XV.

Lohengrin in Weimar.

[434] ›Lohengrin‹ für Weimar bestimmt. – Neubegründung der Züricher Häuslichkeit. – Briefliche Verhandlungen wegen des Weimarer Lohengrin. – Die Aufführung und ihre Wirkungen. – Liszts Schrift über ›Lohengrin‹. – Karl Ritter und Hans v. Bülow am Züricher Theater. – Beteiligung an Konzerten der Züricher Musikgesellschaft.


Was Menschen und Umstände ermöglichen konnten, geschah, um das Werk dort zum Verständnisse zu bringen.

Richard Wagner.


Die Freundschaft Liszts zu Wagner hat einen so exzeptionell großartigen, liebevoll hochherzigen Charakter, daß nichts übler angebracht wäre, als aus dem Grunde mit ihr zu rechten, weil ihr die Erfassung einer so inkommensurablen Erscheinung, über deren volle Bedeutung erst uns Heutigen1 die Augen aufgehen, nicht gleich auf den ersten Anlauf gelang. Im Gegenteil, eben hierin beruht ihre bewunderungswürdige Eigenart; nichts kann unsere Hochachtung vor ihr so bestärken, als daß wir sie intellektuell vor unseren Augen zunehmen sehen, während sie in ihrer moralischen Energie sogleich fertig dastand. Als Liszt i. J. 1848 dem Meister zuerst sich befreundete, kannte er kaum noch den ›Tannhäuser‹, nämlich nur erst aus der stummen Partitur; erst indem er dieses Werk selbst einstudierte und aufführte, trat er zu ihm in ein näheres Verhältnis. Als er sich ein Jahr später des politisch Verfolgten großmütig annahm, kannte er den bereits seit Jahr und Tag vollendeten ›Lohengrin‹ überhaupt noch nicht; wie er sich auch diesem Werke, zunächst durch bloßes Studium der Partitur, innerlich nähert, dafür [435] sind in seinen Briefen an Wagner die sprechendsten Belege erhalten.2 Es fällt ihm schwer, sich von der ›wundervollen Partitur‹ zu trennen, als er sie Wagner nach Zürich schicken muß: ›je mehr ich in die Konzeption und in die meisterliche Durchführung eindrang, um so höher stieg meine Begeisterung für dieses außerordentliche Werk‹ Trotzdem mutet er dem Freunde noch einmal das Unmögliche zu und treibt ihn dadurch fast zur Verzweiflung. Aus dieser Not heraus aber erwuchs der entscheidende Schritt. auch dieses Werk sollte er vollends erst kennen lernen, indem er es, wie den ›Tannhäuser‹, in dem kleinen Weimar selbst einstudierte und aufführte. Und erst unter dem lebendigen Eindruck des ›Lohengrin‹ war jedes fernere Mißverständnis ausgeschlossen. Noch von Thun aus übersandte ihm Wagner (2. Juli 1850) das für den Druck bestimmte Textbuch, sowie die nötigen Anweisungen für Szenerie und Dekorationen, acht Wochen später geht die Aufführung in Weimar mit fast unglaublicher Promptheit vonstatten. Der Widerschein dieses Ereignisses gibt dem nun folgenden Züricher Lebensabschnitt seine bestimmte Färbung, sein Ziel und seine Richtung. Von dieser Grundlage und Voraussetzung aus ließ sich an ein weiteres künstlerisches Schaffen denken: der ›Lohengrin‹ in Weimar läßt alle vagen, unbestimmteren Unternehmungen der drangvollen letzten Zeit, selbst den ›Wieland‹-Entwurf, hinter den ganz bestimmten der Ausführung des ›Siegfried‹ zurücktreten, und ein paar weitere mächtige Schritte leiten in den folgenden Jahren zu dem noch gewaltigeren Plan der Trilogie vom ›Ring des Nibelungen‹.

Seine neue Behausung, in seiner Abwesenheit durch Minna ausgewählt, lag hart am See, in der Gemeinde Enge bei Zürich, in der sog. Sterngasse. Das Haus gehörte einer Frau Hirzel und hieß ›zum Abendstern‹; unter den Freunden, die oft genug seine Gastlichkeit erprobten, ward es bald unter dem Namen der ›Villa Rienzi‹ bekannt.3 Natürlich war es weit von jedem Luxus entfernt, mit dem es die Phantasie seiner Angehörigen in Deutschland ausstattete, unter denen sich noch jahrelang die Vorstellung von einer ihm gehörigen ›reizenden Villa‹ am Züricher See fortpflanzte, so daß er endlich dagegen protestierte.4 Aber er verstand das zu genießen, was sie ihm bot, und die ganze Folge seiner literarischen Arbeiten aus dieser Periode bis zum Abschluß von ›Oper und Drama‹ ist darin entstanden und zum Teil vor dem Druck in regelmäßigen Vorlesungen seinem Freundeskreis dargeboten. [436] ›Ich fühle mich jetzt wieder sehr wohl, und nach meiner Wahl möchte ich in der ganzen weiten Welt nicht anderswo leben als hier‹, schreibt er an Uhlig. ›Wir haben eine höchst angenehme Wohnung am See, mit den herrlichsten Aussichten, Garten usw. Im Hausrock gehe ich herunter und bade mich im See, – ein Boot ist da, auf dem wir uns selbst fahren. Dazu ein vortrefflicher Schlag Menschen: Teilnahme, Gefälligkeit, ja rührendste Dienstbeflissenheit, wohin wir uns nur wenden. Mehr und zuverlässigere Freunde, als ich je im weiten schönen Dresden finden konnte: alles ist froh, daß ich nur da bin.‹ ›Ach, was kommt Ihr mir dort unglücklich und bedauernswürdig vor!‹ Wirklich hörte er damals nicht auf, alles, was ihm lieb war, immer wieder zum Besuch, ja zur dauernden Niederlassung in seiner neuen Heimat einzuladen. Vor allen Uhlig, dessen sicheren Untergang im Dresdener Kapelldienst er ihm unablässig warnend voraussagt; sodann die Familie Ritter. Die faktische Übersiedelung dieser letzteren Getreuen in die Schweiz, in die Nähe des verehrten Künstlers, schien damals nur eine Frage der Zeit. Zu seinen wiederholten Aufforderungen an Uhlig bildet sie stets die Voraussetzung, und die vorläufige Hausgenossenschaft des ältesten Sohnes der Familie, des jungen Karl Ritter, konnte ihm als hoffnungsvolles Unterpfand für die Verwirklichung seines Wunsches gelten.

