II

Des Kanzlers Esaias von Pufendorf

Bedenken über die Reduction der schwedischen Krongüter etc.

Aus dem Manuscript.

Vorbericht.

[1528] Im Jahre 1716 kamen zu Utrecht Les Anecdotes de Suede heraus, worinnen die historischen Umstände der im Jahre 1681 in Schweden vorgenommenen Reduction erzählet werden. Dieses Buch war zu Utrecht gedruckt, obgleich auf dem Titelblatte Stockholm gemeldet wird. Wer der Verfasser desselben sey, ist eins noch unausgemachte Sache. In Schweden schreibt man es insgemein dem Baron Samuel von Pufendorf zu, und versicherte der gelehrte Riddermark, welcher zur Zeit, als Pufendorf seine schwedischen Historien schrieb, freyen Zutritt zu den königlich-schwedischen Archiven hatte, daß besagter Autor damals aus denselben auch die Materialien zu den Anecdotes de Suede gesammlet habe. Riddermark hat auch eine Widerlegung dieser Schrift unternommen, und hauptsächlich den Grafen Johann Gyllenstierna, dessen Secretär er währender seiner Gesandtschaft am königlichen dänischen Hofe gewesen, zu rechtfertigen gesuchet. Wie ich von dem königlichen schwedischen Secretär Arkenholz versichert worden, befindet sich das Manuscript solcher Apologie in den Händen eines seiner Freunde, und ist Hoffnung, daß es mit der Zeit an das Tageslicht kommen werde.

Mit dieser Muthmaßung, daß Samuel Pufendorf der Verfasser obgedachter Anedotes sey, scheint zu streiten, daß der Autor vorgiebt, er habe damals, als die Reduction vorgegangen, am schwedischen Hofe residiret, welches sich auf die Umstände des Sam. Pufendorfs nicht schicket, als welcher, so lange er in Schweden gelebet, allezeit in dieser Krone Diensten gestanden.

Wollte man, um diesen Scrupel zu heben, behaupten, es habe gedachter Baron die falschen Nachrichten von seiner auswärtigen Bedienung nur zu dem Ende einfließen lassen, damit er destoweniger entdecket werden möchte, so könnte man einwenden, daß solches nur Statt gefunden haben würde in einem Werke, welches der Verfasser bey seinem Leben herausgegeben hätte, oder herausgeben wollen, wie solches bey dem MONZAMBANOde Statu Imperii Rom. Germanici geschehen. Einen neuen Zweifel erwecket dieses, daß der Autor der Anecdotes das schwedische Ministerium tadelt, daß es die französischen Bündnisse auf die[1529] Seite gesetzet habe. Nun ist aber bekannt, daß Samuel Pufendorf jederzeit wider die französische Partey1, und hierinnen mit seinem Bruder Esaias nicht jederzeit einerley Meynung gewesen, als welcher letztere in einem im Jahre 1681 der Krone Schweden ertheilten Consilio, so als ein Manuscript nebst seinen Relationen vom französischen Hofe in meinen Händen ist, sich offenbar für die Allianz mit Frankreich erkläret, wie nicht weniger in seiner vor dem königlichen Rathe abgelegten Relation vom kaiserlichen Hofe, wenige Neigung für das Haus Oesterreich hatte blicken lassen.

Der gelehrte Herr Zollmann gab in der Vorrede zu seiner englischen Uebersetzung der oftgedachtenAnecdotes, welche im Jahre 1719 zu London herausgekommen ist, den Mr. laPIQVIERE zum Verfasser solcher Schrift an, welcher ehemals Secretär des französischen Gesandten am schwedischen Hofe, Mr. de Feuquieres gewesen, und nachher bis an sein Ende als französischer Resident in Stockholm geblieben war. Allein obgleich derjenige, von welchem Herr Zollmann diese Nachricht erhalten, lange Zeit in Schweden gelebet, und vorgab, sich genau nach dieser Sache erkundiget zu haben: so versicherte mich dennoch Herr Zollmann vor etlichen Jahren mündlich, daß das Zeugniß solcher Person nicht ohne alle Ausnahme sey, und er also selbst der Meynung nicht sey, vieles darauf zu bauen, wo die geringste Muthmaßung dagegen zu streiten scheinen würde. Es kommen aber verschiedene Stellen in den Anecdotes vor, welche wider die gemeinen Vorurtheile der Papisten in Ansehung der geistlichen Gewalt und Güter laufen. Ueber dieses ist nicht zu vermuthen, daß ein Fremder, dem die Beyhülfe der deutschen und schwedischen Sprache gemangelt, die arcana eines nordischen Reiches so genau eingesehen und die Historie von Schweden so gründlich erlernet haben sollte, daß er viele dahin gehörige Umstände, als ganz bekannte Sachen nur mit wenigem berühret, anstatt daß ein Franzose, der ohne Zweifel für seine Landsleute geschrieben hätte, Ursache und Gelegenheit genug gehabt haben würde, sich länger dabey aufzuhalten, und aus dem Vorhergegangenen das Gegenwärtige zu erläutern.

Ich lasse demnach dahin gestellet seyn, wer der eigentliche Autor der obgedachten Anecdotes de Suede sey, und füge dieses nur hinzu, daß diejenigen ohne Zweifel irren, welche sie dem Esaias von Pufendorf zuschreiben. Es hat dieser geschickte Staatsmann zwar seine Gedanken von gedachter Hauptveränderung zu Papiere gebracht, allein solche Arbeit ist von den Anecdotes de Suede gänzlich unterschieden, und anstatt daß diese hauptsächlich die historischen Umstände abhandeln, so ist hingegen der Kanzler Pufendorf vornehmlich bemühet, die Sache nach den politischen Regeln zu untersuchen. Nachdem ich von sicherer hoher Hand eine Copey dieses raren Manuscripts erhalten, so habe ich kein Bedenken getragen, solches allhier mit beyzufügen, theils weil des Patkuls unglückliches Schicksal, wovon ich im zwanzigsten Schreiben Erwähnung gethan, daraus erläutert werden kann, theils weil die Reduction der piemontesischen Kammergüter, wovon das vier und zwanzigste Schreiben handelt, eine große Verwandtschaft mit der schwedischen Veränderung hat, und diese vielleicht der italienischen zum Modell gedienet. Esaias von Pufendorf hatte nicht die Gabe, sonderlich gut zu schreiben, und daher hat er auch weniges in Druck gegeben; hingegen war er in Gesprächen sehr angenehm, und von mehrerer Scharfsinnigkeit und Einsicht als sein Bruder Samuel von Pufendorf, dem jener auch die vornehmsten Materialien zum[1530] Monzambano an die Hand gegeben hat. Nach des Esaias Tode sind seine Bücher und Manuscripte von der Wittwe und Erben für viertausend Kronen an den König von Dännemark verkaufet worden. Es mangelt unter denselben aber dasjenige, so ich hier dem geneigten Leser mittheile, und obgleich in der königlichen Bibliothek zu Kopenhagen ein Manuscript von denen Anecdotes de Suede, die zu Utrecht gedruckt worden, verwahret wird, so ist doch solches nicht von Pufendorfischer Hand, und kann daher kein Beweis, wer Autor davonsey, genommen werden, wenn es gleich mit Esaias von Pufendorf Bibliothek gekauft worden wäre. Der lateinische Stilus des Sam. von Pufendorf ist zwar nicht ohne Tadel, sondern ungleich und mit neuern phrasibus vermischt, allein die Erzählung an und vor sich selbst ist deutlich und einer pragmatischen Historie allerdings würdig. Die Eilfertigkeit, mit welcher er an der Geschichte des Königes Karl Gustav arbeiten müssen, hat verursachet, daß solche unter seinen großen historischen Werken, in Ansehung der Ausführung untenan gesetzet werden kann, ob solche gleich in Ansehung des Druckes und der Kupferstiche wenige ihres Gleichen hat. Das Interesse der Leser hat gemacht, daß von seiner brandenburgischen Historie unterschiedene Urtheile gefället worden, welche zu folgenden Gedanken Anlaß gegeben haben:


HISTORIA PVFENDORFII BRANDENBVRGICA

CVLPATVR AB HOC.


Gesta Ministrorum secretaque Principis acta,

Quæque solent forulis clausa jacere sacris,

Dum sine judicio disseminat Autor in omnes,

Multa monenda tacet, multa tacenda monet.

