Nachträge und Ergänzungen.

(Zu Seite 8: Es war die ruhig und angenehm liegende Villa Pellet an der linken Seeseite, kaum eine Viertelstunde von Schloß Berg.) Das Pelletsche Landhaus, gegenwärtig im fürstlich Barätinskyschen Besitz, war keineswegs, wie man häufig liest, ein besonders prächtiger Aufenthalt, sondern ein einfaches Häuschen, auf welches die Wahl des Meisters hauptsächlich wegen seiner ruhigen Lage am See und seiner Gartenumgebung gefallen war, die es nach außen hin den Blicken der Neugier entzog. Sein Erbauer war der 1868 verstorbene kgl. bayerische Posthalter und Gasthofbesitzer Andreas Pellet in Starnberg, der es auf einem von ihm angekauften Bauerngute errichtet hatte.


(Zu Seite 8, Anm: In jenen wenigen Wiener Tagen hatte er außerdem noch Zeit gefunden, seinen alten russischen Verehrer Sseroff zu besuchen, der sich damals einer Kur halber in Dornbach bei Wien aufhielt.) Es ist uns nachträglich aus verschiedenen Gründen zweifelhaft geworden, ob der Besuch bei Sseroff wirklich um die hier an gegebene Zeit – Mai 1864 – und nicht vielmehr fünf Wochen später, gegen die Mitte Juni stattgefunden habe, was an sich zwar ganz ohne Belang ist. An diesen zweiten Wiener Besuch erinnert im übrigen ein, in der Zeitschrift ›die Musik‹ (1902, Wagnerheft) autographisch veröffentlichtes Briefchen an den Fabrikanten Joh. Rebel in Penzing, vom 12. Juni 1864. Dasselbe bezieht sich auf den Rückkauf verschiedener Penzinger Effekten, die bei dem plötzlichen Abbruch seiner dortigen Niederlassung durch Vermittelung Standhartners auf dem Wege des Kaufes in Rebelschen Besitz gelangt waren. Da dem Meister diese Penzinger Einrichtungsgegenstände von Wert waren, rechnet er deren nunmehrigem Besitzer seine Bereitwilligkeit zu ihrer Rückerstattung als Verdienst und als ›freundschaftliche Handlungsweise‹ an und sagt ihm dafür seinen ›verbindlichsten Dank‹.


(Zu Seite 25: Ein tüchtiger Gesangsmeister war für die Durchführung aller ferneren auf München abzielenden Pläne von Wichtigkeit. ›Der Ungeduld des Königs habe ich bis jetzt immer nur noch meine Verzweiflung, die Sänger dazu zu finden, entgegenzusetzen.‹) Wie wenig der Meister auch in dieser Hinsicht alles auf eine Karte setzte, das beweist – neben seinen Verhandlungen mit Friedrich Schmitt – sein kürzlich erst zum Abdruck gelangter, bisher unbekannter Brief an den, damals in Hamburg lebenden, berühmten Gesangsmeister Julius Stockhausen, datiert aus Starnberg bei München, 27. September 1864: ›Geehrter Herr! In Kürze, doch mit großer Bestimmtheit, richte ich die Frage an Sie, ob Sie geneigt wären, nach München überzusiedeln, sobald Ihnen für Ihre Wirksamkeit als Lehrer und Leiter unserer Sänger eine vollkommen Ihren Wünschen entsprechende Stellung, sowie genügende Besoldung angeboten würde? Die Wichtigkeit, die ich der von mir gedachten Wirksamkeit und Stellung beilege, können Sie kaum hoch genug ermessen: ich betrachte die Möglichkeit, gerade Sie hierfür zu gewinnen, geradeswegs als die Grundlage für alles, was ich je zu hoffen wage und zu verwirklichen beabsichtige. Ihre Stellung[439] würde eine gänzlich neu zu schaffende, mit keiner der vorhandenen zu konfundierende sein. Hierüber und über die Absicht, Sie vollkommen zu befriedigen, dürften Sie in keinem Zweifel sein. Einzig fragt es sich daher – haben Sie überhaupt Lust, solch eine Stellung einzunehmen? Und würden Sie sich entschließen können, Hamburg mit München zu vertauschen? Seit Jahren war es mein Wunsch, irgendwo in die Lage zu kommen, dies mein Anliegen Ihnen eröffnen zu können. Ich bin glücklich, durch einen für das Edelste begeisterten jungen König jetzt diesen Boden gewonnen zu haben. Auf geneigte Antwort harrend, empfehle ich mich Ihnen hochachtungsvollst als Ihr ergebener Richard Wagner.‹ – Stockhausen mußte da mals ablehnen, da er an Hamburg gebunden war.


(Zu Seite 27: ›Franz mußte seine Frau mit ihrer stattlichen Reihe Kinder hereinführen; sie wurden wie die Orgelpfeifen aufgestellt und jedes mit einem Glas Champagner versehen.‹) Bloß um die Weißmeimerschen sog. ›Erinnerungen‹ nicht völlig mit Stillschweigen zu übergehen, haben wir an dieser Stelle wieder den Versuch gemacht, einen einzelnen Zug daraus zu zitieren, der uns aus inneren Gründen einwandfrei erschien. Nun haben aber inzwischen unsere darauf bezüglichen Erkundigungen uns mit unzweifelhafter Bestimmtheit darüber belehrt, daß selbst dieser – noch so unscheinbare – kleine Vorfall aus zwingenden äußeren Gründen sich als unhaltbar erweist. Von einer ›stattlichen Reihe von Kindern‹ des trefflichen Franz Mrazek konnte keine Rede sein: Mrazeks hatten überhaupt nur eine Tochter und einen Sohn, zu jener Zeit (Sommer 1864) vermutlich nur die Tochter. Also ist auch diese ganze Erzählung unwahr, wie wir dies bereits im vorigen Bande an zahlreichen anderen Fällen nachgewiesen haben. – So hat denn auch die auf S. 60 von uns, ausschließlich auf Weißheimers Angaben hin berichtete, Hochzeits-Geschichte, da sie von jeder andern Seite her der Bestätigung entbehrt, nur sehr wenig Wahrscheinlichkeit für sich; uns sind vielmehr starke Bedenken gegen ihre Zuverlässigkeit verlautbart worden.


