IX.

Verschärfte Gegensätze.

[275] Theodor Uhlig und Franz Liszt. – Formal politische Gegensätze der Parteien: Republik oder Monarchie. – Versöhnungsversuch durch Wagners Aufsatz über ›republikanische Bestrebungen in ihrem Verhältnis zum Königtum‹. – Dessen Wirkung im ›Vaterlandsverein‹ und in der Dresdener Öffentlichkeit. – Wien und Weimar. – Jubelfest der Kapelle. – ›Friedrich der Rotbart.‹


Die Lüge und Heuchelei der politischen Parteien erfüllte mich mit einem Ekel, der mich zunächst wieder in die vollste Einsamkeit zurücktrieb. Hier verzehrte sich mein nach außen ungestillter Drang wieder in künstlerischen Entwürfen.

Richard Wagner.


Soviel Mißgunst und kränkendes übelwollen dem Künstler gerade sein redlichstes künstlerisches Streben und Ringen von seiten der Generaldirektion zuzog, eine so warme Sympathie hatte er sich unter den künstlerischen Genossen des Hoftheaters, insbesondere unter den Musikern seiner Kapelle gewonnen Besser als sein würdiger Chef wußten diese, woran sie mit ihm waren, wenn er anfeuernd und begeisternd an ihrer Spitze stand, um ihnen die Wunder einer ›heißen Beethovenschen Symphonie‹ zu erschließen. Um so bedauerlicher war es, daß die politische Erregung der Zeit bis in diese engere Körperschaft hinein ihre Parteizerklüftungen trug. Auch in der Kgl. Kapelle gab es damals eine freisinnige, und eine konservative oder Hofpartei, nebst allen mit solchen Spaltungen verknüpften Sympathien und Antagonismen, Angebereien und Zwischenträgereien. Unter den unbedingt Wohlgesinnten in der Schar seiner Orchestermitglieder war dem Meister in letzterer Zeit – neben bewährten biederen Charakteren, wie den Kammermusikern Rühlmann, Kummer, Fürstenau u.a. – ein damals ›blutjunger Musiker‹, Theodor Uhlig, zunächst durch rein künstlerische Eigenschaften, wie durch seine ungemeine musikalische Sicherheit und Umsicht aufgefallen.1 ›Züge von ungewöhnlicher [276] Charakterstärke und festem männlichen Sinn zogen meine Aufmerksamkeit näher auf ihn. Ich eröffnete ihm meinen Umgang, fand einen Menschen, der unter den kümmerlichsten Verhältnissen sich ganz aus sich selbst entwickelte, und gewann mir an ihm einen Freund, der noch aus der Ferne es sich zur Lebensaufgabe machte, soweit seine Kräfte reichten, mir in einem Sinne zu dienen, den ich – bei gleicher Herzensgeneigtheit – nur durch Liszts glänzendes Genie überboten finden konnte.‹2 Wiederholt rühmt Wagner in seinen Briefen an Liszt das ›ausgezeichnete Urteil‹, die ›stupende Gelehrtheit‹, das ›kühle, sehr ruhige und leidenschaftslose Wesen‹ dieses liebenswürdigen ›blonden Menschen‹. Aber auch die erste innigere Beziehung zu Liszt selber gehört unter die wesentlichen Eindrücke der zuletzt von uns geschilderten Monate des Jahres 1848. Es war gegen Ende März, kurz vor der Vollendung der ›Lohengrin‹-Partitur, daß Liszt, ohne die besondere Absicht, daselbst zu konzertieren, und vielleicht gerade nur aus dem Bedürfnis eines Zusammentreffens mit Wagner, auf dem Wege aus Weimar nach der aufstanderfüllten österreichischen Hauptstadt, wenige Tage in Dresden verweilte. Ein Abend bei Robert Schumann habe beide Künstler zum ersten Male in nähere Beziehung zueinander gesetzt, behauptet eine bekannte Liszt-Biographin.3 Sie erwähnt zugleich einer an diesem Abende geführten heftigen Debatte über Meyerbeer, bei welcher Liszt gegen Schumann die Partei des ›Robert‹-Komponisten ergriffen habe; da jedoch Liszts Erzählung dieser heiteren Situation von ihr offenbar gänzlich mißverstanden und die Pointe derselben demgemäß übergangen ist, bleibt uns nichts übrig als sie mit ihrer Notiz darüber so lange sich selbst zu überlassen, bis einmal die eigene wohlerhaltene Erinnerung Wagners den – an sich belanglosen – Vorfall in das rechte Licht setzt Genug, im Leben Liszts war um jene Zeit die bedeutsame Wendung eingetreten, die den Weitumhergeschweiften ›das Herumschweifen aufgeben‹ hieß: der ›im vollsten Glanze der prunkendsten Städte Europas Heimische‹ stand im Begriff, sich in dem kleinen bescheidenen Weimar dauernd niederzulassen und dort den Taktstock als Dirigent zu ergreifen. Es bahnte sich damit ein Umschwung in den Schicksalen der Werke Wagners an, dessen weitreichende [277] Wirkungen beide Freunde damals wohl nicht in ihrem vollen Umfange voraussahen. Der Anfang dazu aber war gemacht, durch ein herzlicheres persönliches Einverständnis, als es bisher, trotz aller guten beiderseitigen Beziehungen, zwischen ihnen bestanden hatte.

Inzwischen nahmen die öffentlichen Vorgänge in Sachsen und speziell in Dresden eine Wendung, die zu den persönlichen Schicksalen des Künstlers in eine immer drängendere Beziehung trat. Unmöglich war es seiner, stets auf unmittelbarste Betätigung gerichteten Natur, einer Bewegung auf die Dauer mit Rat und Tat gänzlich fern zu bleiben, die durch die rechte Leitung den bedeutsamsten Kulturzielen zugeführt werden konnte, den Umtrieben plumper Agitatoren preisgegeben aber unrettbar der Seichtigkeit der politischen Parteiformel anheimfiel. Bezeichneten wir es daher zuvor als ein Gefühl der Verpflichtung, was Wagner zum Beitritt in den Dresdener Vaterlandsverein bewog, so ist damit buchstäblich seine damalige Empfindung zum Ausdruck gebracht: ›in einer Zeit, wo auch dem Ungebildetsten das Recht zugestanden ist, über die Angelegenheiten unserer staatlichen Behörden sich auszusprechen, erkennt der Gebildete um so mehr seine Pflicht, sich dieses Rechtes ebenfalls zu bedienen.‹4 Bis in die artistisch-literarischen und selbst altaristokratischen Kreise hinein spielte man seit Jahren in Dresden mit dem Feuer der Revolution: die wirkliche Lenkung der Bewegung überließ man, aus Furcht sich persönlich zu kompromittieren, kurzsichtigen Demagogen und politischen Doktrinären der einen oder anderen Färbung. Daher in all diesen endlosen Vereinsversammlungen vor Tausenden von Teilnehmern immer der gleiche Mangel wirklich positiver Ideen, volkstümlicher Probleme und Aufgaben, um derentwillen einzig die furchtbare Macht einer revolutionären Erhebung aus ihren Tiefen zu beschwören war. Statt dessen vermeinte man dem Drange der Zeit durch endloses Parlamentieren über schablonenhafte Verfassungsfragen vollkommen Genüge zu tun. Bereits kam es zwischen ›deutschen Vereinen‹ und ›Vaterlandsvereinen‹ zu Reibungen und Gegensätzen Konstitutionalisten und Republikaner begannen einander durch wechselseitige Verdächtigungen zu verfolgen und an dem Besitze einer vollziehenden Gewalt, die noch keineswegs in ihren Händen lag, ein Jeder nach seiner Richtung zu zerren. Insbesondere war es die Frage: ob Republik oder Monarchie? welche die Köpfe in unfruchtbaren Debatten erhitzte. Sie trug viel zur Verwirrung der Geister bei, und war der Reaktion ein willkommenes Mittel, um die Gegner zu verdächtigen; für vereinzelte Äußerungen wollte man dann den ganzen Verein verantwortlich machen. Der Volkspartei war die noch bestehende Gestalt des Hofes mit all seinen einer früheren Periode entsprungenen Äußerlichkeiten ein Ärgernis; ein trotziger Geist stellte sich gerade durch die [278] heftigen Angriffe der sogenannten Monarchisten dort immer bedenklicher heraus. Von Leuten, die keineswegs bloß der rohesten Klasse angehörten, bekam Wagner als teilnehmender Beobachter dieser Vorgänge Äußerungen zu hören, die ihn tiefe Blicke in den Volksgeist werfen ließen. Da hieß es kurz: ist der König fort, so hört auch dieser Hof auf. ›Ich sah nirgends einen Redner oder politischen Schriftsteller den Gedanken ins Auge fassen, daß das Königtum immer der heilige Mittelpunkt bleiben könnte, um den sich alle volkstümlichen Institutionen errichten lassen, sondern immer wurde mit dem Begriffe der Republik die Annahme des Aufhörens des Königtums verbunden: nur diese Annahme hielt auch die Masse und ihre Führer ab, sich für die sofortige Einführung jener Staatsform zu entscheiden.‹5 Die höchste Unklarheit der streitenden Parteien über das Wesen und den eigentlichen Inhalt der Revolution bestimmte ihn daher eines Tages, selbst öffentlich gegen ihre bloß politisch formelle Auffassung und für die Notwendigkeit, daß der rein menschliche Kern der nationalen Bewegung deutlich ins Auge gefaßt würde, sich auszusprechen.6

Es geschah dies zunächst in einem gedruckten Artikel für denselben ›Dresdener Anzeiger‹, dessen er sich bereits bei verschiedenen früheren Anlässen bedient, für seine anregenden Notizen zur Aufführung der IX. Symphonie (S. 157), wie für seine Erwiderung auf die kritischen Ausfälle Karl Bancks (S. 190), und den er erst kürzlich noch Röckel für eine öffentliche Besprechung der Volkswehrfrage empfohlen (S. 272). Der Aufsatz führte die Überschrift: ›Wie verhalten sich republikanische Bestrebungen dem Königtume gegenüber?‹ und war unterzeichnet. ›Ein Mitglied des Vaterlandsvereines.‹ Es lag ihm daran, die, von ihrer eigenen Partei mißverstandene, edle Bedeutung des Wortes ›Republik‹ (als ›Volks-Sache‹ und Inbegriff des ›Wohles aller‹) zu beleuchten und dann zu zeigen, daß in ihr das Königtum erst seine schönste Stellung finden würde. Die tiefste und heiligste Überzeugung des künstlerischen Sehers war darin mit einer so schwungvollen Beredsamkeit ausgesprochen, daß wir trotz aller skizzenhaften Durchführung den Gedankengang dieses Artikels in jedem Betracht als würdigen Vorläufer der 20 Jahre später entstandenen Abhandlung über ›Deutsche Kunst und Deutsche Politik‹ anzusehen haben. Die dem Königtum zugewiesene Stellung an der Spitze eines von unten auf nach dem Gesetze der Zweckmäßigkeit gegliederten Staats-Organismus ist hier wie dort die gleiche: es krönt das Gebäude und bringt es nach dem idealen Gesetze der Gnade zum Abschluß; das Gebäude selbst aber ist deshalb nicht etwa vom Dache aus nach abwärts, sondern von seinem Fundamente aus aufwärts errichtet.7 Das Postulat der [279] Abschaffung eines feudalen Aristokratismus in dem Aufsatze der Revolutionsperiode geht völlig Hand in Hand mit jener idealen Neuschöpfung eines eximierten Standes, wie er in der späteren ausführlicheren Abhandlung uns entgegentritt. Die Forderung einer Volkswehrverfassung im Gegensatze zu den ›stehenden Heeren‹ ist hier wie dort anzutreffen, mit dem Unterschiede, daß hier bereits auf die preußische Heeresorganisation als ein praktisches Vorbild hingewiesen werden kann; die Betrachtungen über das Einkammersystem dagegen sind mehr durch die zeitweilig an die Hand gegebenen Interessen der damaligen Epoche bedingt und finden daher in den späteren Ausführungen keine nähere Analogie. Dagegen tritt uns die Frage der Kolonisation in Wagners politischem Programm von 48 ebenso ausgeprägt entgegen, wie nur irgend dreißig Jahre später in den Aufsätzen für die ›Bayreuther Blätter‹. ›Sind wir durch die gesetzkräftige Lösung der letzten Emanzipationsfrage zur vollkommenen Wiedergeburt der menschlichen Gesellschaft gelangt, so haben wir nun erst die Kräfte gewonnen, an die höchsten Aufgaben der Zivilisation zu schreiten; das ist: Betätigung, Verbreitung derselben. Nun wollen wir in Schiffen über das Meer fahren, da und dort ein junges Deutschland gründen, es mit den Ergebnissen unseres Ringens und Strebens befruchten, die edelsten, gottähnlichsten Kinder zeugen und erziehen. Wir wollen es besser machen als die Spanier, denen die neue Welt ein pfäffisches Schlächterhaus, anders als die Engländer, denen sie ein Krämerkasten wurde. Wir wollen es deutsch und herrlich machen: vom Aufgang bis zum Niedergang soll die Sonne ein schönes, freies Deutschland sehen, und an den Grenzen der Tochterlande soll wie an denen des Mutterlandes kein zertretenes unfreies Volk wohnen, die Strahlen deutscher Freiheit und deutscher Milde sollen den Kosaken und Franzosen, den Buschmann und Chinesen erwärmen und verklären.‹8

