VI.

Leipzig.

[106] Wohnung im ›Pichhof‹. – Luisens Erfolge als Schauspielerin. – Sie wird Braut von Friedrich Brockhaus. – Onkel Adolf und Tante Sophie. – Die Nikolaischule. – Beethovens Symphonien und ›Egmont‹-Musik. – Richard will Musiker werden. – Verkehr mit Adolf Wagner. – Eindrücke aus Hoffmanns Schriften. – Erster Unterricht in der Harmonielehre.


In den Leipziger Gewandhauskonzerten lernte ich zuerst Beethovensche Musik kennen, ihr Eindruck auf mich war allgewaltig.

Richard Wagner.


Denn wie, nach dem Mythus, Kinder die wiedergeborene Unschuld der Eltern sind, und darum ein Segen, so müssen alle und jeder in immer engere Bahnen der ewigen Liebe zustreben und das Wort zu finden trachten zu diesem sphingischen Lebens- und Welträtsel.

Adolf Wagner.


Richard traf die Seinigen, bei seiner Ankunft in Leipzig, in einer anziehenden, mit weiblicher Sorgfalt behaglich und heimisch eingerichteten Niederlassung in einem kleinen, jetzt abgetragenen Hause des ehemaligen Wintergartens: dem ›Pichhof‹ vor dem Hallischen Tor. Der Weg durchs Hallische Tor in die innere Stadt durchkreuzte den Brühl, und er hatte demnach bald Veranlassung, im Vorübergehen sein Geburtshaus aufzusuchen und wiederzusehen. Es blieb ihm von Eindruck, diesen Stadtteil von jenen walachischmoldauisch-polnischen Juden bevölkert zu finden, welche hier zu jeder Michaelis- und Ostermesse ihr ›Jerusalem‹ etablierten und vorherrschend mit Pelzwerk Handel trieben. Diese Leute mit den langen Pelzröcken und hohen Pelzmützen, ihren fremdartigen Gesichtern, langen Bärten und seitlich herabhängenden Locken, ihrem aus verdorbenem Deutsch und Hebräisch gemischten Idiom, berührten ihn zugleich lächerlich und unheimlich, wie Hoffmannsche Spukgestalten; ihre heftigen Gestikulationen ließen sie ihm wie galvanisierte Leichen erscheinen. Das alte Rannstädter Tor – großväterlichen Angedenkens – stand noch, doch waren seine Tage gezählt; die früher erhobene Einlaßbesteuerung der ›General-Akzise‹ war seit einigen Jahren abgeschafft, und infolge neuerer Verschönerungsprojekte seine Niederreißung beschlossen: statt dessen sollte durch [107] Ausfüllung des Stadtgrabens eine Esplanade vom Theater bis zum Zwinger gewonnen werden. Unweit des Pichhofs befand sich auch der Wageplatz mit dem städtischen Wagegebäude, in dessen oberem Stock Sparkasse und – Leihhaus, letzteres einmal durch einen Freund mit den humoristisch improvisierten Versen besungen:


Kennst du das Haus? auf Säulen ruht sein Dach,

Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,

Und Oberröcke sehn mich fragend an:

›Warum hast mich hierher getan?‹


Der in Leipzig ansässige Teil der Familie bestand um diese Zeit, außer der Mutter und Luise, nur noch aus den beiden jüngeren Schwestern, der sechzehnjährigen Ottilie und der zwölfjährigen Cäcilie, zwischen welchen Richard dem Alter nach genau die Mitte hielt. Luise, zweiundzwanzigjährig, zu ungewöhnlicher Anmut herangereift, war in der kurzen Zeit ihrer Leipziger Stellung eine der beliebtesten Erscheinungen der dortigen Bühne geworden. Als ›Preziosa‹ war sie öffentlich in Gedichten gefeiert. Goethes ›Laune des Verliebten‹ gefiel vorzüglich durch ihr reizendes Spiel (neben Frau Devrient, geb. Böhler, als Egle) und gelangte zu mehrfachen Wiederholungen. Ihrer ›Silvana‹ erinnerte sich Wagner noch in späteren Jahren. Die neueinstudierte Aufführung von Webers Jugendwerk (12. Dezember 1827) war bei jeder Wiederholung ein Triumph der holden Darstellerin des Waldmädchens, und ›Silvana‹ wurde hauptsächlich durch ihre Mitwirkung ein Zug- und Kassenstück. Die gleichzeitigen Theaterberichte wissen davon zu melden. ›Dem. Wagner, welche die Silvana mit allem Zauber der Naivität und Lieblichkeit gab, wurde donnernd gerufen; dieselbe Auszeichnung wurde ihr bei der zweiten Aufführung zu teil‹.1 ›Silvana wurde seither mehrere Male wiederholt; Dem. Wagner ist in der Hauptrolle wunderreizend. Es erregt allgemeines Bedauern, daß diese talentvolle, liebenswürdige und bescheidene Künstlerin durch ein glücklicheres Los der Kunst bald entführt werden soll. Hat sie auch in letzter Zeit mit manchen Anfeindungen und Komödianten-Ränken neidisch Gesinnter zu tun gehabt, so würde sich doch dies alles bald gelegt haben; denn das wahre Verdienst dringt früher oder später, und dann um so glänzender, durch usw.‹2 Welche Bewandtnis es mit den im Vorstehenden öffentlich berührten, Anfeindungen und Komödianten-Ränken gehabt habe, entzieht sich unserer heutigen Beurteilung; mit dem ›glücklichen Lose‹ aber hatte es seine Richtigkeit. Luise war bald nach ihrer Übersiedelung nach Leipzig die Braut des strebsamen jungen Buchhändlers Friedrich Brockhaus geworden, zur Genugtuung Onkel Adolf Wagners: er hatte ihr, als seinem besonderen Liebling, schon vor Jahren statt aller Theatererfolge lieber bald ›einen vernünftigen [108] Mann‹ gewünscht, und es mußte ihn doppelt erfreuen, daß dies nun gerade der Sohn seines alten Freundes war.