(Zu Seite 28: Vreneli Weitmann hatte den Meister bereits in der Luzerner Zeit, als er im Schweizerhof an der Vollendung des ›Tristan‹ arbeitete, mit Verständnis für seine Bedürfnisse zu bedienen gewußt, weshalb er sie um die Zeit seines Umzuges nach München wieder in seine Dienste berief.) Über diese ausgezeichnete treue Dienerin, die an moralischem Wert wie an Bildung hoch über den Mrazeks stand und daher in der Lebensgeschichte des Meisters für alle Zeiten die gleiche Stelle beansprucht, die sie tatsächlich in seinem Leben ausgefüllt hat, – haben wir noch das Folgende in Erfahrung gebracht. Sie ist aus Ermbach im Kanton Zürich gebürtig und in der Durchbildung ihrer ganzen Persönlichkeit ein Zeugnis für die vorzügliche Erziehung in den schweizerischen protestantischen Volksschulen: alle die ernsten Konflikte im Leben des Großen hat sie mit empfunden und verstanden, ohne daß ein Wort davon über ihre Lippen gekommen wäre. Ihre Intelligenz war so bedeutend, daß sie viermal in den ›Tristan‹ geschickt werden konnte. Ein Schicklichkeitsgefühl sondergleichen beherrschte – unbeschadet ihres echten Volkshumors – alle ihre Äußerungen. Während fast alle, zu dem Meister auch nur in die entferntesten Beziehungen getretenen Personen in ihren Rückerinnerungen hauptsächlich ihre eigenen großen ›Verdienste‹ um ihn zu verewigen gesucht haben, hat sie vielmehr in ihren, wiederholt von uns benützten schlichten Aufzeichnungen ihre, wirklich bedeutenden Verdienste um ihn geflissentlich verschwiegen, so daß man sie daraus kaum erraten kann. In München, wie in Triebschen und dazwischen in den Artichauts, hat sie Wagners ganzen Haushalt geführt. Der auf S. 163 erwähnte Hund Ruß, einer der Lieblingshunde des Meisters, war ein Geschenk Vrenelis, was außer Wagner niemand je erfuhr; sie hatte ihn aus ihren Ersparnissen gekauft. In Triebschen entfaltete sich ihre ganze Tätigkeit. Kämpfe über Kämpfe hat sie mit den Arbeitern bestanden, um die Ausbeutung zu verhindern. Ihren späteren Mann, den braven tüchtigen Jakob Stocker, einen [440] unabhängigen Bauern, heiratete sie nur unter der Bedingung, daß er nach Triebschen zog und daselbst Diener wurde. ›Aus diesem einzigen Wesen erwiderte die Volksseele dem Meister‹, mit solchen und ähnlichen Worten urteilt man noch heute in Wahnfried über die Verdienste dieser treuen Dienerin. Bei der Übersiedelung von Triebschen nach Bayreuth verließ sie seinen Dienst, zu jeder Zeit aber hat er ihrer mit größter Dankbarkeit gedacht. In seinem letzten, an sie gerichteten Briefe, aus Venedig, vom 27. Dezember 1882 heißt es: ›Leben Sie denn noch? Davon werden wir uns ganz gewiß nächstes Frühjahr überzeugen, wo wir – etwa im Mai – jedenfalls über den Gotthard zurückkehren werden.‹ – ›Es sollte nicht sein‹, fügt sie in ihren Erinnerungen diesem Zitate hinzu. ›Die große Seele Vrenelis‹, sagt H. v. Wolzogen, ›die das tiefe Leiden ihres Herrn so einfach verstand, so natürlich mitfühlen konnte, ist selbst von schwerem Leid nicht verschont geblieben, und sie hat es in der Stille ihrer vornehmen Natur getragen, daß ihr noch im hoben Alter die beiden geliebten Söhne, wackere Schweizer Männer, kurz nacheinander durch den Tod entrissen wurden. Auch die ihr gebliebene sorgsame Tochter, welche die Treue von ihr geerbt, konnte in der letzten Zeit, da es besser zu werden schien, ihr nicht zur Seite sein. So ist sie still und sanft dahin genommen worden im ersten Frühling dieses Jahres (1906) – zu Luzern, wo sie mit dem greisen Gatten am Ufer des herrlichen Sees, der drüben Triebschens grünen Strand bespült, seit dem Scheiden des Meisters ihren Erinnerungen gelebt.‹ (Nachruf und Gedenkwort an ›Vreneli‹, Bayreuther Blätter 1906, S. 199/200.)


(Zu Seite 43: Von Wagners erster Begegnung mit Franz Lachner, im Mai 1864, erzählt Nohl als zufälliger Augenzeuge, wie belustigend dabei das gegenseitige Komplimentieren mit ›berühmter Meister‹, ›großer Künstler‹ usw. gewesen sei Dieser Noblsche Bericht über das ›gegenseitige Komplimentieren‹ usw. ist uns von autoritativer Seite her als eine ›irrtümliche Erinnerung‹ bezeichnet worden.


Zu Seite 49/50: Friedrich Pechts famoser ›byzantinischer‹ Zeitungsaufsatz: ›Ludwig II. und die Kunst‹, welchen derselbe später seltsamerweise ganz zu verleugnen scheint.) Der inzwischen in hohem Alter verstorbene vortreffliche Friedrich Pecht1 spricht in seinen Lebenserinnerungen (›Aus meiner Zeit‹ Bd. II, S. 156) in mysteriöser Weise von einem ›von Wagner verfaßten (!), von Porges redigierten (!) Artikel‹, in welchem ›ein entsetzlicher Schwulst und wirklich byzantinische Schmeicheleien gegen den König (!) nur mühsam die Prätention verdeckten, einen ganz unerträglichen Einfluß auf den bayerischen Staat zu gewinnen‹ (!!!). Zu einem unentwirrbaren Knäuel, einer wahren zusammengeballten Riesenschlange Boa constrictor, von Konfusion werden jedoch diese mystischen Andeutungen dadurch von ihm gesteigert, daß er diesen ›Artikel‹ mit der Abhandlung über ›deutsche Kunst und deutsche Politik‹ identifiziert. Diese ist doch weder ›von Porges redigiert‹ (!!), noch enthält sie auch nur einen einzigen Satz, der sich auf König Ludwig II. bezöge, geschweige denn eine Silbe, die als ›byzantinische Schmeichelei‹ im entferntesten gedeutet werden könnte. Wenn man also Pechts Angaben in dieser Beziehung nicht schlechterdings für baren Unsinn halten soll, so kann er doch wohl einzig und allein seinen eigenen, damals einiges Aufsehen erregenden Artikel für den Wiener Botschafter. ›König Ludwig II. und die Kunst‹ meinen, den absolut einzigen, welchem je – wenn allerdings auch nur von gegnerischer Seite her – der besondere Vorwurf des ›Byzantinismus‹ gemacht worden ist! Diesen aber hat, als Verfasser und Redakteur, wiederum Pecht allein, und weder Wagner noch Porges zu verantworten! Weiteres haben wir an jener Stelle in unserem Text nicht sagen wollen.


(Zu Seite 69: Frau Schnorrs äußere Erscheinung, die plastische Schönheit ihrer Bewegungen.) So schreibt Schnorr selbst nach der zweiten Aufführung an seinen Vater, den [441] Maler: ›Wie oft wünschte ich Dir Malvina zu zeigen, denn für Dein Auge wäre es ein Labsal gewesen, jede ihrer Bewegungen in dem herrlichen Gewande zu sehen; sie hat ein ganzes Antikenkabinet von Plastik in sich.‹ Man bemerke jedoch, daß hierbei nicht eigentlich von körperlicher Schönheit als solcher, sondern eben nur von ihren ›Bewegungen‹, unter Hervorhebung des ›herrlichen Gewandes‹, die Rede ist; denn um der Wahrheit die Ehre zu geben, muß hervorgehoben werden, daß nur die Freundschaft, und die Achtung vor der Künstlerin, das sehr wenig ansprechende Äußere der ersten Darstellerin der ›Isolde‹ übersehen ließ. Als der Meister späterhin in Triebschen, nachdem sie ihre abschreckenden moralischen Eigenschaften, ihr Talent zur Intrigue, zur Genüge entfaltet, zufällig ein Porträt von ihr zur Hand bekam, war er von dieser Häßlichkeit ordentlich überrascht und rief aus: ›wo hatten wir die Augen?!‹ –