Begreiflicherweise verfolgte er, soweit dies brieflich möglich war, mit größter Spannung die Vorbereitungen der Weimarer Aufführung seines Werkes. Wohl mußte es ihm schwer fallen, ihr fern zu bleiben, da er sich doch bewußt war, in tausend Einzelheiten der Inszenierung, ja in Wahrheit von Anfang bis zu Ende des Werkes, einzig selbst die rechte Anweisung geben zu können Daher ist auch in seinen Briefen an Liszt von der Möglichkeit die Rede, ob ihm nicht seitens der Großherzogin (oder des Liszt befreundeten Herzogs von Koburg) vielleicht unter fremdem Namen, ein ›freies Geleit‹ aus der Schweiz nach Weimar und wieder zurück nach Zürich verschafft werden könne. Er versprach dagegen sein Inkognito mit stoischer Strenge durchzuführen und, soviel an ihm lag, auch nachträglich vor der Öffentlichkeit die nötige Verschwiegenheit zu bewahren. Er mußte zum ersten Male die Unversöhnlichkeit der offiziellen deutschen Politik an sich erfahren, welche auch den liberalsten unter den deutschen Fürsten gegen den ›Revolutionär‹ die Hände band. Dieser Politik galt eben die ›Politik‹ als solche für den Ernst und der ›Lohengrin‹ für Spaß, mochte es dem Künstler auch umgekehrt erscheinen. Wohl versicherten ihn Liszts Briefe der außerordentlichen und für das Gelingen günstigen Bedingungen der Aufführung: das ganze Personale werde Feuer und Flamme sein, Genast mit Wärme und Energie die Angaben bezüglich der Inszenierung befolgen, die Intendanz bei dieser Gelegenheit nahezu 2000 Taler ausgeben, was in Weimar seit Menschengedenken nie geschehen sei: auch verstehe es sich von selbst, daß keine [437] Note des Werkes gestrichen und es, soweit möglich, in seiner ganzen reinen Schöne gegeben werden solle. Trotzdem konnte er es sich nicht verschweigen, daß auch die genialste musikalische Leitung und der größte Pflichteifer der Regie – angesichts der durchgängigen Neuheit des Stiles – ein klares Bewußtsein ihrer Aufgabe nicht würde gewinnen können. In seinen Briefen an Genast5 bekennt er, wie sehr er darunter leide, daß ›in der Entfernung und ohne die Überzeugung der Sinne die Einbildung die schrankenloseste Macht über das Gemüt habe, weshalb auch Gespenster bekanntlich nur von Denen gesehen werden, die außerstande sind, sich von der Wirklichkeit handgreiflich zu überzeugen.‹ Die Aufführung selbst war auf den 28. August, den Goethetag, angesetzt, und zum festlichen Abschluß einer mehrtägigen Feier bestimmt, die am 25 August mit der Enthüllung des Herderdenkmals und Liszts ›Prometheus‹-Ouvertüre eröffnet werden, am 28, dem Goethetage, in der ›Lohengrin‹-Aufführung ihren Höhepunkt finden sollte. Soviel in seinen Kräften stand, suchte er aus der Ferne brieflich auf den Geist der Aufführung Einfluß zu gewinnen; in ununterbrochenem Briefwechsel stand er deshalb vor allem mit Liszt, demnächst mit dem Regisseur Genast und dem jungen, tätigen, feingebildeten Intendanten Zigesar, nach allen Richtungen hin unterweisend, anfeuernd, über die besondere Beschaffenheit des Werkes belehrend. Trotz seiner Abneigung gegen alle mechanische Tempobestimmung läßt er es auf besonderen Wunsch auch an metronomischen Bezeichnungen der hauptsächlichen Zeitmaße nicht fehlen, warnt vor Streichungen und vor verschleppenden Dehnungen der sogenannten ›Rezitative‹, die es, im gewohnten Sinne, in seinem Werke gar nicht gebe, und bezeichnet hingegen den einzigen Strich, den er späterhin auch in Partitur und Klavierauszug ausführen ließ: den Wegfall des zweiten Teiles von Lohengrins Erzählung.6 Bis zum letzten Augenblick blieb er bestrebt, durch briefliche Ergänzung der in der Partitur enthaltenen detaillierten Vorschriften auf die möglichste Genauigkeit der szenischen Darstellung einzuwirken. Noch drei Tage vor der Aufführung kamen Genast durch Liszts Vermittelung die letzten ergänzenden Anordnungen zu, jede von ihnen ein sicherer Beweis, wie staunenswert lebendig das Werk seinem Schöpfer bis auf das scheinbar geringfügigste Detail vor der Seele stand.7 ›Ich werde den Tag und Abend des 28. mit[438] meiner Frau allein auf dem Rigi zubringen‹, meldet er an Liszt. Auch entsandte er als Zeugen der Aufführung seinen jungen Freund und Hausgenossen Karl Ritter nach Weimar, um durch ihn mündlich über alle diejenigen Einzelheiten unterrichtet zu werden, deren Mitteilung und Erforschung auf dem Wege brieflicher Fragen und Antworten zu dem Unmöglichen gehört.

Der angekündigte Besuch des Rigi während der Weimarer Lohengrintage wurde in Begleitung Minnas und ihrer jüngeren Schwester Natalie ausgeführt, die damals, wie seit Anbeginn seiner Verheiratung fast ununterbrochen zu ihrem Haushalt gehörte. Sein sehnlicher Wunsch, seine Verbannung aus Deutschland nur für wenige Tage aufgehoben zu sehen, hatte trotz der Bemühungen seiner Freunde keine Erfüllung gefunden. So zog er es vor, anstatt in seiner Züricher Häuslichkeit, dort oben in der Bergeinsamkeit mit seinen Gefühlen ungestört dem Fortgange seines Werkes zu folgen. Eine Episode, die sich dabei zutrug, schildert Gustav Kietz auf Grund einer nachträglichen brieflichen Aufzeichnung Nataliens, die seltene Erscheinung des im Volksmunde sogenannten ›Rigi-Ge spenstes‹, einer beim Sonnenuntergang eintretenden Luftspiegelung von täuschender Lebendigkeit. Nach dem Aufstieg nämlich sei Wagner an den äußersten Rand des Rigi-Kulms vorgeschritten, während Minna in das Haus ging, um für das Abendbrot Auftrag zu geben. Als sie beim Heraustreten zum Himmel emporblickte, sah sie das Bild ihres Mannes ganz körperlich wie in einem Spiegel in der Atmosphäre sich reflektieren, und als sie ihm von unten aus die Worte zurief. ›Richard, bewege dich einmal mit den Armen‹, da spiegelte sich auch jede seiner Bewegungen am Himmel wieder. Dann trat Minna an seine Seite, und beide bewegten sich froh wie die Kinder, sich ihres himmlischen Spiegelbildes so lange erfreuend, bis diese seltene Lufterscheinung vorüber war. ›Mußte‹, so fügt der Wiedererzähler hinzu, ›mußte dieses nie zuvor gesehene Wunder – gerade in der Stunde der ersten Lohengrin-Aufführung – die Herzen beider nicht mit frohen Hoffnungen erfüllen und dem verbannten Schöpfer des herrlichen, weihevollen Werkes den Abend in der Bergeinsamkeit zu einem verheißungsvollen glücklichen machen?‹ Gewiß wäre daraus in einem früheren Jahrhundert eine der wundersamsten Legenden entstanden.8