Aber auch der Onkel selbst hatte für seine eigene Person, noch als Fünfziger, sein Junggesellenleben im Thomäschen Hause aufgegeben und, nachdem er sich am Nachmittag des 18. Oktober 1824 mit der schönen und geistreichen Schwester seines Freundes Amadeus Wendt hatte trauen lassen, fern vom Geräusche der Stadt, im ›Hut‹ vor dem Peterstor seine eigene Häuslichkeit begründet.3 Da die Ehe kinderlos war, änderte sich in seinen äußeren Lebensgewohnheiten wenig, nur verbreitete sich über sein Dasein ein neues Behagen. Die Tante Sophie war ›sanft, verträglich und anspruchslos‹, dabei für sein Wohl, wie für seine Bequemlichkeit zärtlichst und eifrig besorgt. Sie ehrte ihres Gatten frühere brüderliche und freundschaftliche Beziehungen, und der Onkel dankte ihr dies, da er letztere in einer Reihe von Jahren seinem Leben als so eingewachsen empfand, daß er sie über und neben den neuen nicht vermissen mochte. So machte er seine regelmäßigen Spaziergänge in das Thomäsche Haus, um nach dem Befinden seiner früheren Hausgenossinnen zu sehen, und verkehrte gern mit den Kindern des Bruders. ›Ich bin noch der Alte‹, schreibt er um diese Zeit an Albert, ›frei, mein, nur etwa, soviel nötig, meiner Sophie eigen; sinne, denke, wie ich die Welt meinem Geiste aneigne, und sie, soweit sie sich mir beut, zu meinem Organe mache‹. Die Eheleute durch die Bank sind doch kritische Bearbeiter des Buches der Liebe, dessen erste Ausgabe immer ein Anekdoton bleibt, indes die Bearbeiter mit überlieferten Bruchstücken desselben wie Kinder mit Weihnachtsgoldbogen umherlaufen, und die ›Frauen zumal die Erinnerung daran für Unart der Männer halten, die jedoch damit nur auf einen tiefer liegenden Schatz hindeuten, der zu heben wäre, wenn nur die Beschwörung dabei nicht so schwierig wäre. Indes tut, wie billig, jeder Teil das Seine‹. Zu den Häusern, in denen er gern seine Mußestunden verbrachte, gehörten die Familien Quandt, Träger und Lacarrière. Hier wurden gemeinschaftliche Lesungen, besonders Shakespeares, veranstaltet, bei denen Adolf Wagner als Vorleser gern sich hören ließ, andererseits auch Vortragskünstler von Beruf, wie der Deklamator Solbrig, zuweilen mitwirkten. Zusammenkünfte dieser Art wollte er nicht als ›flaches Ästhetisieren‹ betrachtet wissen; vielmehr sollten sie dazu dienen, den Mittelpunkt einer edleren Geselligkeit zu bilden und ›gleich Wohlgerüchen, böse Dünste zu vertreiben‹.4 Gegen eintretendes Versagen der Körperkräfte und Gesundheitsstörungen infolge anhaltend angestrengter Arbeit half er sich durch – zeitlebens von ihm [109] gepflegte und bis in sein sechzigstes Lebensjahr fortgesetzte – ausgedehnte Spaziergänge. Er fand diese Diät vortrefflich, besser als ›hypochondrisches Medizinieren‹ und die ›von den Quacksalbern und Küchenjungen der Natur erfundenen Bäder‹.