Der Aufsatz Wagners war am Mittwoch, den 14. Juni als Extrablatt dem ›Dresdener Anzeiger‹ beigefügt. Tags darauf, am Donnerstag, den [280] 15. Juni, fand eine nach Tausenden zählende Versammlung des Vaterlandsvereins statt, in welcher die bereits durch mehrere ihr vorausgegangene Versammlungen sich ziehende Debatte über das Wesen der Republik und konstitutionellen Monarchie ihre Fortsetzung fand. ›Als ich zu der Versammlung eintrat, hörte ich eben wieder jene Reden, die den Begriff der Republik stets in unmittelbare Verbindung mit der Abschaffung des Königtums bringen. In dem vollen Bewußtsein, gerade jetzt vor dieser Versammlung einen guten und wohltätigen Gedanken auszusprechen, entschloß ich mich schnell, meinen Aufsatz sogleich vorzulesen,‹ um, wie er selbst hinzufügt, ›einer sehr prosaisch geleiteten Masse ein poetisches Bild davon vorzuhalten, wie ich über das Königtum denke.‹ Denn mit einer Verherrlichung des letzteren, dem Aufruf zur Wiederherstellung des Königtums in seiner ursprünglichen, echt germanischen Gestalt, im Gegensatz zu dem fremdartigen, undeutschen Begriff eines ›konstitutionellen Monarchismus‹, schloß die Folge der Gedanken, die dem von oben herab regierten ›Staat‹, mit seinen ›Untertanen‹ und ›Staatsbürgern‹, die von unten auf aus dem Bedürfnis der Allgemeinheit gegliederte ›Republik‹, mit dem erblichen Königtum an der Spitze, in schöpferischer Genialität gegenüber stellt. Sein Entschluß, als Redner vor die Menge zu treten, war ein durchaus improvisierter. Nichts lag ihm ferner, als der Ehrgeiz, sich mit seiner Person in den Vordergrund zu drängen. Auf der anderen Seite nötigte ihn die Wärme der Überzeugung, mit dieser seiner Person nicht – in Gutzkowscher ›Vorsicht‹ -zurückzuhalten, sondern voll und ganz für den ihn erfüllenden Gedanken einzutreten. Eine Empfindung davon teilte sich unwillkürlich den versammelten Tausenden mit. Es war unmöglich, der faszinierenden Einwirkung zu widerstehen, zu welcher hier die Spontaneität und Größe der Gedanken mit dem eigentümlichen Zauber zusammenwirkte, den die persönliche Erscheinung des Meisters bei solchen Gelegenheiten immer hervorgerufen hat.9 Noch nie war in diesem Vereine ein so enthusiastisches Lob des Königs ausgesprochen, noch nie aber auch mit solcher Begeisterung an genommen worden, als es nach der Stelle seiner Rede geschah, in der er ihn als den ›Mann der Vorsehung‹ pries. Endloser rauschender Beifall [281] am Schlusse des Vortrages bezeugte die tiefe augenblickliche Wirkung Sie beruhte zunächst noch auf keiner Reflexion über das eben Vernommene, sondern auf dem unmittelbaren Eindruck, den gerade an dieser Stelle, wo man sonst nur der bloßen politischen Partei-Phrase gewohnt war, die ›Neuheit und Originalität der Ideen‹ und der ›Mut des Redners‹ hervorbrachte.10

Erst die folgenden Tage wählten den Widerspruch aus allen Ecken und Enden auf. Er hatte in der Durchführung seines Gedankens mit der ihm eigenen Entschiedenheit gegen alle die widerstreitenden Parteien, Demokraten, Kommunisten und Monarchisten Front gemacht und ›als ob die schweren Gewitterwolken, die damals von allen Seiten sich zusammenballten, von einem plötzlichen Blitzstrahl geteilt worden wären, den im Dunkel einander Bekämpfenden als einzige Erlösung die Gestalt des echt deutschen Königtums inmitten eines freien Volkes gezeigt.‹11 Er mußte an sich erfahren, wie gefährlich es war, in diesen Zeiten einen selbständigen Gedanken aus zusprechen, wenn er nicht der Firma der einen oder der anderen Partei vollständig angehörte. Er hatte mitten unter den sächsischen Fortschrittsmännern und ›Republikanern‹ den Hymnus der Königstreue angestimmt und mußte es seltsamerweise erleben, daß in der öffentlichen Widerspiegelung seines Vorgehens davon nichts übrig blieb, als das Unerhörte, daß ein ›Hofbeamter‹ und ›Kgl. Kapellmeister‹ in einem radikalen Vereine eine revolutionär-politische Brandrede gehalten und den König dazu aufgefordert habe, Sachsen zum Freistaat zu erklären. Der Berichterstatter des ›Dresdener Journals‹ wies darauf hin, die Rede sei ›reicher an Problemen als an Lösungen derselben‹ gewesen,12 ohne sich bewußt zu sein, daß eben hierin ihr Wert beruhe Ideen und Aufgaben an Stelle unfruchtbarer formalistischer Gegensätze zu stellen, hierin hatte ja eben die besondere Absicht des Künstlers bestanden: ihre Lösung konnte doch nicht in Worten, sondern in Taten gegeben werden! [282] Im übrigen war das erregte Aufsehen mit gar nichts Ähnlichem zu vergleichen. Es war das Bild eines aufgestörten Wespennestes. Die ›detestable Rubrik‹ des ›Dresdener Anzeigers‹ und anderweitiger Lokalblätter füllte sich mit aufreizenden und denunziatorischen anonymen Inseraten in Prosa und in Versen, die keinen anderen Zweck verfolgten, als ihn für weitere Kreise als Verfasser des Aufsatzes zu bezeichnen. ›Herr Kapellmeister Wagner‹, hieß es in einem derselben, ›wird ersucht, die in seinem im Vaterlandsverein gehaltenen Vortrag, sowie in der Beilage zum gestrigen Anzeiger, ersichtliche Begeisterung: Sachsen sei ein Freistaat, die höchste vollziehende Gewalt ruhe in dem Königshause Wettin usw., näher zu beleuchten, denn so, wie sie hingestellt ist, bleibt sie dunkel und völlig unverständlich.‹ Dazwischen höhnische Verse, mit provozierenden Überschriften, wie: ›An Richard Faust‹,13 ›An den kleinen Blechkönig‹14 usw. Hinter der wohlgesicherten Anonymität dieser letzteren Kundgebungen verbarg sich zum Teil, leicht kenntlich, die spitzige satirische Feder eines Kollegen und ›Kunstgenossen‹, dessen ›Vorsicht‹ für seine eigene Person ihn nicht hinderte, mit neidischem Auge auf einen fremden ›Erfolg‹ zu blicken, selbst wenn er außerhalb der Bühne und durch eine, der seinigen ganz entgegengesetzte Haltung gewonnen war!15 Denn daß in Wahrheit kein staatserhaltender Eifer, sondern der rein persönliche Neid und Widerwille die Triebfeder dieses hageldichten Ungewitters war – mit der bestimmten Tendenz, eben jener leeren politischen Formel gegen die Idee zum leichten Siege zu verhelfen – konnte dem davon Betroffenen schon damals nicht entgehen.16 Er ließ sich deshalb auch auf keine Erwiderung ein, sondern begnügte sich damit, an demselben Orte mit der kurzen drastischen Antwort für so viele Aufmerksamkeit dankend zu quittieren: ›Den Schurken und Hallunken zur Nachricht, daß ich auf ihre anonymen Angriffe nicht antworte. Richard Wagner.‹ Selbst die lahme Dresdener Kommunalgarde, deren lächerliche Untauglichkeit sich bei den Maistürmen des folgenden Jahres einem ernstlichen Angriffe gegenüber so traurig glänzend bewährte, sollte er durch eine bei dem gleichen Anlaß gefallene humoristische Äußerung beleidigt haben: ›wir haben ein stehendes Heer und eine liegende Kommunalgarde.‹ [283] Sie ›brachte ihm nicht weniger als zwei Herausforderungen ein‹; und nur um weiteres Aufsehen zu vermeiden, veranlaßten ihn seine Freunde zu ihrer Zurücknahme und der feierlichen Erklärung, daß die Dresdener Kommunalgarde ›nicht liegend, sondern stehend sei‹.17 Merkwürdig war es, daß auf derselben Versammlung noch zwei andere Redner, der Redakteur Lindemann und der Diakonus Pfeilschmidt, der eine vor Wagner, der andere nach ihm, der eine im ›republikanischen‹, der andere im gemäßigt ›monarchistischen‹ Sinne, mit gleicher Ausführlichkeit und Ungescheutheit sich geäußert hatten, ohne daß dies, bei der allgemeinen Redefreiheit, das mindeste für sie nachteilige Aufsehen wachgerufen hätte.

Handelte es sich bei all diesen öffentlichen Kundgebungen mehr um das lächerlich widrige Schauspiel einer verdächtigenden Verunglimpfung aus den Motiven der Eifersucht und persönlichen Gegnerschaft, um einen Angriff von seiten gewisser literarisch-artistischer Cliquen, deren Pfeile, hinter sicherem Strauch-und Buschwerk hervor entsandt, ihn kaum erreichten oder doch leicht abzuschütteln waren: so mußte es ihn mehr betrüben, aus mancherlei Anzeichen zu ersehen, daß ein Schritt, der mit seinem künstlerischen Dienstverhältnis nicht das mindeste gemein hatte, durch eine servile Auslegung seitens gewisser Hofbeamten gerade in den Hofkreisen, also in der Umgebung des Königs, ganz unerwartetes Ärgernis erregt zu haben schien. Hatte er sich nicht gescheut, um in seiner Ideenfolge zu dem beabsichtigten Schluß zu gelangen, hier und da gegen Bestehendes anzustoßen, konnte ihn selbst ›die Furcht vor Verfeindung nicht abhalten, eine tief empfundene Überzeugung auszusprechen, mit der nicht Unfrieden, sondern Frieden und Versöhnung erzielt werden sollte‹: so wünschte er doch am wenigsten, an derjenigen Stelle mißverstanden zu sein, die ihm am ehesten für seine öffentlich bekundete Gesinnung dankbar sein durfte. Dieser zartfühlende Zweifel gibt sich, mit würdigem Freimut gepaart, in seinem zwei Tage später, am Sonntag den 18. Juni an Lüttichau gerichteten Schreiben zu erkennen, zu dessen Abfassung ihm das Gesuch um die Vergünstigung eines vierzehntägigen Stadturlaubs – zur Vermeidung eines ihm drohenden gastrischen Übels – die Veranlassung bot.18 Wohl hätte dies Zartgefühl Wagners den Mann beschämen[284] müssen, der sich bewußt war, noch ganz vor kurzem in so wenig würdiger Weise gegen ihn vorgegangen zu sein, als es in seinem Bericht an den König vom 8. Februar geschehen war!