Sæpe per invidiam nobis quoque fœdere junctos

Rodit, & insontes livida charta premit.

Qui sapit, Historicum non hos sibi servat in usus,

Servat & arcanum rectius Aula suum.


LAVDATVR AB ILLO.


Principis invicti virtutem artesque Ministrum,

Quæque bona e forulis gesta petita fide,

Non sine judicio scriptor dum prodit & ornat,

Quæ fugienda notat, quæque sequenda docet.

Non hostis bene facta premit censura maligna,

Non socii errores gratia blanda tegit

Qui sapit, Historicum communes servat in usus,

Nec temere arcanum supprimit Aula suum.


Samuel von Pufendorf war gebohren den 8 Jenner 1632, und starb den ab October 1694, wie aus seiner Grabschrift in der St. Nikolaskirche zu Berlin zu sehen ist.

Was die schwedische und sardinische Reduction, wie auch andere dahin abzielende Maximen anlanget, füge ich nur noch hinzu, was in den Sprüchwörtern Salomonis Cap. 30, v. 33 enthalten ist:


Qui nimis emungit, elicit sanguinem.
[1531]


Esaias von Pufendorf.

Anmerkungeg über den jüngsten schwedishen Reichstagsbeschluß und vornehmlich dessen siebenten Artikel, und was man sich bey itzigen Zeitläuften von dem Reiche Schweden zu versehen, was dessen gegenwärtiger. Kriegsstaat und geheime Absichten sind etc.

Des letzten schwedischen Reichstages Absehen, vornehmste Ursache, und was darinnen abgehandelt worden, kömmt hauptsächlich auf folgendes an.

Erstlich wollte man berathschlagen, wie der Abgang der Landmiliz und Seeflotte, welchen das Reich im letzten Kriege erlitten, zu ersetzen, und woher die Mittel dazu bey diesen in Schweden sehr Geld-mangelhaften Zeiten zu nehmen wären, bey welcher Gelegenheit die Priester, Bürger und Bauern auf Anstiftung etlicher Malcontenten nicht gar zu reichen Familien und derjenigen, welche de la petite Noblesse genennt werden, auf die Reduction gekommen sind, kraft welcher die Grafschaften, Freyherrschaften, adeliche Soldatengüter, und mit einem Worte alle Schenkungen und Beneficia, unter was für Namen und Prätext, auch zu welcher Könige Zeiten, Seculis und undenklichen Jahren sie gegeben, und wo sie im Reiche Schweden, auch den conquelirten und ausländischen Provinzen gelegen wären, wieder an die Krone und an den König auf ewige Zeiten als ein inalienable Eigenthum verfallen seyn sollen; wie imgleichen, daß alle Güter, welche von dem Reiche jemals versetzt und Geld darauf genommen worden, für die Krone und den König wieder sollten eingelöset, mit den Pfandhabern aber vorher Liquidation errichtet und Untersuchung gehalten werden sollte, ob sie der Krone baares Geld oder Waaren, Victualien etc. (es sey zur Armee oder zur Flotte) vorgeschossen, welche Victualien nach dem ordinairen Marktpreise zu rechnen, und wie viel pro Cent man dafür genossen, und endlich auch daß kein Graf oder anderer Donatarius jährlich mehr als sechshundert Dahler Silbermünze (so ohngefähr zweyhundert Reichsthaler betragen) genießen und haben solle.

Auf diese zween Puncte liefen die Handlungen des ganzen Reichstages hinaus. Was aber die Art und Manier anlanget, wie man diese Reduction der Güter (davon man die ganze Specification aus der Kammer bey sich gehabt) ins Werk gerichtet, als welche noch niemals angehen wollen, obgleich lange Jahre darüber in Schweden gekünstelt worden, so ist solches eine Intrigue, welche wenigen in Schweden selbst, von Fremden aber niemanden bewußt seyn kann.

Gleichwie niemand unter den gemeinen Leuten in Schweden ist, der nicht dafür hält, daß die Königinn Christina dem Reiche großes Nachtheil zugefüget, daß sie so freygebig alles an Grafen und Edelleute gab; also hat des itzigen Königes Herr Vater solches auch genugsam gespüret, ob er gleich von der Wiedernehmung dieser Krongüter, wozu man ihn ermahnete, niemals hat hören wollen, in der Meynung, daß solche ohne große Confusion nicht angehen könne, auch um deswillen fast unmöglich schiene, weil selbst die Königinn Christina ihn gewarnet, dieses Wespennest nicht zu rühren, angesehen sie auf dem Reichstage 1650 auch nicht darein willigen wollen, ob sie gleich von den Bauern deswegen viel bemühet worden, ja nicht einmal das Herz dürfen haben, etwas von demjenigen, so sie selbst bey ihrer Regierung weggegeben, wieder zu fodern. Ein französischer Historicus schreibt mit folgenden Worten davon: Les Estats de Suede continuant tousjours, les difficultés y[1532] eroissent de jour à l'autre par l'instance que les paysms faisoient à la Reine de retirer son Domaine de tous ceux, à qui on en avoit fait libéralité pendant sa minorité & depuis, qu'Elle etoit dans le gouvernement; mais la Reine ne voulut pas consentir. Und weiter: ll n' étoit pas à croire, que les Donataires qui étoient les premiers de l' Etat consentissent aisement, qu'on leur ôtast les recompenses de leurs services.

In diesem letzten Reichstage ist es zwar angegangen, allein noch nicht vergessen, und dürfte davon noch viel gehöret werden. Der vornehmste Anstifter dazu ist gewesen der Reichsrath N. N2. ein Mann von großer Capacité und Studien, arbeitsam, aber vindicatif und ein Feind der Brahischen, de la Gardischen und Oxenstiernischen Familien, welches von einer abschläglichen Antwort, die er in Ausuchung einer Heirath erhalten, herkam. So viel man aus dem Erfolge der Sachen und seiner übrigen Aufführung abnehmen kann, war er kein sonderlicher Kriegesmann, und dabey mit derjenigen Krankheit angesteckt, welche schon eine gute Zeit her in Schweden grassiret, nämlich daß man versuchen solle, ob das Reich sich nicht besser befinden würde, wenn es der Könige gänzlich beraubt, und an derselben Stelle nach der Regierungsart einer Republik administriret würde. Denenjenigen, so bisweilen mit vornehmen Leuten aus der schwedischen Nation umgehen, wird dieses nichts neues zu hören seyn, obgleich andere daran zweifeln und es nicht glauben möchten. Der alte Reichskanzler Oxenstiern inclinirte so sehr dazu, daß er es auch nicht einmal in öffentlichen Discursen verbergen konnte. M. CHANVT saget von ihm, daß er zwar blamiret hätte l' exces de barbarie en la personne du defunt Roy d'Angleterre, mais qu'il admiroit & louoit quasi toute la trame de ce grand dessein du Parlement, & que l' Estat d' une Republique n' etoit pas eloigné de son goût. Ja selbst die Königinn Christina wußte dieses, und darum wollte sie noch vor ihrer Abdankung einen König an ihrer Stelle haben, und als die Stände sich gar ungeneigt dazu erzeigten, sagte sie ihnen rund heraus: sie würden darum keinen König wieder haben wollen, weil sie von langer Zeit her gute Republicisten wären. Gedachter französischer Ambassadeur CHANVT, der damals gegenwärtig gewesen und es mit angehöret, schreibt in seinen Memoires mit folgenden Worten davon:

Plusieurs d' entre la Noblesse demeurent piqués de ce que la Reine entre autres raisons disoit, qu' Elle desiroit par ce moyen prevenir les desseins de quelques uns, qui des long tems projettoient une forme de Republique, fi la ligne Royale venoit à manquer; und anderswo: La haute Noblesse pouvoit consentir à cet affermissement de Royauté par un droit hereditaire que la Reine desiroit.

Vornehmlich und insgemein halten Hohe und Niedrige in Schweden dafür, daß sie und ihr Reich niemals unter deutschen Königen wohlgefahren.