[439] Inzwischen war an dem gleichen großen Tage die kleine abgelegene thüringische Hauptstadt von Zugereisten aller Nationen, insbesondere von deutschen und französischen Notabilitäten angefüllt ›Käme die Aufführung zustande‹, hatte der junge Bülow gleich bei der ersten Nachricht davon an seine Mutter geschrieben ›so wäre das wirklich kolossal, und Weimar müßte Hauptstadt der Welt werden.‹ Nun, so etwas wie die Hauptstadt der artistischen Welt, ein Vorläufer des dereinstigen Bayreuth, schien Weimar in jenen Tagen zu sein. Die angesehensten Musiker, Künstler und Schriftsteller des In- und Auslandes hatten sich zu dieser außerordentlichen ›Herderfeier‹ eingefunden, von französischen Gästen u.a. Jules Janin und Gerard de Nerval, der Übersetzer des ›Faust‹ ins Französische, an Meyerbeers Seite auch Wagners späterer erbitterter Gegner Fétis, von deutschen u.a. Gutzkow. Von Dresden aus waren Uhlig, die Familie Ritter, Bülow und seine Mutter zu dem Ereignis herbeigeeilt, zahlreicher Besuch aus der näheren und ferneren Nachbarschaft durch die Eisenbahn von allen Seiten herbeigeführt. In achtunddreißig Proben war das Werk trotz seiner völligen Neuheit und Fremdartigkeit allen Mitwirkenden wenigstens nach der musikalischen Seite hin so völlig in Fleisch und Blut übergegangen, daß schon die Generalproben am 26. und 27 August hohe Kunstgenüsse darboten. Die Aufführung wurde durch einen Prolog von Franz Dingelstedt eingeleitet: er schilderte den Geist, der hier im Thüringer Lande von dem Sängerkrieg auf Wartburg bis zu der Epoche der klassischen Meister der deutschen Dichtung geherrscht, aus ihm sei auch das Ereignis der heutigen Festaufführung hervorgegangen. Der szenische Teil der letzteren erfüllte, unter Genasts beeiferter Leitung, alle billigen Forderungen; die Darsteller und die Darstellerinnen Beck (Lohengrin), Milde (Telramund), Höfer (König Heinrich), Aghte (Elsa), Faßtlinger (Ortrud) boten alle Kräfte zum Gelingen auf. Immerhin blieb der rein gesanglich musikalische Teil ihrer Leistung für sie noch in dem Grade die Hauptsache, daß sich aus diesem Verhältnis die seltsamsten Unterlassungssünden gegen das Drama erklären. Um diese mit einem einzigen Beispiel zu charakterisieren, sei nur ein so in die Augen fallender Zug, wie Ortruds drohende Gebärde am Schlusse des zweiten Aufzuges, angeführt; die darauf bezügliche Bemerkung in der Partitur war, wie so manche ähnliche, bei diesem allerersten Ringen um die Verwirklichung des großen Neuen, noch dazu in Abwesenheit des Schöpfers und Meisters, von den Beteiligten einfach übersehen worden! Mit Humor schildert Bülow, in seinen vertraulichen brieflichen Aufzeichnungen aus jenen Tagen, das Verhalten seines Jugendfreundes, des jungen Karl Ritter. im Vollgefühl seiner besonderen Eigenschaft als Abgeordneter des verehrten und bewunderten Künstlers, die Partitur des Werkes bis in die kleinsten Züge in Kopf und Herzen, ließ er sich anfänglich dazu verleiten, gegenüber den unvermeidlichen Mängeln einer [440] solchen Erstaufführung in jugendlichem Übereifer den radikalen Rigoristen hervorzukehren Liszt verglich sein erstes Auftreten in Weimar scherzenderweise dem eines représentant du comité du salut public (– ›suspectguillotiné‹)!, bat ihn aber doch bei einem gemeinsamen Mittag im Erbprinzen mit unwiderstehlicher Liebenswürdigkeit ›ihn bei Wagner nicht allzu schlecht zu machen‹.9 Ritter sah das Ungerechte seiner Kritik ein, und seine brieflichen und – nach seiner Rückkehr am 10. September abends – mündlichen Berichte hatten das Gute, daß der Meister über jedes Detail des Vortrages und der szenischen Wiedergabe seines Werkes wohlunterrichtet war, während andererseits Liszt in seinem nächsten Briefe an Wagner ›Herrn Ritter viel Dank weiß‹, daß er ihm ›nicht zu viel übles über die erste Aufführung berichtet habe, die zweite sei bei weitem befriedigender gewesen‹.

Das Wichtigste, was der Wunsch und die Begeisterung Liszts für das Werk, dieses ›einzige unteilbare Wunder‹,10 durchgesetzt hatten, war der Umstand, daß es ohne jede opernmäßige Verkürzung, Takt für Takt nach der Partitur gegeben wurde. Schon in der Zwischenzeit bis zur zweiten Vorstellung wurde jedoch der Künstler durch die dringendsten brieflichen Bitten um Zugeständnisse von Kürzungen oder Ansuchen um eigene dahin zielende Vorschläge von neuem in leidende Erregtheit versetzt. Seine Briefe an Liszt, vom 8. und 11. September, von denen der eine vor, der andere nach der Rückkehr des jungen Ritter verfaßt sind, nicht minder seine gleichzeitigen Schreiben an Zigesar und an Genast, sind der Ausdruck dieser Stimmung Es war der alte Ansturm der Trägheit und Schlaffheit des gesamten modernen Opernwesens, dem er bei diesem Anlaß nicht bloß standzuhalten, nein, den er gerade dieses Mal, oder nie wieder, zu besiegen hatte. Somit handelte es sich für ihn um eine künstlerische Prinzipienfrage. ›Gewinne ich diesen Sieg nicht, und muß ich diesmal, wo ich einen so mächtigen Bundesgenossen an der Seite habe, wie Dich, kapitulieren, – so gehe ich in keine Schlacht mehr! Kann mein Lohengrin nur durch die Zerreißung seines wohlberechneten künstlerischen Zusammenhanges aufrecht erhalten werden, – so gebe ich die ganze Oper auf.‹ Nicht der gesunde Organismus seines Werkes solle verstümmelt, sondern der kranke Organismus unseres verstümmelten Operntheaterkörpers nach besten Kräften kuriert werden ›Was für Sie‹, schreibt er (9. Sept.) in einem schönen ernsten Briefe an Zigesar ›was für Sie eine Angelegenheit des Wohlwollens gegen mich ist, ist für mich leider die Lebensfrage meiner ganzen künstlerischen [441] Seelenexistenz, an der mit blutenden Nerven mein ganzes Dasein überhaupt hängt.‹ Und dem redlichen Genast, der sich für seine Streichungsvorschläge auf das Publikum berief, erwidert er in einem ausführlichen Schreiben vom 23. Sept.: ›Wie ich ersehe, tragen Sie sich weniger mehr mit der Sorge für die Tüchtigkeit und Gelungenheit der Aufführung, sondern dafür, daß die Oper und meine Intentionen überhaupt auch bei dem sog. größeren Publikum leichteren Eingang und dauernde Wirkung gewinnen möchten Sie verbinden hiermit namentlich auch den Wunsch, meinen Opern im allgemeinen die Bahn zu brechen, und erbieten sich, mir dazu den Steg über die Kluft zu bauen, die für diesen Zweck zu überschreiten sein möchte. Ich muß es ganz Ihrer Ansicht überlassen, wie Sie in dieser, mir so freundlichen Absicht zu verfahren für gut halten, und kann nicht anders als froh darüber sein, daß ich mir Männer gewonnen habe, die in ihrer Sorge für mich und meine Werke es so eifrig meinen, daß sie sich selbst über die Natur der Sache täuschen, um die es sich hier handelt‹. ›Die Leute, die nach dem zweiten Akte des Lohengrin das Theater verlassen, sind nicht durch die Dauer ermüdet und auch nicht durch Lärmen betäubt, sondern sie erliegen, je besser sie intentioniert sind, der ungewohnten Anstrengung, die ihnen das aufgedrungene Erfassen einer dramatischen Darstellung verursacht, die sich nicht an den Viertel- oder halben, sondern an den ganzen Menschen wendet. Untersuchen Sie genau, so werden Sie mir recht geben müssen. Wollen Sie nun das Publikum wirklich erziehen, so müssen Sie es vor allen Dingen zur Kraft erziehen, ihm die Feigheit und Schlaffheit aus den philisterhaften Gliedern treiben, es dahin bestimmen, im Theater sich nicht zerstreuen, sondern sammeln zu wollen. Erziehen Sie das Publikum nicht zu solcher Kraftübung im Kunstgenuß, so verschafft Ihr Freundeseifer weder meinen Werken, noch meinen Intentionen Verbreitung. Die Athener saßen von Mittag bis in die Nacht vor der Aufführung ihrer Trilogien, und sie waren ganz gewiß nichts anderes als Menschen; allerdings aber waren sie namentlich auch im Genusse tätig. Dies, verehrtester Freund, erwidere ich im allgemeinen als meine Ansicht über die Sache Überzeuge ich Sie nicht, so muß ich es Ihnen allerdings überlassen, Ihrer Sorge für mein Werk nach Ihrem Dafürhalten sich zu entäußern; mir aber mögen Sie es nicht verargen, durch Ihre Maßregeln höchstens einen Erfolg bei den ehrenwerten Philistern Weimars, keineswegs dadurch aber eine Verbreitung meiner Opern mir versichert zu sehen Was mir an jenem Erfolge liegt, ist nicht übermäßig.‹ Was die vorgeschlagenen Kürzungen selbst betrifft, deren Genasts Brief ein ganzes Verzeichnis enthielt, so wünscht Wagner künftig in ähnlichen Fällen lieber nichts davon zu erfahren. ›An jeder derselben wüßte ich Ihnen und wahrscheinlich überzeugend darzutun, wie schmerzlich sie mein künstlerisches Ehrgefühl verletzte. Ich frage Sie, mit welchem Gefühle, mit [442] welcher im voraus geknickten Begeisterung soll ich mich nächstens wieder an die Komposition eines musikalischen Dramas machen, wenn ich bei Durchführung der wohlempfundensten und als notwendigst erachteten Motive mich der Stellen aus Lohengrin entsinnen muß, die meine besten Freunde für auslassungsfähig gehalten haben?‹11