Statt dessen trugen sich noch fernere seltsame Dinge zu. So berichtet uns vielmehr R. Prölß,19 es sei damals eine dem Hofe angehörige Persönlichkeit (deren Namensnennung er unterläßt) während einer Opernprobe zum Zwecke einer förmlichen Aufwiegelung der Orchestermusiker, hinter dem Rücken Wagners erschienen: die Kapelle sollte auf Grund dieser Aufforderung bei Herrn von Lüttichau mit dem Ansuchen seiner Enthebung von dem Kapellmeisterposten einkommen! Diese eigentümliche Zumutung sei nun seitens der Musiker auf eine entschiedene Ablehnung gestoßen. ›Die frei sinnigen Mitglieder der Kapelle‹, fährt derselbe Gewährsmann fort, ›hielten es, um jeden falschen Schein von sich abzuwehren, vielmehr für nötig, Lüttichau durch eine Deputation, an deren Spitze der Kammermusikus Uhlig stand, von dem Vorgefallenen zu verständigen.‹ Lüttichau habe sich mit der Haltung der Kapelle einverstanden erklärt, da Niemand als der König in dieser Sache zu entscheiden habe und er deshalb jede fremde Einmischung ablehnen müsse. Inzwischen müssen aber doch die Ränke jener Hofpartei bei den minder gesinnungsvollen Mitgliedern der Oper und Kapelle nicht ohne Einfluß gewesen sein; denn wirklich habe unmittelbar darauf eine andere Deputation, an ihrer Spitze den damaligen Opernsänger Schuster, um die Enthebung Wagners vom Dienste gebeten. Diesen habe Lüttichau erklärt, ihr Gesuch setzte ihn in große Verlegenheit, bloß Se. Majestät habe in dieser Angelegenheit zu entscheiden; er wolle es jedoch dem König vortragen. Über den Verlauf dieses Vortrages, der wahrscheinlich mündlich stattfand, fehlen nun die näheren Nachrichten; aus der Antwort aber, die Lüttichau der Deputation später erteilte, läßt sich mit Leichtigkeit darauf schließen. ›Se. Majestät‹, so lautete diese Antwort, ›bedeute die Mitglieder der Kapelle und Oper ruhig unter Wagner fortzudienen, da sie schon selbst zu beurteilen wissen würde, ob und wann dieser von seinem Amte zu entheben sei.‹ Die Nachricht davon hatte Eduard Devrient in Lüttichaus Namen dem Meister zu überbringen, der in seiner Zurückgezogenheit von der ganzen Angelegenheit[285] nichts wußte. Sei es nun, daß er mit Lüttichau über die Form dieser Mitteilung übereingekommen war, oder daß er von sich aus der Neigung nachgegeben hatte, sie nach Möglichkeit zu vergolden; kurz, es wurde dabei die Erwähnung der ersten Deputation unter Uhlig – mit Stillschweigen übergangen!! Nicht minder der gravierende Umstand, daß Lüttichau die Sache tatsächlich bis vor den König gebracht und dieser die Entscheidung gefällt habe. Vielmehr sei Wagner von der ganzen Angelegenheit einzig in dem Sinne unterrichtet worden: ›Eine Deputation der Kapelle sei an Lüttichau gelangt, um seine Entlassung zu fordern, wogegen Lüttichau die Herren zur Ordnung verwiesen und ihr Ansinnen abgelehnt habe.‹ Dadurch trat aber der ganze Zusammenhang in ein ganz anderes Licht, und Lüttichaus Edelmut stand groß und erhaben über allen Parteien da. Nun weiß man, wie Wagners ganzes Wesen geneigt war, jede Spur einer großmütigen Gesinnung, vollends an einem bewährten Antagonisten, bis zur Rührung und Ergriffenheit anzuerkennen. Dieser Stimmung entsprechen die im Anschluß an das vorerwähnte ausführlichere Schreiben – unmittelbar nach Eduard Devrients Besuch – an Lüttichau gerichteten Zeilen:


Vortrefflicher Mann!


In meiner guten Absicht wenigstens lag Versöhnung und ich glaubte deshalb links und rechts ausschlagen zu dürfen: nun zeigen Sie mir, wo die rechte Versöhnung liegt – sie liegt da, wo nirgends hin beleidigt wird.20

Konnte ich auch voraussetzen, daß ein wahrhaft edler, seiner Tugend sich bewußter Mann in Wahrheit durch mich und meine Absicht sich beleidigt fühlen konnte, – durfte ich auch nur in dieser Voraussetzung es für schicklich halten, mich an Sie zu wenden, so bin ich doch so schwach zu bekennen, daß ich durch die Versicherungen, die mir soeben Eduard Devrient brachte, erst recht befähigt worden bin, Sie ganz und nach Würde zu erkennen. Es bleibt mir aus tiefster Seele nur der Wunsch übrig: wären alle so wie Sie!

Mögen diese hastigen Ausrufe Ihnen die Stimmung schildern, in die mich die Nachrichten von Ihnen versetzt haben!

Nun aber komme ich sogleich mit einer großen Bitte: prüfen Sie gütigst das hier beiliegende Schreiben an Se. Majestät. Dünkt es Ihnen entsprechend und den Umständen angemessen, so ersuche ich Sie, es dem Könige übergeben zu wollen.

N. S. Diesmal habe ich ›Exzellenz‹ und alles vergessen. Verzeihung! Es ging nicht anders!


Neue feurige Kohlen der Beschämung auf das Haupt des Empfängers! ›Nichtsdestoweniger ‹, schließt unser Gewährsmann seinen Bericht ›scheinen gerade diese Vorfälle zu verhängnisvollen Mißverständnissen geführt zu haben. [286] Mitglieder jener ersten Deputation fanden sich bald darauf auch bei Wagner ein und erzählten ihm von ihrer‹ (durch Devrient verschwiegenen) ›Sendung an Lüttichau. Ihr Bericht, den Wagner mit dem Eduard Devrients verglich, weil er den letzteren irrtümlicherweise auf diese Deputation bezog, mußte natürlich ganz wesentlich davon abweichen, was ihm den Gedanken nahe legte, daß Lüttichau ein falsches Spiel mit ihm treibe.‹ Es scheint uns nun nach allem Obigen durchaus nicht notwendig, irgend einen Irrtum Wagners in dieser Sache anzunehmen. Nach allem, was er bisher von Lüttichau erfahren hatte und noch ferner von ihm erfahren sollte, bedurfte es wahrlich nicht erst noch gar eines besonderen ›falschen Spieles‹, um von der moralischen Voraussetzung, die ihm die obigen feurig vertrauensvollen Zeilen eingegeben, für alle Zeiten zurückzukommen. Wie oft ist nicht die phantasievoll vornehme Künstlernatur Wagners dadurch einer Täuschung ausgesetzt gewesen, daß er andere zu sehr nach sich selbst beurteilte!

Aber leicht zu ertragen waren diese Stürme doch nicht Taten sich doch so viele Abgründe niedriger Gesinnung dabei klaffend auf. Beschworen sie doch noch ganz andere, unerwartete Angriffe gegen ihn aus den Tiefen hervor. Inmitten des durch Aufhetzung und öffentliche Sticheleien künstlich erregten Wogendranges schienen sich nämlich einige seiner Verlagsgeschäfts-Gläubiger plötzlich zu besinnen, daß eines schönen Tages seine Dresdener Position und damit die Aussicht auf eine prompte Befriedigung ihrer Forderungen bedroht sein könnte. Diesen Unglücksmenschen schien kein Zeitpunkt geeigneter als der gegenwärtige, um sich dem ohnehin Bedrängten durch unvorhergesehene Kündigungen lästig bemerkbar zu machen. Wie oft hat nicht auch gerade diese eigenartige Kombination sich in dem Leben des Künstlers wiederholt! Gab es doch, weithin verbreitet, eine gewisse Gattung von Zeitgenossen, die ihm alle Fähigkeiten seines Genius gegen die einzig ihm versagte des Goldprägens gern erlassen und geschenkt hätte! Ein kurzer, aber lebhafter Briefwechsel mit Liszt erinnert uns an diesen ganz unerwartet plötzlichen Ansturm; er belehrt uns zugleich, wie geringfügig die Summe war, um derentwillen sein eigener König, statt sie ihm vertrauensvoll darzubieten, lieber mit Lüttichau über seine eventuelle Entlassung verhandelte!21 [287] In einem vertraulichen Schreiben vom 23. Juni trägt Wagner dem Weimarischen Freunde auf die resoluteste Weise gegen 5000 Taler den gesamten Verlag seiner Opern an: ›Lieber Liszt, mit diesem Gelde kaufen Sie mich von der Sklaverei los! dünke ich Ihnen als Leibeigener so viel wert?‹ Und am 1. Juli: ›Ich schlage mich nun hier auf Tod und Leben herum, und weiß nicht, wie es enden wird.‹ Wohl wäre damals nichts erwünschter gewesen als eine tatkräftige Intervention des angerufenen großherzigen Freundes! Man muß dessen eigene Lebenskonstellationen genau kennen,22 um in ihrer damaligen bedeutungsvollen Krisis die dauernde Schwächung seiner materiellen Leistungsfähigkeit zu begreifen, – die noch wenige Jahre zuvor, wenn es große Aufgaben galt, so unbegrenzt sich erwiesen hatte, daß er es darin, wo es ihm ernst war, Fürsten und Königen zuvortat. Wieder einmal sah sich Wagner – wie so oft! – darauf angewiesen, ohne fremde Hilfe mit seinen Bedrängern sich abzufinden. Doch trugen die geschilderten Umstände mit dazu bei, daß er sich zu geistiger und körperlicher Erholung unterm 2. Juli einen vierwöchigen Urlaub erbat. Der Brief, in welchem dies geschieht, bestätigt keineswegs die Annahme eines Argwohns gegen Lüttichau; er steht vielmehr in seinem freimütig vertrauensvollen Tone noch ganz unter dem unmittelbaren Eindrucke der Devrientschen Botschaft. ›Unsereins‹, heißt es darin, ›ist nun einmal ein schwer zu erziehender Mensch. Bis dahin‹ (nämlich bis zu seinem Wiedereintritt in seine Funktionen) ›werden ja wohl auch Sie, Exzellenz, sowie ich darin klarer sehen, ob mir überhaupt in Dresden noch eine Zukunft blühen kann; ich werde mir dann in Ruhe Ihren gütigen Rat erholen, und Ihrem Ermessen des Notwendigen und Schicklichen mit meiner Überzeugung gern und willig mich anschließen.‹23