Obgedachter schwedische Reichsrath N. N. nun, so nicht rathsam fand, seine Neigung und Absichten merken zu lassen, oder gegen den Hof ouvertement und directè zu arbeiten- (welches vielleicht derer van Witten in Holland Tragödie verursachet haben mag) hielt für sicherer, sich der damaligen Gelegenheit mit der Reduction zu bedienen, indem er glaubte, es möchte diese vor sich gehen oder nicht, so würde doch die königliche Person bey den Vornehmsten von Adel dadurch verhaßt und die Stände unter sich uneinig werden, woraus eine grössere Confusion entstehen könnte. Es wurden ferner zu dieser Zeit Pasquille (deren Namen auch vordem in Schweden unbekamt gewesen) von dem gemeinen Manne gelesen, die alles Böse riethen, mit stachlichten Worden die Regimentsherren durchhechelten, und das Feuer anzublasen dienen sollten. Desgleichen fand sich etwa aus einer Bibliothek eine alte Schrift[1533] ein, die vordem unbekannter als des Typotius Relation gewesen, und den itztlebenden erzählte, was im Jahre 1600 den 10 März geschehen, da nämlich vier Regierungsherren, als zween Banern, einem Spar und einem Bielken die Köpfe abgeschlagen worden. Der König, dem aus der Reduction goldene Berge versprochen worden, und auf dem Papiere gleichsam vorgemalet stunden, vermeynte, es sey ihm durch diese Anschläge gar wohl gerathen. Damit es aber nicht das Ansehen gewinnen möchte, als wenn der König so was hartes begehre und fodere, so wurde durch den Reichsrath N. N3. angegeben, daß die Priester, Bürger und Bauern es auf dem Reichstage proponiren, und als auf einer höchstnothwendigen Sache hart bestehen sollten, wie auch geschehen, indem man einigen, so dawider sprechen wollten, mit dem Verluste des Lebens gedrohet. Anbey sollte der König gebethen werden, dasjenige, was die allgemeinen Reichsstände als ein zu des Reiches Besten höchstnothwendiges Ding gut gefunden und beschlossen haben würden, allein zur Execution zu bringen. Diese Beschaffenheit hat es mit dem jüngsten Reichstage und der darinnen halb aufgedrungenen und halb approbirten Reduction der Güter gehabt, zu deren wirklichen Vollstreckung, als einer Sache, die dem Hofe nicht unangenehm war, der König alsbald Commissarien verordnete, welche alles nöthige bey dieser Reduction untersuchen sollten. Es ist aber dabey nicht geblieben, sondern noch eine andere, welche die große Commission genennt wird, und die Administration des Reiches währender Minorennität des Königes examiniren soll, angesetzet und vom Könige befohlen worden.

Weil der siebente Artikel des Reichsschlusses von diesen beyden Commissionen Meldung thut, so wird von beyden auch in diesem Discurse zu handeln seyn. Und zwar was die Reduction der Güter anlanget, welche dem Vorgeben nach viel prästiren soll, und wovon sowohl inner- als außerhalb Schweden man große Dinge gesagt hat, so ist solche vielleicht das rechte Mittel noch nicht, wodurch Schweden reich werden wird, vielmehr aber zu befürchten, daß es eine Invention, die viel Böses nach sich zieht, und vollends einen ganz schlechten Zustand verursachen kann. Man übergeht allhier mit Stillschweigen, wie die Herzen dererjenigen beschaffen seyn müssen, welchen dadurch alles bis auf das Hemd genommen worden, indem man ihnen nicht einen Thaler übrig gelassen von allem, was sie über mehr als hundert Jahre von ihrer Aeltern und Großältern Dienste haben, auch theils selbst erworben.

Opulent und magnifique allezeit gewohnt seyn, und in Armuth verfallen, ist eine harte Metamorphose. Der gewesene Herr Reichskanzler und Graf M. G. D. L. G4. klaget darüber sehr beweglich in einer von ihm wohl aufgesetzten und über zwanzig Bogen langen Schrift an den König, in welcher er anführet: daß er von seiner Vorältern Diensten, und was sie mit ihrem Blute in hundert und dreyßig Jahren zusammen verdienet und in Schweden erworben, nicht des geringsten sich zu erfreuen habe oder ihm und seiner Familie etwas übrig gelassen worden. Es wird auch nicht raisoniret, ob ein Staat, der zumal noch purè militaris wie der schwedische ist, sine pœnis & præmiis beybehalten werden könne, sondern weil diese Vexation oder Reduction gleich durchgehend ist, und viele meritirte Officiere und Soldaten mit betrifft, welche doch itzt die königliche Autorität unterstützen müssen, und auf welche man sich verläßt, so hat es schon manchem Ursache gegeben abzudanken und wegzugehen; die aber aus Noth bleiben müssen, dienen kaltsinnig und bezeugen wenig Luft dazu, indem sie wissen, daß, ob sie gleich noch so wohl dienen, für sich und die Ihrigen nach des Reichstages Beschluß und Inhalt nimmermehr etwas überschüßiges zu gewarten sey. Hiezu[1534] kömmt, daß der König ein Herr, der, was er hat, gern behalten, und von der Krone und dem Reiche nichts wieder weggeben will.

Es ist aber dieses noch nicht das schlimmste, was die Reduction mit sich bringt. Die reichsten, wohlhabendsten und vornehmsten Familien gehen darüber zu Grunde, und an die Stelle derjenigen, welche in Zeit der Noth mit Gelde und Credit hätten helfen können, bleiben arme Stümper zurück. Man hat nachgerechnet, wie hoch sich jährlich im Königreiche Schweden diese Reduction belaufen, oder was für jährliche Einkünfte dieselbe austragen könne, da sich dann befunden, daß sie bey weitem noch nicht zweymal hundert tausend Reichsthaler ausmache, welches für ein Königreich an Belehnungen nicht viel zu seyn scheint. So lange nun der König solche Schenkungen gegeben, hat er allezeit bey den Besitzern um Geld und Beystand anhalten dürfen, die Leute sind es auch herzugeben so schuldig als willig gewesen, und wenn auch doppelt so viel begehret worden, (wie davon Exempel vorhanden sind) haben sie noch allezeit Rath und Mittel gefunden, das verlangte aufzubringen. Wie weit sich aber der itzige Credit des Königreichs Schweden erstrecke, nun die Güter den Particulieren entzogen und vom Könige selbst administriret werden, kann man auf den Börsen zu Amsterdam und Hamburg erfahren. Anitzo darf man wohl hören und sagen, es habe der König keine Lehenleute mehr; wo keine Belehnung, da sey auch kein Lehensmann, und niemand gezvungen, fernere Dienste zu thun oder Geld zu geben, weil ihnen dasjenige genommen, wovon sie leben und geben könnten.

Es kann über dieses die Reduction dazu helfen, daß das cultivirte Schweden wieder in die vorige Barbarey und Wüsteney sowohl an Ländern als Menschen verfalle, und wird solches leicht zu begreifen seyn, wenn man folgende Umstände in Betrachtung zieht.

Die Mittel oder Einkünfte, welche der Krone jährlich aus den reducirten Gütern wieder zufallen, sollen dazu angewendet werden, daß die Miliz davon unterhalten werde; es kam daher in Deliberation, wie diese Revenüen am sichersten und getreuesten möchten administriret werden. Es fanden sich aber nur zween Wege, nämlich entweder die Güter zu verpachten, oder durch die königliche Kammer administriren zu lassen. Zu dem ersten wollte sich niemand angeben, weil man nicht gern mit Kammerrechnungen, wo immerdar etwas abgekürzet wird, zu thun hat. Es war ein großer Post, welcher allem Ansehen nach rigorose würde eingetrieben werden, und an welchem, wann das Quartal oder Jahr um wäre, kein Thaler fehlen dürfte.

Sollte der Kammer die Verwaltung gelassen werden, so sah man leicht, daß sehr viele Bediente und Besoldungen erfodert, auch nichts destoweniger wohl die Hälfte veruntreuet werden würde.