Ein so energischer Appell an das künstlerische Gefühl des – so gutgewillten – Weimarer Kreises blieb denn auch nicht ohne Erfolg. Liszt erwiderte ihm: ›Deinem Wunsch gemäß haben wir bei der zweiten Aufführung nicht die kleinste Silbe aus Deinem Lohengrin entfernt, denn nach Deinem Brief wäre es meiner Ansicht nach eine Schlechtigkeit gewesen, auch nur den geringsten Strich zu wagen.‹ Die engen und dürftigen Verhältnisse des kleinen Weimarischen Theaters, an welchem Liszts treue und begeisterte Gesinnung es unternahm, den erhabenen Kunstzielen seines großen Freundes zu dienen, nötigten ihm für die Folge dennoch gewisse Konzessionen ab; durfte es ihm doch den sonstigen Weimarischen Gewohnheiten gegenüber als ›eine Art von Mirakel‹ erscheinen, daß ›Lohengrin‹ überhaupt in derselben Saison (bis zum 11. Mai 1851) fünfmal zur Aufführung kam! Außerdem aber zeigte sich sein rastloser Eifer noch in einer anderen Tat: in seinem öffentlichen literarischen Eintreten für das, seiner bisherigen Verborgenheit so glänzend entzogene Werk, in seinem mit genialem Schwung und begeisterter Wärme geschriebenen Aufsatz über ›Lohengrin‹, den er späterhin mit seinem älteren ›Tannhäuser‹-Artikel (S. 396) in Buchform zu einem Ganzen vereinigte.12 Er legte darin der Öffentlichkeit seine eigene Anschauung und Empfindung über beide Werke in einer Weise vor, die an überzeugender Beredtheit und hinreißender Wirksamkeit ihresgleichen suchte. ›Es erstand ein überragendes Genie‹, heißt es darin von Wagner ›ein sprühender Flammengeist, berufen, eine doppelte Krone von Feuer und von Gold zu tragen; der träumte kühn, wie Dichter träumen, ein Ziel so hoch sich zu stecken, daß, wenn es je von der Kunst erreicht und von der Gesellschaft anerkannt werden kann, dies sicher nur in einer Zeit geschehen wird, wo das Publikum sich nicht mehr aus jener schwankenden, gelangweilten, zerstreuten, unwissenden Masse zusammensetzen wird, die in unseren Tagen in die Schauspielhäuser kommt, zu Gericht zu sitzen und Gesetze zu diktieren, deren Macht selbst die Kühnsten nicht zu widerstreben wagen. ‹ Dem hohen Schwunge der Begeisterung, die aus diesen Worten weht, entspricht in der poetischen und musikalischen Analyse beider Werke das Feuer und die liebevolle Versenkung [443] in die Intentionen des dichterischen Musikers. Dazu als Ausdrucksmittel die bilderreiche Sprache eines wirklichen Dichters, unter dessen Händen die bloße Reproduktion des mit tiefer Sympathie erfaßten fremden Kunstwerkes durch die eigenartige Auffassung seiner poetischen Idee selbst wieder zum Kunstwerk wird. Diese merkwürdige Beschaffenheit der Lisztschen Schreibweise ist von niemandem besser gewürdigt worden als von Wagner selbst, dem sie den lebhaften Wunsch erregte, daß sich Liszt, zu einem seiner würdigen musikalischen Bühnenwerke, sein eigener Dichter werden möchte.

Mit diesem ›Lohengrin‹-Artikel stellte sich Liszt nun aber doch nur an die Spitze einer ganzen Schar durch seine Begeisterung inspirierter großer und kleiner Propheten, die der bis dahin in künstlicher Unkenntnis erhaltenen Welt mit einem Schlage ein ganz neues Kunst-Evangelium verkündeten. Am wenigsten erfreulich nahm sich darunter Dingelstedts Aufsatz in der Augsburger Allgemeinen Zeitung aus: ein buntscheckiges Durcheinander, worin dieser schöngeistige Literat und Prolog-Dichter seine eigene Konfusion auf das von ihm unverstandene Werk übertrug Im Vergleich zu diesem verunglückten Versuch eines deutschen Dichters und Schriftstellers machte der Bericht des geistreichen Franzosen Gerard de Nerval in der Pariser ›Presse‹ trotz aller darin zutage tretenden, an das Komische grenzenden Mißverständnisse der dramatischen Handlung doch einen bei weitem respektableren Eindruck; trotz aller Irrtümer hatte sich der Verfasser desselben aus Liszts Äußerungen ein Bild gemacht, das klar und deutlich wenigstens auf die Absicht des Künstlers hinwies. Liszts eigener, später mit dem ›Lohengrin‹-Aufsatz verschmolzener Bericht über das Weimarer ›Herderfest‹ war durch Jules Janin im ›Journal des Débats‹ vom 22. Oktober einigen Veränderungen und Verkürzungen unterzogen, die indes seine Gesamtwirkung nicht beeinträchtigten; in der ›Neuen Zeitschrift für Musik‹ hatte sich Uhlig in würdiger Weise vernehmen lassen, und selbst die dem Meister bei jeder Gelegenheit feindseligen Leipziger ›Signale‹ brachten einen Artikel aus der Feder J. C. Lobes, dessen unumwundener Ernst den Künstler überraschte und erfreute.13 In der Berliner ›Nationalzeitung ‹ trat Adolf Stahr mit einem Aufsatz über den Weimarer ›Lohengrin‹ verheißungsvoll hervor; ferner im Frankfurter, Konversationsblatt ›der Weimarische Referendar (nachmals Regierungsrat) Franz Müller. Letzterer verband mit dem ihm eigenen regen Kunstsinn eine so reiche und gründliche Sagenkenntnis, daß er durch diese ungewöhnliche Eigenschaft bis auf ferne Zeiten hinaus sich als einer der berufensten Interpreten der Werke des Meisters nach ihrer poetischen Seite hin bewährt hat.14 Selbst ein Gutzkow, der sich unseres Wissens [444] öffentlich gar nicht geäußert hat, schrieb darüber privatim an Herrn von Zigesar:‹ Die Intentionen dieser Oper sind so würdig, daß sie mir noch lange den Nachklang über das Gemeine ›Irdische zurückließen.‹15 ›Wahrlich, Du hast aus diesem kleinen Weimar für mich einen wahren Feuerherd des Ruhmes gemacht‹, attestiert Wagner dem Weimarer Freunde. ›Wenn ich die zahlreichen, ausführlichen und oft sehr geistvollen Aufsätze über Lohengrin übersehe, die jetzt von Weimar ausgehen, und dagegen überlege, mit welcher neidischen Feindseligkeit z.B. in Dresden beständig die Rezensenten über mich herfielen, und mit welcher traurigen Konsequenz sie fast auf eine systematische Verwirrung des Publikums über mich hinarbeiteten, so kommt mir Weimar jetzt wie ein seliges Asyl vor, in dem ich endlich tief und frisch aufatmen und meinem gepreßten Herzen Luft machen kann.‹

