freundschaft und gute Regungen gegründet, wie unter einem reineren Himmel sich entfaltete.‹25

Zu den nächsten Besuchen auf dem ›grünen Hügel‹ gehört derjenige des Liederkomponisten Robert Franz. Diesen hatte Liszt unter seine besondere Protektion genommen, und Wagner zuerst durch einen offenen ›Brief über den Lohengrin in Weimar‹ kennen gelernt, worin der zaghaft schüchterne Mann plötzlich eine Gesinnungstüchtigkeit bewies, wie sie von seinem wortkargen vorsichtigen Naturell gar nicht zu gewärtigen gewesen war.26 Beziehungen zwischen ihm und dem Meister hatten auf Anregung Uhligs, Bülows und vor allem Liszts schon seit Jahren stattgefunden. Wagner hatte ihm die Partitur seines ›Lohengrin‹, Franz dagegen seine Liederhefte geschickt, deren Op. 2027 ihm eigens gewidmet war. Trotzdem wollte es zu keinem rechten persönlichen Verhältnis kommen. Es fehlte dem sonst so feinsinnigen Lyriker dazu an dem inneren Zwang und Drang, dem freien Aufschwung begeisterter Hingebung an den größeren Meister.28 Von seinem ersten Besuche bei Wagner (am Sonntag den 16. August?) und dem freundlichen Empfang, welcher ihm dabei zuteil wurde, ist auf Grund seiner eigenen Erzählung [154] die Tradition verbreitet, Wagner habe ihn in sein Musikzimmer neben dem Salon geführt, ihm dort seinen Notenschrank geöffnet und in demselben außer den Werken von Bach und Beethoven nur noch – seine Lieder gezeigt. Die verbindlichen Begleitworte dazu sind allerdings (immer durch Franz selbst) in sehr abweichenden Versionen überliefert; entweder: ›da sehen Sie, was jetzt mein Studium bildet‹, oder auch bloß: ›das ist alles, was ich an Musikalien besitze.‹29 ›Ich hielt das damals‹, fügt Franz hinzu ›für einen bloßen Akt der Höflichkeit, eine konventionelle Redensart, doch hat die Zeit ein tiefer gehendes Interesse des Meisters an meinen Liedern bestätigt.‹ Da Wagner von Franz vernahm, daß er ein Verehrer von Kellers Dichtungen sei und diesem einen Besuch zu machen beabsichtige, gab er ihm ein paar geschriebene Zeilen mit (adressiert an ›Herrn Gottfried Keller, Stadthexenmeister in Hottingen‹) und lud beide für den Abend zu sich ein.30 Keller behauptet von diesem Zusammensein mit dem ›Hallischen Liederkompositeur‹, dieser habe ihn ›so angeschwärmt, daß er davon ganz aufgeblasen wurde‹. Nach Robert Franz' ferneren Erinnerungen habe er in jenen Tagen Wagner wiederholt besucht und mit ihm ›sehr angenehme Stunden verlebt‹, auch mit ihm kurze Zeit in demselben Hause gewohnt. Das kann doch nur in dem ›Fremdenstübchen‹ in Wagners eigenem Hause gewesen sein! Einmal lud Wagner ihn zu einer größeren Partie in die benachbarten Berge ein und Franz bedeutete ihn, daß es ihm dazu an Geld mangele. Das habe der Meister nicht gelten lassen, sondern alsbald ein Kästchen voll blinkender Goldstücke hervorgezogen, um ihm davon anzubieten. Als sich Franz endlich dazu bewegen ließ, eine kleine Summe anzunehmen, wollte Wagner nichts von Zurückgabe des Geldes wissen und war zufrieden, ihn zur Teilnahme bewogen zu haben. ›Das war ein schöner Zug von ihm‹, fügt Robert Franz seiner Erzählung hinzu.31