Aus diesen Ursachen kam das dritte Expediens in Vorschlag, welches man auch angenommen, nämlich die reducirten Güter und Höfe den Soldaten anzuschlagen, und jeden Obersten nebst dem Regimente dahin zu assigniren, daß sie ihre Tractamente und Unterhalt jährlich davon nehmen sollten. Gleichwie nun hiebevor die Besitzer solcher Güter theils um ihrenSplendeur und Magnificence sehen zu lassen, theils wegen des künftigen Profits diese Güter mit vielen tausend Thalern melioriret, daher ja in Schweden auf dem Lande solche Palläste und Herrenhöfe mit Avenües, Seen, Gärten, conservirten Waldungen und andern Anmuthigkeiten zu sehen sind, dergleichen in allen mitternächtlichen Ländern, auch noch wohl sonst anderwärts wenig gefunden werden, zu geschweigen, daß etliche Besitzer aus Bauerdörfern ganze Städte gebauet, solche mit Fortificationen und Wällen umgeben und mit Stücken besetzet haben (als der itzige Reichsdrötzel an seiner Grafschaft Leko in Westergothland[1535] gethan, wie er dann auch allein mehr als sechszehn Kirchen in diesem vordemwüsten Striche Landes aus seinen Mitteln aufgebauet und mit Bedienten versehen hat); also, da nunmehr die Soldaten solche Güter inne haben und besitzen, wird wohl niemand glauben, daß ein einziger Officier an solchen Gebäuden oder Höfen etwas melioriren werde, weil er weis, daß er sie nicht behält, sondern dieselben nach seinem Tode oder Niederlegung der Kriegsbedienung an einen andern kommen. Ein jeglicher aber wird nur darauf Achtung haben, wie er daraus seinen Unterhalt ziehe und etwas für die Seinigen erspare, ohne darauf zu denken, wo ein Nagel oder ein Dachstein einzusetzen sey. Kömmt auch ein Miswachs, welchen die Krone nicht in so fern gut thun will, daß der Soldate seinen Unterhalt finde, so vergeht entweder der Soldate, oder wo er sich des Schadens auf dem Gute und bey den Bauern erholen soll, so machet er sich bezahlt, so gut er kann, und fodert die Restanten bey dem Bauer auf eine solche Art ein, daß er ihn vielleicht übers Jahr nicht wieder findet. Auf diesen Schlag gehen Land, Leute und Höfe zu Grunde und Boden.

Ich kann noch sagen, was man schon in Stockholm zu spüren anhebt, nämlich daß durch die Einziehung dieser Güter der Krone ein merkliches an dem Zolle, einer der größten und besten Einkünfte des Reichs ab gehe. Vergangenen Sommer hat der große Seezoll achtzigtausend Reichsthaler weniger eingebracht, und wird er künftigen Sommer vermuthlich noch mehr fallen. Warum? Ubi luxus, ibi divitlæ. Es ist bekannt, wie man vor diesem allezeit in Stockholm gelebet habe. Alles was man von den Gütern zusammen bringen und zu Gelde machen können, ist in Wein, Essen und Kleidern aufgegangen. Dieses hat die gemeinen Leute zum Fleiß und zur Nahrung animiret, Handel und Wandel zuwege gebracht, und auf solche Art die Zolleinkünfte vermehret. Alles dieses nun ist in Stockholm verändert. Die Nahrung der Kaufleute und Bürger nimmt ab. Die reich gewesenen Edelleute retiriren sich, so viel sie immer können, auf das Land, und leben daselbst so knap, als es möglich ist. Die Officiere aber bringen das Geld von den reducirten Gütern auch nicht nach Stockholm, sondern sammlen und sparen alles für sich, nicht wissende, wie lange sie eben etwas haben oder behalten.

Noch kömmt von der Reduction auch dieses Uebel, daß die Familien verarmen, und viele nicht im Staude seyn werden, ihre Kinder was lernen zu lassen, und sie auf Universitäten oder Reisen zu schicken. Es fängt in Schweden an, an geschickten Leuten zu fehlen, und sind von den alten noch wenige übrig, welche die Welt weiter als bis Hamburg kennen. Der oftgenannte Reichsrath N. N5. hat dem Könige eine Lehre hinterlassen, niemand von Fremden zu gebrauchen, und den Schweden will man auch nicht wohl forthelfen, sondern die Liefländer werden ihnen vorgezogen, welches wieder viele böse humores machet, und wie man nicht mehr so viel gelehrte Leute zu Hofe sieht, also giebt es mehr Soldaten, und größtentheils solche junge Leute, von denen des TACITI Worte recht wohl können gesaget werden: Quo qui servitio promtiores, eo magis honoribus augentur.

Wer in Schweden bekannt, und sowohl genium loci als ingenium hominum kennet, wird leichtlich noch viele andere schädliche Consequentien absehen können, welche aus dieser Reduction, die noch neu und erst in dem itzigen Jahre ihren Anfang genommen, folgen werden. Man lasse sie nur ein Paar Sommer älter werden, so wird man wohl mehr davon hören, und vernehmen, wie bald dieser bald jener gänzlich ruiniret worden, und nichts auch von erblichen und andern acquirirten Gütern übrig behalten habe, insonderheit wegen der großen Schulden, welche etliche nach Proportion ihrer Güter und Einkünfte, andere aber mit Ueberschreitung solcher Proportion gemachet haben. Für solche Schulden waren die[1536] itzt reducirten Güter versetzet, da aber solche Last denenjenigen, so itzt um die Güter gekommen, auf dem Halse bleibt und abgetragen werden muß, so sieht man nicht, wo das Geld dazu hergenommen wer den solle. Unter vielen Exempeln kann folgendes einzige die Sache genugsam erläutern. Der itzige Reichsschatzmeister Steno Bielke ist vor sich selbst ein reicher Mann und hat keine geschenkte Güter. Da aber der Graf Tot in Paris starb, hat er solchen geerbet, und dessen Schulden, welche weit über hundert tausend Reichsthaler Capital gestiegen, bezahlet. Dafür hat er ein hauptschönes Gut, Eckelsund genannt, geerbet. Es ist dieses aber ehemals ein Königsgut gewesen, welches durch die Reduction gleichfalls wieder genommen worden, und mag Steno Bielke sehen, wie er mit den Schulden zurechte kömmt.

Dieses wird einen ewigen Streit, Haß, Uneinigkeit und Processe unter den Familien und Blutsfreunden geben, insonderheit daß alle Erbschaften, Testamente und Geschwistertheilungen geändert werden müssen. Denn derjenige, dem in der Reduction etwas genommen worden, suchet seinen Schaden und Regreß bey den andern, welches schwerlich ohne Zank und Widerwärtigkeit ablaufen kann. Hat demnach derjenige mit Schweden gar übel gehandelt, welcher der erste Angeber der Reduction gewesen ist, und dadurch Obere und Niedrige, und ganze Familien unter sich in Verwirrung und Ruin gebracht hat.

Diejenigen, so es am besten in Schweden wissen, machen den oftgenannten Reichsrath N. N6. zum Urheber sowohl dieser Reduction als anderer Handlungen, welche darthun, daß er es nicht allezeit recht wohl gemeynet habe. Der letzte Friede zwischen Dännemark und Schweden hätte vielleicht vortheilhaftiger seyn können. Der Rath zu der unnöthigen Rasirung der Festung Helsingborg und des Castels, quod unicum monumentum jurisdictionis, si aliquam Sueci adhuc habent, freti Danici, ist Vernünftigen suspect, wie auch andere Consilia, welche man dem jungen König gegeben, und die sich unmöglich practiciren lassen. In diese Zahl rechnet man, daß der Kern der liefländischen Leute mit Eissporn nach Preußen ziehen, und solches e vestigio und im Stegreife wegnehmen müssen; daß die deutschen Provinzen plus offerenti gleichsam verhandelt und nun Stralsund und andere Pässe in Pommern demoliret werden sollten. Der Mann ist nun todt, und starber vor dem Reichstage zu rechter Zeit: doch sagetman, daßer die contenta desselben nebst andern Papieren vorher dem Könige übergeben habe. Die Seinigen sind der beständigen Meynung, und wollen Umstände anführen, daß er vergeben worden.