Das ganze schöne Weimarer Ereignis mit all seinen, durch Liszts Eifer hervorgebrachten weiteren Konsequenzen schien dem verbannten Künstler zuzurufen: ›Sieh, soweit haben wir's gebracht; nun schaff' uns ein neues Werk, damit wir's noch weiter bringen!‹ In der Tat waren es dieser Zuruf und diese Aufforderung, die ihn den Gedanken an die musikalische Ausführung seines ›Siegfried‹ mit erneutem Mute ergreifen ließen. Für die sofort zu bewerkstelligende Aufführung hatte er einzig Liszt und diejenigen seiner Freunde im Auge, die er nach seinen letzten Erfahrungen unter dem lokalen Begriff: Weimar zusammenfaßte.16 Er betrachtete die bevorstehende endliche Wiederaufnahme seiner künstlerischen Pläne als einen der entscheidendsten Momente in seinem Leben. ›Zwischen der musikalischen Ausführung meines Lohengrin und meines Siegfried liegt für mich eine stürmische, aber – ich weiß – fruchtbare Welt. Ich hatte ein ganzes Leben hinter mir aufzuräumen, alles Dämmernde in ihm mir zum Bewußtsein zu bringen, die notwendig mir aufgestiegene Reflexion durch sich selbst zu bewältigen, um mich mit klarem, heiterem Bewußtsein wieder in das schöne Unbewußtsein des Kunstschaffens zu werfen.‹ Nur sah er deutlich voraus, daß er vor dem Frühjahr nicht zu seinem ›Siegfried‹ gelangen würde und bestimmte sich diesen Zeitpunkt als den Termin für die Inangriffnahme seines neuen Werkes, den Winter aber zu jenem völligen ›Aufräumen‹, d.h. zum Abschluß der literarischen Epoche, in die er mit seinen neueren Schriften getreten war. Bereits in seinem Briefe an Liszt vom 25. November 1850 gibt er einen vollständigen Abriß dieser ihm vorschwebenden literarischen Pläne und Absichten, [445] in welchem über sein großes dreiteiliges Werk. ›Oper und Drama‹ hinaus, bereits auch schon der Veröffentlichung seiner ›drei Operndichtungen‹ mit einem autobiographischen Vorwort gedacht ist. Ja selbst über diese Arbeit hinaus finden wir darin noch die fernere Absicht mit ausgesprochen: seine älteren, vor zehn Jahren entstandenen Pariser Aufsätze, darunter seine Beethoven-Novelle, zu einem ›vielleicht nicht unamüsanten‹ Bande zu vereinigen.17 Aus ihm solle, wer sich für seine künstlerische Entwickelung interessiere, ihre Anfänge kennen lernen. ›So räume ich diesen Winter noch vollends hinter mir auf: ich will ohne irgendwelche Last frei und leicht in eine neue Welt eintreten, in die ich nichts mitbringe, als ein frohes künstlerisches Gewissen. Damit würde ich denn, froh und erleichtert, im Frühlinge ankommen, um ohne Unterbrechung meinen »Siegfried« vorzunehmen und zu beendigen.‹

Indem wir uns die eingehende Verfolgung dieser literarischen Tätigkeit für einen besonderen Zusammenhang aufsparen, liegt es uns zunächst ob, einen Blick auf das äußere Leben des Meisters während des Winterhalbjahres von 1850 zu 51 und seine wiederholt darin entfaltete Betätigung als Dirigent zu werfen. Als Boden für diese Wirksamkeit dienten ihm einerseits die Konzerte der Züricher ›Allgemeinen Musikgesellschaft‹ im großen Kasinosaale, anderer seits die Opernaufführungen des dortigen Aktientheaters. Mit seiner Beteiligung an diesen letzteren hatte es die folgende besondere Bewandtnis. Wie bereits erwähnt, war der junge Karl Ritter von der Weimarer ›Lohengrin‹-Aufführung zu dauerndem Verweilen nach Zürich zurückgekehrt, um unter Anleitung Wagners sein musikalisches Talent durch praktische Studien auszubilden Seinem Wunsche, Musikdirektor zu werden, begegnete der Meister mit Einwürfen, deren Berechtigung in der Folge klar zutage trat; da er dennoch dabei beharrte, setzte sich Wagner mit dem damaligen Theaterdirektor W. Kramer ins Einvernehmen. Dieser beeilte sich, [446] dem Meister selbst die Musikdirektion gegen ein bestimmtes monatliches Gehalt anzubieten, wobei er sich ja ganz nach Belieben von seinem Schüler helfen lassen könne, begnügte sich jedoch, als Wagner darauf nicht einging, mit seiner Bürgschaft dafür, daß auf alle Fälle dem Theatergeschäftsgang durch die Unerfahrenheit seines jungen Freundes keine Störung erwachsen solle Unter diesen Umständen ward die neue Züricher Theatersaison am 2. Oktober 1850 eröffnet Gleich in der ersten Probe zur ›Weißen Dame‹ war Wagner verwundert über die Vortrefflichkeit des Personales, besonders des Tenoristen Baumhauer und der sehr guten, mit klangvoller, umfangreicher Stimme und gesundem Ausdruck begabten ersten Sängerin. Alles übrige war zur Not erträglich, das neu engagierte Orchester ganz gut und rein stimmend, – kurz, er konnte es Ritters großer Befangenheit nicht überlassen, diese Leute dem Publikum vorzuführen. Er entschloß sich daher, die erste Aufführung (11. Oktober) selbst zu dirigieren, und tat dies auch noch bei einer Wiederholung der Oper. Hiermit war aber nun die Theaterangelegenheit auf einmal in eine ganz andere Sphäre geraten. Es hatte ihn gereizt, bei den geringen äußeren Mitteln alle Wirkung nur durch eine seine und drastische Darstellung hervorzubringen; das war denn natürlich auch für Zürich etwas Neues, und sehr bald stellte sich, als Folge davon, eine auffallend rege Teilnahme auch des eigentlich gebildeten Publikums für das neue Theaterunternehmen heraus. Hatte er von vornherein die ganze Theatersache nur (wie er sich vertraulich gegen Uhlig ausdrückt) als eine ›Schmiere‹18 betrachtet, die zu nichts Weiterem gut sein sollte, als um seinen jungen Freund das Dirigieren erlernen zu lassen, so war unter seinen Händen unvermerkt aus der ›Schmiere‹ eine Anstalt geworden, in der sich das Publikum wirkliche Kunstgenüsse gewinnen wollte, und es wurde ihm ungemein erschwert, sich davon zurückzuziehen, bevor er mit gutem Gewissen gegen sich selbst, die Künstler und das Publikum behaupten konnte, daß sein Zögling der von ihm erwählten Aufgabe in Wahrheit gewachsen sei.