[288] Seinem dringenden Verlangen, in Gottes freier Natur, fern vom Weltgewühle sich an Leib und Seele zu stärken und sich an neuen Eindrücken zu erfrischen, stand zunächst noch die Kollision mit gleichzeitigen Reißigerschen Beurlaubungsgelüsten im Wege Sodann aber die tief empfundene Notwendigkeit, den fünf Jahre hindurch ertragenen Dresdener Verhältnissen sich auf die Dauer zu entziehen, und zu diesem Behufe nach einem neuen Boden für seine Tätigkeit versuchsweise Umschau zu halten. Mitten aus dem heftigen Drange von Not, Mangel und Sorge heraus war er in die scheinbar glänzende Dresdener Stellung getreten: doch war sie ihm eben dadurch ein für allemal unheilbar verdorben. Der durch keine künstlerische Tat zu besiegende Wahn, als habe die Zuerteilung seiner dortigen Kapellmeisterschaft eine ihm erwiesene ›Wohltat‹ oder ein unverdientes ›Glück‹ bedeutet, trat ihm immer wieder hindernd entgegen, was er auch beginnen und vorschlagen mochte. Die Schicksale seines Reorganisations-Entwurfes waren ungewiß; bereits am 22. Juni, mitten unter den hochgehenden Wogen des Dresdener Klatsches, hatte er seinen an Oberländer kundgegebenen Wunsch, diesen Entwurf schon jetzt dem Könige unterbreitet zu sehen, mit gutem Grunde wieder zurückgezogen. Die Wiener Vorgänge der letzten Monate lenkten seine Aufmerksamkeit vorzugsweise auf die österreichische Hauptstadt, die ihre vormärzliche Physiognomie ja soeben mit einem Schlage völlig verändert hatte. Den Vorabend seiner Abreise, während er eben im Begriff stand, seine Sachen zu packen, vergegenwärtigt uns ein Brief vom 5. Juli an seinen alten Rigaer Freund Löbmann. Wir erinnern uns jenes in Dresden zurückgelassenen jüngeren Bruders des letzteren, dessen musikalischer Ausbildung sich Wagner seit einem Jahre in freundschaftlicher Fürsorge angenommen (S. 234). Der junge Mensch hatte den Plan gefaßt, mit einem zu diesem Zwecke ausgebildeten Musikkorps nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika zu gehen.24 ›Ich für mein Teil‹, schreibt Wagner, ›sage Dir nun aufrichtig, daß ich, wäre ich ein armer exekutierender Musiker, jetzt nicht nach Amerika gehen würde, und zwar aus dem Grunde, weil ich schon lange drüben sein würde Welchem Sklavenlose geht bei uns der arme Musiker entgegen! Ich [289] begreife nicht, mit welchen Gründen ich jemand abraten sollte, sein Glück dort zu suchen, wo es ihm unter allen Umständen eher und besser zuteil werden kann als hier.‹

Am Freitag, den 7. Juli, trat er seine Wiener Fahrt an, zunächst mit keinem anderen Zwecke, als dem der bloßen Ausspannung und Zerstreuung nach allem überstandenen, in zweiter Linie aber doch gewiß auch mit dem überallhin ihn begleitenden Gedanken einer Sondierung des Bodens in bezug auf irgendwelche Möglichkeiten zur Durchführung seiner Reorganisationsp äne. Es ging wegen mangelnder Anschlüsse nur langsam vorwärts: sogleich in Görlitz mußte er vier Stunden warten und kam erst um acht Uhr Abends in Breslau an. Nachdem er sich schnell noch die Stadt etwas angesehen, besuchte er den alten Freund seines Onkels Adolf und seines Stiefvaters Ludwig Geyer, den Musikdirektor und Begründer der Breslauer Singakademie Mosevius,25 der sich sowohl durch seine Leitung Bachscher Tonwerke, wie auch durch seine Schriften über die Kirchenkantaten und Choralgesänge des Altmeisters als einer der tüchtigsten Bachkenner ausgewiesen hatte. Der Empfang, den der rüstige Sechziger dem Komponisten des Rienzi und Tannhäuser in seinem Hause bereitete, war der denkbar herzlichste. ›Er hatte eine unmäßige Freude mich zu sehen‹, berichtet Wagner selbst; ›bis 1 Uhr in der Nacht haben wir zusammengesessen.‹26 Der Eindruck des freiheitlich erregten Breslau war auf den von Dresden kommenden Gast kein geringer: ›Dieses großartige Volksleben! Bürger mit weißen Stäben statt der Polizei, die Nationalgarde in Blousen mit Federhüten, die öffentlichen Ausrufer an allen Ecken, welche Plakate verkaufen: »es gibt keine Monarchie mehr (mit Einführung des Zweikammersystems)!« usw.‹ So ging es denn anderen Tages erst um 2 Uhr weiter fort nach Wien. In Mähren begegnete er auf dem Bahnhof dem neuernannten Reichsverweser Erzherzog Johann von Österreich, an den sich damals so viele trügerische Hoffnungen knüpften. Er befand sich soeben auf der Durchreise nach Frankfurt a. M., wo er wenige Tage später (12. Juli) unter unbeschreiblichem Jubel empfangen wurde. Alle Stationen waren mit deutschen Fahnen geschmückt. Noch eine schreckliche Nacht – ›denn auf der Österreichischen Bahn war die 3. Klasse eine wahre Höllenmarter!‹ – und er kam am Sonntag früh in Wien an, wo er zunächst im Gasthof Absteigequartier nahm. ›Wie viel hundert Treppen ich nun am Sonntag gestiegen bin, um ein passendes Zimmer zu [290] finden, – weiß ich nicht; nur so viel weiß ich, daß ich zum Umsinken matt wurde. Endlich fand ich in einer kleinen Seitengasse, die auf den Stephansplatz führt (Goldschmiedgasse Nr. 594, 1. Stock), ein wohlfeiles Zimmer, 8 Gulden für 14 Tage.‹27 Doch war auch dieses erst am nächsten Tage zu beziehen.

Und nun die Stadt selbst, die er seit sechzehn Jahren nicht wieder besucht und die jetzt, seit der Vertreibung Metternichs, einen wahren Verjüngungsprozeß durchgemacht zu haben schien! ›Dieses Wien, an einem schönen hellen Sonntage zuerst wieder von mir gesehen, hat mich – ich gestehe es! – ganz bezaubert. Ich habe Paris wiedergefunden, nur schöner, heiterer und deutsch. Seit den sechzehn Jahren, daß ich Wien nicht sah, ist die ganze Stadt neu geworden: ihre halbe Million Einwohner, alle in den deutschen Farben geschmückt, durchzogen wie im Jubel die Straßen, – am Sonnabend war durch die Energie des Volksausschusses eben ein schwankendes, unfähiges Ministerium gefallen! Die Physiognomie dieser Menschen solltest Du sehen: die Nationalgarde, ziemlich ganz militärisch gekleidet, mit breiten seidenen dreifarbigen Schärpen; die Studenten (8000) in altdeutschen Röcken, mit Federhüten auf den Köpfen, langen Bajonettflinten und Säbeln stehen Wache: ich habe fast lauter schöne Leute gesehen. Und nun noch dieser Reichtum! dieses Leben! Diese eigentümlichen Trachten der Frauen, eine ganz neue Form von Hüten, mit Federn und dreifarbigen deutschen Bändern Fast an jedem Haus eine deutsche Fahne. Nun die öffentlichen Ausrufer, Männer, Kinder, Frauen: »Sturz des Ministeriums Pillersdorf!« 1 Kreuzer, – »Endliches Verscheiden der Aristokratie!« 1 Kreuzer, – so geht es fort. Aber alles heiter, ruhig und jugendlich! Nichts Häßliches oder Gemeines ist mir noch aufgestoßen Alles liebenswürdig, edel und frisch! Gott, wie gemein und schmierig kommt mir dagegen eine gewisse Stadt vor!‹28 ›Sonntag Abend war ich im Theater an der Wien: man gab »Szenen aus dem Leben Napoleons« – Herr Wohlbrück29 gastierte als Napoleon! Alles schlecht und unbedeutend. Nur eines machte mir Spaß: (Direktor) Pokorny hatte nicht nur das ganze Theater von oben bis unten mit deutschen Fahnen ausgestattet: selbst die Aufwärter, welche in den Zwischenakten Eis usw. ausriefen, waren von oben bis unten in schwarz, rot, gelb gekleidet. Das sind nun solche Schnaken! Du erkennst aber daraus, wie es hier aussieht!‹

[291] Dies die Eindrücke des ersten Wiener Tages, – von dem in Dresden bis zur Atemnot bedrängten Künstler, dem jeder zur vernünftigen Reform und Reorganisation führende Schritt durch einen knöchernen Bureaukratismus verwehrt war, mit hoffnungsfreudigen Augen betrachtet. Anderen Vormittags verließ er sei nen Gasthof, um sein inzwischen hergerichtetes Zimmer in der Goldschmiedgasse zu beziehen War der Sonntag, der ihm so viel neues, frisch pulsierendes Leben zeigte (so kurz dessen Dauer auch war!) zugleich ein heller und warmer Sonnentag gewesen, so war dafür heute der Himmel überall mit grauer Wolkenhülle bezogen, es regnete von früh bis spät. Dazu fühlte er sich inmitten alles öffentlichen Trubels sehr einsam, – ›fast wie in Paris‹. ›Die Politik (welcher er an sich doch fern stand) nimmt jetzt hier mehr als in kleineren Städten, wie bei uns, alles in Beschlag: in einer Stadt, in der sich täglich Fragen wegen des Fortbestandes großer Staaten zu entscheiden haben, verschwinden andere Interessen‹ In dem Bestreben, sich für diese seine künstlerischen Interessen, Zwecke und Pläne zunächst mit den Wiener dramatischen Autoren in Verbindung und ins Einvernehmen zu setzen, mühte er sich allein vier Stunden mit dem Aufsuchen des Lustspieldichters Eduard Bauernfeld, um an ihm allerdings eine völlige Enttäuschung zu erleben. Wohl waren diesem, im Hinblick auf das freiere Staatsleben, das er auf seinen Reisen nach Paris und London kennen gelernt, die österreichischen Zustände so unerträglich zuwider geworden, daß er erst kürzlich die Entlassung aus seinem Beamtenverhältnis begehrt hatte, um Österreich für immer zu verlassen. Aber gerade die Wiener Märztage riefen in seinen Gesinnungen eher eine Wendung nach der entgegengesetzten Richtung hervor. ›Der ist jetzt durch und durch Hypochonder‹, schreibt Wagner über ihn ›wie ich erfuhr, ist er zwei Monate völlig wahnsinnig gewesen: der sieht nichts wie schwarz, und hält die Zeit für gänzlich ungeeignet, um an die Theaterprobleme zu gehen. Möglich, daß er Recht hat, ich gebe aber meine Bemühungen deshalb nicht auf Heute Mittag habe ich mit einem Dr. Frankl ein Rendezvous, der mir selbst von Bauernfeld als sehr lebhaft, geistvoll und einflußreich bezeichnet und empfohlen worden ist. Die Theater sind jetzt ganz herunter – das ist die Folge der schlechten Verwaltungen. Das Burgtheater hat geschlossen, im Operntheater spielen die Sänger usw. auf Teilung ohne Direktor. Ich bin noch nicht hingekommen.‹ So weit reichen seine eigenen Nachrichten über den Vormittag des 10. Juli, – sie sind nicht so hoffnungsvoll gestimmt, wie die Eindrücke von der Physiognomie der Stadt Wien im allgemeinen. Doch ging es durch neugewonnene Beziehungen sehr bald wieder aufwärts.