Ein anderer, schon seit zwei Monaten durch Liszt ihm angekündigter Besuch32 war der seines streitbaren jungen Freundes Richard Pohl, den er zuletzt vor vier Jahren in Basel gesehen. Pohls Erinnerungen an diese Züricher Tage33 sind von solcher Anschaulichkeit und vielseitig richtiger Beobachtung, daß wir sie als wertvollen Beitrag zur Erkenntnis der damaligen [155] Lebensverhältnisse des Meisters auszugsweise an dieser Stelle reproduzieren. ›Als ich ihn‹, so erzählt er ›um die Mittagszeit zuerst besuchte, ließ er mich in sein Arbeitsmuster kommen. Natürlicherweise lenkte ich das Gespräch auf die »Nibelungen« und fragte, wie weit sie gediehen seien. Die Komposition war bis zum Schluß des zweiten Aktes von Siegfried skizziert, aber als ich darüber meine Freude kundgab, erwiderte Wagner ernst: »Für jetzt lasse ich dieses Werk ruhen; aufgeben kann und werde ich es nicht, aber zu seiner Weiterführung muß ich bessere Zeiten abwarten. Darum habe ich jetzt ein neues Werk begonnen, dessen Verlebendigung ich sicherer entgegensehen darf, – ein Werk, in welchem nur wenige Darsteller beschäftigt sind, welches durchaus keine szenischen Schwierigkeiten bietet, wie man sie von den ›Nibelungen‹ fürchtet, ein Werk, das von jeder guten Bühne, welche tüchtige Kräfte besitzt, ausgeführt werden kann.« Er sagte vorläufig nicht, welchen Stoff er gewählt habe; erst nach und nach brachte ich heraus, daß es »Tristan und Isolde« sei Kein anderes Werk hat Wagner mit solcher flammenden Begeisterung, so aus einem Gusse, in so unaufhaltsamem Drange geschaffen, und doch hat ihm ke in es mehr Ärger und Enttäuschung bereitet, weil sogleich die ersten Bühnen, die es in Angriff nehmen sollten, es als »unmöglich« wieder aufgaben und dadurch die Weiterverbreitung sofort hemmten. Und er hatte darauf gerechnet, daß jede leistungsfähige Bühne es geben könne und werde; er hatte auch pekuniäre Hoffnungen darauf gesetzt! Das alles lag damals noch in weiter Ferne, und Wagner war, trotzdem er die »Nibelungen« beiseite setzen mußte, voll froher Hoffnung und in glücklicher Stimmung; nur wenn er daran dachte, daß er in Deutschland nichts für die würdige Aufführung seiner Werke tun könne, ja daß er den »Lohengrin« noch nicht einmal gehört habe, wurde er bitter. Auf mehreren Spaziergängen, die er mit mir der Albiskette entlang unternahm, sprach er sich darüber aus. Ich kam von Baden-Baden, wo Berlioz ein großes Musikfest dirigiert hatte. Noch voll der Eindrücke von mehreren seiner neuen Werke, die Wagner nicht kannte,34 sprach ich ihm mit einer Wärme davon, die ihn, wie ich bald merkte, nicht sehr erbaute35. [156] Er bewegte sich gern in der freien Natur, ging jeden Nachmittag regel mäßig einige Stunden spazieren und lebte überhaupt sehr regelmäßig und gesundheitsgemäß. Damals war er ein Anhänger der kalten Wasserkur, die er, wie er glaubte (?), mit gutem Erfolg gebraucht hatte.36 Im ganzen war aber seine Gesundheit weniger fest, als in den späteren Jahren. Er experimentierte mit allerlei Mitteln, und seine Nerven waren sehr erregt. In Zürich verkehrte Wagner am liebsten mit Semper und Herwegh; mit Köchly, der ihm von Dresden her schon bekannt war, und einigen anderen Professoren kam er auch zusammen. Im ganzen hatte er aber nicht vielen persönlichen Umgang in der Stadt, am wenigsten mit eingeborenen Schweizern. Hervorragende Fremde suchten ihn desto häufiger auf: als ich zu Wagner kam, hatte Robert Franz ihn soeben verlassen; Bülow mit seiner jungen, vor kurzem ihm angetrauten Gattin Cosima, wurde erwartet.‹