Um diese Zeit trat, durch eine besondere Verkettung der Umstände, der junge Hans von Bülow, soeben in Berlin auf Wunsch seiner Eltern die Rechte studierend, mit voller Entschiedenheit in den mächtigen Bannkreis der Kunst, zu der er berufen war. Auch von Berlin aus hatte er die Fühlung und Beziehung zu dem verehrten Meister nie aufgegeben; teils durch Uhlig, teils durch seinen Vater, teils auch durch direkten Briefwechsel war er über Wagners Schicksale stets nach Möglichkeit auf dem Laufenden geblieben.19 Nun hatte sich sein Vater Eduard von Bülow, nach [447] erfolgter Scheidung von seiner ersten Gattin, soeben neu vermählt und in der Schweiz das schöne, im Kanton Thurgau gelegene Schloß Ötlishausen gekauft, in der Absicht, es zu seinem dauernden Wohnsitz zu machen. Hier war Hans von Bülow, nachdem er mit seiner Mutter in Weimar dem ›Lohengrin‹ beigewohnt, am 10. September angelangt, um dem Vater auf dessen neuer Besitzung einen Besuch abzustatten. Hier kämpfte er den harten Kampf einer letzten Entscheidung zwischen dem inneren Ruf und dem unbeugsamen Willen seiner Eltern aus, die ihn mit rücksichtsloser Gewalt in der einmal auf ihren Wunsch ergriffenen Laufbahn festhalten wollten Durch Ritter hatte Wagner ihm mitteilen lassen, daß an den praktischen Übungen am Züricher Theater ebenso gut als Einer, auch Zwei teilnehmen könnten, zugleich mit dem Anerbieten, ihm hierbei ganz in demselben Maße, wie Ritter, behilflich sein zu wollen. Mit wahrer Ergriffenheit sprach ihm Bülow dafür brieflich seinen Dank aus, bekannte aber mit desto größerem Schmerze, daß er daran verzweifle, die Zustimmung seiner Mutter zu diesem Schritt zu erhalten. Auch der Vater ließ nicht ab, an ihm zu arbeiten, so daß er ihn fast zur Resignation überredete. ›Ich hatte mich‹, erzählt Bülow ›durch Papas Zureden fast schon zur Rückreise nach Berlin entschlossen, selbst ohne Wagner zu sehen, als mir Ritter, von Wagner gesendet, einen Brief von diesem überbrachte, der mich veranlaßte stehenden Fußes den Entschluß zu fassen: nach Zürich zu gehen und dort unter Wagners Leitung die Musikdirektorstelle zu verwalten. Wir machten die Fußreise in zwei Tagen, in dem fürchterlichsten Wetter, unter unaufhörlichem Regen und Sturm; zerschlagen kam ich an, doch den anderen Morgen war ich ziemlich munter und erholt.‹ ›Wagners Brief und noch mehr die mündliche Unterredung mit ihm hat mich zu der festen Absicht gebracht, den Winter in Zürich bei ihm zuzubringen‹, schreibt er bald darauf an die Mutter. ›Ich mußte handeln, ganz handeln, keine Brücke zur Rückkehr, zu etwaiger Reue bestehen lassen. Jetzt ist's entschieden, ich werde Musiker.‹ ›Die Verehrung und Liebe, welche ich für Wagner seit langer Zeit hege, kennst Du. Er hat sich so schön, so nobel, so väterlich gegen mich benommen, daß ich ihm zu ewigem Danke verpflichtet bin.‹20 Mit einer Selbstverleugnung ohnegleichen besuchte damals der Meister die Klavier- und Orchesterproben nicht allein der ›Weißen Dame‹, sondern selbst einer ›Regimentstochter‹, um seine Zöglinge in die Praxis der Opernleitung einzuführen.21 Wem schwebte dabei [448] nicht das noch in demselben Winter niedergeschriebene schöne Wort am Schlusse von ›Oper und Drama‹ vor: ›wir sind Ältere und Jüngere: denke der Ältere nicht an sich, sondern liebe er den Jüngeren um des Vermächtnisses willen, das er in sein Herz zu neuer Nahrung senkt!‹ ›Ich höre meine beiden Musikdirektorgesellen kommen‹, schreibt er am 13. Oktober in einem Briefe an Frau Ritter in Dresden, ›sie haben die Regimentstochter in Arbeit gehabt, und kommen sich zu tränken und zu speisen. Hans hat seine Sachen noch nicht nachgeschickt erhalten und wandelt für jetzt in Karls Gewändern gravitätisch einher‹ Vier Treppen hoch in der Othenbacher Straße hatten die beiden jungen Leute ihr Logis; dort genossen sie des Morgens, um den kostspieligen Luxus des Kaffees zu vermeiden, eine selbst zubereitete Wassersuppe. ›Zu Mittag essen wir bei Wagner, wo sehr gut gekocht wird, was seine Frau gründlich versteht‹, meldet Bülow brieflich seiner Schwester Er erwähnt auch Minnas freundliches und zuvorkommendes Wesen und die mütterliche Aufmerksamkeit, mit der sie ihm eines Tages, ohne ein Wort zu sagen, seinen aus Ötlishausen mitgebrachten, zerrissenen Regenschirm flickte. Am 27. Oktober dirigierte Wagner persönlich vor überfülltem Hause den ›Freischütz‹, am 8. November den ›Don Juan‹. Inzwischen hatte Bülow nach seiner ersten guten Einführung mit der ›Regimentstochter‹ (14. Oktober) schon drei weitere Opern: ›Zar und Zimmermann‹, den ›Barbier von Sevilla‹ und ›Fra Diavolo‹, unter seinem Taktstabe an das Theaterlampenlicht gebracht und sich dabei von vornherein, ohne jede vorausgegangene Übung, durch seine unerhörte Umsicht und sein enorm seines Gehör als tüchtigen, talentvollen Dirigenten bewährt. Um so ungerechter war es, daß ihm die Arbeit durch mannigfache Intriguen der Sänger und selbst des Orchesters erschwert wurde, die es mit Gewalt durchzusetzen versuchten, daß Wagner stets dirigiere. Im Betreff der ›Don Juan‹-Aufführung erfahren wir durch Bülow, daß sich der Meister darum ganz außerordentliche Mühe gegeben. ›Wir hatten alle drei mehrere Tage und Nächte die inkorrekten Orchesterstimmen korrigiert, fehlende Instrumente, als Posaunen, durch andere – tiefe Trompeten usw. ersetzt; Wagner hatte die italienischen Rezitative in einen guten lebendigen Dialog deutsch übertragen, einige sogar in der ursprünglichen Gestalt mit aufgenommen; ferner die Szenerie vereinfacht, den störenden vielfachen Dekorationswechsel durch geschickte Reduktion auf einen einzigen in der Mitte des ersten Aktes ersetzt, und die letzte Arie der Donna Anna auf den Kirchhof verlegt, wohin sie [449] sich mit dem Oktavio begibt, für den ein kleines, von Wagner komponiertes Rezitativ zur Motivierung der Arie vorherging Es hat mich im Innersten empört, wenn ich daran dachte, wie man früher in Dresden Wagner vorgeworfen hat, er dirigiere die Mozartschen Opern absichtlich schlecht und könne diese Musik nicht leiden in eitlem Selbstgefühl; dieses warme, lebendige, sich so durch uneigennützige Tat aussprechende Kunstgefühl der vernünftigsten Pietät für Mozart wird keiner dieser Pseudoverehrer desselben je an den Tag legen!‹

Unter so verhältnismäßig günstigen Dispositionen der Züricher Oper konnte selbst daran gedacht werden, ausnahmsweise ein Werk des Meisters selber zur Aufführung zu bringen. Daß hierfür der ›fliegende Holländer‹ als Benefiz-Vorstellung für die erste Sängerin, Frau Rauch-Wernau, in Aussicht genommen worden sei, erfahren wir aus einem Briefe Karl Ritters vom 24. November.22 Leider gab eben dieselbe Sängerin durch ihr Mißverhalten zu Bülow schon acht Tage später den Ausschlag, daß den fortdauernden Reibungen im Personale durch eine Kündigung von seiner Seite ein Ende gemacht wurde, wodurch sich denn auch die vorübergehenden Beziehungen Wagners zum Züricher Theater lösten. Der beabsichtigte Zweck war jedoch erreicht, und die beiden jungen Musikdirektoren traten unmittelbar darauf ein Engagement in dem benachbarten St. Gallen an, während die weitere Leitung der Opernaufführungen in die Hände des Musikdirektors Franz Abt überging.