Daheim aber beschäftigten ihn Studien und Arbeiten, die ihn eben jetzt wieder ganz in seine geistige Heimat, die Welt des alten Italien, sich versenken ließen: die Herausgabe der großen italienischen Dichter in seinem ›Parnasso italiano‹, einem Werke des gründlichsten Fleißes und echt deutscher Gelehrsamkeit. Diese Arbeit gab recht eigentlich das Mark der bisherigen kritischen Bearbeitungen der vier klassischen Dichter Italiens (Dante, Petrarca, Ariosto und Tasso), wie sie bis dahin den Italienern mehr oder weniger fremd geblieben waren. An der Spitze des Werkes steht eine in italienischen Terzinen verfaßte Dedikation an Goethe als principe dei poeti: im Geiste zum Garten der Poesie erhoben, erscheinen ihm die vier großen Italiener, in seine Begeisterung für Goethe einstimmend, in dessen Werken sie Züge ihres Geistes wiedererkennen, und ihn ermunternd, diese neue Sammlung ihrer Werke dem deutschen Dichter zu weihen. In der Herstellung des Dante-Textes war der Herausgeber bestrebt gewesen, überall die echten und ältesten Formen der Sprache des Dichters wiederherzustellen, und sie soviel als möglich von den durch die Crusca aufgedrungenen, eleganteren toskanischen Formen, als von einem, den edlen Rost des Altertums entstellenden, Firniß zu reinigen. In dieser, die ganze Ausgabe durchdringenden Arbeit, welche die eingehendste Kenntnis der Sprache und der Grundsätze des Versbaues voraussetzt, beruht ihr eigentümlicher Wert.5 Zu den mancherlei Verleidungen während und nach der Vollendung seiner großen Arbeit gehörte der Umstand, daß er nicht alles geben konnte, was er wollte: so mußten die in der Einleitung verheißenen Indices und bibliographischen Nachweisungen dem merkantilischen Interesse aufgeopfert werden, das Werk nicht umfangreicher und kostspieliger zu machen. Dazu kam der ungünstige Umstand, daß eben um die gleiche Zeit in Italien ein ganz ähnliches Werk, dieselben Dichter umfassend, und sogar unter fast dem gleichen Titel erschien.6 Ein falscher Patriotismus, verbunden mit dem Unwillen darüber, daß hier ein Deutscher es wage, ihre Dichter gründlicher zu verstehen als sie selbst, fand von seiten italienischer Gelehrten ein leichtes Spiel, sich in dem Tadel gegen den italienischen Stil jenes anmaßenden Deutschen Luft zu machen, über dieser Aussetzung aber dem höchst verdienstlichen kritischen Wert der deutschen Ausgabe zu verkennen. Für solche Erfahrungen ward Adolf Wagner durch das wohlwollende Interesse Goethes an seinem [110] Werke reichlich entschädigt; ebenfalls geschah es in Anlaß dieser hochbedeutenden Arbeit, daß die Universität Marburg, bei der Feier ihres dreihundertjährigen Bestehens im Juli 1827, sein Verdienst durch seine Ernennung zum ›Doktor der Philosophie und Magister der freien Künste‹ erkannte. In diese Zeit fallen nun auch die ersten engeren Beziehungen zwischen dem Onkel Adolf und dem (Ende 1827) nach Leipzig übergesiedelten Richard, und des Oheims ehrwürdige Erscheinung machte auf den empfänglichen Sinn des heranreifenden Jünglings einen bleibenden Eindruck.

Es war für den jungen Richard Wagner eine Zeit gewaltiger innerer Gährung; die begeisterte Lust zu philologischen Studien, die ihn auf der Dresdener Kreuzschule erfüllt hatte, drohte in Leipzig unter einer ›tödlich falschen Zucht‹ zu erlahmen. Von den beiden Leipziger Gelehrtenschulen, der Nikolai-Schule und der ehrwürdigen Thomana befand sich die letztere, auf welcher Vater und Onkel dereinst ihre Erziehung und Bildung erhalten hatten, soeben in einem Übergangszustand: das alte Schulgebäude wurde von der höchsten Spitze bis zur untersten Schwelle einem zeitgemäßen Umbau unterzogen; Richard wurde demnach dem Nikolai-Gymnasium übergeben. ›Wie es meinen Lehrern an der Nikolaischule möglich wurde, jene Anlagen und Neigungen gänzlich in mir auszurotten, ist mir wohl erinnerlich und aus dem Gebahren jener Herren erklärlich‹, sagt Wagner in jenem, bereits zitierten späteren Rückblick auf seine Dresdener und Leipziger Schulerfahrungen. Und in der autobiographischen Skizze von 1842 heißt es: ›Auf der Nikolaischule setzte man mich nach Tertia, nachdem ich auf der Kreuzschule in Sekunda gesessen; schon dieser Umstand erbitterte mich so sehr, daß ich von da ab alle Liebe zu den philologischen Studien fahren ließ. Ich ward faul und liederlich, bloß mein großes Trauerspiel lag mir noch am Herzen‹. Um diese Zeit trat ihm neben die Gestalt des einen, im tiefsten Innern verehrten Halbgottes Shakespeare noch eine zweite, gleich mächtige, von deren Dasein er bis dahin nur eine ganz unbestimmte Vorstellung gehabt hatte. Im Umgang mit dem Onkel Adolf war ihm, über alle bisherige, knabenhafte Schwärmerei hinweg, die Erscheinung des großen Dichters als schöpferische Persönlichkeit noch näher getreten, bis zur Sichtbarkeit und Handgreiflichkeit. ›Ich entsinne mich‹, so erzählt er selbst in späterer Zeit,7 ›aus meinen ersten Jünglingsjahren eines Traumes, wo ich träumte, Shakespeare lebte und ich sähe ihn und spräche mit ihm, wirklich, leibhaftig. Der Eindruck ist mir unvergeßlich, und ging in die Sehnsucht über – Beethoven zu sehen, der doch auch schon tot war.‹ Mit diesen Worten ist der große Übergang bezeichnet, der sich in dem erregten Innern des jugendlichen Genius durch eine neue, ungeahnte Bekanntschaft vollzog.