Endlich ist bey dieser Materie derschwedischen Reduction in des Reichstages Beschlusse merkwürdig, daß ob mangleichaltes herbey gesucht, genau gerechnet, undwas man nurim Reiche bekommen können, aufgekapert hat, jedoch die Stände gestehen, daß alles dieses nicht helfen könne und möge, den Schaden des Reiches zu ersetzen, und man also auf mehr Mittel und Geld bedacht seyn müsse, woraus dem großen Mangel des Reiches abgeholfen und dessen Kräfte wieder hergestellet werden mögen. Dieses ist gewiß; daß; wenn die Subsidiolæ aus Frankreich den Schweden auch gar entgehen sollten, es alsdann ein so schlechtes Aussehen gewinnen würde, als sich noch niemals eräuget hat. Es fehlet bey dieser Regierung überall. Die Magazine sind ledig, die Fortificationen übel versehen, die Admiralität von Schiffen entblößt, die Zeughäuser von Munition, die Kammer von Geld und Credit. Die Commercien verfallen, die Collegia, Compagnien und Societäten gehen ab, weil der Sund nicht mehr so frey, wie vor diesem, und es sind vier königliche Personen, welche vom Reiche unterhalten werden müssen. Die Priester, Bürger und Bauern sind zwar vertröstet worden, sie[1537] würden so vieles nicht, wie vor diesem, contribuiren dürfen, wenn sie nur mit der Reduction durchdringen könnten; allein man hat ihnen das gethane Versprechen nicht gehalten, sondern da man von ihnen gehabt, was man gern gewollt, ist es über sie hernach eben so gut, als über die andern hergegangen, also daß sie anitzo mehr als jemals contribuiren müssen. Auf diese Art machet es ihnen der König nach ihrem Bedünken auch nicht recht, und sind sie mit ihm so wenig als die andern zufrieden, da sie wohl merken, daß ihnen ihre Fürsorge wegen der Reduction nichts helfen werde, sondern sie sich nur die Edelleute zu Feinden gemacht, welche bey Gelegenheit es ihnen wohl wieder zu Hause bringen werden.

Uebrigens wird in dem Reichstagesbeschlusse noch gedacht, daß dieser Reduction auch unterworfen seyn sollen die schonischen, hallandischen und bleckingischen Güter, item die Güter in Pommern, im Lande Rügen und Meklenburg, welche Tafelgüter sind; in Bremen und Verden alle erz- und bischöfliche Tafelgüter, der Prälaten, Klöster, auch Ober- und Nieder-Stifter und Capitelgüter; in Liefland alle Güter, welche von der Heermeister Zeiten von der Krone abgekommen und erz- oder andere bischöfliche Güter, Ordens- und Herrenleute gewesen sind, diejenigen ausgenommen, welche von der Heermeister Zeit den Edelleuten gehöret. In Schonen werden sie wohl daran müssen, obgleich diese Provinz nicht einmal zum Reichstage beruffen noch darum befraget oder etwas von ihr gewilliget worden, auch in den Tractaten, als sie von Dännemark abgetreten wurde, enthalten, daß alle Einwohner bey ihren Privilegien, welche sie unter den dänischen Königen gehabt, inturbirt gelassen und nichts innoviret werden sollte. Der König von Dännemark sollte billig desfalls Erinnerung thun, welches aber schwerlich geschehen wird. In Pommern, Rügen und Meklenburg haben meist schwedische Unterthanen Tafelgüter in Besitz, welche ohne Zweifel angestrenget werden, solche wieder zu extradiren. Im Bremischen und Verdischen wissen die Reducti sich an niemand, der deswegen etwas vor sich thäte, zu halten. Wrangel, Königsmark und die Frau Landgräfinn haben daselbst das meiste. Von dem ersten fodert man ohne das so viel, daß für seine Kinder wenig überbleiben dürfte, als große Folianten von Schulden.

Dem Königsmarksind, wie man saget, vier und zwanzig tausend Reichsthaler jährlicher Renten genommen, und soll er noch des Vaters Vota verantworten. Wüßte er anderswohin und wo er es besser fände, würde er vielleicht nicht bleiben. Allein die deutsche und frnzösische Welt hat überall Leute.

Was man der Frau Landgräfinn lassen werde, mag sie nun hören, da sie selbst in Schweden seyn soll. Die Königinn Christina ist sonst so stark in die reducirten Güter im Bremischen verbriefet, und hat bereits Possession darinnen genommen, daß sie nun gar nicht daraus gesetzt seyn will. Wunderliche Veränderungen der weltlichen Sachen! Was hiebevor diese Königinn an Donationen dem Königsmark gegeben, das nimmt sie itzt demselben wieder weg, um selbst davon zu leben und ihren Unterhalt zu haben. Sic nos non vobis etc.

Aus Liefland ist das allerwenigste zu gewarten. Daselbst wollen die Leute kurz um von keiner Reduction wissen, noch etwas zurück geben, sondern sagen: sie hätten mit dem schwedischen Reichstage und dessen Artikeln nichts zu thun, sie wären ausländische Provinzen, so ihre eigene privilegirte Landtäge, Räthe und Satzungen hätten; ihr Verhalten gegen das Reich Schweden sey jederzeit also beschaffen gewesen, und hätten sie beständig um das Ihrige dergestalt gefochten, daß sie hofften, gnädiger tractiret zu werden, und möchte man dabey in Consideration ziehen, daß (wie ihre eigene Worte in einer Remonstrationsschrift lauten)[1538] sie an der Spitze von den Feinden des Reiches Schweden lägen, und also das Ihrige wohl nöthig hätten, ohne dasjenige, was sie besessen, wieder herzugeben und bey vorfallender Noth nichts zu habenetc.

Die sogenannte große Commißion hat zwar einen andern Namen als die Reduction, kömmt aber in effectu mit ihr überein und ist ein Examen oder Rechenschaftsgebung der gehabten Administration in der Minorennität des Königs über des Reichs Affairen und Einkünfte zu Krieges- und Friedenszeiten, wovon dieocculta qualitas ist, allen und jeden Reichsräthen, vornehmlich aber den reichen und wohlvermögenden Familien an den Beutel zu kommen, und denen noch etwas von der Reduction übrig geblieben seyn mag,ex hoc capite denselben zu segen und leichter zu machen. Man sollte zwar meynen, daß diese Verantwortung nur die fünf Vormünder und Reichsämter, als den Reichsdrötzel, den Feldherrn, den Admiral, den Kanzler und den Schatzmeister angienge; es haben auch die Reichsräthe nichts damit wollen zu thun haben und dagegen excipiret; es hat aber solches nichts geholfen, sondern die Reichsräthe sind von den fünf Regimentsvormündern mit in den Handel gezogen worden, welches in diesem Collegio noch bis diese Stunde eine Verbitterung giebt und Trennungen verursachet hat. Die Stände und große Commißion waren der Meynung, weil jeder Reichsrath inallen Dingen müsse gefraget und sein Votum begehret werden, so sey auch jeder gehalten, solches zu verantworten und davon Rechenschaft zu geben.

Es ist hier nicht der Ort weitläuftig zu untersuchen, ob es sonst irgendwo geschehen und geschehen möge, daß ein totum corpus regiminis, so nach des Reiches Regierungsform die absolute Majestät repräsentiret hat und nicht angesprochen werden konnte, von Bürgern, Priestern und Bauern könne angeklagt, zur Rede gestellet und verurtheilet werden, in Sachen, so die höchsten Secreta des Reiches angehen, als da sind Allianzen, Instructionen, geführte Kriege, abgehandelte Frieden und andere Tractaten? Wenn auch keine andere Raison gegen diese Procedur könnte eingewendet werden, sollte man doch dafür halten, es sey genug, daß jeder dieser Leute als ein ehrlicher Mann und Patriot seinen Vormund- und Reichsrath-Eid abgeleget und versprochen habe, nach bestem Verstande und Vermögen dem Reiche und dem Könige zu dienen und zu rathen; da nun nicht alles so erfolget, wie man gern gesehen hätte, so habe solches in keines Menschen Willen und Vermögen gestanden, auch sey Schweden der einzige Ort nicht, da nicht alles geschehen könne, was man wolle etc.

Allein alles dieses und noch ein viel mehreres hat diesesmal in Schweden nicht helfen wollen. Vexavit corvos censura & columbas, indem die große Commißion so weit geht, daß sie will, es sollen auch der abgestorbenen Reichsräthe Vota von den nachgebliebenen Frauen, Kindern, Brüdern und Schwestern verantwortet und Satisfaction dafür gegeben werden. Man hat gelassen, daß dem Feldherrn und Reichsadmiral angesetzet worden, denn dadurch dem Könige an seiner Arbeit und Tageswerke (wie es in Schweden genennt wird) abgegangen7. So weit ist es hiebevor auch in den schlimmsten Zeiten in Schweden niemals gekommen, hätte sich auch vielleicht nicht thun lassen. Aber nun heißt es: Alteri tempi, alteri cure. Aus solchen Exempeln lernet man, was es sey, jungen und hitzigen Herren, so die Regierung antreten, Armeen indie Hände und Consilia zu unrechtfertigen Kriegen zu geben.