Das wohlgesinnte, zum Teil begeisterte Entgegenkommen des Züricher Publikums bestimmte den Meister gelegentlich auch zur Beteiligung an den, in der Regel unter der Leitung des ebengenannten Musikdirektors und Liederkomponisten Franz Abt stehenden, Abonnements-Konzerten der dortigen Allgemeinen Musikgesellschaft. Sechs an der Zahl, pflegten diese alljährlich wiederkehrenden Musikvorführungen die Elite der Stadt in dem Raume des Züricher Kasino-Saales zu versammeln; die Teilnahme daran galt als zum guten Ton gehörig. Trotzdem wurden sie ihrem künstlerischen Werte nach von Wagner jedenfalls nicht zu streng beurteilt, wenn er sie in seinen Nachrichten an Liszt lediglich in dem Sinne erwähnt, daß er sich ›in den hiesigen – erbärmlichen – Konzerten‹, durch seine Beteiligung daran, zu seinem Lebensunterhalt ›ein kleines Honorar verdiene‹. Als Dirigent von Beethovenschen Symphonien war er hier bereits im vorigen Winter, noch vor seiner letzten Reise nach Paris, unter lebhafter Teilnahme des gesamten Publikums aufgetreten. Der Ermöglichung einer würdigen Vorführung dieser großen Instrumentalwerke in den kleinen Verhältnissen, [450] mit vielfach dilettantischen Orchesterkräften, kostete vor allem ihm selbst einen fast unverhältnismäßigen Aufwand an Geduld und Bemühung. Man denke: der ihm zur Verfügung gestellte Instrumentalkörper umfaßte etwa 25 bis 30 Berufsmusiker, zu denen sich für solche hervorragende Aufführungen etwa ein Dutzend Zuzügler aus Künstler- und Dilettantenkreisen gesellten.23 Damals (S. 417) war es dic A dur-Symphonie gewesen, die er in einer Anzahl von Proben auf die geschilderte Weise aus dem Rohen heraus zutage gefördert hatte: ›erst verlor ich alle Lust, nach und nach macht es mir Spaß, und jedenfalls denke ich Gutes damit zu stiften, besonders wenn ich alle Vornehmheit beiseite setze‹. Was ihn anfangs die ›Lust verlieren‹ ließ, war das ungemein Primitive der gegebenen Bedingungen; was ihn dann doch wieder aushalten machte, war aber die überraschende Bildsamkeit seiner Leute und die sichtliche Freudigkeit, mit welcher sie seinen Winken folgten. ›Ich denke‹, schreibt er an Uhlig ›ich bringe den hiesigen, sehr reichen Kaufleuten ein wenig Scham- und Schandgefühl bei, und bewege sie ihre Geldsäcke zu öffnen, um etwas Ordentliches für ein gutes Orchester zu tun; gelingt es, so denke ich mir Dich an der Spitze.‹ In diesem Sinne hatte er im Laufe des Winters eine besondere Unterstützung zur Herstellung eines besseren Orchesters durch Berufung auswärtiger Musiker angeregt, und fühlte sich nun verpflichtet, sich um die Sache zu bekümmern. So brachte er denn in zwei aufeinander folgenden Konzerten am 28. Januar und 26. Februar 1851 zunächst Webers Ouvertüre zu ›Euryanthe‹ und die C moll-Symphonie, sodann die Eroica in seiner machtvoll eindringlichen Weise zum Vortrag. Durch seine, nachmals in wiederholtem Abdruck24 bekannt gewordene programmatische Erläuterung dieser letzteren Symphonie suchte er zugleich das Verständnis der Beethovenschen Tonschöpfung zu fördern und den häufigen, durch den Titel veranlaßten Mißverständnissen vorzubeugen, als habe der Zuhörer in diesem Werke ›eine Folge heldenhafter Beziehungen, in einem gewissen historisch-dramatischen Sinne durch Tonbildungen dargestellt, zu gewärtigen‹. Zu demselben Konzert am 25. Februar kam auch Bülow von St. Gallen herüber, um darin die Lisztsche Klavierbearbeitung der ›Tannhäuser‹-Ouvertüre als ein wahres pianistisches Heldenstück mit vielem Beifall zum besten zu geben. ›Wagner führte die Eroica auf‹, schreibt er darüber seinem Vater ›ein Wunder hat er gewirkt, unbegreiflich! Ich habe die Symphonie so nirgends gehört. Großartig und hinreißend, und das Orchester folgte – genial im Parieren.‹ An diese Aufführungen schloß sich am 28. März die Wiederholung der A dur-Symphonie in einem sehr besuchten Konzert zum Besten des Orchesterpersonals.

[451] Die Erfahrung des, durch Aufführungen solcher Art auf das Züricher Publikum ausgeübten Eindruckes konnte den Meister nicht gleichgültig lassen. Als er im Herbste zuvor den Gedanken der Herstellung eines guten Orchesters anregte, hatte er für seine Pläne nur ein laues Entgegenkommen gefunden; die unerhörte Wirkung der von ihm einstudierten Symphonien aber überraschte dermaßen, daß ebendieselben Leute nun ganz von selbst seine fallen gelassenen Vorschläge wieder aufnahmen und im Ernst damit umgingen, ihm das gewünschte Orchester zu verschaffen. Kam es auch selbst in den folgenden Jahren nie im vollen Umfang zur Ausführung dieses Vorsatzes, so war doch die Grundlage für ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis zwischen dem Künstler und der lokalen Öffentlichkeit Zürichs geschaffen. Das weitestgehende Zeugnis für ein solches Vertrauen von seiner Seite dokumentiert sich wohl in seiner in dem gleichen Frühjahr 1851 veröffentlichten Broschüre: ›Ein Theater in Zürich‹,25 über deren Entstehung und Bedeutung wir erst im nächstfolgenden Kapitel im rechten Zusammenhang handeln können. Dieses Vertrauen bestärkte ihn in der heiteren Zuversicht, in der Wahl seiner neuen Heimat den rechten Ort getroffen zu haben, und im Vergleich zu dem ›teekannschwitzenden‹ Dresden, das nach seiner unwidersprechlichen Erfahrung mit Notwendigkeit das ›Grab seiner Kunst‹ geworden wäre, konnte er dem ehrlichen Fischer freudig zurufen: ›Ich kann von hier aus viel entschiedener auf unser Kunstgetriebe einwirken als dort, wo ich in allem – zumal auch mit meinen Gedanken – gefesselt war. Wartet's nur ab: das Eis soll doch brechen!‹

Fußnoten

1 Obige Worte wurden i. J. 1894 kurz nach der ersten Bayreuther ›Lohengrin‹-Aufführung geschrieben, die trotz mancher vorausgegangenen Ansätze, zu denen auch die Münchener Aufführung von 1867 gehört, doch wohl schlechthin als die erste Lohengrin-Aufführung überhaupt gelten kann, welcher dann in den Jahren 1908 und 1909 die unter Siegfried Wagners Leitung stehende über alles glorreiche Neuschöpfung des Werkes folgte.