(Zu Seite 75: Ansprache Wagners an das Orchesterpersonal bei der Generalprobe des ›Tristan‹ am 11. Mai 1865.) Wir teilen diese, im Text bloß in indirekter Rede angedeutete Ansprache nach der auf S. 76 Anm. erwähnten Quelle hier in ihrem vollen Wortlaute mit: ›Meine Herren und Freunde vom Königlichen Hoforchester! Ich bitte Sie um einige Augenblicke Aufmerksamkeit. Wenn ich während der beschwerlichen Proben Sie dann und wann durch ein scherzhaftes Wort zu erheitern suchte, habe ich Ihnen jetzt nur Ernstes zu sagen. – Zuerst muß ich Ihnen mitteilen, daß ich mir die Ehre versagen muß, mich diesmal an Ihre Spitze zu stellen. Und es ist dies eine große Ehre, der ich entsage: nur wichtige Gründe können mich, das ermessen Sie wohl, zu dieser Entsagung bestimmen. Der erste dieser Gründe ist für mich betrübender Art: er rührt von meiner Gesundheit her. Ich bin leidender, als manchem es den Anschein haben mag: die ungemeine Aufregung und Anstrengung, die für mich die persönliche Leitung des Orchesters mit sich führen würde, könnten mich leicht außerstand setzen, ohne Störungen zu bereiten, Ihrer Leitung vorzustehen. Ich bitte Sie, der Wahrhaftigkeit dieser meiner Befürchtung vollen Glauben beizumessen! – Der zweite Grund ist dagegen erhebend und schön: ich bin Ihnen zum Gelingen nicht mehr nötig! Wenn Sie mich recht verstehen, so sage ich Ihnen hiermit den zartesten Lobspruch. Sie haben mich nicht nötig. Mein Werk ist in Ihnen aufgegangen, aus Ihnen tritt es mir wieder entgegentlich kann es ruhig genießen. Dies ist ein einziges Glück. Das Schönste ist erreicht, der Künstler darf über seinem Kunstwerke vergessen werden! Was die teuren Künstler, die mir als Freunde hierher nachfolgten, mit so hingebender Liebe sich aneigneten, muß dieser Liebe wert gewesen sein: was Sie mit so außerordentlichem Fleiße, mit eherner Geduld, unter den mühseligsten Übungen zur vollen, schönen Erscheinung förderten, muß dieser Mühe sich verlohnt haben. Schwierigkeiten, wie sie noch nie geboten wurden, sind überwunden: die Aufgabe ist gelöst, und die Erlösung des Künstlers ist erreicht – Vergessenheit! Vergessen seiner Person! Wie gerne sehe ich mich selbst vergessen; habe doch auch ich zu vergessen, vieles und manches, worunter meine Person litt. Dieses beglückende und befreiende Vergessen rufe ich jetzt auch für meinen teuern Freund an, der meinen Ehrenplatz an Ihrer Spitze einnimmt: möge auch seine Person über seiner Leistung vergessen werden, der Sie gewiß mit mir die vollste gebührende Anerkennung zollen! – Und nun noch ein Wort über den Charakter unserer Probe. Leute werden wir das Werk unter uns vollständig wie zu einer ersten Aufführung behandeln. Wir wollen unsere Kräfte prüfen, einer nächsten Rekapitulationsprobe die Korrektur etwa noch angetroffener Mängel vorbehalten, und so heute das volle Gefühl der künstlerischen Leistung uns verschaffen. Für die erste wirkliche Aufführung bleibt uns dann nur übrig, die Wirkung auf das eigentliche Publikum – denn heute befinden wir uns nur vor eingeladenen Zuhörern einer Probe – kennen zu lernen. Ich hege keine Bangigkeit vor dieser Berührung mit dem wirklichen Publikum. Das deutsche Publikum war es, welches mich gegen die sonderbarsten Anfeindungen der Parteien überall aufrecht erhielt: auch dem Münchener Publikum darf ich zuversichtlich [442] vertrauen; Sie waren noch kürzlich Zeugen, wie es mich gegen unwürdige Angriffe und Ehrenkränkungen aufrecht erhielt. Doch ist vielleicht der Haß nicht überall zu tilgen: gegen ihn wenden wir das Mittel an, welches uns Tristan und Isolde kennen lehrt. Isolde glaubt Tristan zu hassen, und reicht ihm den Todestrank: doch das Schicksal wandelt ihn in den Trank der Liebe. Dem gifterfüllten Herzen, das etwa auch unserem Werke nahen sollte, reichen wir den Liebestrank. An Ihnen ist es, diesen Liebeszauber auszuüben: ich lege sein Werk in Ihre Hand!‹.


(Zu Seite 93: Schürés Schilderung seiner Empfindungen bei der ersten Aufführung des ›Tristan‹: ›Mir war, als wäre ich bei rasendem Sturm in ein Schiff geworfen, das ich in allen Fugen krachen hörte.‹) Schürés damaliger Brief an den Meister soll in ganz anderer, naiver, natürlicher und wahrer Ausdruckweise sein Erlebnis ausgedrückt haben, als es die späteren wogenden, stürmischen Schiffbruchbilder erraten lassen.


(Zu Seite 111: ›Wenn man mit dem Schicksal Krieg führt, darf man nicht rückwärts blicken, sondern vorwärts!‹) Die Echtheit dieses Ausspruches in der gegebenen Fassung wird bezweifelt; insbesondere erscheint die Bezeichnung ›Schicksal‹ ungenau wiedergegeben.


(Zu Seite 121: Mit welcher Beflissenheit die Intriguen seiner Gegner im Kgl. Kabinet und Ministerium einen jeden seiner Schritte durch ihr Präventivmaßregeln zu durchkreuzen suchten, sollte Wagner gerade bei dieser Gelegenheit erfahren.) Als die Dinge unentwirrbar unklar erschienen, geschah es einmal, daß Wagner einen an ihn gerichteten Brief Pfistermeisters, der das Gegenteil des königlichen Willens aussprach, dem Könige mitteilte, worüber Pfistermeister äußerst verletzt sich äußerte: von da ab war seine Feindseligkeit unverhüllt. – (Ebendaselbst, Anm.: Apellativbedeutung der Namen ›Pfister‹ und ›Pfistermeister.‹) Der scherzhafte Hinweis auf die Verwendung des ersteren Namens in der ›Meistersinger‹-Partitur veranlaßt uns noch nachträglich zu einem kleinen etymologischen Exkurs. Nach Grimms Wörterbuch sub voce ›Pfister‹ ist das, in Süddeutschland mundartlich noch heute begegnende Wort aus dem lateinischen pistor, Bäcker, entstanden: der berühmte Kanzelredner Geiler von Kaisersberg erklärt noch um 1520 – also beiläufig einige Jahrzehnte vor der Handlung der ›Meistersinger von Nürnberg‹ – das Wort ›Pfistor‹ mit ›Brotbacher‹; zahlreiche Belege vor- und nachher, bis ins Althochdeutsche zurück, bestätigen den gleichen Sinn; wonach es sich denn auch bei den angeführten Namen um die Bedeutung ›Bäcker‹ und ›Bäckermeister‹ (vgl. auch Beckmesser) handeln würde.


(Zu Seite 127: Durch die planvollen Aufwiegelungen seiner Gegner hatte sich der Zündstoff in der Bevölkerung bedenklich aufgehäuft; Adel und Klerus schienen sich in der Heraufbeschwörung eines drohenden Ungewitters vereinigt zu haben.) Unter den äußeren Ursachen der Verstimmung gegen des Meisters Persönlichkeit steht um diese Zeit (November 1865) seine Ablehnung des ihm angetragenen Maximilians-Ordens obenan. Durch sie machte er sich mit einem Schlage alles, was die Intelligenz Münchens vertrat, zu Feinden, und er erfuhr erst hinterher, wie sehr sich die Herren Liebig, Kaulbach u.a. als Ordenskapitulare dadurch beleidigt gefühlt hätten. Sein ›Hochmut‹, seine ›Selbstüberschätzung‹ schien dadurch offenkundig konstatiert; sie erschien wie eine Provokation der gesamten Ordenskörperschaft. Und doch war Wagner an nichts so unschuldig, wie an dieser Ablehnung; sie war ihm in einem gewissen Sinne nahegelegt. Der Sekretär, welcher ihm die Absicht des Königs mitteilte, ihn durch diese Ordensverleihung auszuzeichnen, hatte die Hauptsache zu melden unterlassen: nämlich, daß die Ritter dieses Ordens ein Kapitel bilden, welches seine neuen Mitglieder selbst erwählt, und der König dazu bloß seine Sanktion erteilt. Die Ablehnung geschah von Wagners Seite mit dem Bemerken an den Sekretär, der König habe ihm bereits so viele Gnaden erteilt, daß dieser ihm zugedachte neue Huldbeweis fast zu viel [443] erschiene und möglicherweise aufreizen könnte Es hätte nur eines einzigen aufklärenden Wortes seitens des – in Ordensangelegenheiten wohlerfahrenen – Vermittlers bedurft, um ein Licht in diese Angelegenheit zu bringen; aber dieses eine Wort – wurde nicht gesprochen! Statt dessen erfolgte das Unvermeidliche: die Ablehnung des ihm angetragenen hoben Ordens lief durch alle öffentlichen Blätter; selbst in den ›Signalen‹ vom 23. November 1865 lesen wir: ›Richard Wagner hat den ihm offerierten Maximilians-Orden abgelehnt, da es sein Grundsatz sei (!), sich nicht mit Orden dekorieren zu lassen.‹ Vor allem aber wurde die Same in den Münchener Kreisen, und dieses Mal nicht in den schlechtesten, zum Stadtgespräch, mm Gegenstand der Ereiferung, und die Unterlassung des Sekretärs sah demnach – um es zart auszudrücken – wie eine Absicht aus. (Vgl. hierzu ›Familienbriefe‹ S. 286).