Wie es scheint, durch jenen ungemein rührigen Dr. Ludwig Frankl, der an den Bewegungen von 1848 als Publizist den lebhaftesten Anteil nahm, trat eben um die Mittagsstunde jenes regnerischen Montags diese Wendung [292] ein, indem er durch dessen Vermittelung mit dem Professor Josef Fischhof bekannt wurde, der ihn gleich bei der ersten Begegnung unwillkürlich schon dadurch für sich einnahm, daß er zu den damals gewiß noch nicht zahlreichen Wienern gehörte, die im Besitz der Klavierauszüge seiner Opern waren. In ihm, der sich auch der Freundschaft Liszts und Schumanns rühmte und gegen fremde Künstler von ausnehmender Liebenswürdigkeit war, vermeinte er ›seinen Mann gefunden zu haben‹ und verbrachte zunächst diesen ganzen Tag bis in die Nacht hinein in seiner Gesellschaft. ›Noch ehe ich ihm meinen Plan vorlegte, äußerte er sich sehr freudig darüber, daß mir Wien gefiele; denn dann hoffe er auch, daß ich einmal hier bleiben würde, um einen bedeutenden Wirkungskreis einzunehmen. Dann legte ich ihm meinen Plan vor: er ging sogleich darauf ein und entwarf folgenden Feldzugsplan für die Sache. Der neue Minister des Unterrichtes, Erner, ein sehr befähigter Kopf, von dem sich alle viel versprechen, ist Fischhofs Freund; mit ihm will er mich bekannt machen. Zunächst wollen wir, daß der Minister die ganze Sache bei den Entwürfen für die Ausgaben für öffentlichen Unterricht mit in Anschlag bringe und eine Kommission ernenne, welche die Sache insoweit prüfe, was davon zunächst schon in Ausführung zu bringen wäre, um den Anfang zu machen. Wenn auch sobald der ganze Plan nicht wird ausgeführt werden können, so bin ich doch nach dieser ungemein teilnehmenden Bekanntschaft sicher, daß meine hiesige Anwesenheit gewiß Früchte tragen wird.‹30

Durch Fischhofs Vermittelung kam es dann noch zu einer Reihe anderer Bekanntschaften. Zunächst mit Friedrich Uhl, der bereits als Zwanzigjähriger in den Franklschen ›Sonntagsblättern‹31 mit einer schlesischen Dorfgeschichte literarisch debütiert hatte und seit 1848 ununterbrochen journalistisch tätig war. Sodann führte ihm Fischhof aus den Kreisen seiner musikalischen Schüler einen russischen Staatsrat und Gesandtschaftsattaché, ferner den Sohn eines türkischen Gesandten und einen Enkel Mehemed Alis, des Vizekönigs von Ägypten zu. Mit dieser letzteren, sonderbar zusammengewürfelten Gesellschaft gab es nun gemeinsame Besuche des Balletts im Kärntnertortheater, besonders aber Ausflüge nach Baden und in die sonstigen schönen Umgebungen der Kaiserstadt. ›Welche Umgebungen! ich hatte alles vergessen und bin nun erst recht bezaubert. Alles ist ziemlich wohlfeil zu genießen; für einen 20 Kreuzer führen Dich elegante Stellwagen in die schönsten Umgegenden.‹ ›Nachdem erst mein Name in der Fremdenliste erschienen, erhielt ich sogleich mehrere Besuche, u.a. von Dr. Bacher – sehr reich und enthusiastisch – der mit Freude auf meinen Plan einging. Sehr einflußreich ist noch der [293] Gewinn des Staatsrats Vesque von Püttlingen (unter dem Namen »Hoven« Komponist der Oper »Johanna d'Arc«); bei ihm speiste ich mit Fischhof gestern (Freitag, den 14. Juli) auf dem Lande in seiner Villa. Mein Plan hat ihn entzückt: er bat sich sogleich Abschriften für die Minister aus, um sie vorläufig mit der Sache bekannt zu machen. Nur für das Kärntnertor-Operntheater wäre eine Bedingung – so meinten alle – nämlich, daß ich mich von Dresden losmachen könnte, um die Einrichtung und Direktion dieses Theaters zu übernehmen. Ich sagte: allerdings habe ich in Dresden eine königliche lebenslängliche Anstellung mit schönem Gehalte usw.; könnten jedoch meine Wünsche für Wien ganz in Erfüllung gehen, so hoffe ich von meinem Könige schon losgelassen zu werden. Nun war alles befriedigt, und Montag Nachmittag um 4 Uhr soll bei Fischhof die große Zusammenkunft sein, wo mein Plan allgemein vorgelegt und angenommen werden soll, dann mit der Unterschrift aller an das Ministerium gegangen und darauf bestanden werden, daß sofort eine Kommission ernannt werde, welche über die Einführung meiner Theater-Organisation die geeigneten Vorschläge machen soll Freilich bedauern sie alle, daß ich jetzt wieder fort muß, und nicht schon sogleich an dieser Kommission Anteil nehmen kann.‹32

Somit durfte er sich in der Tat dessen rühmen, daß ›sein Wiener Schiff ganz vortrefflich steuere‹. ›Übrigens unterscheidet sich Wien von allen übrigen Städten jetzt dadurch, daß in ihm gar keine Partei-Reibungen stattfinden Es gibt hier nur eine Partei, das ist die radikale; in Innsbruck sitzt die Hofpartei, um die sich kein Mensch mehr bekümmert. Ein schönes Fest fand gestern (14. Juli) statt: beunruhigende Gerüchte waren verbreitet, daß das Militär einen Schlag gegen Wien auszuführen beabsichtige usw. Nun kam vorgestern eine Deputation der Armee in den Sicherheits-Ausschuß der Bürger und erklärte den Wunsch, um jene Gerüchte gänzlich niederzuschlagen, am nächsten Morgen eine Zusammenkunft der Nationalgarde und Armee in der Brigittenau zu veranstalten, um sich dort zu verbrüdern Dies geschah nun auch, und mit Jubel und Musik zog Nationalgarde, Studenten, Armee mit Offizieren, 12 Generalen usw., Arbeiter und dgl. durch die Stadt; alles ging bunt gemischt Arm in Arm Es war wirklich erhebend.‹33

Die für Montag den 17. Juli Nachmittags 4 Uhr in der Wohnung Fischhofs angesetzte Versammlung fand unter regem Zuspruch statt und verschaffte dem jungen Meister vorläufig die Genugtuung, seine Reformpläne für Wien wenigstens einigen aufmerksamen Zuhörern zur Prüfung vorgelegt und ihre Zustimmung dafür empfangen zu haben Weiteres konnte er für jetzt, da seine Rückkehr nach Dresden nahe bevorstand, nicht erwarten; es mußte ihm nach seinen eigenen Worten genügen, daß ›seine hiesige Anwesenheit[294] gewiß Früchte tragen werde‹. ›Ich dränge immer vorwärts und beweise, daß jetzt offiziell wenigstens das Prinzip anerkannt werden solle und zunächst das zur Ausführung kommen möge, was ausführbar ist. Fischhof faßte nun die größte Hoffnung für die Sache, und meinte: in Wien sei Geld vorhanden. Wenn durch Druck und Proklamation die Sache veröffentlicht und mit einem Aufruf begleitet würde: er wisse gewiß, 500000 Gulden würden sogleich freiwillig zusammenkommen, um die Sache in Angriff zu nehmen.‹34 Es war sehr natürlich, daß eine Angelegenheit, an welcher sich zahlreiche Wiener Publizisten beteiligten, sehr bald ihren Weg in die Öffentlichkeit fand; insbesondere machten sich die Musikzeitungen mit seinem kurzen Wiener Aufenthalte so geräuschvoll übertreibend zu schaffen, als handele es sich seinerseits wirklich um ein greifbares, in allernächster Zeit zu verwirklichendes Projekt und nicht um ein rein persönliches und privates Sondieren der dortigen künstlerischen Verhältnisse, Richard Wagner aus Dresden befindet sich in der Kaiserstadt › Wien‹, lesen wir in einem dieser Berichte. ›Er hat ein Programm zur Reorganisation der Wiener Theater ausgearbeitet, vom Standpunkte des Theaters als National-Institut, und gedenkt dasselbe dem Minister des Unterrichts vorzulegen, welcher es dann einem Komitee von Schriftstellern und Musikern zur Begutachtung und Vorberatung zu übergeben hätte. Gibt's denn in Dresden nichts zu reorganisieren?‹35 Noch einmal drängte sich bei diesem Anlaß jener Studiosus Hanslick in seine Nähe. ›Im Juli36 31848 kam Richard Wagner für einige Tage nach Wien‹, berichtet er später darüber, ›offenbar angelockt von der politischen Bewegung. Ich brachte einen Abend mit ihm und Professor Josef Fischhof (vom Wiener Konservatorium) zu, in einem bescheidenen Gasthausgärtchen an der Donau Wagner war ganz Politik; er erwartete von dem Siege der Revolution eine vollständige Wiedergeburt der Kunst, der Gesellschaft, der Religion, ein neues Theater, eine neue Musik. Er erkundigte sich nach den bekanntesten demokratischen Führern in Wien und ließ sich von Friedrich Uhlin eine demokratische Versammlung führen Es stellte sich auch bald heraus, daß er den demokratischen Abgeordneten Dr. Adolf Fischhof im Sinne gehabt, als er den Klavierprofessor Fischhof besuchte, welcher nicht wenig erstaunt war, von Wagner nur politische Reden und kein Sterbenswörtchen über Musik zu hören.‹ Die letztere Behauptung ist allerdings in sich um so widerspruchsvoller, als ja kurz vorher erwähnt [295] wird, Wagner habe gerade von der Revolution ein ›neues Theater und eine neue Musik‹ erwartet. Vor allem aber ist die angebliche Verwechselung der beiden Fischhof als eine ebenso lächerliche als leicht fertige Unwahrheit zu konstatieren, welcher der Erzähler, hätte er es irgend gewollt, leicht hätte entgehen können. Bedenklicher mußte es aber wohl für den, damals schon genügend welterfahrenen Schöpfer des ›Tannhäuser‹ und des ›Lohengrin‹ sein, daß ein großer Teil dieser lebhaften und beweglichen Elemente, die sich in den öffentlichen Verhältnissen Wiens so ganz zuhause fühlten und ihm für die Durchführung seiner künstlerischen Pläne ihre Bundesgenossenschaft und ihren tätigen Beistand zur Verfügung stellten, – dem überall rührigen auserwählten Volke durch seine Abstammung angehörte, nicht allein der Dr. Frankl und Dr. Bacher (letzterer einer der geschäftigsten Wiener Agenten Meyerbeers), sondern auch sein allezeit verbindlicher Gönner und Berater Professor Fischhof – wie nicht minder der ebengenannte radikale Abgeordnete gleichen Namens! – woraus es sich denn erklärt, daß auch der junge Hanslick bei ihnen so leichten Zugang fand.

Der Monat August erblickte ihn nach inzwischen erfolgtem Wiederantritt seiner Amtsfunktionen in dienstfreier Zeit noch einmal zu kurzem Verweilen in Weimar. Ihn lockte dahin das, durch den traurig verworrenen Zustand der Dresdener Verhältnisse nur verstärkte, Verlangen eines persönlichen und mündlichen Verkehrs mit Liszt über so manche Dinge und Beziehungen, die sich brieflich nicht befriedigend erörtern ließen. Er traf ihn damals noch nicht in der glanzvoll prächtigen Umgebung der Altenburg, sondern in der bescheidenen Niederlassung im ›Erbprinzen‹; jenes nachmals durch seinen Aufenthalt bedeutungsvoll gewordene frei gelegene herrschaftliche Gebäude auf einer Anhöhe dicht bei der Stadt war damals vorerst nur in seinem ersten Stock von der Fürstin Karoline Wittgenstein bewohnt. Die gewiß außerordentliche Frau, seit einem Jahr durch die Bande einer wechselseitigen tief leidenschaftlichen Neigung mit Liszt verknüpft, hatte sich gegen eine gewalttätige Bevormundung und drohende Verfolgung durch Kaiser Nikolaus I. direkt unter den Schutz der hochherzigen Schwester ihres kaiserlichen Verfolgers, der kunstsinnigen Großherzogin Maria Paulowna gestellt. Der Weimarische Hof war ihr wohl gesinnt. In der Tat war diese persönliche Beziehung der Hauptgrund für die mehrerwähnte entscheidende Wendung im Leben Liszts, für das plötzliche Abbrechen seiner Virtuosenlaufbahn und seine, für die gesamte Entwickelung deutscher Kunst so folgenreiche dauernde Niederlassung in dem entlegenen Weimar, dem er zwar bereits seit dem November 1842 als Großherzoglicher Kapellmeister angehörte, ohne jedoch anders als vorübergehend daselbst Aufenthalt zu nehmen. An diesen Besuch des Meisters in den letzten Augusttagen des Jahres 1848 knüpft sein Brief vom 6. Sept., in welchem er von Dresden aus dem Freunde ›für viele und manche Sorge [296] dankt, die dieser um ihn getragen‹. Er habe der Frau Fürstin Nachricht wegen einer Dresdener Aufführung des ›Tannhäuser‹ versprochen; nun könne eine solche am Sonntag oder Montag, wie er ihr in Aussicht gestellt, nicht stattfinden, hauptsächlich weil Tichatschek nicht wohl sei, demnächst noch wegen anderweitiger Repertoire-Ansprüche des eben gastierenden Tenoristen Formes.