[111] Während er nämlich sein großes Trauerspiel vollendete, empfing er den seine ganze kommende Entwicklung bestimmenden, gewaltigen künstlerischen Eindruck. Er hörte in den Gewandhaus-Konzerten Beethovensche Musik. – Von Beethoven hatte er zuerst erfahren, als man ihm auch von dem Tode des Meisters erzählte: dann erst lernte er auch seine Musik kennen, gleichsam angezogen von der rätselhaften Nachricht seines Sterbens. Die Symphonien Beethovens wurden in den alten Gewandhaus-Konzerten nebst den anderen Hauptwerken der klassischen Instrumentalmusik ohne eigentlichen Dirigenten, unter dem Vorspiel des Konzertmeisters Matthäi († Nov. 1835), alle Winter regelmäßig durchgespielt. Eine neue Welt ging bei ihrer Anhörung dem staunenden jungen Hörer auf; eine entzückende Offenbarung des Unsäglichen sprach zu seinem mächtig erregten Innern. Die entscheidende Einwirkung dieser Bekanntschaft spiegelt sich in der Novelle ›eine Pilgerfahrt zu Beethoven‹ ab. Wagner läßt deren Helden von seiner Jugend erzählen: ›Ich weiß nicht, wozu man mich eigentlich bestimmt hatte; nur entsinne ich mich, daß ich eines Abends eine Beethovensche Symphonie aufführen hörte, daß ich darauf Fieber bekam, krank wurde und, als ich wieder genesen, Musiker geworden war. Aus diesem Umstande mag es wohl kommen, daß, wenn ich mit der Zeit auch wohl andere schöne Musik kennen lernte, ich doch Beethoven vor allem liebte, verehrte und anbetete‹. Der Zustand in seinem eigenen Innern gelangt in dieser Darstellung deutlich zum Ausdruck. Auch mit Mozart erhielt er, zumal durch eine Anhörung seines ›Requiem‹, Anlaß zu inniger Befreundung; doch kehrte er stets wieder zu den unerschöpflichen Schätzen Beethovens zurück, und diese waren es, die ihn nunmehr mit klarem Bewußtsein leidenschaftlich zur Musik bestimmten.

Zu den Eindrücken der Gewandhaus-Konzerte kam die Bekanntschaft mit Beethovens, ›Egmont‹-Musik. Mit einem Schlage ward es ihm klar, daß er um alles in der Welt sein fertig gewordenes Trauerspiel nicht anders von Stapel lassen könne, als mit einer ähnlichen Musik versehen. Die Fähigkeit, diese so nötige Musik selbst zu schreiben, traute er sich ohne jedes Bedenken zu. Er sah wohl ein, daß es gut sein dürfte, sich zuvor über einige Hauptregeln des Generalbasses aufzuklären; doch erschien ihm diese Notwendigkeit nicht als Hindernis, sondern als Sporn. Auf acht Tage lieh er sich Logiers ›Methode des Generalbasses‹, und studierte mit Eifer darin. Das neu ergriffene Studium trug nicht so schnelle Früchte, als er erwartet hatte, doch konnte ihn dies nicht abschrecken: die Schwierigkeiten reizten und fesselten ihn. Wie er einst – kurz und gut – sich zum Dichter bestimmt hatte, so beschloß er jetzt, Musiker zu werden. Inzwischen war sein großes Trauerspiel von seiner Familie entdeckt worden, und die Mutter, wie die Angehörigen, darüber in große Betrübnis geraten. Es lag am Tage, daß er über seinen dichterischen Plänen seine Schularbeiten auf das Gründlichste vernachlässigt hatte; [112] er ward mit aller Strenge zu fleißiger Fortsetzung seiner vorgeschriebenen Studien angehalten. Was blieb ihm unter solchen Umständen zu tun übrig, als das heimliche Erkenntnis seines Berufes zur Musik so lange zu verschweigen, bis er deutlichere Beweise für seine Befähigung zu dem erwählten Berufe aufweisen könne? Wenn er dann mit seinen musikalischen Privatstudien sich hinlänglich herangereift fühlen würde, wollte er mit dessen Entdeckung hervortreten. In aller Stille komponierte er einstweilen – eine Sonate, ein Quartett und eine Arie.