(Zu Seite 144: ›Die kernig ausgesprochene Liebe des Münchener Publikums, die zu meiner wahrhaften Rührung erst kürzlich bei einem Anlaß sich kundgab, über welchen ich Ihnen nächstens berichten zu dürfen um Erlaubnis bitte.‹) Der hier gemeinte Anlaß fällt genau mitten in die stürmisch erregten Tage nach dem Erscheinen des Artikels in den ›Mün chener N. Nachr.‹, nämlich auf den 1. Dezember 1865, unmittelbar nachdem Pfistermeister seinen auf die allgemeinste Wirkung berechneten Protest von Hohenschwangau aus erlassen hatte. Das Studentenkorps ›Suevia‹ feierte an diesem Tage, unter gewohnter überaus zahlreicher festlicher Beteiligung des Münchener Publikums, einen seiner alljährlich veranstalteten ›Fama‹-Abende mit musikalischen Darbietungen. Dem Meister zu Ehren wurde an diesem Abende der wohleinstudierte Matrosenchor aus dem ›fliegenden Holländer‹ aufgeführt; er war in Person dazu eingeladen und hatte der Einladung wirklich Folge geleistet. ›Nach Beendigung des Chores wurden unter außerordentlichem Applause die Rufe, »Wagner, Wagner!« immer lauter, bis der Meister sich zeigte und dankend verbeugte. Als auf freundliches Drängen die Wiederholung des Chores unter der persönlichen Direktion Wagners vor sich ging, wollte der Jubel gar kein Ende nehmen.‹ Diese öffentliche Ehrung des so hart Befehdeten erregte natürlich den Grimm des ›Neuen Bayerischen Kuriers‹, der alsbald einen giftgeschwollenen Artikel von Stapel ließ, dem sich die ›Augsburger Postzeitung‹ ihrerseits in zwei Artikeln voll ›tendenziöser Lügen und gemeiner Verdächtigungen‹ anschloß. Als hiergegen der Korps-Konvent der Suevia in würdiger Weise replizierte, empfing er auf diese Replik hin eine Zuschrift von ›berühmter Hand‹, wonach ›die Einladung des Meuchelmörders und Barrikadenhelden Richard Wagner‹ zu einem Feste des Korps ein Beweis sei, daß die Angehörigen dieser Verbindung ›ebenso schlecht niederträchtig seien, wie dieser nichtswürdige Schuft, auf den alle rechtschaffenen Bürger mit Verachtung blickten.‹ Weiterhin heiß es, in direkter Anrede der Korpsangehörigen: ›Seid Ihr noch Leute von Ehren? Seid Ihr noch Bayern? Nein Ihr seid ein korrumpiertes schlechtes Gesindel, wahre Bastarde, wert und würdig eines Richard Wagner, des Schlechtesten unter den Schlechten.‹ Der Wortlaut der hierher gehörigen Schriftstücke findet sich in der historischen Denkschrift: ›Die Suevia zu Landshut und München 1803–1903.‹ Von Dr. Richard Graf Du Moulin-Eckart, ord. Professor der Geschichte an der Kgl. techn. Hochschule in München (München 1903, Druck von Knorr & Hirth, G.m.b.H.).


(Zu Seite 147: Beide Gemeindekollegien lehnten einen, von ultramontanen Mitgliedern gestellten Antrag, dem König in einer besonderen Adresse für die Entfernung Wagners zu danken, fast einstimmig ab.) Unsere Quelle für diese Angabe haben wir a.a.O. genannt; es sind die über Münchener Verhältnisse stets wohlorientierten ›Neuesten Nachrich ten‹ mit ihrem rückblickenden Artikel a.d. J. 1882. Andere Quellen hat offenbar Herr Sebastian Röcklin seinem Buche. ›Ludwig II. und Richard Wagner‹2 benutzt, der [444] gleichzeitig mit dem Verfasser den gleichen Gegenstand behandelte; denn er schreibt auf S. 152 seiner Schrift. ›Am 8. Dezember findet trotz des Feiertages eine Kumulativ-Sitzung der beiden Kollegien des Magistrats und der Gemeindebevollmächtigten statt, in welcher über die Frage, »ob eine Deputation an Se Majestät abgesandt werden soll, um Allerhöchstdemselben den Dank der Stadt für die Entfernung Richard Wagners aus Bayern auszusprechen«, lang und scharf debattiert wird. Die Gemeindebevollmächtigten sind fast einstimmig für, das magistratische Kollegium ist gegen die Abordnung, und so unterbleibt sie, wie auch der angeregte Fackelzug.‹


(Zu Seite 154/57: Nachrichten Klings und des Tapezierers Giroud). Auf was für Quellen der Verfasser sich für diese Periode der ›völligen Einsamkeit‹ und Lostrennung von den Seinigen angewiesen sah, entnimmt der Leser unserem Berichte selbst. Immerhin sind und bleiben sämtliche Nachrichten Fernstehender, die den Meister in Wahrheit nicht persönlich gekannt, von sehr zweifelhaftem Wert, und wir waren uns bei der Einflechtung dieser Züge – im Gegensatz zu den Angaben Vrenelis! – dieses Umstandes wohl bewußt. Obgleich wir aus den bezeichneten Nachrichten schon das Gröbste, Handgreiflichste ausgeschieden, ist doch selbst das von uns zur Mitteilung Ausgewählte, wie wir leider zu spät erfuhren, von solcher bedenklichen Beschaffenheit. So trifft gleich die Erzählung des Tapezierers Giroud auf S. 155 nicht das Rechte und steht vielmehr im vollen Widerspruch zu der erstaunlichen Geschicklichkeit, die der Meister in Wahrheit bei solcher Gelegenheit bewies. Als höchst zweifelhaft wird uns von einzig zuständiger Seite her auch die Erzählung mit dem Ausruf über den Kirchgang, da sich diese in jedem Falle nur auf Vreneli beziehen kann: diese aber war freidenkende Protestantin, ging sehr selten in die Kirche, und nur mit Wissen des Meisters.


(Zu Seite 177: Bloß eine einzige Nacht weilte der König unter dem gastlichen Dache seines großen künstlerischen Freundes.) Noch in der letzten Ausgabe dieses Bandes hatten wir an dieser Stelle von › zwei Nächten‹ gesprochen. Zu dieser irrtümlichen Angabe hatte uns das Datum einer am 24. Mai 1866 9 Uhr 3 Minuten auf dem Bahnhof Zürich aufgegebenen Depesche bestimmt, die mit den Worten beginnt: ›Eben glücklich in Zürich angekommen, tief bewegt durch den Abschied.‹ Tatsächlich soll jedoch, wie wir nachträglich als gewiß erfuhren, der König nur eine Nacht auf Triebschen verbracht haben.