Es scheint eine sonderliche Strafe darunter zu'seyn, daß dieses alles so leicht angehen müssen, da vordem wohl gesagt worden, man wolle lieber Gut und Blut dabey aufsetzen,[1539] als dergleichen Dinge einräumen. Es waren aber die Gemüther dererjenigen, so sonst einige Autorität hatten, als der Handel auf dem Reichstage angieng, so intimidirei, daß es schien, als könnten sie weder Worte noch Rath finden, da doch ihrer gleichwohl gar viele waren, und vielleicht noch alles hätte geändert werden können. Es war auch ein großer abus, daß sie (wie sie wohl vermochthätten) den Reichstag nicht abgebrochen, taliter qualiter etwas bewilliget und der Versammlung ein Ende gemacht haben.

Ce n'est pas avantageux, que le corps des Etats demeure si long temps assemblé. Car les Ordres aprés avoir contesté entre eux s'unissent & si on leur en laisse le loisir, ils passent tous ensemble à censurer l'administration publique & à proposer de reformations.

Man findet in dem Reichsprotocoll, daß, als man wegen des letzten Krieges deliberiret, und etliche der Senatoren gerathen, man sollte nicht der erste zum Ausfodern seyn, sondern warten, bis man attaquiret würde, der alte Reichs-D.. P. B8. gesaget: man solle lieber erst anfangen, und sey die erste Ohrfeige allezeit die beste; worauf der König geantwortet: das ist wohl gesaget, und ich halte es mit dem Reichs- D ... Wie sehr aber hat diese Meynung fehl geschlagen? Der alte Graf B ... ist nun todt, doch hätten viele gewünschet, daß er den Effect seiner politischen Maxime hätte erfahren und mit andern, die nun das Ihrige darüber verliehren, mortificiret werden mögen. Indessen fühlen diejenigen, so seines Namens sind und ihn geerbet haben, das Votum mehr als zu wohl, und werden ihm dafür gar schlechten Dank wissen.

Weil die so genannte große Commission die Geheimnisse und Affairen des Reichs, dessen Kräfte sowohl als Schwäche examiniren und die Conduiteder Regierungs- und Reichsräthe durchhecheln soll, wobey sie zum Fundament und wornach sie geht, das Reichsprotocoll hat, so wird alles geheim gehalten, und die Anmerkungen, welche über die Regimentsführung währender Minorennität des Königes aufgesetzet worden, hat niemand von den Reichsräthen, sondern ver König allein, zu sehen bekommen. Nun aber hat man sie dem itzigen Reichsdrötzel und ehemals gewesenen Reichskanzler zugeschickt, welcher dagegen eine oben schon gedachte uno lesenswürdige Schrift an den König übergeben, welche weil sie lang und sowohl als die Anmerkungen in schwedischer Sprache verfasset, so wollen wir aus denselben nur die vornehmsten Puncte der Imputationen anführen, als aus welchen erhellet, was das Absehen solcher Commißion und was von den Consequenzen und Suiten derselben zu vermuthen sey.


Der Erste Punct enthält eine Anklage wider die Verschwendung der ansehnlichen Kron, mittel, dadurch daß man allerhand Beneficia und Donationes auf verbothene und unverbothene Güter im Reiche ertheilet und vergeben. Dieser Schade wird von den Examinatoribus der Commißion auf viele Tonnen Goldes gerechnet.

2) Daß wegen Administration und Verbindung solcher Mittel jedem Reichsrathe insgemein obliege, Rede und Satisfaction zu geben.

3) Daß man in den Kammerbüchern die Balances nachgegeben und nachgelassen, desgleichen Confiscationes und Caducen.

4) Betrifft weggegebene Freyheiten auf dem großen und kleinen Zolle.

5) Erinnert, um wie viel die Krone und der König durch Donationes und Verehrungen an dem Kopperzolle zu kurz gekommen.

6) Warum man die im Jahre 1655 bewilligte Reduction nicht damals zur Execution gebracht, sondern stecken lassen?[1540]

7) Fodert die Rechnung der Postcassen, welche etliche Particuliers genossen.

8) Improbiret, daß man die Freyheiten der adelichen Höfe extendiret und dadurch die Intraden der Krone verringert, auch so viele Edelleute (deren mit alten und neuen laut der Matricul beytausend Familien sind) gemachet.

Diese acht Puncte sind der erste Theil der großen Commißion und betreffen die Anwendung der Reichsintraden und Güter.

Der andere Theil der Commißion und Anmerkungen geht die Regimentsführung an und der Kronmittel unverantwortliche Ausgaben, wodurch, wie die Worte lauten, das Reich graviret worden und von seinen Kräften gekommen; die Schuld davon wird gegeben.

A) Auf die Erhöhung des Staats, der doch billig hätte reiranchirei werden sollen, was sowohl die Hofbediente als die Hofgerichte, die Miliz; Admiralität, Kanzley, Kammer- Berg- und Commercien- Collegium, imgleichen auch den Landstaat anlanget.

B) Auf die α) Dienst- und Lehenverhöhungen, β) Pensionen und Gratialen, γ) Donationen in Geld und Geldes Werth, δ) Begräbnisse, ε) Hochzeithülfe, ζ) Ranzionen, η) Unkosten auf unnöthige Commißionen, ξ) Ambassaden ι) Verehrungen an Fremde, χ) Abschiedsgelder und λ) was über des einen und andern Deputat gegeben worden, welches etliche Millionen ausgetragen haben, dem Reiche aber zur unerträglichen Last gekommen seyn soll.

C) Daß die Regierung und der Rath größere Posten bewilliget und bezahlet, als sie die Kammer liquidiret hatte.

D) Daß Geldposten, welche, (wie die Commißion saget) auf Millionen steigen, negociiret und aufgenommen worden, womit man den ordinairen Staat bezahlet, wenn die ordentlichen Einkünfte, die man anders wohin verwendet, nicht zugereichet.

E) Auf den bremischen Krieg, welcher in des Königes Minorennität nicht hätte sollen resolviret werden, und dessen Unkosten (wie in den Anmerkungen gemeldet wird) sich auf neunzehn Tonnen Goldes Reichsthaler belaufen.

F) Das Fallissement der alten Banque, welche als einærarium publicum und Regni zu conserviren, man allen möglichsten Fleiß hätte anwenden sollen.


Der dritte und letzte Theil der Commißion erfodert und will, daß ein jedes Collegium seine geführte Administration mit seinen membris verantworte, welches eine lange Arbeit geben wird.

Der gewesene Reichskanzler Graf M. G. D. L. G9 saget in seiner mehrgemeldten Schrift, daß, was ihm wegen des Præsidii seines Collegii zukomme, er eine zulängliche Zeit haben müßte, das Reichsprotocoll, so er halten lassen, und welches allein in den dreyzehn Jahren der Minorennität dreyßig Folianten ausmache, durchzusehen. Dieses zusammen begreift die sogenannte große und geheime Commißion, aus deren Ursachen oder Prätext man alles, was noch Mittel hat, arm zu machen suchet, und wie dadurch diejenigen ihre Absichten erreichen, welche auf eine und andere Familien oder Personen Jalousie gehabt und ihnen ihr Vermögen misgegönnet, so ist doch in ihr selbst diese Commißion von keiner guten Consequenz; weil sie die Regierungsform und andere Fundamenta salutis & securitatis publicæ baufällig, die Kräfte des Reichs aber unddie Uneinigkeit der Glieder allen Nationen sonnenklar vor Augen stellet, und ist nichts weniger zu vermuthen, als daß davon die Krone großen Reichthum bekommen, oder die Commißion vor der Welt das Lob einer sonderlichen politischen Subtilität sich zu bereichern, erhalten werden. Löblicher sind die Inventionen,[1541] einem Staate solche Einkünfte zu verschaffen, welche einen ewigen Fond haben. Harte Geldstrafen kann man nur einmal einfodern. Der R. A. S. und der Graf N. N. haben jedes schon ungefähr hundert tausend Reichsthaler wegen ein und anderer Beschuldigungen bezahlet, laß die andere Angeklagte und Beschuldigte noch zehn und mehr mal so viel bezahlen, es kann solches Particuliers ruiniren, aber ein Königreich nicht reich machen noch bey Reichthume erhalten, und auf die letzte sollman noch wohl hören, werdengrößten Schaden davon habe.