In diese Zeit der gährenden Zweifel fallen seine eben erwähnten, ersten engeren Beziehungen zu dem Onkel Adolf, dessen anregende Erscheinung, mit seiner vielseitigen Kenntnis und Gelehrsamkeit, seiner weitumfassenden Weltansicht, seiner lebens- und schwungvollen Art zu sprechen und zu rezitieren, seiner humorvollen Ironie, seinem ausdrucksvoll edel gebildeten Antlitz, das trotz der verkümmernden Einflüsse von Krankheit und Resignation noch die Spuren ehemaliger Schönheit verriet, mitten in all jene neuen Eindrücke und Lebenserfahrungen hereinragte. Was Wunder, daß hier feurige Jugend und ein noch lebenerfülltes Alter sich wechselseitig anzogen und doch wieder ihrer Verschiedenheit bewußt wurden? Richards leidenschaftliche Neigung für die Musik bereitete ihm gegen die Seinigen harte Kämpfe; oft mußte es ihm dünken, als würde er hierin von dem Oheim besser verstanden. Und dann dessen Kenntnis und Wertschätzung der großen Dichter aller Zeitalter und Nationen; seine lebhafte Teilnahme für die Angelegenheiten des Theaters, so wenig er mit dessen, heutiger Entstellung und Verbildung einverstanden war; seine gleichzeitige Hochschätzung Tiecks und Webers, die einander in Dresden mehr nur als Gegner gegenüber gestanden (S. 96). Und die freie und sichere Art, mit der er sich über etwaige eigene literarische Gegner hinwegzusetzen wußte! Um eben diese Zeit hatte Adolf Wagner seine Schrift über ›Theater und Publikum‹ veröffentlicht. Sie war in Anlaß der unwürdigen Theatervorfälle entstanden, die sich bei Gelegenheit der Aufführung von Calderons ›Dame Kobold‹ am Dresdener Hoftheater abspielten. Die Zuhörerschaft hatte das vermeintlich ihr aufgedrängte Stück des spanischen Dichters mit Mißfallen aufgenommen, und eine Wiederholung beim ersten Auftreten der Schauspieler durch gewaltsames Toben und Pochen unmöglich gemacht. Dieser Art von ›Majestät des Publikums‹ war der Onkel in seiner Abhandlung entgegen getreten; die gleichen Stimmen, die sich zuvor gegen die Anmaßung Tiecks, das Publikum ›erziehen‹ zu wollen, erhoben hatten, vereinigten sich nun gegen ihn, der die Partei des Angegriffenen genommen. Man zieh ihn des Geschmacks-Absolutismus: ›mit der Fahne, auf die er den Namen Goethes geschrieben, in der hocherhobenen Hand, und das Feldgeschrei: Tieck! auf den Lippen, ziehe er gegen den rebellischen Geschmack des Publikums in einen Windmühlenkampf; sich erdreistend, den Direktionen den Weg zeigen zu [113] wollen, auf dem sie die deutsche Bühne aus ihrer verstockten »Verrottung« erheben sollten‹ (Leipziger Literaturzeitung vom 12. Juni 1827). Ähnlich und noch ungezügelter lauten die Angriffe in der ›Mitternachtszeitung‹. Hierauf schwieg nun der also Geschmähte, und ließ die Heftigkeit sich durch sich selbst vernichten. ›Viel Feinde habe ich nicht, Gegner aber doch glücklicher Weise so viele, als zu meiner eigenen Entwickelung und Reise nötig sein mögen‹, sagte er bei ähnlichen Anlässen. In anderen Fällen hielt er es jedoch seiner nicht für unwert, sich ›mit jener Komödiantenmanier eine kleine Bewegung zu machen‹. Aber ›der Hans Hagel sei überall entsetzlich dumm‹. ›Beinahe kann man einen jetzt keinen Esel nennen, ohne sich vorwerfen zu lassen, man stichle doch gar zu sein. Und um solches Gesindels Beifall können jene Schächer noch buhlen? Verhüte Gott, daß dir je so etwas in den Sinn komme!‹ An Weber achtete er die Tiefe und Vielseitigkeit seiner Bildung: ›Bedenke, wie wissenschaftlich gebildet Karl Maria v. Weber war, und daß Virtuosität gar zu oft den Fluch der Einseitigkeit trägt. Auch die Kunst ist, wie alles was der Geist ausgebiert, eine unendliche Welt, die aus dem Ganzen und Großen betrieben sein will!‹ – Für die geschichtlichen Weltverhältnisse besaß er einen weiten Blick, und verleugnete sich nicht das hohe Alter unserer Zivilisation: ›unser Weltteil ist eine überreife Frucht, welche ein Sturm abschütteln wird: nach Amerika geht der Zug der Geschichte‹. Äußerungen dieser Art sind seinen Briefen entnommen; lebhafter, ausführlicher wird seine mündliche Beredsamkeit sie seinem jugendlich feurigen Zuhörer vorgetragen haben.