(Zu Seite 202/03: Nach der Beseitigung Pfordtens trat König Ludwig in eine neue Aera seiner Regierung, und die einzelnen Schritte derselben folgten Schlag auf Schlag einander auf dem Fuße.) Mit welchem schonenden Zartsinn der junge Monarch dabei die z.T. einschneidenden Veränderungen im Personale seiner Ministerien vor sich gehen ließ und wie wenig ihm dafür gedankt wurde, das beweist wohl am besten ein – bisher noch nicht veröffentlichter – Brief August Röckels an den Meister vom 22. April 1867: ›Ja, du hast recht, es steckt in dem jungen König das Zeug zu einem gar herrlichen Fürsten; möge ihm nur das Glück werden Dich oft um sich zu haben, ohne daß die Kunst darunter zu leiden braucht. Höre, was ich im Augenblick vielleicht allein in München weiß Du erinnerst Dich, daß ich Dir geschrieben, wie seit der Unterzeichnung der Entlassung Bomhards der Wind völlig umgeschlagen zu haben schiene, indem der König in nähere Verbindung mit B. getreten, ihn allein bei Tische bei sich gehabt usw. habe. Alles das war richtig, allein den Grund dieser auffallenden und beängstigenden Handlungsweise kannte nur der edle junge Mann selbst, erriet niemand, auch ich alter Esel nicht; denn wer konnte in unsrer harten, lieblosen Zeit auch darauf kommen, und zumal von seiten eines Königs! Der Grund war kein anderer als Zartgefühl, Schonung. Dein prächtiger Jüngling wollte dem bejahrten Manne durch die Zusendung der unerbetenen Entlassung nicht wehe tun, und versuchte ihn durch zarte Winke zu vermögen, selbst um seine Entlassung einzukommen. Deshalb sprach [445] er ihn so oft allein; deshalb setzte er sogar sich selbst den scheinbar begründetsten Mißdeutungen aus. Nachdem nun aber alles vergeblich war, Bomhard, sich an seinen Ministersessel klammernd, immer nicht verstehen wollte, sagte ihm endlich vor 2 Tagen der König ganz offen, er bäte ihn seine Entlassung zu nehmen, da er ihn unmöglich länger halten könne und selbst sein Freund Lutz diese Unmöglichkeit geltend mache. B. weigerte sich sogar jetzt noch die zarte Handlungsweise des Königs zu vergelten, oder vielmehr von ihr zu profitieren, und so tat denn endlich der König den letzten, so gern vermiedenen Schritt. Generalstaatsanwalt Speyerer ist Bomhards Nachfolger. – Von jetzt ab werde ich nicht mehr so leicht an dem Könige zweifeln, aber auch Sorge tragen, daß sein Wesen allgemein bekannt werde. ... Meinst Du nicht, daß er sich einer lobenden Anerkennung verdient gemacht, die ihn natürlich von Deiner Seite am stolzesten machen würde? In treuer Liebe Dein A. R.‹


(Zu Seite 210: Münchener ›Lohengrin‹-Aufführung von 1867: ›Tichatschek glänzend, Betz und Bertram-Mayer vortrefflich, Mallinger sehr poetisch.‹) Bülow bezeichnet hier die Darstellung der Elsa durch Frl. Mallinger als ›sehr poetisch‹. Von Wagner selbst wurde sie, wie wir nachträglich erfahren, als ›vollendet‹ erachtet. In Bestätigung dieses, mit einem Worte alles sagenden Meisterurteils fügen wir hier noch die breitere Ausführung desselben durch Nohl hinzu: Elsa einzig gab bruchlosen und reinen Ton wieder, der den Grundton der Gesamtaufführung bildete. Denn sie, die überhaupt von all unsern Bühnenmitgliedern die schönste Gesamtbegabung zu besitzen scheint, zeigte hier, auf welche Weise Gesang, Kunst und Natur, ›Seelennadel und äußere Noblesse sich zu vereinigen haben. Sie enthüllte viel, sehr viel von dem poetischen Inhalt ihrer Rolle; ihre Art singend zu spielen und spielend zu singen hat etwas, das – aus dem Innern stammend – auch das Innere wieder berührt! Unbezwingliche Wehmut ergriff das Herz, als Lohengrin scheidend Horn, Schwert und Ring ihr überreicht: denn in diesem stummen Spiel und Gebärden hallen all die süßen Laute wieder, mit denen sie zu Anfang ihr innig vertrauendes Schauen, dann ihr hingebendes Lieben und wieder die stille Beseligung des eigenen Herzens und das daraus stammende Mitgefühl für das Leid des andern, endlich ihre liebende Angst, ihre steigende Seelennot und die sie selbst vernichtende Schreckensfrage aus ihres Herzens Grunde hervorgesungen hatte.‹


(Zu Seite 212: Im Laufe des Monats Juli hielt sich auch König Ludwig kurze Zeit in Paris auf, wohin ihn die Ausstellung lockte.) Aus inzwischen gewonnener besserer Kenntnis der Sachlage müssen wir den hier von uns gebrauchten Ausdruck verbessern: die Ausstellung ›lockte‹ den König nicht, er wurde zu ihrem Besuch gezwungen.


(Zu Seite 213: Beständige Intriguen und Abwiegelungen der Lachner-Partei.) Auf diese ununterbrochenen, gegen denn Meister, wie gegen Bülow gerichteten Kabalen des näheren einzugehen, dazu fehlt es selbst unserer ausführlichen Erzählung an Rausch auch würde ihre Schilderung bei weitem weniger in das Leben Wagners, als in eine wahrhafte, nicht beschönigende Darstellung der damaligen Münchener Zustände gehören, – deren würdiger Nachfolger die gegenwärtigen sind. ›Lachner hatte – natürlich im Sinne der Beschwichtigung seine blinde Eifersucht – ein Handbillet vom König erhalten, in welchem in zartfühlender Begütigung von seinem, ersprießlichen wirken‹ und seinen Verdienst die Rede war. Auch dienten die umlaufenden Gerüchte von seiner bevorstehenden Pensionierung zu wiederholten Demonstrationen seitens einzelner Hofmusiker. ›Haben Sie gelesen,‹ schreibt Bülow aus St. Moritz an einen Freund ›neulich zur Feier des deutschen Juristen-Tages 50. Aufführung von Gounods »Faust« im Hoftheater. Lachner mit Tusch und Lorbeerkranz empfangen!‹ Diese Ovationen wiederholten sich; an zwei, auf Kosten des Hoftheaters (!) angeschafften Kränzen konnte man lesen: ›Bleib' bei uns‹ u. dgl. mehr. Vgl. die, ebenfalls aus St. Moritz (22. August 1867) datierte Nachricht Bülows an Felix Dräseke: ›Lachner nicht pensioniert, soll [446] wieder höllisch während meiner Abwesenheit intriguieren.‹ Erst am 6. Februar 1868 erfolgt dann (gegen H. v. Bronsart) die schließliche Meldung: ›Dalai Lama vorgestern mit »von«-verleihendem Komthur-#; auf ein Jahr disponibilisiert – alias pensioniert. Es war die höchste Zeit!‹3 Aus dieser Zeit fortdauernder Lachner-Demonstrationen und -Ovationen fanden wir in Wahnfried, unter anderen Papieren, ein zufällig erhaltenes Schreiben vom 5. Oktober 1867, in welchem dem Meister durch einen persönlich Unbekannten ein orientierendes Bild der herrschenden Zustände direkt aus der Isarstadt brieflich übermittelt wurde, welches noch für den heutigen Leser nicht ohne Interesse sein dürfte. ›Der echt gemein bajuvarische Ton‹, so beginnt dieses Schreiben, ›mit welchem die »Neuesten Nachrichten« die im jüngsten Akademie-Konzert stattgehabte Demonstration zu Gunsten Lachners zu Seitenhieben auf die »Süddeutsche Presse« benützen, veranlaßt (mich) Ihnen zur möglichen Orientierung über die Urheber jener Demonstration, die, wie die »N. N.« heuchlerisch anführen, »nicht gemacht« wurde, einige kleine Anhaltspunkte zu bieten. Unter einer großen Anzahl der darstellenden Mitglieder der Hofbühne herrscht eine Art Verbrüderung zu dem Zwecke, sich bei jeder gebotenen Gelegenheit in Wort und Tat im sog. »antiwagnerischen« Sinne zu bewegen. Es sind u.a. die Kreaturen Lachners, Schmitts und Jankes: die Herren Kindermann, Vogel und Bausewein, sodann Rüthling, Rhode, Possart u.a. Die Herren Rüthling und Rhode namentlich vertreten die, Händearbeit, während die übrigen hinter der Szene agieren, und tätig sind, Verbündete abzurichten. So ist die vorletzte Ovation im Hoftheater (»Faust«), zu Gunsten Lachners von der Schauspieler-Loge ausgegangen, wobei die Herren die Initiative zu den Beifallssalven gegeben; so ist auch im letzten Odeon-Konzerte der äußere Erfolg Lachners durch die kräftigen Hände Rüthlings und Rhodes hervorgerufen und befördert worden. Herr Possart, welcher bei allem vorsichtig hinter den Kulissen spielt, verschmäht es nicht, gelegentlich einmal ein anderes Gesicht zu zeigen, um womöglich nach einer anderen Seite hin dem »Ich« die Existenz zu sichern. Für den Einsender dieses jedoch, dem genau die Fäden bekannt sind, an welchen die Puppen gezogen werden, gibt es natürlich keine Täuschung; wenn er sich erlaubt, Ihnen die gegenwärtigen Notizen zukommen zu lassen, so geschieht dies frei von Hintergedanken und nur aus Gründen, die Lüge und den Betrug ans Licht zu ziehen, die Feinde mit der Tartüffe-Larve kennen zu lernen, um ihnen im gegebenen Augenblicke auf die Finger klopfen zu können‹ ... Es ist nur der historisch-poetischen Gerechtigkeit entsprechend, daß das ›»von«-verleihende Komthur-#‹ in unseren Tagen auch für den gesinnungstüchtigen Lachner-Verehrer Herrn Possart nicht ausgeblieben ist;4 es bleibt einzig zu beklagen, daß er es nicht wegen seiner Verdienste um den Autor der ›Catarina Cornaro‹ erhalten hat sondern für das ›andere Gesicht‹, das ihm leider – in den Augen einer durch keine Reklame, bestochenen Nachwelt – noch weit übler stehen dürfte!