Die traurige Verworrenheit in den Verhältnissen seiner Dresdener Anstellung, deren wir zuvor gedachten, war allerdings seit seiner Rückkehr erst recht zutage getreten. Eine gegen ihn erbitterte Hofpartei hatte (nach Prölß' Darstellung37), an höchster Stelle allmählich mehr und mehr an Einfluß gewonnen, und Lüttichau war nicht der Mann, diesen höfischen Kabalen einen entscheidenden Widerstand entgegenzusetzen. Um so weniger, als er, nach demselben Gewährsmann, schon damals – zu seinem großen Ärger! – von Wagners Theaterreform-Entwurf Kunde erhalten zu haben scheint, welcher ›über das Institut des gegenwärtigen Hoftheaters und dessen Organisation, daher auch über die General-Direktion völlig hinwegsah‹.38 Unter diesen Umständen findet sein Historiograph die Tatsache ganz ›erklärlich‹, daß er, als Wagner im Monat September das Gesuch um die ihm in Aussicht gestellte jährliche Gratifikation (S. 263/64) wiederholte, deren Erneuerung nicht mehr glaubte empfehlen zu dürfen! Er wies vielmehr in seinem schriftlichen Vortrag in dieser Angelegenheit darauf hin, es könne ›nach den neuesten Vorgängen leider keine Gewährleistung im voraus gegeben werden‹, daß die von Sr. Majestät daran geknüpfte Bedingung von Wagner erfüllt werde, nämlich daß er ›fortwährend seine Stelle mit Fleiß und Tätigkeit zur Zufriedenheit der Generaldirektion verwalte‹! Selbst eine Dienstentlassung wird darin abermals berührt, wenn sie auch gegen Wagner direkt damals ›noch nicht zur Sprache gekommen scheint‹.

Hätte in der Tat einem solchen Vorgehen ohne eine wirkliche maßgebende Veranlassung in Wagners ›lebenslänglicher‹ Anstellung ein entscheidendes formales Hindernis im Wege gestanden, so bewies nun aber das Beispiel des armen Röckel, der um dieselbe Zeit tatsächlich seine Kündigung erhielt, wie leicht man sich über solche Hindernisse hinwegzusetzen verstand.39 Es geschah [297] dies um dieselbe Zeit, als andererseits das Institut der Königl. Kapelle der bemerkenswerten Feier seines dreihundertjährigen Bestehens entgegenging, wobei man den, die Einrichtung einer sogenannten Kantorei betreffenden Befehl des Kurfürsten Moritz von Sachsen vom 22. September 1548 als ihren geschichtlichen Ausgangspunkt betrachtete. Das bevorstehende Jubelfest sollte seiner Bedeutung gemäß durch ein historisches Konzert würdig begangen werden, und den Schluß desselben zwei moderne Kompositionen bilden. Da hierfür vor allem die beiden gegenwärtig in Funktion befindlichen Dirigenten der Kapelle in Betracht kamen,40 wählte Wagner für diesen Zweck das Finale des ersten Aktes seines ›Lohengrin‹, dessen Partitur damals, behufs baldiger Aufführung, gegen Erstattung der Kopierkosten bereits im Besitze der Generaldirektion sich befand, während andererseits dem ›jungen Heine‹ (dem Sohne des alten Freundes Ferdinand Heine) die Bestellungen für die Dekorationen zugegangen waren.41 Trotzdem ging die Tendenz der Generaldirektion für den Abend der Festfeier auf nichts weniger als auf eine Verherrlichung Wagners aus: im Gegenteil hätte man ihm dazu gern unter den Augen des Publikums eine recht ersichtliche Demütigung bereitet.42 In sorgfältiger Rangabstufung – Lüttichaus vorzügliche Liebhaberei – waren die drei Dirigenten der Kapelle an diesem Abende von seiten des Hofes in Anerkennung ihrer ›Verdienste‹ ganz verschieden bedacht: [298] Reißiger hatte am selben Tage vom Könige das Ritterkreuz des Kgl. Sächsischen Zivilverdienstordens erhalten; Wagner war stillschweigend übergangen; über Röckel schwebte das drohende Verhängnis der Entlassung. Der ordengeschmückte Reißiger wurde gleich bei seinem ersten Hervortreten mit lebhafter Begrüßung des Publikums empfangen und seine ›melodiöse‹ ältere Ouvertüre zu dem französischen Schauspiel ›Yelva‹ (worin einst Rosalie sich den Beifall der Prager gewonnen)43 mit einem Enthusiasmus aufgenommen, der offenbar weniger dem Musikstück als der empfangenen unerhörten Auszeichnung galt. Dagegen litt das Fragment der Gralstragödie – vom Erscheinen Lohengrins an – trotz feuriger Wiedergabe durch Sänger und Musiker offenbar unter seiner, vom sichtbaren szenischen Vorgange abgelösten Vorführungsweise in Frack und Balltoilette. Der rauschende Beifall, welcher gleichwohl nicht ausblieb,44 galt daher nach dem Urteil der Augenzeugen mehr der Person Wagners als einem bereits vorauszusetzenden wirklichen Verständnis des vernommenen wundervollen Bruchstückes. Der künstlerischen Feier durch das Konzert folgte im geschmückten und festlich erleuchteten Saale der ›Harmonie-Gesellschaft‹ die gesellige Feier durch Festmahl und obligaten Ball. Doch vermochten die üblichen offiziellen Toaste längere Zeit nicht die rechte Freudigkeit hervorzubringen, – bis endlich Wagners Trinkspruch auf die Kapelle45 einen allgemein empfundenen peinlichen Druck in die wohltuendste Erhebung auflöste Er fand kein schöneres Gleichnis für die Erscheinung, in der sich das Institut der Kgl. Kapelle den Festgenossen darstelle, als daß es ein Mann sei, ein Mann auf der kräftigsten Stufe seiner Ausbildung, der mit Verständnis auf seine Vergangenheit, auf die Entwickelung seiner Fähigkeiten zurückblickt Erst dann werde die Tätigkeit des Mannes vollkommen nützlich, wenn er sie seiner besten und höchsten Fähigkeit gemäß walten lasse. ›Vor allem aber nützt er auch dadurch, daß erbildet und erzieht: damit versichert er sich seiner fortdauernden Wirksamkeit in die Zukunft.‹ Und so solle das Institut, als das in seiner Art vollkommenste des Vaterlandes, der vaterländischen Kunstproduktion sich immer teilnehmender und fördernder [299] erschließen und der Ausgangspunkt höchster musikalischer Bildung für ganz Deutschland werden. Zum Schlusse wünschte er diesem seinem ›Manne‹ noch ein Weib, d.h. ein gleich tüchtiges, ihm anvertrautes Vokalinstitut: ›ich halte dieses nämlich für eine Frau, da, wie wir ja ganz genau wissen, das gegenwärtige Orchester aus dem Schoße eines Sängerchores hervorgegangen ist!‹ – so begründete er die Fortführung seines Gleichnisses. Konnte sich die gehobene Stimmung noch steigern, so geschah es, als die Anwesenheit der – seit ihrem gewaltsamen Bruche mit jenem Herrn v. Döring nach ihrem eigenen Ausdruck an Leib und Seele todkranken – Schröder-Devrient bemerkt wurde. ›Die größte deutsche Künstlerin ist unter uns!‹ ging es durch den Saal, und nicht enden wollte der Hochruf, dem die tief gerührte Künstlerin mit den Worten dankte: ›Es ist mein größter Stolz, Ihnen angehört zu haben.‹ Sie ging alsdann an der Tafel auf und ab, um sich mit ›unbeschreiblicher Liebenswürdigkeit‹ fast bei jedem einzelnen der Tischgäste insbesondere für die ihr dargebrachte Huldigung zu bedanken. Unter den Festgästen befand sich auch Heinrich Marschner; es blieb dem Meister noch lange in Erinnerung, wie ihn dieser, da er ihn in lebhaftesten Bemühungen für die Hebung des Geistes in der Dresdener Kapelle begriffen sah, fürsorglich davon abmahnte: ›er solle doch nur bedenken, daß der Musiker ja rein unfähig wäre, ihn zu verstehen‹.46

Die vorübergehende persönliche Beteiligung Wagners an den öffentlichen Vorgängen durch sein einmaliges Auftreten im Vaterlandsverein war aus dem besten Willen geschehen, der Bewegung der Geister würdigere Ziele zu weisen. Die ›Lüge und Heuchelei der politischen Parteien‹ hatte ihn mit einem Ekel erfüllt, der ihn zunächst wieder in die vollste Einsamkeit zurücktrieb. Hier ›verzehrte sich sein nach außen ungestillter Drang wieder in künstlerischen Entwürfen‹. Zwei solcher Entwürfe hatten sich noch während der musikalischen Ausführung des ›Lohengrin‹, bei der er sich immer wie in einer Oase mitten in der Wüste gefühlt hatte, seiner dichterischen Phantasie bemächtigt. Es waren dies ›Siegfried‹ und ›Friedrich der Rotbart‹. Beide Stoffe waren um die gleiche Zeit mit der Gestaltung seiner politischen Überzeugungen, denen seine Vaterlandsvereinsrede Ausdruck verlieh, in ihm gereist und herangewachsen; zwei größere literarische Entwürfe: ›Der Nibelungen-Mythos, als Entwurf zu einem Drama‹ und die ausführliche Schrift: ›Die Wibelungen, Weltgeschichte aus der Sage‹ verdanken seinem schöpferisch [300] produktiven Geiste in demselben Sommer des Jahres 1848 ihre Entstehung, in dem seine mannigfachen Widersacher sich mühten, ihm die äußeren Bedingungen seiner Existenz nach Möglichkeit zu verbittern.47

›Auch mich beschäftigte in der anregungsvollen letzten Vergangenheit die von so vielen ersehnte Wiedererweckung Friedrich des Rotbarts‹, leitet er ein Jahr später die Veröffentlichung der letzteren Studie ein, ›und drängte mich mit verstärktem Eifer zur Befriedigung eines bereits früher von mir gehegten Wunsches, den kaiserlichen Helden durch meinen schwachen dichterischen Atem von neuem für unsere Schaubühne zu beleben.‹ Bei der Entscheidung zwischen ›Siegfried‹ und ›Friedrich‹ stellten sich ihm nochmals, und zum letzten Male, Mythos und Geschichte gegenüber und drängten ihn diesmal sogar zu der Entscheidung, ob er ein musikalisches Drama oder ein rezitiertes Schauspiel zu schreiben hätte. Seine Studien des deutschen Altertumes hatten ihn durch die Dichtungen des Mittelalters hindurch bis auf den Grund des alten urdeutschen Mythos getragen: hatte ihn schon längst die herrliche Gestalt des Siegfried angezogen, so entzückte sie ihn doch vollends erst, als es ihm gelungen war, sie, von aller späteren Umkleidung befreit, in ihrer reinsten menschlichen Erscheinung vor sich zu sehen. ›Erst jetzt auch erkannte ich die Möglichkeit, ihn zum Helden eines Dramas zu machen, was mir nie eingefallen war, so lange ich ihn nur aus dem mittelalterlichen Nibelungenliede kannte.‹ ›Zugleich war mir aus dem Studium der Geschichte auch, Friedrich I. entgegengetreten: er erschien mir, wie er dem sagengestaltenden deutschen Volke erschienen war, als geschichtliche Wiedergeburt des altheidnischen Siegfried.‹ Als die Bewegungen der letzten Zeit hereinbrachen und in Deutschland zunächst im Verlangen nach politischer Einheit sich kundgaben, mußte es ihn dünken, als ob Friedrich I. dem Volke eher verständlich sein würde, als der rein menschliche Siegfried. Bereits war der Plan zu einem rezitierenden Drama entworfen, das in fünf Akten Friedrich vom ronkalischen Reichstage bis zum Antritt seines Kreuzzuges darstellen sollte. Unbefriedigt wandte er sich aber immer wieder von dem Plane ab. Nicht die bloße Darstellung einzelner geschichtlicher Momente hatte ihn zu dem Entwurfe veranlaßt, sondern der Wunsch, einen großen Zusammenhang von Verhältnissen in der Weise vorzuführen, daß er nach einer leicht überschaulichen Einheit erfaßt und verstanden werden sollte: die ungeheuere Masse geschichtlicher Vorfälle und Beziehungen, aus der doch kein Glied ausgelassen werden durfte, ohne die Verständlichkeit jenes Zusammenhanges zu gefährden, eignete sich aber weder für die Form, noch das Wesen des Dramas. Das Widerspruchsvolle einer willkürlichen Gestaltung dieser Verhältnisse durch eine [301] freie dichterische Behandlung mußte ihm aber einleuchten; denn das Charakteristische des Friedrich Rotbart war es eben für ihn, daß er ein geschichtlicher Held sein sollte.