Zu diesen persönlichen Anregungen im Verkehr mit dem Onkel kam die Beschäftigung mit einem Schriftsteller, der ihm schon während seines letzten Dresdener Aufenthaltes nahe getreten war und seine erregte Einbildungskraft in anderer Richtung bestärkte. Es waren die – erst kürzlich durch Ed. Hitzig gesammelten – Schriften E. T. A. Hoffmanns: aus ihnen wehte dem jungen Beethoven-Enthusiasten eine der seinigen verwandte Auffassung der Musik entgegen, wie sie ihm schon in jenen frühesten Jahren durch die geheimnisvollen Eindrücke des ›Frei schütz‹, dann aber mit einem Schlage durch die erste Anhörung Beethovenscher Tonwerke sich erschlossen hatte. Nährte sich diese seine Begeisterung für die Musik schon damals aus keinerlei äußerer Klangbefriedigung, sondern aus der erfolgten Berührung mit ihrem innersten Lebensquell, dem zauberhaften Reich jener Traumwelt, aus welcher heraus uns der Musiker ›mit dem Wundertropfen seiner Klänge besprengt, um unser Wahrnehmungsvermögen für jede andere Wahrnehmung, als die der inneren Natur der Dinge außer Kraft zu setzen‹; hatte er zum ersten Male in unbeschränkter Fülle jene Sprache der Instrumentalmusik vernommen, durch welche sie uns ›einen der logischen Vernunft unzugänglichen Zusammenhang der Phänomene der Welt aufdeckt, mit so überwältigender Überzeugung, daß sie uns in dieser offenbarenden Allgewalt mächtiger als alle Philosophie und [114] Logik dünken muß‹: so fand er für sein eigenes Gefühl von der Sache in so mancher tiefsinnigen Äußerung Hoffmanns die sonst vergeblich gesuchte Bestätigung Wirklich ist das, was in den exzentrisch genialen Improvisationen des wahnsinnigen Kreisler, oder in den enthusiastischen Unterredungen der Serapionsbrüder, als Hoffmannsche ›Ästhetik‹ uns entgegentritt, in den wesentlichen Punkten die bestimmte Vorausnahme derjenigen Einsichten in das Wesen der Tonkunst, durch deren systematische Darlegung und Einreihung in seine gesamte philosophische Weltanschauung erst Schopenhauer die lang angesammelte Schuld der theoretischen Erkenntnis an die Musik abgetragen hat. Dazu kam nun die Wirkung des märchenhaft lebendigen Zauberspieles der Hoffmannschen Erzählungen, die ihm so unvergleichlich eigene Mischung des grauenhaft Unheimlichen und des ironisch Skurrilen, die Anknüpfung des mystisch Geheimnisvollen an die unmittelbare Wirklichkeit gegebener wohlbekannter Lokalitäten (z. B. Dresdens); die Fülle seiner Gestalten, von dem geheimnisvollen Rat Krespel bis zum Kapellmeister Kreisler, vom Studenten Anselmus bis zum Archivarius Lindhorst, sie prägten sich der Phantasie seines jugendlichen Lesers so unwiderstehlich ein, daß sie dem erwachsenen Meister bis in späteste Zeiten stets gegenwärtig blieben, und jederzeit gern von ihm durch erneute Lektüre als verkörperte Jugenderinnerungen aufgefrischt wurden.8 Für jetzt rief der Umgang mit dem phantastischen Autor nach seinen eigenen Worten den ›tollsten Mystizismus‹ in seinem Kopfe hervor. Seiner jugendlich erhitzten Vorstellung zeigten sich die Tonverhältnisse und -Bewegungen wie gespenstisch-lebendige Wesen an, die sich in den aufregendsten Phantasmagorien ganz persönlich fühlbar machten.9 Am Tage, in halbwachen Träumen, hatte er Visionen: Grundton, Terz und Quinte erschienen ihm leibhaft und offenbarten ihm ihre wichtige Bedeutung; was er in diesem Sinne aufschrieb, ›starrte von Unsinn‹. Nie ließ ihn jedoch bei seinem Studium der Musik der dichterische Nachahmungstrieb ganz los; er ordnete sich jedoch um diese Zeit dem musikalischen unter, zu dessen Befriedigung er ihn nur herbeizog. So machte er sich, angeregt durch die Pastoral-Symphonie, an ein Schäferspiel, das in seiner dramatischen [115] Beziehung wiederum durch Goethes ›Laune des Verliebten‹ angeregt war. Hier machte er gar keinen dichterischen Entwurf, schrieb Musik und Verse zugleich, und ließ die Situationen ganz aus dem Musik- und Versemachen entstehen.

Um diese Zeit mochte ihm zuerst aus den Schriften Hoffmanns das dichterische Moment des ›Sängerkrieges auf der Wartburg‹ entgegengetreten sein; auch die Tiecksche Erzählung vom Tannhäuser fiel ihm früh in die Hände, ohne einen tieferen Eindruck auf ihn zu machen. Nur die Erinnerung an diese erste Bekanntschaft war ihm verblieben, als er in späterer Zeit beide wieder durchlas und es sich zum Bewußtsein brachte, weshalb die durchaus moderne, romantisch zerfließende Dichtung Tiecks ihn zu keiner Teilnahme bestimmen konnte. Doch blieben vielleicht aus beiden gewisse einzelne Bilder schon früh in seiner Einbildung haften. So mag das in der Einleitung der Hoffmannschen Erzählung enthaltene Traumgesicht des Dichters zur Entstehung des Schlußbildes des ersten Tannhäuser-Aktes eine früheste Anregung gewährt, oder wiederum der ganz episodische Zug bei Tieck, das letzte Erscheinen Tannhäusers, bleich, abgezehrt, in zerrissenen Wallfahrtskleidern, zu der gewaltigen Szene der Pilgererzählung im dritten Akte der jugendlichen Seele unbewußt den ersten Keim eingepflanzt haben, durch welchen der späteren künstlerischen Konzeption der Boden bereitet war. Doch bleibt es gewagt, für solche innerste Vorgänge in den Tiefen des werdenden Dichtergeistes Vermutungen aufzustellen, zu denen in den eigenen Erinnerungen des Meisters ein bestimmter Anhaltspunkt nicht geboten ist.