›Die Abende in Wagners Hause‹, fährt Pohl in seiner Schilderung fort, ›waren fast immer belebt, und natürlich im höchsten Grade anregend. Mit der Familie Wesendonck verkehrte er täglich; sie wohnten ja Haus an Haus. Frau Wesendonck, eine schöne Erscheinung, eine weiblich anmutige und poetisch sinnige Natur, übte auf den Meister einen ersichtlich anregenden Einfluß. Ihr gegenüber mußte Wagners schnell gealterte Gattin Minna, mit ihrem ziemlich nüchternen, gutmütigen, aber hausbackenen Wesen freilich sehr im Schatten stehen. In Wagners Gegenwart verhielt sie sich meist still; wenn man sie allein traf, machte sie ihrem Herzen Luft. Sie konnte absolut nicht verstehen, wie ihr Gatte sich jahrelang mit Projekten trug, die nicht die geringste Aussicht auf Verwirklichung hatten. Von den »Nibelungen« hoffte sie nichts.37 Kompositionen, welche überall Aufnahme finden könnten und auch pekuniäre Erfolge bringen würden, wären ihr viel lieber gewesen. Daß diese beiden Naturen nicht harmonieren konnten, sah man auf den ersten Blick; daß früher oder später eine Trennung ihres ehelichen Zusammenlebens erfolgen müßte, war unschwer zu prophezeien. Eine gemeinschaftliche Sympathie verband aber die kinderlosen Ehegatten – die zu den Tieren. Wie Wagner die Tiere liebte und verstand, zeigte er uns in seinen Werken;38 er drang in ihre Individualität ein und verkehrte mit ihnen oft lieber, als mit den Menschen,[157] – das hatte er mit seinem großen Geistesverwandten, Schopenhauer, gemein. Hunde vor allem waren Wagners stete Begleiter. In Zürich war ein kleiner Bologneserhund, Fips, sein Zimmergenosse‹ (ein Geschenk von Frau Wesendonck, deren Gatte sich darin zu Wagner im Gegensatz befand, daß er ›Neigung zu Tieren nicht zugeben wollte‹). ›Fips war ein kluges, liebenswürdiges Tier, das Wagner sehr liebte; Frau Minna hatte einen Papagei, der sich durch musikalische Begabung auszeichnete. Dieser Papagei überraschte mich nicht wenig, als er in guter Laune die vier ersten Takte aus dem ersten Satz der Beethovenschen F dur-Symphonie, einem Lieblingswerke Wagners, ganz korrekt pfiff; Fips saß ernsthaft daneben auf einem Sessel und hörte verständnisvoll zu. Reizend war es, wie Wagner mit den beiden Tieren plauderte und sang. – Den entzückenden Schluß jener unvergeßlich schönen Tage in der historisch denkwürdigen kleinen Villa am Zürichsee, wo »Tristan und Isolde« geschaffen wurde, bildete für mich ein Musikabend (am Dienstag den 25. August), wo Wagner uns aus der Bleistiftskizze den soeben vollendeten zweiten Akt aus Siegfried, das »Waldweben« und die Vogelstimme spielte und sang. Dann sprach er lebhaft über die Dichtung von »Tristan und Isolde«, die ihn ganz erfüllte: er stehe damit am Ende des zweiten Aktes und suche eben die poetische Verbindung (?!) zum dritten.‹ Als Pohl diese Erinnerungen aus seinen Notizen aufzeichnete, war mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen, aber die damals empfangenen Eindrücke, sagt er, hätten unauslöschlich in seiner Seele gehaftet. Er habe sich nie des Gedankens erwehren können, Wagner habe damals, trotz aller inneren und äußeren Nöte, seine glücklichsten Tage verlebt, weil er, fern von der Welt und ihrem Treiben, seinen idealen Schöpfungen allein sich widmen konnte. Aber im Innern der Frucht nagte bereits zerstörend der Wurm, den selbst der Blick des flüchtig in diesem Kreise weilenden Gastes richtig erkannt hatte und der in seiner obigen Schilderung deutlich genug bezeichnet ist.