›Ich kehrte daher – zu derselben Zeit, wo ich mit dem widerlichen Eindrucke, den die politisch-formelle Tendenz in dem inhaltslosen Treiben unserer Parteien auf mich machte, von der Öffentlichkeit mich zurückzog – zum Siegfried zurück, und zwar nun auch mit vollem Bewußtsein von der Untauglichkeit der reinen Geschichte für die Kunst Zugleich aber hatte ich hiermit ein künstlerisch formelles Problem für mein Bewußtsein mit Bestimmtheit gelöst, und dies war die Frage über die Gültigkeit des reinen (nur gesprochenen) Schauspiels für das Drama der Zukunft. Als mich äußere Anregungen veranlaßten, mich mit dem Entwurfe des »Friedrich Rotbart« zu beschäftigen, kam mir nicht einen Augenblick ein Zweifel darüber an, daß es sich hier nur um ein gesprochenes Schauspiel, keineswegs aber um ein musikalisch auszuführendes Drama handeln könnte. In der Periode meines Lebens, wo ich den »Rienzi« konzipierte, hätte es mir vielleicht ankommen können, auch den »Rotbart« für einen Opernstoff zu halten; jetzt, wo es mir nicht mehr darauf ankam, Opern zu schreiben, sondern überhaupt meine dichterischen Anschauungen in der lebendigsten künstlerischen Form, im Drama, mitzuteilen, fiel es mir nicht im entferntesten ein, einen historisch-politischen Gegenstand anders als im gesprochenen Schauspiel auszuführen. Als ich nun diesen Stoff aber aufgab, geschah dies keineswegs aus Bedenken, die mir etwa als Operndichter und Komponisten erwachsen wären, und mir es verwehrt hätten, aus dem Fache, in welchem ich geübt war, herauszutreten; sondern es kam dies lediglich daher, daß ich die Ungeeignetheit des Stoffes für das Drama überhaupt einsehen lernen mußte; daß die bloße verständliche Schilderung von Verhältnissen mir die Darstellung der rein menschlichen Individualität verwehrte.‹

›Allerdings‹, fügt er dieser Betrachtung hinzu, ›konnte eine ähnliche Erkenntnis vom Wesen des Schauspieles einem absoluten Schauspieldichter oder dramatischen Literaten nicht entstehen, sondern lediglich einem künstlerischen Menschen, der eine Entwickelung, wie die meinige es war, unter der Einwirkung des Geistes der Musik nahm.‹ ›Als ich den »Friedrich«, mit dem ich mich dem geschichtlich politischen Leben am dichtesten genähert hatte, mit vollem Wissen und Willen aufgab, um desto bestimmter und gewisser den »Siegfried« vorzunehmen, hatte ich eine neue und entscheidendste Periode meiner künstlerischen und menschlichen Entwickelung angetreten, die Periode des bewußten künstlerischen Wollens auf einer vollkommen neuen, mit unbewußter Notwendigkeit von mir eingeschlagenen Bahn.‹

Fußnoten

1 Briefe an Liszt, I, S. 139.


2 Ebendaselbst.


3 Frau Lina Ramann in ihrem Buche ›Franz Liszt als Künstler und Mensch‹ II2, S. 53. Das in so mancher Hinsicht vortreffliche Buch beruht in seinem biographischen Teil, neben den eigenen fleißigen Forschungen der Verfasserin, wesentlich auf mündlichen Lebenserinnerungen Liszts, noch mehr aber der Fürstin Wittgenstein. Immerhin dürfte manche darin vorkommende Einzelheit ähnlich mißverständnisvoll von ihr aufgefaßt und wiedergegeben sein, als die bei dieser Gelegenheit von ihr vorgebrachte pointenlose Anekdote, deren Abschluß sie sich aus den gedruckten Mitteilungen Wagners (Ges. Schr. IV, S. 412) mißbräuchlich und sachlich unrichtig zurechtstutzt. Nach ihr nämlich habe von diesem Abende (mit der Meyerbeer-Debatte), den sie irrtümlich in das Jahr 1844 verlegt, – ›Wagners heftige Verstimmung gegen Liszt‹ datiert!!


4 Brief an Lüttichau vom 18. Juni 1848.


5 Ebendaselbst.


6 Gesammelte Schriften, Band IV, S. 379.


7 Wagner verlangt von dem Könige, er solle sich an der Spitze des ›Freistaates Sachsen‹ als den ›ersten und allerechtesten Republikaner‹ fühlen. Das klang vielleicht paradox, stimmt aber genau damit überein, daß sich König Friedrich Wilhelm I. von Preußen – übrigens einer der allerselbstwilligsten deutschen Herrscher – sogar mit Vorliebe einen ›Republikaner‹ genannt hat: er fühlte sich als ›Alleinherrscher zum alleinigen Wohle des Volkes‹. (Vgl. Bayr. Blätter, 1893, S. 152 Anm.)


8 ›Daß Wagner vor fast fünfzig Jahren die Bedeutung der Kolonien für das deutsche Reich so bestimmt und klar ausgesprochen hat, verdient als Beweis seines politischen Scharfsinnes besonders hervorgehoben zu werden. Hätte man damals der Stimme des »phantastischen Künstlers« Gehör geschenkt, Deutschland stünde jetzt anders da als jetzt, wo es der Hauptsache nach, als Kolonien, nur das besitzt, was kein anderer Staat hat nehmen wollen!‹ So urteilt H. S. Chamberlain, allerdings ein Engländer von Geburt, in seinem Aufsatze über ›Richard Wagner und die Politik‹ über die achtundvierziger Rede des Meisters, mit welcher mancher Deutsche sich noch heute nicht zurechtfinden zu können scheint!


9 Es ist dies das ›individuell Höhere‹, welches Herr Dr. Dinger im Sinne hat, wenn er in seinem Buche über Wagners geistige Entwickelung es dem Verfasser zwar in sehr schmeichelhafter Weise, dennoch aber ganz unverdientermaßen als ein persönliches Verdienst anrechnet: ›den Künstler hoch erhaben über seine Mitwelt darzustellen‹. ›Es hat nach Glasenapps Bericht den Anschein (!!), als ob Wagner in den Kreis der Demokraten herabgestiegen sei, um diesen ein ungeahntes Höheres zu verkünden; als hätte er der Schar der Revolutionäre im Wesen fern gestanden und nur im Sinne eines individuell Höheren auf sie einzuwirken gesucht‹ (a. a. O. S. 103). Bedenklich ist es allerdings, ohne eine Erfahrung, oder doch intuitive Anschauung dieses individuell Höheren über Wagner überhaupt schreiben zu wollen; es ist dies bekanntlich die schwache Seite der, hinsichtlich des darauf verwandten Sammelfleißes gewiß schätzbaren Dingerschen Arbeit.


10 So heißt es in einem gleichzeitigen Bericht über diese Rede, den das ›Dresdener Morgenblatt für Unterhaltung und Belehrung‹ am 18. Juni 1848 veröffentlichte: die Ausführungen Wagners hätten ihn ›mit allen Meinungen und Parteien etwas in Spannung gebracht‹ und ›der endlose Beifall am Schlusse des jedenfalls geistvollen Vortrages wohl am meisten der Neuheit und Originalität der Ideen und dem Mute des Redners gegolten‹. (Vgl. Chamberlain, ›Richard Wagner und die Politik‹ in den ›Bayr. Blättern‹ 1893, S. 147).


11 Chamberlain, ›R. Wagner und die Politik‹, S. 147.


12 ›Dieses schöne Phantasiebild, welches an Lamartine, zuweilen auch an Lamennais erinnert, ist freilich reicher an Problemen als an Lösungen derselben. Unter den kalten Verstandesmenschen ist die Politik des romantischen Dichters und Komponisten des »Tannhäuser« eine fremde Erscheinung; uns scheint, als ob diese beiden, so verschiedenen Richtungen nur in dem einen Punkte, der Aufstellung des Problems der politischen und sozialen Befreiung, sich decken, daß aber, so wie die Ausgangspunkte Beider verschieden gewesen sind, auch die Endpunkte auseinanderfallen werden.‹ ›Dresdener Journal‹ vom 17. Juni 1848, Nr. 78 (Organ der Regierungspartei).


13An Richard Faust! O Wortgeklimper und Gesumm, Wie gehst du mir im Kopf herum! Cuschmum, Wettin und Republik, das nenn' ich einen Pickenick! Den Leser widerts, ihn bangt und graust, Wenn Wagner tut, als wär' er Faust.‹


14An den kleinen Blechkönig! Die neunte Symphonie, was wär' sie ohne ihn? Was ohne ihn die Zeit, der Thron, das Laus Wettin? Steht er nicht größer da als Lamartine? O lasset im Triumph uns seinen Wagen zieh'n. Und vor dem größten Geist der Mit- und Nachwelt knie'n‹ usw.


15 Auf Gutzkow als geheimen Urheber dieser Angriffe, den schon der Stil seiner Verse zu erkennen gibt, deutet bereits A. Oppenheim (allerdings ein literarisch etwas bedenklicher Zeuge!) in der ›Frankf. Zeitung‹ vom 16. Juni 1877 (›A. d. Sturmjahren R. Wagners‹).


16Gerade dieser Beifall nun, sowie auch der Grund desselben, hat mir Neider und Gegner erweckt‹ (briefl. an Lüttichau, 18. Juni 1848).


17 Vgl. Röckel, Sachsens Erhebung (2. Aufl.) S. 51: ›Wenn das im Laufe des vorigen Sommers gesprochene Wort: »Wir haben ein stehendes Leer und eine liegende Kommunalgarde« die höchste Entrüstung dieser letzteren auf seinen geistvollen Urheber herabbeschwor, so bewährte es sich jetzt als ein prophetisches.‹


18 Das bereits mehrfach von uns zitierte Schreiben ist u.a. in den ›Bayreuther Blättern‹ 1893, V/VI und in Wm. Ashton Ellis' vortrefflicher Schrift ›Der Aufstand in Dresden‹ (deutsch von H. v. Wolzogen, Leipzig 1894) S. 23–26 vollständig zum Abdruck gebracht. In seiner eigentümlichen ›Bücklings‹-Befangenheit dazu geneigt, das Urteil seines Lesers im gleichen Sinne zu präokkupieren, geht der mehrerwähnte Gesichtsschreiber des Dresdener Hoftheaters soweit, diesen Brief für ein Zeichen von Wagners ›Bestürzung‹ (!!) zu erklären. Dagegen bemerkt Ellis mit vollem Recht: ›Nach unserer Meinung ist es die würdigste Erwiderung, die ein Beamter auf einen Vorwurf seines Vorgesetzten äußern konnte. Da wird nichts von Dem zurückgezogen, was zuvor gesprochen worden, obwohl es unzweifelhaft sein mußte, daß die Stellung eines Kgl. Kapellmeisters dadurch arg gefährdet ward Es ist gewiß nicht der Brief eines Mannes. der sich je zu Ausflüchten herablassen würde. Hätte der Hof solchen Warnungen Gehör geschenkt, so wäre es wohl für alle Teile besser gewesen.‹


19 In einem Artikel der von Hamman und Henzen herausgegebenen ›Dramaturgischen Blätter‹ 1878, Nr. 4, S. 77 (›Richard Wagner am Hoftheater zu Dresden‹).