Wohl war seine ausgesprochene Neigung zur Musik im Familienkreise zu erneuter Beratung gelangt, immer aber unter der besorgten Voraussetzung, es handele sich dabei nur um eine vorübergehende Leidenschaft, da sie durch keinerlei Vorstudien, insbesondere durch keine bereits erlangte Fertigkeit auf irgend einem Instrumente gerechtfertigt erschien. So kam es denn vorübergehend dazu, daß er bei dem jungen Leipziger Musiker Robert Sipp, Mitglied des Theater- und Gewandhaus-Orchesters, Violinunterricht erhielt.10 Aber es ging ihm auch mit diesem Instrumente nicht anders, als seinerzeit mit dem Klavier; er ließ es nach einigen Monaten wieder liegen. Für ihn bedeutete ein Studium der Musik eben nicht die virtuose Beherrschung irgend eines [116] einzelnen Instrumentes, sondern etwas ganz anderes: die Geheimnisse der Kompositionslehre, der Harmonie und des Kontrapunktes, die er zuerst durch die Logiersche Methode des Generalbasses zu ergründen versucht hatte. Endlich wurde ihm auch auf diesem Gebiete der Unterricht eines tüchtigen Musikers, Gottlieb Müllers, späteren Organisten in Altenburg, zu teil. Der arme Mann hatte mit seinem Schüler große Not. ›Er mußte mir erklären, daß, was ich für seltsame Gestalten und Gewalten hielt, Intervalle und Akkorde seien.‹ Im übrigen bezeichnete Wagner selbst wenige Jahre später11 seine Unterrichtsstunden bei Herrn Müller als eine ganze Kette von niederdrückenden Beweisen einer fast pedantisch strengen ›Offenherzigkeit‹. Er sei damals ›gegen die verletzendsten und abschreckendsten Angriffe seines jugendlichen Strebens abgehärtet worden‹. Dabei schien ihm die ganze Theorie mehr darauf eingerichtet, zu lehren, was man nicht tun dürfe, als Rat zu geben, was man eigentlich tun solle. Die erlernten Regeln standen ihm wie Wegweiser mit der Aufschrift: ›verbotener Weg‹ vor den Augen; wohin er immer wollte, wurde ihm, gleich Tamino, oder gleich dem Helden seines eigenen Trauerspieles, ein ›Zurück‹ entgegengerufen. Was konnte für die Mutter betrübender sein, als zu erfahren, daß Richard sich auch in diesem Studium als nachlässig und unordentlich erwies? Sein Lehrer schüttelte den Kopf, und es kam so heraus, als würde auch hier nichts Gescheidtes aus ihm werden.

Er selbst wußte es besser, nur konnte er es den anderen ›nicht sagen‹. In all seinem dunklen Drange leuchtete ihm in seinem Innern ein heller Leitstern, dem seine heißeste Jünglingssehnsucht geweiht war, dem er inniger vertraute, der ihm heller strahlte, als alle Nebelflecken der Theorie. Beethoven hieß dieser Stern, und hier in den schlichten Gewandhauskonzerten war er ihm aufgegangen. In mystischer Schwärmerei durchwachte er, wie er selbst nachmals erzählt, seine Nächte über dem Studium und der Abschrift dieser geheimnisvollen Partituren, bei flackerndem Lampenschein, in glutvoller Versenkung, im wachen Fiebertraum, über das vor ihm aufgeschlagene Zauberbuch gebeugt, die Seele erfüllt von dem tönenden Leben jener Zeichen und Runen, wie er sie dort durch die Hand des Meisters auf das bleiche Papier gebannt fand. ›Ist es doch‹, um mit seinem damaligen Lieblingsschriftsteller Hoffmann zu reden ›nicht zu leugnen, daß der Genuß eines Meisterwerkes, das man mit vollem Orchester gehört, im einsamen Zimmer die Phantasie oft wie damals aufregt und das Gemüt in dieselbe Stimmung versetzt.‹ Hier aber war noch mehr. Über die schwächlichen Reproduktionen des Gewandhausorchesters hinaus, berührte ihn bei diesem Anblick der unmittelbare Flammenhauch des verwandten Genius und belebte ihm die nachschaffende Phantasie [117] den schattenhaften Umriß des großen Gemäldes mit den glühenden Farben des Originals ›Hatte noch vor wenigen Jahren das rührende Bild der geisterhaft kränklichen Persönlichkeit Webers, in geheimnisvoller Verbindung mit der lebensvollen Wirkung seines Werkes vom Theater herab, in dem staunenden Knaben einen unvergeßlich tief ergreifenden Eindruck hinterlassen, so gelangte doch erst durch Beethovens Symphonien der Jüngling zu einer neuen gewaltigen Offenbarung: nun erst erschien ihm die Musik vollends als eine ganz dämonische Macht, der man nicht mit dem Maße äußerer Form beikommen könne.‹12 ›Ich kannte keine Lust mehr, als mich so ganz in die Tiefe dieses Genius zu versenken‹, läßt er in der Folge seinen ›deutschen Musiker in Paris‹ von sich erzählen ›bis ich mir einbildete, ein Teil desselben geworden zu sein, und als dieser kleinste Teil fing ich an, mich selbst zu achten, höhere Begriffe und Ansichten zu bekommen, kurz das zu werden, was die Gescheidten gewöhnlich einen Narren nennen.‹ Das übergewaltig andrängende Dämonium der Musik hatte ihn zum Musiker gemacht; es erregte in ihm, nach jenem ersten, noch unbewußten Empfängnis der Knabenzeit, eine leidenschaftlich bewußte Hingabe an die Musik, die bis dahin in ihm mit dem Sinn für die Poesie um die Herrschaft gestritten.