Es ist vieles in Schweden vorgegangen, das weder Fremde noch Einheimische loben können, allein in welchen Landen, da dergleichen Regierungen sind, geht es viel besser zu? und wer will sagen, daß es in Frankreich und letztens in Spanien besser gewesen? darinnen aber ist die schwedische Administration unglücklicher, daß sie sich muß censiren lassen, darüber Strafe leiden und sich bey der Welt prostituiren, da das Versehen nirgends so gar groß ist und allein von übel affectionirten Menschen dafür ausgeschrieen wird. Anderswo, wenn man unrechtmäßiger Weise beschuldiget ist, hat man die Reconvention; allhier aber hat man sie indieser Sache nicht zulassen wollen, obgleich die Reichsvormünder sich gleich darauf berufen haben. Wer unparteyisch ist, sonst Regierungen kennet, und weis, was dazu gehöret, findet gar wohl, daß viel schlechte Dinge in dieser Commißion mit unterlaufen, und etliche Fragen, Aufsätze und gebrauchte Prätexte wenig gegründet sind. Donationes, Pensiones, Stipendia, Gratiale, Beneficia geben und austheilen, muß seyn10, und kömmt es nur darauf an, daß solches an meritirte Leute, und nicht ohne Maaße, geschehe. Nun sind keine Kinder, sondern beeidigte Leute bey solchen Regierungen, und nicht zu präsumiren, daß sie alle weder Verstand noch Gewissen haben sollen. Die Observationen sind ganz general und positiv gesetzt, wie auch die Anklagungen, aber warum steht nicht, wo? an wen? wie? wenn? wenn und warum dieses oder jenes geschehen, und ob par raison d'Etat, par reputation, par bienseance ein wenigers oder mehrers geschehen können oder mögen? Von diesem Vtili und Decoro aber kann kein Bauer und Priester judiciren, sondern solches gehöret nach Hofe. Die Zeiten sind niemals eine wie die andere, und darum wird auch zu einer mehr als zu der andern erfodert, wornach diejenigen ihre Mesures nehmen müssen, welche am Regimente sitzen, und von welchen zu glauben ist, daß sie gegen Raison und ohne Ueberlegung nicht alles in den Tag hinein thun werden. Wie wollen aber Bauern, Bürger, Priester oder nicht wohl erzogene und gereisete Edelleute vom Staate, von Ambassaden, Commißionen, geheimen Correspondenzen (quæ in corpore Politico publicorum consiliorum anima sunt,) Allianzen, Krieges- und Friedens-Tractaten zu urtheilen wissen? Woher können sie haben, was zum Schiffsbau, Fortification Ammunition und anderer Nothdurft gehöret? oder thun sie wohl, einen Rath und ehrlichen Mann zur Gravation zu bringen, wenn Soldaten ranzioniret, oder im Falle sie nicht bleiben wollen, mit Abschiedsgelde im Guten weggelassen werden? Was die Schweden für Interesse oder damalige Verständniß im römischen Reiche gehabt, die bremische Expedition zu unternehmen, ist nun vergessen, allein daß sie sehr schlechte Haushalter müssen seyn, oder die große Commißion sehr absurde Dinge melde, erhellet daraus, daß sie setzet, es wären zu diesem Kriege neunzehn Tonnen Goldes aufgegangen, nicht erwägende, daß eine Armee von zehn tausend Mann, als diese schwedische seyn sollen und nicht war, mit Generalstab, Artillerie und allem Zubehör das ganze Jahr (nach unserer deutschen Capitulation gerechnet) etwan bis fünf Tonnen Goldes zu stehen komme,[1542] da doch damals diese Leute keine Bezahlung, sondern nur Subsistenz hatten, und der Krieg sehr bald ein Loch bekam. Dergleichen ungegründete Rechnungen, eingebildete Profite und Revenüen von Tonnen Goldes sollten leichtlich mehr aus den Observationen der großen Commißion angemerket werden können, weil es ganz gewiß ist, daß wenn alle Millionen, welche die Commißion von der Reichsadministration zurück fodert, und von dieser in währender Minorennität des Königes sollen veruntreuet worden seyn, zusammen gerechnet werden, eine solche Summe heraus komme, welche größer ist, als alle Einkünfte des Reiches in zwanzig und mehr Jahren gewesen. Schweden ist aber kein Land, wo Reichthum seyn kann, und ist es jederzeit, auch von den allerglückseligsten Zeiten des Königs Gustav des ersten, her für ein impracticabel Ding gehalten worden, Schätze zu sammlen. Anitzo aber ist solches viel weniger zu hoffen, nachdem die Krone in Schul den sitzet, und das Regiment auf die Art, als nun geschieht, geführet wird. So lange in Schweden Frieden bleibt, mag sich dieses Werk vielleicht noch hinhalten, wo aber die Krone in einen Krieg geräth, wird sich vieles zeigen, worüber Harpokrates itzt noch den Finger auf den Mund hält, und mag diese wohl eine mit von den secreten Ursachen seyn, warum allhier mit großer Vorsichtigkeit getrachtet wird, den Krieg zu verhüten, welchen etliche nicht ungern sehen würden, weil sie den Worten des Tacitus beystimmen:Sæpe remedium unius tumultus alius tumultus. Der König incliniret selbst dazu, und die jungen Leute, welche um ihn sind, stärken ihn in der Meynung, daß man, um der Nation erlittene Injurien zu revangiren und ihre Gloire wieder herzustellen, einen neuen und bessern Krieg anfangen müsse, vornehmlich (wie solches nicht zu leugnen) da man eine solche seine und wohl mundirte Miliz in Schweden auf den Beinen habe, dergleichen vordem (wie man saget) im Reiche mit Augen niemals gesehen worden.

Nach Deutschland wäre wohl das meiste Absehen gerichtet, theils um sich daselbst wieder considerabel zu machen, theils wieder in das Arbitrium rerum Germanicarum, woraus das Reich ziemlich gesetzet worden (und welches nun in England zu seyn scheint) zu kommen. Hiezu tritt vielleicht die dritte Ursache, die nun auch überall in der Welt bekannt ist, und davon man schreibt: Les autres nations entreprenoient les guerres, quand elle se trouvoient assés riches, pour en supporter les depences, mais les Suedois la faisoient, quand ils se trouvoient pauvres pour devenir riches. Der alte Salvius saget von seinem Vaterlande, wenn es keine Armee noch Krieg hätte, qu'il ne luy restoit plus dautres persuasions que les Topiques d'Aristote. Ueberhaupt aber ist wahr, qu''un grand Prince doit tousjours être en guerre contre quelqu'un de ses voisins pour agguerrir ses sujets, les tenir tousjours en exercice & se tenir en êtat de n'être point surpris.