Kaum daß dieser treue Anhänger Zürich verlassen hatte, so traf das erwartete neuvermählte Bülowsche junge Paar in Zürich ein. Beide jungen Freunde hatte der Meister seit vier Jahren nicht wiedergesehen, Bülow zuletzt bei der Baseler Zusammenkunft, Cosima zum ersten und bis dahin letzten Male in Paris (S. 29). Inzwischen waren die beiden Schwestern durch die liebende Fürsorge ihres Vaters nach Deutschland übergeführt und der Obhut von Bülows in Berlin lebender Mutter anvertraut worden, während ihr Bruder Daniel an der Wiener Universität mit Auszeichnung seinen Studien oblag. Von einem Besuche, den die Schwestern 1856 ihrer Mutter, der Gräfin d'Agoult, in Paris machten, war nur Cosima, damals schon Bülows Braut, nach Berlin zurückgekehrt, Blandine hingegen bei der Mutter zurückgeblieben, mit der sie bald darauf eine Reise nach Italien unternahm. Um die Zeit, wo Cosima – noch nicht zwanzigjährig – am 18. August 1857 [158] in Liszts Beisein in der Hedwigskirche mit Bülow getraut wurde, war Blandine die Braut des Pariser Advokaten Emile Ollivier39 geworden, auch ihre Vermählung stand nahe bevor.40 Das junge Paar hatte unmittelbar nach der Trauung über Weimar, Baden, Bern und Genf seine Hochzeitsreise angetreten, mit Zürich als bedeutsamen Endziel. Nur der herrliche Genfersee hatte sie, unter fortwährendem Entzücken, zu einem dreitägigen Aufenthalt vermocht: Bülows alte Freundschaft zu Karl Ritter (damals in Genf lebend) war eine mitwirkende Ursache dazu. Doch war es ihm bis dahin noch nicht geglückt, dessen ebenso grundlosen als hartnäckigen Groll gegen den Meister (von seinem vorigjährigen Rencontre mit Liszt her) zu beseitigen. Ihr Einzug in Zürich ging nicht unter den glücklichsten Umständen vor sich: ein wichtiger Koffer war auf der Route von Lausanne nach Bern liegen geblieben und ein rheumatisches Fieber zwang Bülow, sogleich nach seiner Ankunft achtundvierzig Stunden lang das Bett zu hüten. Ein Arrest, der allerdings durch das Studium der Partitur der ›Walküre‹ eine bedeutende Milderung erhielt! Ein hübsches Logis mit Aussicht auf den See hatte ihnen der Meister sofort nach Empfang der telegraphischen Anzeige ihrer Ankunft in Zürich verschafft; aber schon nach den ersten acht Tagen duldete er es nicht mehr, daß sie so weit von seinem Hause wohnen sollten. Sie mußten das Fremdenstübchen in seiner Villa beziehen, aus dem er sie nun sobald nicht wieder fortließ. ›Der Besuch des jungen Bülowschen Paares‹, meldet er selbst an Frau Ritter ›war mir das liebste Erlebnis dieses Sommers. Sie wohnten drei Wochen in unserem Häuschen; ich habe mich selten so behaglich und erfreulich angeregt gefühlt, als durch diesen intimen Besuch. Des Vormittags mußten sie sich still verhalten: denn da schrieb ich meinen Tristan, wovon ich ihnen denn jede Woche einen neuen Akt vorlas. Dann wurde den Tag über fast immer musiziert, wo denn Frau Wesendonck treulich jedesmal herüberkam und wir so unser dankbarstes kleines Publikum gleich zur Hand hatten. Bülows Meisterschaft auf dem Instrument ist enorm, bei seiner sicheren musikalischen Intention, einem unglaublichen Gedächtnis und all der wunderlichen Facilität, die ihm eigen ist, kam mir seine Unverwüstlichkeit und Stetsbereitheit prächtig zustatten. Wenn Sie Cosima kennen,41 stimmen Sie mir wohl auch bei, wenn ich das junge Paar für so glücklich als möglich ausgestattet halte. Es ist, bei allem großen Verstand und bei wirklicher Genialität, so viel Leichtes, [159] Schwunghaftes in den beiden Leutchen, daß man sich nur sehr wohl mit ihnen fühlen muß.‹ Bülows gleichzeitige briefliche Nachrichten sind voll begeisterten Entzückens über die empfangenen Eindrücke; in einem Briefe an Pohl vom 4. September beklagt er lebhaft dessen allzufrühe Abreise. ›Wir hätten prächtige Tage noch verleben können, wie z.B. den gestrigen: Wagner war herrlicher Laune, und was mir ein Blick in die Partitur des »jungen Siegfried« versprochen hat, war kolossal. Was für ein Riesengeist! Robert Franz ist (wieder) hier und viel gemütlicher und anständiger, als man ihn mir jüngst geschildert. Gottfried Keller, Frau Herwegh (Er ist verreist), Franz Müller passen hier und da ganz gut in den Kreis.‹42 Und Gottfried Keller seinerseits weiß das Lob der ›zierlichen Bülowsleute‹ nicht genug zu singen. ›Ihr Lob der Cosima‹, schreibt er an eine gemeinsame Freundin in Berlin,43 ›hat sich glänzend bewährt und diese vortreffliche und eigentümliche junge Frau hat mir so ungeteilt gefallen, wie seit langer Zeit kein Frauenzimmer. Man muß ihr wirklich alles Gute wünschen, und möge sie bleiben, was sie ist, in der renommistisch verschrobenen Welt.‹ Ernster und tiefdringender, als der etwas philiströse Ausdruck von Kellers gutmütig herzlichem Wunsch, klingt uns – mit prophetischer Erfassung ihres innersten Wesens – dessen eigentümlicher Zauber aus den Versen entgegen, die ihr Herwegh (nach seiner bald erfolgten Rückkehr) zum Abschied in das Album schrieb:


›Auf jedes Menschen Angesicht liegt leise dämmernd ausgebreitet

Ein sanfter Abglanz von dem Licht des Sternes, der sein Schicksal leitet.

Der Genius der Harmonie wird Dim mit seinen Wundertönen

Umrauschen, und Du wirst Dim nie mit der verstimmten Welt versöhnen.‹44


Bis zum Ende des Monats September, und zum völligen Abschluß der ›Tristan‹-Dichtung, behielt der Meister die jungen Freunde unter seinem Dache, und empfand nach ihrem Scheiden in seinem Hause eine völlige Leere. ›Mit großem Bedauern‹, schreibt er an Frau Ritter ›entließ ich sie endlich, aber nur gegen das sichere Versprechen des Wiederkommens im nächsten Jahre.‹ Im nächsten Jahre – was sollte sich bis dahin nicht alles in den jetzt noch so harmonisch erscheinenden Verhältnissen seiner Umgebung ändern!

Der Monat Oktober fand ihn in ernster, weltabgeschiedener Einsamkeit, seine Stimmung beherrscht durch den ›Tristan‹, von dessen vollendeter Dichtung[160] Bülow bei seiner Abreise bereits eine Abschrift für Liszt nach Weimar mitbrachte (während eine andere Kopie kaum vierzehn Tage später an die Dresdener Freundin abging), und an dessen musikalische Ausführung er unmittelbar darauf sich machte. ›In die Stadt komme ich fast nie mehr, sondern mache aus dem Garten meine Spaziergänge in ein angenehmes Tal, und lebe so eigentlich wie aus der Welt.‹45 Es war ihm bei dieser Arbeit, als entfernte er sich nicht eigentlich aus dem Kreise der, ihm durch das Nibelungenwerk erweckten, dichterischen und mythischen Anschauungen. ›Der große Zusammenhang aller echten Mythen, wie er mir durch meine Studien aufgegangen war, hatte mich namentlich für die wundervollen Variationen hellsichtig gemacht, welche in diesem aufgedeckten Zusammenhange hervortreten.‹46 Gehört doch auch Tristan, gerade wie Siegfried, in die Reihe jener alten Sonnenhelden der arischen Urüberlieferung: gezeugt von dem sterbenden Tage, geboren von der sterbenden Nacht, ist dieser leuchtende Held schon durch seine Abkunft dem Tode verfallen, mit dem er in das ›Mutterreich der Nacht‹ zurückkehrt. Bei seinem ersten Auszug zu hohem Sonnenlaufe löst er sich aus den Armen der geliebten Morgenröte, um sie für immer zu verlieren und – nach Durchmessung des Firmamentes – mit brechendem Blick als Abendröte zu ›ewig kurzer‹ Vereinigung wieder zu gewinnen und sterbend von ihr zu den Sitzen der Seligen geführt zu werden. So ist die Handlung der ›Götterdämmerung‹ eingeschlossen von Tagesgrauen und Einbruch der Nacht. Mit dem Aufgang der Sonne nimmt Siegfried von Brünnhilde Abschied, mit ihrem Niedergange trifft ihn Hagens Speer, und der zu Tode Getroffene öffnet noch einmal glanzvoll die Augen, um die heilige Braut, das strahlende Wotanskind, zu erblicken. So rafft sich der sterbende Tristan vom Lager, mit blutender Wunde Isolden zur letzten Vereinigung zu begegnen. Wie Siegfried, ist ja auch Tristan ein Drachentöter, wenngleich dieser mythische Zug an ihm weniger hervortritt; beiden gemeinschaftlich ist der Zwang der Täuschung, durch welche sie dem Freunde und Lehnsherrn die