20 Wagners erster Brief, am Tage vor all diesen Vorfällen geschrieben, hatte am Schlusse den noblen Passus: ›Hat dagegen mein Schritt Ärgernis erregt, so hat er seine Absicht nicht erfüllt: hat er nicht versöhnt, sondern nur beleidigt – so beruhte er allerdings auf einer Täuschung, für die ich jeden, den ich beleidigt, herzlich um Verzeihung bitte.‹


21 Der geneigte Leser, welcher Wagners Lebensverhältnisse von Magdeburg und Königsberg bis in die Dresdener Zeit an der Hand unserer Darstellung sich zur Kenntnis gebracht hat, vergleiche damit die völlig unrichtige Darstellung derselben durch den altbewährten, allerdings nach dessen eigenem Geständnis damals einigermaßen entfremdeten Freund Pecht (in seinem Memoirenwerk ›Aus meinem Leben‹): ›Mit meinem alten Freunde Richard Wagner kam ich jetzt schon darum weniger zusammen, als mir die Musik doch ferner lag, wie aufrichtig ich auch die seinige bewunderte. Wie aber dieser Feuergeist ewig in Projekten aller Art steckte, das war hochinteressant zu sehen. Da er es nicht vermochte, sich irgend zu beschränken‹ (der Leser kennt die wirklichen Ursachen seiner Sorgen!), ›so geriet er in beständige finanzielle Verlegenheiten und hatte, als das Jahr 1848 ausbrach, bereits eine Schuldenlast von angeblich‹ (es liegt darüber durchaus keine ›Angabe‹ vor, außer derjenigen Pechts selber!) ›20000 Talern aufgetürmt. Denn er verstand es nicht einmal, seine Autorenrechte, die ihm damals schon hätten sehr viel tragen müssen‹ (NB. wenn seine Werke außer Dresden irgendwo ausgeführt, geschweige denn ›eingebürgert‹ gewesen wären!) ›ordentlich auszubeuten, sondern ging immer die nachteiligsten Kontrakte ein, wo (sic!) er nachher das reinste Opfer wurde. So war er, während seine Opern den begeistertsten Beifall fanden‹ (NB. i. J. 1848!) ›und sich allmählich überall in Deutschland einbürgerten‹ (allerdings sehr allmählich, nämlich ein Jahrzehnt später!), ›selber in eine unhaltbare Lage geraten, was gewiß nicht wenig dazu beitrug, daß er sie bald darauf so kurz angebunden in die Schanze schlug‹ (– gab es dazu wirklich keine andern Ursachen?). So wird der ›Memoirist‹ unversehens zum gefälligen populären Märchenerzähler für eine weitausgebreitete Klasse ›gebildeter‹ Leser, denen erst dann recht wohl wird, wenn ihnen ganz bestimmte, wenn auch noch so ›angebliche‹ – Geldsummen namhaft gemacht werden.


22 Sie sind aus dem Ramannschen Buche ersichtlich.


23 Diese ganze Gruppe von Briefen an Lüttichau (18. Juni, 2. Juli, 3. Juli 1848) findet sich, in Interpunktion und Schreibweise korrekter als bei Prölß, abgedruckt in dem Sammelwerk von La Mara, Musikerbriefe II, S. 262–269.


24 Vgl. die darauf bezügliche Notiz der N. Zeitschr. f. Musik 1848, II, Nr. 12 aus Dresden: ›Unter Leitung eines kunstsinnigen Mitgliedes der hiesigen Kapelle, des Herrn Eckhardt, hat sich hier ein Musikkorps von 25 jungen, kräftigen Männern gebildet, welches die hoffnungslose Hungerei im Vaterlande mit den Hoffnungen der neuen Welt vertauschen und Anfang nächsten Monats nach New-York übersiedeln will. Die Durchführung der unsterblichen D dur-Symphonie von Haydn‹ (in einem Konzert im Schloßsaale des Großen Gartens) ›bewies, daß die jungen Auswanderer die hohe Bestimmung in sich fühlen, den Geist solcher Kunstleistungen der hiesigen Kapelle von weltgeschichtlicher Bedeutung in eine neue Welt zu verpflanzen.‹ (Hermann Eckhardt, Violinist, geb. 1823 zu Stolpen in Sachsen, gehörte seite 1845 dem Dresdener Hoforchester an und wirkte u.a. in der ersten Tannhäuseraufführung mit; † 16. November 1896 in Columbus, 73 Jahre alt.)


25 Joh. Theodor Mosevius, geb. 1788 zu Königsberg, hatte eine wechselvolle Laufbahn hinter sich er zuerst die Rechte studiert, dann aber zur Musik übergesprungen war, zunächst als Opernsänger in Königsberg und Breslau, dann an letzterem Orte als Universitätsmusikdirektor und – seit 1825 – Leiter der von ihm begründeten Singakademie, der er bis zu seinem 1858 erfolgten Tode vorstand.


26 Briefe an Minna Wagner I, S. 46.


27 Briefe an Minna Wagner I, S. 47.


28 Ebendaselbst.


29 Einer der zahlreichen Angehörigen dieser Künstlerfamilie, jedenfalls nicht der – Wagner (und Minna) von Riga her wohlbekannte – Charakterdarsteller Wilhelm August Wohbrück, Schwager Marschners und Textdichter Marschners und Heinrich Dorns, der vielmehr eben um diese Zeit, (am 15. Juli 1848) in Riga an der Cholera, starb.


30 Briefe an Minna Wagner, I, S. 48/49.


31 ›Sonntagsblätter, Zeitschrift für soziales Leben, Literatur und Kunst‹, seit 1842 durch Frankl begründet und redigiert.


32 Briefe an Minna Wagner, I, S. 50/51.


33 Ebendaselbst S. 51/52.


34 Ebendaselbst S. 49.


35 ›Signale‹ 1848, Nr. 32 Vgl. die spöttische Bemerkung in Nr. 36: ›Kapellmeister Richard Wagner komponiert in Wien eine neue Oper: »Die zinnoberrote Republik«.‹ Oder die Notiz der ›Europa‹ 1848, S. 148: ›Kapellmeister Wagner ist noch immer in Wien, halb und halb in Verbannung. Seine republikanischen Äußerungen in Gegenwart des Königs (!) sollen der Beweggrund seiner nicht ganz freiwilligen Reise sein‹ usw. usw.


36 Hanslick schreibt unrichtig: ›Im August‹.


37 ›Richard Wagner am Hoftheater zu Dresden‹, Dramaturgische Blätter 1878, S. 77 und ›Geschichte des Dresdener Hoftheaters‹ S. 550.


38 Vgl. R. Prölß, a. a. O. Bezeichnend für das ungleiche Maß, dessen sich Herr v. Lüttichau bei dieser Gelegenheit bediente, ist der Umstand, daß er Eduard Devrient die in dessen Reformschrift ›Das Nationaltheater des neuen Deutschlands‹ (Dezember 1848) ausgesprochene völlig gleichartige Forderung wonach der Intendant künftighin nicht mehr aus der Zahl der Kammerherren, Hofmarschälle, Oberstall- oder ›Oberjägermeister‹ zu wählen sein werde, keineswegs in dem gleichen Maße verdachte.


39 Durch welchen geschickten Kunstgriff, nämlich die sachlich völlig ungerechtfertigte, eigenmächtige Interpretation jenes in seiner Gültigkeit längst erloschenen Passus in einem älteren Schreiben Wagners (S. 5), dies zu bewerkstelligen sein werde, darauf weist Lüttichau schon in seinem gegenwärtigen Vortrag (Sept. 1848) an den König im voraus hin, und es wird uns dieser Umstand noch weiterhin entgegentreten.


40 Der erste Teil des Programmes, von Reißiger dirigiert, enthielt in chronologischer Folge Werke von Joh. Walther, H. Schütz, J. D. Heinichen, Hasse, Naumann, Schuster. Die zweite, von Wagner geleitete Abteilung enthielt Kompositionen von Paer, Morlachi, Weber, Reißiger, Wagner. Mit der Jubelouvertüre schloß das Ganze, mit einem Prolog von Gutzkow war es eingeleitet.


41 Briefwechsel mit Uhlig, Fischer, Leine S. 289, 291, 338.


42 Charakteristisch für die beständigen Kabalen und Mißdeutungen, denen er von dieser Seite her ausgesetzt blieb und die am Ende auch, als Aufreizung zu Parteiung und Angebereien, auf die Mitglieder der Kapelle zersetzend und demoralisierend wirkten, ist die durch ein erhaltenes Schreiben Wagners verbürgte Geschichte von der Schallwand. Von rein künstlerischen Intentionen ausgehend, hatte er sich zu dem bevorstehenden Jubelkonzert gegen die Beseitigung einer Schallwand im Orchester aufgelehnt, welche erst kurz zuvor hergestellt war, sich akustisch vorzüglich bewährt hatte und nun zugunsten einer, den König verherrlichenden Dekoration bei diesem Feste wieder geopfert werden sollte Sein lebhaftes Bedauern gegen die Ausführung dieser Absicht wurde ihm so gedeutet, daß ›Abgeschmacktheit und Bosheit‹ seinem Einspruch das sonderbare Motiv einer unpatriotischen Gesinnung zugrunde legten! Ein ausführliches, sehr energisches Schreiben Wagners an die Musiker (vom 15. September 1848) schließt daher mit der Aufforderung, falls seine angeführten Gründe die Mitglieder der Kapelle nicht überzeugt hätten und sie nicht bereit wären, sich dieselben ebenfalls anzueignen und als ihre Meinung zu vertreten, jenen Einspruch als nicht kundgegeben zubetrachten! Ob die Schallwand schließlich bestehen blieb oder den höheren patriotischdekorativen Notwendigkeiten weichen mußte, wissen wir nicht zu sagen.


43 Bd. I, S. 164 Anm.


44 ›Ehre und Dank den ruhmwürdigen Bestrebungen dieses Mannes‹, schrieb J. G. Müller (Dirigent des Orpheus) der Neuen Zeitschrift für Musik ›das Repertoire der deutschen Oper mit einer neuen Produktion seines rastlos schaffenden Geistes bereichern zu wollen! Wir freuen uns schon im stillen darauf. Übrigens erhielt schon heute diese Nummer rauschenden Beifall‹ (N. Z. f. Musik, 1848, II, Nr. 28). Anders die ›Signale‹: ›Das Finale, welches Wagner aus seiner neuen Oper ... aufführen ließ, setzte große Instrumentenmassen in Bewegung und ließ die Sänger im Stich, ungeachtet sie mehr zu schreien als zu singen hatten‹ (Signale, 1848, Nr. 41). Und der Schauspieler Carl Sonntag berichtet in seinen Erinnerungen über die Beschaffenheit dieses Beifalls: ›Die persönlichen Freunde arbeiteten im Schweiße ihres Angesichts (!) – doch war und blieb der Abend eine Niederlage für Wagner‹ (›Bühnenerlebnisse‹, I, S. 50).


45 Abgedruckt Ges. Schr. II, S. 301–306. (›Trinkspruch am Gedenktage des 300 jährigen Bestehens der Kgl. Kapelle‹.)


46 Was über seinen engen Horizont hinausging, galt diesem nämlich gleich als ›Politik‹. ›Ich habe Wagner bei Gelegenheit des Dresdener Jubiläums (also nach seiner ersten Begnadigung!) politisieren hören, daß mir Hören und Sehen verging‹, schreibt er brieflich sechs Jahre später, 28. Sept. 1854 (Neue musik. Rundschau Oktober 1847). Der summarische Ausdruck ›erste Begnadigung‹ (!) ist auch nicht übel gewählt.


47 Über die ›Wibelungen‹ vgl. Max Zenkers sehr lesenswerten und belehrenden Aufsatz: ›Über Wagners Schrift: die Wibelungen‹ (›Bayreuther Blätter‹ 1898, S. 51/59).

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 2, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 275-302.
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