Was von der Schweden guten Armee zu Lande gesagt worden, verhält sich auch so, immaßen die beygelegte Liste11 specificiret, wie stark sie sey, und ist Achtung darauf gegeben worden, die Regimenter weder zu stark noch zu schwach zu rechnen. Denn es sind lauter National- und Provinz. Regimenter, welche von denselben angeschafft und unterhalten werden, auch hoch auf dem Kriegsstaate stehen und nach der Regierungsform weder verringert noch verhöhet werden können. Es ist diese Armee auch gar schön, weil der König alles was er nur beybringen kann, darauf wendet. Er will, daß die Knechte nicht anders als in englisch Tuch gekleidet seyn sollen. Die Reuter müssen kein anderes als fremdes Gewehr, große und theure Pferde, brodirte Schabracken und die Officiers nach advenant kostbare Mundirung haben. Viele können mit ihrer Gage nicht auskommen, und gehen darum auch wohl[1543] davon. So schön und stark nun die itzige Armee in Schweden ist, so hat sich doch gefunden, daß, wenn nur die nothwendigen Garnisonen des Reichs davon genommen werden, die Schweden wenig Volk ins Feld stellen können, wie solches aus der Repartition und Austheilung der Armee zu ersehen, welche noch neulich im Kriegsrathe zu Stockholm gemacht worden mit beygefügter Nachricht, wie viel zu Besetzung einer jeden Festung und eines jeden Passes erfodert werde. Es wird daher vermuthlich ein Irrthum und eine Zeitung, der niemand Glauben beymessen kann, seyn, daß die Schweden an jemand Volk zu überlassen gedenken. Sie haben dessen nicht zu viel, weil auch Bauern, die andern zu ernähren, übrig bleiben müssen. Zu auswärtigen Werbungen ist kein Geld vorhanden. Im Bremischen fangen sie zwar damit an, es will aber nicht recht fort, da nicht einmal zureichen will, was zum ordinairen Staategehöret, und sowohl von den bremischen als den pommerischen Einkünften (welche in den allerschlimmsten Zeiten, und wenn sie auf das schärfste von Feinden geschatzet worden, jene zwar zweyhundert und funfzig tausend, und diese hundert und achtzig tausend Reichsthaler getragen) noch täglich ein ansehnlich Quantum abgeht und sich vermindert.

Diese Ursachen als Uneinigkeit, Unvermögenheit und andere inwendige Wunden und domestica mala des Königreichs Schweden, vornehmlich auch der schlechte Zustand der Flotte, machen glauben, daß diese Krone sich schwerlich in einen Krieg engagiren werde, es möchte denn sey, daß man ihr mit Gelde zu Werbung und Ausrüstung der Flotten zu Hülfe käme, dessen aber müßte eine sehr große Quantität seyn. Diesen Nutzen vermeynen sie wenigstens von ihrer Armee in Schweden zu haben, daß sie damit Dännemark obligiren, auch perpetuum militem zu halten, welches dieses Königreich nicht wenig enerviret, Schweden hingegen nicht, als worinnen kein Soldat geworben, sondern gebohren wird und kein Geld kostet, welches an andern Orten nicht angehen oder sich practiciren lassen will.

Von andern den itzigen Zustand des Reichs Schweden angehenden Sachen ist bekannt, daß daselbst noch kein rechtes Fundament der Regierung, sondern noch vieles en desordre, auch wenig Besserung zu hoffen sey, so lange die Stände untereinander sich so übel verstehen. Es meynen etliche, es wären keine glücklichere Zeiten zu hoffen, so lange der itzige König lebt, ob dieser gleich sonst viele Qualitäten, davon er im Kriege Proben gegeben hat, besitzt. Die es verstehen geben vor, er habe des Herrn Vaters Manier darinnen, daß er die Infanterie nicht zu schonen wisse, und solche wie die Reuter travaillire. Er ist nicht wohl französisch, sondern vielmehr deutsch gesinnet, wozu ihn auch der Herr Graf B. O12. animiret, welcher in ausländischen Sachen wohl gebraucht wird, aber den Titel von Reichskanzler nicht bekommen kann, gleichwie auch von der Bedienung eines Feldherrn nichtmehr zu hören, und sowohl der Stand als der Rang geändert ist, welches etliche zum höchsten mortificiret, wie ein solches noch mit letzter Post, nebst beygelegter heutiger Rangordnung am Hofe, berichtet wird. Er13 ist sehr arbeitsam und fragt nicht viel nach Ruhe, Weiber und Spiel. Im Essen und Kleidern ist er gar sparsam, und hasset er große Depensen, wünschet auch oft, daß er noch vollkommener als er sey, können erzogen werden. Die alten Reichsräthe und Familien werden wenig gebraucht, und diejenigen, deren er sich in den Consilien bedienet, sind noch junge Leute, von denen bekannt, daß sie die nöthige Kenntniß in den Affairen der Welt nicht gelernet haben. Er ist wenig in Stockholm, sondern viel auf Reisen und dem Lande, welches die Reichsnothwendigkeiten gar sehr hindert.

Käme diesem Herrn etwas zu, so würde es große Veränderungen geben, jedoch mehr zum bessern als zum ärgern, nun nämlich wieder Erben des Reichs gebohren sind.[1544]

Itzt und so lange der königliche und Reichsrath nicht mit solchen Personen, als es die Regierungsform mit sich bringt, besetzet ist, und wo die Misverständnisse der Stände so bleiben, wie sie gegenwärtig sind, auch diejenigen, welchen die Reduction und große Commißion alles genommen und nur große Alteration in den Gemüthern hinterlassen hat, keine Ergötzung wieder genießen, ist nichts bessers zu hoffen. Car le genie de la Nation comme de tous les gens du Septentrion est fort lent à se resoudre sur toutes sortes d'affaires, mais fort diflicil & tardif à pardonner.

Scriptum d. 4. Febr. 1682.

Beylage zum vorigen Bedenken sub sign. P.

Liste und Specification des Königreichs Schweden National-Krirgsstaates und der itziger Zeit im Reiche stehenden Armee.


Infanterie.


1 Regiment Upländer1000 Mann.

1 Regiment Dallkarier1000

1 Regiment Westmanländer1000

1 Regiment der Provinz Nireke1000

2 Regimenter Smaländer3000

1 Regiment Südermanländer1000

1 Regiment Helsingländer1000

1 Regiment Ostergothen1000

1 Regiment Westergothen1000

1 Regiment der Provinz Nyland1000

3 Regimenter Finnen3000

1 Regiment Schoninger1000

1 Regiment der Garde2000

18000 Mann.


Cavallerie.


Upländer1500 Mann.

Westgothen1000

Ostergothen1000

Smaländer1000

Schoninger2000

Finnen3000

Adelsfahne von Schweden und von1500

Finnland

Ingermanländer, Oeßländer und2000

Liefländer

Trabanten200

Dragoner in Schonen1000

In Halland und Blecking1000

In Finnland2000

17200 Mann.


Repartition und Vertheilung der Truppen zu den benöthigten Reichs-Garnisonen.

[1545] LiefländischeRiga2000

LiefländischeRevel 800

LiefländischeDerpt1000

LiefländischePernau 500

Ingermannlands7 Gestunden3500

PommerischeStettin3500

PommerischeStralfund1500

PommerischeScripswalde 800

PommerischeAnklam2000

PommerischeDamgarten2000

PommerischeWolgast2000

Wißmarsche 1500

BremischeStade1500

BremischeKarlsburg2500

BremischeBuxtehude2500

BremischeRotenburg2500

BremischeOttersberg2500

BremischeBremervörde2500

SchonescheMalmoe2000

SchonescheLandskrone1000

SchonescheHalmstadt 800

Nordische, Bahus und

Wasstrandt141500

SchwedischeGothenburg1000

SchwedischeCalmar und andere an

den Gränzen, auch auf den

Inseln liegende Pässe und

Posten2000

FinnischeZu den Städten und

Seehäfen in Finnland2000

Summa29400


NB. Hiebey müssen die deutschen Regimenter noch gestellet werden, welche aber schwerlich 5000 Mann beybringen werden.

Fußnoten

1 Vid. SamuelisPVFENDORF IIDissert. de fœderibus inter Sueciam & Galliam, in qua Subjectum est suffragium in Senatu Regio Holmiæ anno 1671 exhibitum, contra fœdus cum Gallo & Anglo adversus Batavos ineundum. Hagæ, 1708, 8vo.


2 a) Johann Gyldenstiern.


3 Joh. Gyldenstiern.


4 Magnus Gabriel de la Gardie.


5 Gyldenstiern.


6 Joh. Gyldenstiern.


7 Ich unterstehe mich nicht, in diesem dunkeln Paragrapho etwas zu ändern, sondern gehe solchen, wie ich ihn in einem Manuscript, welches von dem Original copiiret ist, gefunden habe.


8 Peter Brahe.


9 Magnus Gabriel de la Gardie.


10 Am Rande hatte der Herr von Pufendorf hiebey geschrieben: Nec domus ulla nec Respublica diu stare potest, si in ea nec recte factis præmia extent ulla, nec pœnæ peccatis.


11 Diese Specification ist zu Ende dieses Bedenkens beygefüget sub signo P


12 Benedict Oxenstiern.


13 Nämlich der König.


14 Vielleicht Marstrandt.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1546.
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