eigene Geliebte als Braut zuführen. Aber schon seit die ältesten Lieder der Völker den mythischen Darstellungen der Naturvorgänge einen ethischen Sinn unterzulegen und die einzelnen Züge episch zu gruppieren begannen, war die Behandlung beider Sagen eine verschiedene gewesen. ›Während der Dichter des Siegfried‹, sagt Wagner, ›den großen Zusammenhang des ganzen Nibelungen-Mythus vor Allem festhaltend, nur den Untergang des Helden durch die Rache des, mit [161] ihm sich aufopfernden Weibes in das Auge fassen konnte, findet der Dichter des Tristan seinen Hauptstoff in der Darstellung der Liebesqual, welcher die beiden über ihr Verhältnis aufgeklärten Liebenden bis zu ihrem Tode verfallen sind. Hier ist nur breiter und deutlicher gefaßt, was auch dort unverkennbar sich ausspricht: der Tod durch Liebesnot, welche in der einseitig des Verhältnisses sich bewußten Brünnhilde zum Ausdrucke gelangt. Was hier nur mit entscheidender Heftigkeit sich äußern konnte, wird dort zu einem unendlich mannigfaltigen Inhalte. Und hierin lag für mich der Anreiz, diesen Stoff gerade jetzt auszuführen, nämlich als einen Ergänzungsakt des großen, ein ganzes Weltverhältnis umfassenden, Nibelungenmythus.47

Fußnoten

[162] 1 R. Pohl, R. Wagner im Schweizer Exil (Allg. Zeitung 1883, No. 99).


2 Frau Wesendonck bei A. Heintz ›R. Wagner in Zürich, ein Gedenkblatt‹ Allgemeine Musikzeitung 1896, S. 94.


3 Vgl. die schmerzliche Äußerung gegen Liszt, als Antwort auf dessen begeisterte Erwähnung einer Weimarischen ›Lohengrin‹-Aufführung: ›Schönsten Dank auch für den Lohengrin! Das bleibt nun auch nur so ein Schatten für mich; ich weiß eigentlich gar nichts mehr davon: ich kenne ihn nicht. Ihr macht das alles so für Euch ab, und scheint gar nicht recht daran zu denken, daß ich auch gern einmal dabei wäre. Doch ich ehre das geheimnisvolle Schweigen, das über die bedenkliche Frage meiner Zurückkehr von meinen hohen und höchsten Gönnern so gewissenhaft beobachtet wird.‹ (An Liszt II, 164).


4 An Liszt II, 177.


5 ›Ach, wenn im den Liszt noch aus seinen Hof-Illusionen herausbekäme!‹ (An Uhlig, S. 113).


6 Ges. Schr. VI, S. 378.


7 An Liszt II, S. 173/74


8 Ges. Schr. VI, S. 379/80.


9 An Liszt II, S. 165.


10 An Liszt II, S. 175.


11 Ges. Schr. VI, S. 380/81.


12 An Liszt II, S. 174.


13 An Liszt II, S. 177


14 Der Zettel, im Besitze des Eisenacher Wagner-Museums, enthält nichts weiter als diese Einladung: ›Lieber Freund!‹ Devrient (Eduard) ist Mittwoch bei mir. Sei so gut, Mittag um 2 Uhr mit bei mir zu speisen, Dein R. W. Enge, 29. Juni 1857


15 Brieflich an Frau Lina Duncker 4. Juli 1857, in Kellers Leben u. Briefen II, S. 389.


16 Wagner an Liszt II, S. 177.


17 Ebenda S. 175


18 Dies geschieht in einer Nachschrift des Briefes vom 28. Juni, worin er zugleich Liszts vorsorgliche Erkundigung nach seiner veränderten Adresse beantwortet: ›Was meine Adresse betrifft, so kennen die Blinden in »Zürich« meinen Tritt. – Was den Tristan, absolutestes Stillschweigen!!!‹ Briefwechsel Band II, Seite 176.