(Zu Seite 216: Nachrichten Hans Richters aus der stillen Triebschener Zeit 1867.) Es ist bei diesen Nachrichten, wie auch bei denen auf S. 197, nicht zu vergessen, daß hier nicht direkt Richter selbst spricht, sondern daß andere seine gesprochenen Worte aus dem Gedächtnis niedergeschrieben und dem Druck übergeben haben. Die Angabe, daß ›während der Komposition der Meistersinger kein Ton auf dem Klavier angeschlagen worden sei‹, ist allerdings nicht allzu buchstäblich zu nehmen und in dieser Form übertrieben.


(Zu Seite 233: Hölzel als Beckmesser.) Leider sollte der in seiner Sphäre nicht unbegabte Sänger die, für die Darstellung der von seinen gewohnten Leistungen so völlig abweichenden Partie, in ihn gesetzten Erwartungen nur wenig oder gar nicht erfüllen! Den [447] einzigen Beckmesser – Friedrichs – hat der Schöpfer des Werkes nicht mehr erlebt! Die strenge Kritik der Hölzelschen Leistung in Nohls ›Skizzenbuch‹ S. 448 ist nur allzu begründet. ›Ganz dagegen‹, so schreibt dieser, ›muß nach der Seite der Gesamtauffassung hin Herr Hölzel-Beckmesser abgewiesen werden. Daß ihm die Gesangspartie im ganzen nicht mißlang, ist von einem langjährigen Kärntnerthortheaterbuffo nicht wohl anders zu erwarten, und wir erkennen mit Freude die treffliche Ausführung der oft genugsam verzwickten Gesangstücke, namentlich der Serenade, an, obwohl auch hier eine gewisse Schwerbeweglichkeit der alternden Kehle nicht zu verkennen war Völlig aber verfehlte sein Spiel den entscheidenden Ton; allüberall merkte man den gemütlichen Wiener »Spassettelnmacher« durch, der nicht die Rolle selbst gibt, sondern das Hauptgewicht auf die eigenen – vermeintlich komischen – Zutaten legt! Von seinem Kostüm wußte höhere Kunsteinsicht das bloß narrenhaft Barocke bald zu tilgen; nicht so leicht aber waren die Neigung zu possenhafter Detailübertreibung und namentlich gewisse känguruhartige Gesten aus seinen Gliedern zu vertreiben, welche selbst das Feuer des Meisters nicht völlig zu verjüngen vermochte. ... Doch wir wollen billig sein und zugestehen, daß schwieriger gewiß keine Rolle in der musikdramatischen Kunst zu geben ist, denn genialer ist kaum je eine komische Gestalt erdacht worden, und dazu kommt noch die verwickelte Aufgabe eines verstellten und chargierten Gesanges!‹


(Zu Seite 236: Familien-Verkehr mit Heinrich Porges.) Das persönliche Verhältnis des Meisters zu diesem ausgezeichneten Freunde kann durch nichts besser beleuchtet werden, als durch nachstehenden, in den ›Bayreuther Blättern‹ veröffentlichten Brief aus Luzern vom 15. Mai 1867, nach Durchlesung von Porges' Abhandlung über ›Tristan und Isolde‹, den wir hier seinem vollen Wortlaute nach abdrucken: ›Mein lieber Heinrich! Sie haben soeben durch Ihre Arbeit über den 2. Akt des Tristan mich ungemein ergriffen und gerührt. Wohl mir, daß ich so empfunden und verstanden werde! – Ich sage Ihnen damit alles und füge dem daher nichts weiter bei. Und wie ich es dennoch genau nehme, teile ich Ihnen doch mit, daß Sie bei Marke in betreff seiner Quasi-Schuld etwas Unnötiges, ja Unrichtiges gesagt und beim Nachspiel am Aktschlusse überhört haben, daß dies melodisch aus Markes Hauptmotive (des Wohlwollens) gebildet ist, somit das Motiv des Selbstvorwurfs enthält, welches Tristan ostensibel niederwirft. – Das sage ich eben nur, um Ihnen zu zeigen, wie genau ich auf alle Ihre Interpretationen eingegangen und wie richtig, schön und tief ich sie gefunden habe. – Nun bleibe es dabei! – Mit mir sollst Du im Paradiese sein! – Herzliche Grüße der kleinen Frau. Hoffentlich sehen wir uns alle bald wieder. Von treuem Herzen Ihr Richard Wagner‹ (Bayreuther Blätter 1901, S. 298). Kein schöneres Denkmal, als diese an ihn gerichteten brieflichen Worte, kann sich je zu seinem Angedenken erheben; warm und treu schließen sich ihnen die Abschiedsworte an, die ihm nachmals der Sohn des Meisters, Siegfried Wagner, in voller Würdigung seiner Persönlichkeit in das Grab nachgerufen (Ebendaselbst, Jahrgang 1901, S. 6.)