Fußnoten

1 Korrespondenz der Abendzeitung, vom 23. Dezember 1827.


2 Ebda., 26. Jan. 1828.


3 Christiane Sophie Wendt war am 1. April 1792 zu Leipzig geboren, und somit achtzehn Jahre jünger als Adolf Wagner, den sie lange überlebte († 10. Nov. 1860). Nach Adolf Wagners Tode ist sie auch als Schriftstellerin aufgetreten, unter dem Namen Adolfine. (Lotosblätter, drei Novellen, 1835. Ideal und Wirklichkeit, Roman 1838. Märchen und Erzählungen, 1844. Neue Märchen und Erzählungen, 1846).


4 Adolf Wagner (brieflich).


5 ›Nur wer sich selbst jahrelang mit Dante beschäftigt, weiß die ungeheuere Masse des darin verarbeiteten Materials und die darauf verwendete Mühe des Herausgebers ganz zu schätzen‹, sagt ein älterer Kenner und Beurteiler des Parnasso, (L. G. Blanc), in der Hallischen, Allg. ›Literatur-Zeitung‹ 1827, III Nr. 312/13.


6 Parnasso classico italiano. Padua, 1827.


7 Band III des vorliegenden Werkes, S. 9.


8 Nach dem Zeugnis Z. Funcks in seinem ›Leben Hoffmanns‹ hat übrigens zur Entstehung des Studenten Anselmus kein anderer als – Adolf Wagner den ersten indirekten Impuls gegeben, durch seine Übersetzung der englischen Schrift des James Beresford: ›Menschliches Elend‹ (a. d. Engl. des J. B. übersetzt durch Adolf Wagner, nebst Gegenbeweisen aus den Kupfern von Joh. Arnold Kanne; 2 Tle.; Bayreuth-Lübeck, 1810). ›Hoffmann fand dieses Buch ein Jahr vor seinem Abgang aus Bamberg in meiner Bibliothek, und es ergötzte ihn so sehr, daß er es wohl ein halb Dutzend Mal durchlas, Auszüge daraus machte und mir mitteilte, wie ihm durch dieses Buch der Gedanke aufgegangen sei, einen Charakter in Form einer Novelle darzustellen, der vom Schicksal dazu verdammt sei, wo er gehe und stehe, Unglück zu erleben und um sich zu verbreiten. Erst in Dresden faßte er die Idee wieder auf und verarbeitete sie zu dem Märchen »der goldene Topf« usw.‹ (Z. Funck, Erinnerungen a. m. Leben in biographischen Denksteinen, I, S. 118–120).


9 Richard Wagners Lebensbericht S. 17.


10 R. Sipp, geb. 1806, also nur sieben Jahre älter, als sein damaliger Schüler, erlebte dessen ganze spätere Entwicklung und erreichte ein hohes Alter. Wagner, behielt seinen einstigen Lehrer in gutem Andenken und lud ihn zum Beweise seiner Anhänglichkeit zu den Festspielen von 1876 als Ehrengast nach Bayreuth ein. Als ältester Veteran der Leipziger Musikergemeinde verbrachte Sipp am 5. Juli 1896 in geistiger Frische und körperlicher Rüstigkeit seinen 90. Geburtstag und empfing dazu, unter den mannigfach ihm dargebrachten Gratulationen, auch die Glückwünsche Siegfried Wagners und seiner Mutter. Er starb, 93 1/2 Jahr alt, am 21. Dezember 1899 in Gohlis-Leipzig.


11 In einem auf uns gekommenen Briefentwurf aus dem Jahre 1834 (an den Regisseur und Sänger F. Hauser).


12 Richard Wagners Lebensbericht (deutsche Rückübertragung von The work and mission of my life) S. 16/17.


Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 1, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 106-119.
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Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

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