19 Der frühere Name des von dem Meister bewohnten Hauses in der Enge.


20 Brieflich an den Verfasser 5. Sept. 1878.


21 Brieflich an Frau Ritter, im Anschluß an die Erwähnung des Devrientschen Besuches: ›Dann war noch mein Londoner Gastfreund Präger, ein närrischer, seelensguter Hypochondrist, ein Paar Wochen bei mir. Liszt ist nicht gekommen; auch von den angekündigten Sängern‹ (Tichatschek, Niemann, Frl. Meyer) ›hat sich nichts blicken lassen‹ 8. Okt. 1857.


22 Siehe Chamberlain, ›Echte Briefe an Jr. Präger‹, S. 60 Anm., wo sich außerdem noch das Kuriosum notiert findet: diese Prägersche Behauptung (seiner Urheberschaft an den Gedanken von ›Tristan und Isolde‹) sei, lediglich auf Grund seiner eigenen mündlichen Versicherungen, bereits ein Jahr nach des Meisters Tode, und noch lange vor Erscheinen des P.schen Buches, als ›historisch bekannte Tatsache‹ in der englischen Übersetzung von Wolzogens ›Leitfaden durch die Musik des Tristan‹ (1884) vom Übersetzer Mosely eigens hinzugefügt!


23 Er erzählt z.B., daß diese Sängerin damals auf der Durchreise durch Zürich befindlich gewesen sei, während sie doch den ganzen vorhergehenden Winter in Zürich engagiert und die betreffende Rheingold-Szene ihr und ihren Töchtern noch im Frühjahr eigens durch den Meister einstudiert worden war! Vgl. auch S. 138.


24 Vgl. Band I, Seite 330.


25 Eliza Wille, Erinnerungen S. 87/88


26 Über die Art, wie jener ›Brief über Richard Wagner‹ (resp. ›über den Lohengrin in Weimar‹) tatsächlich ganz wider den Willen des Verfassers an die Öffentlichkeit gelangt war, siehe im Anhang dessen eigene Mitteilungen aus späterer Zeit.


27 Sechs Gesänge (›Abends‹) bei Peters in Leipzig.


28 Er sagte mit stolz bescheidenem Selbstbewußtsein von sich: ›Richard Wagner ist der Mann weiter Würfe; ich verschmähe solche Schleuder und gehe lieber mit dem Spitzhammer auf einen Fleck los.‹ (Procházka, Robert Franz S. 57.)


29 Dr. H. Schuster in den ›Bayr. Blättern‹ 1890, S. 95; Wilh. Waldmann in ›Bom Fels zum Meer‹ 1884, Heft 7; Dr. Arthur Seidl im ›Musik. Wochenbl.‹ 1873, S. 78 u. sonst.


30 Der Wortlaut dieser Einladung ist uns bei Baechold II, S. 400 erhalten: ›Lieber Freund! Robert Franz aus Halle – ein bedeutender Komponist – der Ihnen diesen Gruß von mir überbringt, ist ein großer Verehrer Ihrer Dichtungen und wünscht, Sie kennen zu lernen. Ich schlage Ihnen vor, mich heute Abend zu besuchen – da sind wir hübsch beisammen Ihr Rich. Wagner.‹


31 Vgl. R. Wintzer ›Erinnerungen an Rob. Franz‹ in der ›Neuen Musikzeitung‹ 1892, S. 257. (Zitiert bei Procházka S. 92)


32 Briefwechsel II, S. 172 u. 176 (Liszts Ankündigung und Wagners Antwort darauf).


33 R. Pohl ›Bei Richard Wagner. Im Schweizer Exil‹ (Allg. Zeitung v. 9. April 1883 S. 1434/35.)


34 Daß er sich um die Gelegenheit zu ihrer Kenntnis anhaltend und ernstlich bemüht hatte, ist von uns bereits zuvor beamtet worden, vgl. S. 103.