(Zu Seite 240: Züge böswilliger Opposition während der ›Meistersinger‹-Proben, seitens gewisser eingesessener verstockter Orchestermitglieder Lachnerscher Tradition: der erste Hornist erklärt eines Tages mitten in der Probe rundweg, ›er könne nicht weiter blasen‹.) Man muß es sich direkt von Hans Richter erzählen lassen, wie der Hornist Strauß es plötzlich ablehnte im Orchester mitzuwirken, und wie er, Richter, resolut von der Bühne herab erklärte: er wurde in der Probe das Horn übernehmen. Als ihm Strauß' Horn gereicht wurde, sagte er verächtlich: ›Posthorn blas' ich nicht.‹ Man brachte ihm seines, welches er zärtlich erfaßte und natürlich zur höchsten Zufriedenheit Bülows blies. – Daß Richter einmal Arrest erhielt, weil er in einer Probe der ›Meistersinger‹ im Tätigkeitseifer eine bestimmte Grenze überschritt, charakterisiert die Gesinnung der obersten Behörde: die Entrüstung des Meisters darüber war grenzenlos.


[448] (Zu Seite 255: Laubes Verhöhnung der ›Meistersinger‹.) Eingehend gedenkt Nohl in seinem ›Neuen Skizzenbuch‹ – wenn gleich ohne Namensnennung Laubes – dieses ›ehemaligen Strebensgenossen‹ des Meisters, der jedoch ›die wirkliche Lebensspur unserer Zeit in der Kunst bald verlor und zu den Hagestolzen der bloßen Haupt- und Staatsaktionen überging‹. ›Ganz im Stil und Ton jenes Fuchses, dem die Trauben zu sauer sind‹, seien seine Ausdrücke über den ›Text voll grimmiger Ecken und Härten im Fibeltone‹ usw. Und es sei nur gut, daß der ›in seiner Eitelkeit so schwer Verletzte auch selbst wieder Aussicht habe, unter die dramaturgische Haube zu kommen‹. ›Da mag er denn, wie er's so selbstbewußt verheißt, soweit es übrigens seine Pariser Inklinationen zulassen, »eine Pflanzstätte für dramatische Kunst mitten im freien strebsamen Bürgerwesen anlegen«, aber auch, wie Eva dem Merker mit seinen neuen Schuhen wünscht, »drin kleben« und die wirklich schöpferischen Geister unserer Zeit mit seinen ebenso seichten Einwürfen, wie niedrig persönlichen Unterschiebungen künftig in Ruhe lassen‹ (Nohl, Neues Skizzenbuch, S. 417).


(Zu Seite 281: Wagners Erwählung zum Ehrenmitglied der Musikalischen Sektion der Königl. Akademie der Künste zu Berlin, 9. Mai 1869.) Neun Jahre früher – 1860 – zur Aufnahme in diese Körperschaft vorgeschlagen, war er ansehnlich in der Minorität geblieben, während einzig J. Rietz die erforderliche Stimmenzahl erhielt! Der ›Kladderadatsch‹ brachte damals folgende ›Inschrift für das Portal einer Kunstakademie‹ in Vorschlag:


›Dies ist das Haus, dies ist die Uhr, der Saal, dies sind die kunstgeweihten Hallen;

Auch ist bei einer Ehrenmitgliedswahl hier Richard Wagner durchgefallen!

Sie hatten recht: für solchen Künstler wäre hier Mitglied sein, doch zweifelhafte Ehre.‹


Natürlich war dies unter dem Hochdruck des Einflusses des, damals noch lebenden ›Generalmusikdirektors‹ Meyerbeer geschehen, der zwar selbst in der betr. Sitzung wieder einmal ›nicht zugegen‹ war (vgl. seine ›plötzliche Abreise‹ kurz vor der Berliner ›Rienzi‹-Aufführung von 1847!), dafür aber sämtliche, an der Abstimmung beteiligten Musiker der Akademie in seiner Tasche hatte. Einstimmig standen diese gegen Wagner ein und führten somit ihren eigenen ›Durchfall‹ vor der Nachwelt herbei, während sämtliche Maler für den Meister eintraten und aus Empörung nun wiederum ihrerseits sämtliche, sonst noch vor geschlagenen Kandidaten der musikalischen Sektion – darunter auch Halevy – erbarmungslos durchfallen ließen. Bloß Rietz hatte die erforderliche Majorität erhalten, weil er vor Wagner zur Abstimmung gelangt war; sonst würde es ihm ebenso ergangen sein. Die Zusammensetzung dieses sonderbaren Areopags war, dem aktiven, an der Wahl beteiligten Personalbestande nach, im Jahre des Heils 1869 im wesentlichen die gleiche, wie neun Jahre zuvor; der einzige Unterschied in der Situation war der, daß der große Wettermacher für Berlin, Paris und London inzwischen – nach zwanzigjähriger zäh ausdauernder Bekämpfung seines gefürchteten Gegners – aus dem Leben geschieden war.


(Zu Seite 286: Das ausgezeichnete Pariser Streichquartett, dem die Aufgabe zufiel, an seinem 56. Geburtstage den Meister durch die zartsinnig belebte Vorführung mehrerer Beethovenscher Quartette über alles Irdische hinaus zu erheben), war das Quartett Morin-Chevillard.


(Zu Seite 287: ›Heute ist der glücklichste Tag meines Lebens‹, sagte er zu Vreneli und ließ durch sie, damit das ganze Haus an seinem Glücke teilnehme, einem jeden der dienenden Hausgenossen zum Andenken ein ansehnliches Geschenk überreichen.) Daß dieses ›ansehnliche‹ Geschenk mit ›überschwänglich‹ besser bezeichnet gewesen wäre, erfuhren wir seitdem; der Meister konnte sich in seiner Freude gar nicht Genüge tun; immer kam er mit erneuten Gaben.


(Zu Seite 287, Anm.: Die Orchesterskizze der ›Götterdämmerung‹ war am 5. Juli 1870 bis zum Schlusse des zweiten Aktes vorgerückt, so daß nur noch der dritte Akt auszuführen [449] übrig blieb.) Der Aufschub in der Vollendung der ›Siegfried‹-Partitur, auf welche an dieser Stelle hingewiesen wird, ist richtig, und man kann sich aus S. 306/07 dieses vorliegenden Bandes über die Grunde dieser Hinausschiebung näher unterrichten; falsch aber die obige Angabe unseres Textes, wonach am 5. Juli 1870 bereits der zweite Akt der ›Götterdämmerung‹ in der Skizze vollendet gewesen sei. Das genannte Datum des 5. Juli ist vielmehr das des Beginnes (nicht der Vollendung) dieses zweiten Aktes. Der zu spät entdeckte Fehler in dieser Angabe ist jedoch bloß an dieser einzigen Stelle unseres gegenwärtigen Bandes unversehens durchgeschlüpft, wo er – nach vollendetem Druck des Bogens – nicht mehr verbessert werden konnte; an allen folgenden darauf bezüglichen Stellen (z.B. S. 328) finden sich die richtigen Angaben. Zu besserem Überblick lassen wir hier die authentischen (von dem Verfasser nach den Originalen verglichenen) Daten für die einzelnen Akte der ›Götterdämmerung‹ folgen:


Authentische Termine zur Entstehung der Musik der ›Götterdämmerung.‹


Bleistiftskizze.


I. Akt begonnen: 9. Jan. 1870

Schluß: 5. Juni 1870.

II. Akt begonnen: 24. Juni 1871

Schluß: 25. Okt. 1871.

III. Akt begonnen: 4. Jan. 1872.

Schluß: 10. April 1872.


Orchesterskizze (Hochformat).


begonnen: Triebschen, 11. Jan. 1870

Schluß: 2. Juli 1870.

begonnen: 5. Juli 1871.

Schluß: 9. Nov. 1871.

begonnen: 9. Februar 1872.

Schluß: 22. Juli 1872


Partitur der ›Götterdämmerung‹.


Erster Akt. Begonnen: Bayreuth, 3. Mai 1873; Schluß: 24. Dezember 1873

Zweiter Akt. Anfang undatiert; Schluß: 26. Juni 1874.

Dritter Akt. Begonnen. Wahnfried, 10. Juni 1874; Schluß: 21. Nov. 1874.