2 Briefwechsel I, S. 30 enthält das früheste, noch bedingte Urteil; es bricht an entscheidender Stelle ab; die Fortsetzung auf einem anderen Blatte hat sich verloren; vielleicht hat sie Wagner absichtlich nicht aufbewahrt? Die Lücke wird jedoch durch S. 36 vollkommen befriedigend ergänzt.


3 An Uhlig, S. 77.


4 ›Mit der »Villa« hat man Dir »was aufgebunden« vor zwei Jahren wohnten wir in einem Sauneste auf dem Lande am See, das meine Freunde aus Spaß »Villa Rienzi« nannten: das mag wohl die reizende Villa sein!‹ (30. Dez. 1852, an Cäcilie Avenarius.)


5 Zum Teil noch ungedruckt, zum Teil in dessen Lebenserinnerungen. ›Aus dem Tagebuch eines alten Schauspielers‹ mitgeteilt.


6 Von: ›Nun höret noch, wie ich zu euch gekommen‹, bis: ›wo ihr mit Gott mich alle landen saht‹. An Liszt, I, S. 56. 7384 Vgl. an Uhlig, S. 86/87 und Richard Wagners ›Gedichte‹ S. 10.


7 Hervorhebung verdient, was über die Schlußszene gesagt wird: ›Ich weiß nicht, welche dramatische Befähigung der Sänger des Lohengrin, Herr Beck, besitzt; für alle Fälle soll er das Wichtigste im Auge haben. Das ist die große Schlußszene des dritten Aktes; ihre Wirkung beruht darauf, daß er seine schwierige Aufgabe löst. Im Anfange dieser Szene und bei der Anklage Elsas sei er furchtbar und vernichtend streng, wie ein strafender Gott. Nach seiner Erzählung und der Kundgebung von den Worten an: »Ach Elsa, was hast Du mir angetan!« breche aber seine göttliche Strenge in den allermenschlichsten Schmerz zusammen. Die ungeheuerste, herzzermalmendste, schmerzliche Leidenschaft bis zu seinem Scheiden muß den ganzen erschütternden Gehalt des Schlusses der Oper ausmachen. Nur er kann die rechte Wirkung hervorbringen, niemand anders; alles andere wird sich von selbst machen. Wenn ein Herz unerschüttert bleibt, so ist es seine Schuld.‹


8 Vgl. Richard Wagner-Jahrbuch, herausgegeben von L. Frankenstein, Bd. II, S. 431/32.


9 Hans von Bülows Briefe, I, S. 234.


10 Liszt an Wagner, im Briefwechsel I, S. 74–75. ›Geradeso wie es dem frommen Geistlichen erging, der Wort für Wort die ganze Nachahmung Christi unterstrich, möchte es geschehen, daß ich Note für Note den ganzen Lohengrin unterstriche.‹


11 Eduard Genast, aus dem Tagebuche eines alten Schauspielers, IV, S. 132/36. 137/43.


12 Lohengrin et Tannhäuser de Richard Wagner, par Franz Liszt, Leipzig, F. A. Brockhaus 1851. ›Die Welt horchte auf; es war, als sei von den Schönheiten beider Werke nun erst der Vorhang weggezogen worden‹, so charakterisiert A. W. Ambros die Wirkungen dieses einzig dastehenden Buches.


13 ›Signale für die musikalische Welt‹ Nr. 37, vom 11. September 1850: ›Das Herderfest in Weimar‹ von J. C. Lobe.


14 Vgl. die Folge seiner zum Teil sehr umfangreichen Studien und Kommentare über ›Tannhäuser‹ ›Lohengrin‹, den ›Ring des Nibelungen‹, ›Tristan und Isolde‹, die ›Meistersinger von Nürnberg‹, durch welche er der eigentliche Begründer dieses Zweiges der nachmals so angeschwollenen exegetischen ›Wagner-Literatur‹ geworden ist, außerdem seine Schrift ›Richard Wagner und das Musikdrama‹ usw. usw.


15 Autographen-Katalog von Joseph Baer u. Co., Frankfurt a. M. 1909, Nr. 571.


16 Briefe an Uhlig, S. 45.


17 Daß der Gedanke einer erneuten Publikation seiner älteren Arbeiten für die ›Gazette musicale‹ usw. ihn schon während der Dresdener Periode, noch vor der Vollendung des ›Tannhäuser‹, beschäftigt habe, entnehmen wir einem Schreiben an Gaillard vom 2. Oktober 1844. Er schlägt ihm darin die Publikation dieser Aufsätze in seiner Berliner Musikzeitung mit der Begründung ab, über diese Artikel bereits für eine nicht sehr entfernte Zukunft verfügt zu haben. ›Das Resultat jener literarischen Plänkeleien ist für mich von einer eigentümlichen Wichtigkeit geworden, weil ich in ihnen meine ganze, in jene Zeit fallende, künstlerische Konfirmierung ausgesprochen habe. Da alle diese verschiedenen Artikel sogar einen gewissen Einigungspunkt haben, von welchem sie ausgehen, – sie passieren nämlich meist alle als aus dem in Paris geführten Tagebuche eines dort verhungerten deutschen Musikers, – so bin ich mit mir darin übereingekommen, nach Beendigung meiner neuen Oper (des »Tannhäuser«) meine nächste Arbeit die Herausgabe jenes Tagebuches mit einer novellenartigen Einleitung sein zu lassen. (Demnach) dürfte es wohl ungeraten sein, vorher diese Artikel schon aufzuwärmen‹ usw.


18 An Uhlig, 27. Juli 1850. ›Ich möchte ihn (Karl) zu seiner Übung bei der hiesigen Wintertheater schmiere zum Musikdirektor machen: vielleicht gelingts.‹


19 Vgl. seinen Brief an Uhlig vom 7. November 1849: An Wagner will ich in dieser Woche noch schreiben, und da mein Vater gegenwärtig in Zürich ist, so werde ich wohl öfters über ihn hören. Die ›Wibelungen‹ sind hier noch nicht angelangt: über die ›Kunst und Revolution. habe ich einen Bericht mit Inhaltsangabe vor 14 Tagen in die demokratische Zeitung (die Abendpost) rücken lassen.‹ Briefe Hans von Bülows, I, S. 199.


20 Bülows Briefe, I, S. 262. 268. 297. 299.


21 Am 18. Oktober erließ Wagner in der Züricher ›Eidgenössischen Zeitung‹ (Red. B. L. Spyri) eine Erklärung gegen mancherlei aufgekommene irrige Ansichten über sein Verhältnis zu den Opernvorstellungen des Züricher Theaters. ›Wollte man annehmen‹, heißt es darin ›sobald ich nicht persönlich dirigiere, sei die Oper von mir aufgegeben, so würde dies ein gründlicher Irrtum sein, dem ich mit der Versicherung erwidere, daß ich in den unter meiner Aufsicht gehaltenen Proben namentlich auch die Leistung des Dirigenten – und zwar in doppeltem Interesse – in meinem Sinne überwache.‹


22 An Franziska Wagner, die zweite Tochter Albert Wagners, später die Gemahlin Alexander Ritters, damals in Stettin als Schauspielerin wirkend.


23 A. Steiner, Richard Wagner in Zürich (89. Neujahrsblatt der Allg. Musikgesellschaft in Zürich, 1901) S. 21/22.


24 Vgl. Gesammelte Schriften, Band V, S. 219/23.


25 Gesammelte Schriften, Band V, S. 25/64.

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 2, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 434-452.
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