35 Pohl berührt hiermit selbst seine mehrjährige einseitig musikalische Vorliebe für Berlioz, welche allerdings weder Wagner, noch seine (Pohls) sonstigen aufrichtigen Freunde ›erbaute‹. Sie drohte ihn vielmehr zeitweilig seinen näheren und höheren Aufgaben zu entfremden. Wagner schwieg dazu; Bülow aber erteilte ihm dafür mit völligster Offenheit eigens eine freundliche Lektion. ›Kein Mensch hat es bisher fertig gebracht, für mehr als einen großen Mann auf einmal zu wirken. Unser Geist, unser Herz ist weit umfassend, das ist schön, darauf dürfen wir stolz sein; aber schielen wir nicht, das trübt den Blick und ängstigt das Publikum Wagner und Liszt stehen uns in diesem Augenblicke weit näher‹. (2. Oktober 1861. Vgl. Hans von Bülows Briefe an R. Pohl, ›Neue deutsche Rundschau‹ 1894, S. 582.)


36 Vgl. dazu Wagners Äußerung gegen Liszt, vom 1. Jan. 1858: ›Mir gehts passabel und mein erträgliches Befinden danke ich immer noch Vaillant. Könnte ich dem doch lohnen!‹ (An Liszt II, S. 185.)


37 Vgl. die ihr von Präger zugeschriebene Äußerung nach Anhörung jener Vorführung der Rheintöchter-Szene in Wagners Hause: ›ob denn der Gesang der Rheintöchter wirklich so schön sei? Er käme ihr so ganz fremdartig vor, und sie meine, das möge wohl auch von dem größten Teile des Publikums zu befürchten sein!‹


38 Man vergleiche hierzu: Heinrich von Stein, ›Die Darstellung der Natur in den Werken Richard Wagners‹ in Kürschners ›Wagner-Jahrbuch‹ 1886 (S. 153/156. 159. 160) und H. v. Wolzogen ›Richard Wagner und die Tierwelt, auch eine Biographie‹, Leipzig, 1890.


39 Avocat au barreau und demokratischer Deputierter der Stadt Paris, nachmaliger Minister Napoleons III.


40 Sie fand am 22. Oktober 1857, Liszts 44. Geburtstag, in Florenz statt.


41 Gewiß kannte sie die ehrwürdige Dresdener Freundin; hatte doch Liszt seinerzeit (Sommer 1855), als er seine Töchter von Paris nach Deutschland überzusiedeln gedachte, zu allererst an das Haus von Frau Julie Ritter als an dasjenige Heim gedacht' worin er sie am liebsten aufgenommen gesehen haben würde, und erst, als dies sich als unmöglich herausstellte, in zweiter Linie sich an Iran von Bülow gewendet.


42 Bülows Briefe an Pohl a. a. O. S. 464.465


43 Ludmilla Assing, die soeben als Trauzeugin der Vermählung des Paares in Berlin assistiert und die Frische und Liebenswürdigkeit der jungen Frau gegen Keller gerühmt hatte: ›Cosima spielt‹, heißt es in diesem Briefe, ›meiner Empfindung nach, noch schöner als Herr von Bülow‹.


44 Abgedruckt nach dem Tode des Dichters in Georg Herwegh ›Neue Gedichte‹ auf S. 265 unter der Aufschrift: ›An C(osima) ins Album. September 1857.‹


45 Brieflich an Frau Ritter 8. Okt. 1857.


46 ›Eine solche Variation trat mir mit entzückender Unverkennbarkeit in dem Verhältnisse Tristans zu Isolde, zusammengehalten mit dem Siegfrieds zu Brünnhilde, entgegen. Wie in den Sprachen durch Lautverschiebung aus demselben Worte zwei oft ganz verschieden dünkende Worte sich bilden, so waren auch, durch eine ähnliche Verschiebung oder Umstellung der Zeitmotive, aus diesem einen mythischen Verhältnis zwei anscheinend verschiedene Verhältnisse entstanden.‹ (Ges. Schr. VI, S. 378/79.)


47 Ges. Schr. VI, S. 379.

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 3, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 144-163.
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