(Zu Seite 293: Der alte weißhaarige Diener.) Wir haben uns begnügt, die Ungenauigkeit der – an sich höchst anspruchslosen und wohlgemeinten. – Sseroffschen Erinnerungen an einem einzigen Beispiel zu zeigen, ohne sie von Schritt zu Schritt in gleichem Sinne zu verfolgen. Die Tischszene z.B. wird folgendermaßen geschildert: ›Die prächtig geschmückte Tafel, unter Beaufsichtigung des alten (!) Jakob, stand in einem langen schmalen Raum, der durch Bildnisse Wagnerscher Helden geziert war. Wagner war sehr bei Laune, er befahl Jakob alten Rheinwein zu servieren: »aber wirklich alten, hörst Du?« – »Der spart immer seines Herren Gut«, fuhr er dann zu uns gewendet fort, »und will den Gästen keinen guten Wein geben«. Jakob bemerkte verlegen, daß doch nicht alle Gäste eines guten Weines wert seien.‹ – Daß Jakob Stocker, Vrenelis Mann (S. 440), damals höchstens vierzig Jahr alt war und dunkelbraune Locken hatte, ward bereits von uns bemerkt; außerdem aber gibt die ganze Schilderung ein falsches Bild der auf Triebschen herrschenden Sitten. Denn erstens, wurde die Dienerschaft nicht geduzt; zweitens aber war es nicht Stockers Gewohnheit, seinem Herrn zu entgegnen, er sprach überhaupt so gut wie nie; so daß die ganze Rheinwein-Geschichte – bei aller nichtssagenden Unbedeutendheit – sehr fraglich erscheint. Ähnlich bestellt, wie mit dieser einen herangezogenen Einzelheit, ist es aber auch mit den meisten übrigen Details dieser ›Erinnerungen‹, die wir an dieser Stelle nicht Revue passieren lassen können, weil uns dazu der Raum fehlt.


(Zu Seite 372/74: ›Lohengrin‹ in Bologna.) Vgl. dazu den geistsprühenden Aufsatz Bülows in dialogischer Form: ›Lohengrin in Bologna. Kein Leitartikel, sondern ein vertrauliches Gespräch (im australischen Stile) durch diplomatische Indiskretion in die Öffentlichkeit gebracht‹, – zuerst erschienen in der Leipziger Musikzeitung ›Signale für die musikalische Welt‹ (Dreißigster Jahrgang 1872, Nr. 2).


[450] (Zu Seite 355/56: Besuch bei Bismarck). Zu diesem Kapitel sind wir in der glücklichen Lage, noch einige authentische Einzelheiten hinzuzufügen. Zum Beispiel das Wort des Meisters an den Fürsten: ›Sie haben Etwas gekannt, was wir alle nicht kannten‹ (nämlich: die Kraft Preußens). Diese Äußerung steht mit der auf S. 356 dieses Bandes – aus dem Vorwort zu den ›Gesammelten Schriften‹ – zitierten in genauer Übereinstimmung. Von der auf S. 357 nach Heckel zitierten ›Pickelhaube‹ und ihrem ›Loch‹ hat sich im Hause Wahnfried keine Tradition erhalten; der Fürst habe vielmehr von dem ›Dampf‹ der partikularistischen Vorurteile gesprochen, dem er durch die Krone einen Abzug verschafft (›ich habe den Dampf durch die Krone durchziehen lassen‹). Es scheint ferner, als sei die Schrift ›Deutsche Kunst und deutsche Politik‹ dem Fürsten vor dieser Begegnung zugesandt worden; denn es könne nur bei dieser Unterredung gewesen sein, daß von Bismarcks Seite das Wort fiel: ›er sähe die Bücher nur mehr vom Rücken an.‹ Zu einer Verstimmung des Meisters mag der Umstand beigetragen haben, daß der Besuch am Ende – statt in eine bedeutendere und fruchtbare Unterredung – in eine diplomatische Plauderei zwischen Bismarck, Varnbühler und anderen auslief. Das Wort des Fürsten, ihm sei nie ein solches Selbstbewußtsein entgegengetreten, hat Lothar Bucher direkt aus seinem Munde vernommen und der Gemahlin des Meisters wiederholt, die sich dessen noch heute entsinnt; nur der einschränkende Zusatz ›bei einem Deutschen‹ rührt nicht von Bismarck her.


(Zu Seite 432: Ein charakteristischer Vorfall, den wir, da er nicht eben zu den erhebenden gehört, in den Anhang verweisen.) Mit dieser Verweisung auf den Anhang haben wir uns selbst in eine Verlegenheit gesetzt, da er schließlich auch nicht einmal für diese Stelle wichtig genug erscheint. Bereits auf S. 420 gedachten wir des Umstandes, daß sich zwei Berliner Journalisten, die Herren Otto Gumprecht (von der ›National-Zeitung‹) und Gustav Engel (von der ›Vossischen Zeitung‹) unschicklicherweise als angebliche Patrone unter die Festteilnehmer mit eingeschlichen hatten. Ihr ›Patronat‹ bestand darin, daß es sich ihre Redaktionen je 300 Taler hatten kosten lassen, die neuesten Nachrichten über den Verlauf der Feier zu erhalten! Nun waren diese beiden Herren, am Ende der Tafel unter den wirklich hingehörigen Freunden der Sache sitzend, mit dem Vorstande des Berliner akademischen Wagnervereins, dem Architekten Karl Coerper und dem bayerischen Hauptmann M. v. Baligand (S. 385) in einen Wortwechsel geraten, der unvermeidlich zu heftigeren Äußerungen führte und ein allgemeineres Aufsehen erregte. Alexander Ritter, am anderen Ende des Saales sitzend, wurde durch eine Dame darauf aufmerksam gemacht, es sei dort unten soeben ›ein blinder Herr beleidigt worden‹. Er begab sich auf eine Veranlassung an Ort und Stelle, ließ sich den Herrn zeigen und sagte. ›Nun, wenn es der Herr ist, so kann es mich nur freuen, wenn er beleidigt wird.‹ Es wäre nur gerecht gewesen, wenn die beiden Eindringlinge aus der Gesellschaft, in die sie nicht gehörten, einfach hinausgewiesen worden wären. Statt dessen geschah das volle Gegenteil: die ›Angst vor der Presse‹ (Ges. Schr. X, S. 176) bewirkte, daß die mit Recht durch ihre bloße Anwesenheit und ihr Benehmen provozierten Freunde ihnen noch eine Abbitte leisten mußten, was sowohl Ritter, der uns über den Vorfall berichtete, als den Meister, welcher bei seinem Wiedererscheinen im Saale davon erfuhr, innerlichst empörte.


(Zu Seite 435: Liszts allzu ritterliche Rücksichtnahme auf die, unheilbar gegen Wagner verstimmte, Fürstin Wittgenstein.) Tiefer belehrend, als alle vier Bände der Briefe Liszts an die Fürstin zusammengenommen, ist für die Beschaffenheit dieser Freundschaft der unvergleichliche Aufsatz: ›Zu Liszts Briefen an die Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein‹ in den ›Bayreuther Blättern‹ 1900, S. 69/101, nebst zahlreichen (20) ›Beilagen‹

Fußnoten

1 Friedrich Pecht, geb. 2. Oktober 1814, † 24. April 1903


2 München, C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung 1903.


3 Für Bülows Briefe, denen wir diese Zitate entnehmen, ist indes charakteristisch, daß Notizen dieser Art über die ihm so ungemein persönlich nahetretender Münchener Kabalen niemals den eigentlichen Inhalt seiner Mitteilungen ausmachen, sondern seinen Briefen lediglich als Postskripte gelegentlich angehängt sind.


4 Wir entnehmendiese Nachricht während des Druckes dem ›Musikal. Wochenbl.‹ v. 8. Oktober 1903, S. 572.

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 4, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 437-451.
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