Sechs und funfzigstes Schreiben.

Reise von Rom nach Neapolis.

Die Thore der Stadt Rom sind niemals geschlossen, und kann man zu jeder Stunde sowohl bey Nacht als Tage nach Gefallen aus- und einkommen. Rand rechts: Einrichtung der Reise. Bey der Hinwegreise ist zu beobachten, daß man entweder reite oder seine eigenenSedia habe, weil man sonst außer denen acht Paoli, welche für die zwey vorgespannten Postpferde zu zahlen sind, noch drey Paoli für das vom Postmeister entlehnte Fuhrwerk, so Sedia di Casa genennet wird, geben muß, und dieses hernach auch die andern Postmeister, sonderlich auf dem Wege nach Neapolis fodern; da im Gegentheile, wenn man zu Pferde kömmt, sie hernach, wenn etliche von den Reisenden fahren wollen, die Sedia gern mit unter den acht Paoli passiren lassen. Mit Vetturini nach Neapolis zu reisen rathe ich niemanden. Denn ob man gleich auf diese Art seinen Weg über Monte Cassino nehmen und das daselbst gelegene alte berühmte Benedictinerkloster besehen kann, so unterwirft man sich hingegen dem Verdrusse fünf Tage hinwärts und fünf Tage rückwärts auf der Reise zuzubringen, und muß man dieVetturini insbesondere bezahlen, wenn sie über drey Tage (welche keinesweges zulangen um Neapolis recht zu besehen) daselbst bleiben sollen. Die AbteyMonte Cassino liegt auf einem hohen Berge, nach welchem man bey zwo deutsche Meilen weit reiten muß. Rand rechts: Abtey Monte Cassino. Die Mönche sind gastfrey und höflich, die Aussicht ist angenehm, die Bibliothek in gutem Stande, und die Einkünfte des Klosters sehr groß. Was ihm aber in den Augen der Römischkatholischen das größte Ansehen macht, ist, daß St. Benedict, der eigentliche Patriarch der Mönche von der occidentalischen Kirche allhier seine Regel und den Orden gestiftet, aus welchem so viele berühmte und große Leute hervorgekommen, daß die Chroniken dieser Gesellschaft schon im Jahre 1688 vier Kaiser, zwölf Kaiserinnen, vierzig Päbste, ein und vierzig Königinnen, sechs und vierzig Könige, funfzig Patriarchen, zwey hundert Kardinäle, tausend sechshundert Erzbischöfe, vier tausend sechs hundert Bischöfe und drey tausend sechs hundert canonisirte Heilige aus ihrem Orden zähleten. Rand rechts: Ansehen des Benedictinerordens.

Zwischen Rom und Torre di mezza via, woselbst die erste Postwechslung ist, trifft man ansehnliche rudera von hohen Wasserleitungen an. Rand rechts:Aquæductus. Velletri liegt drey Posten von Rom auf einem Berge, und hatte vor Zeiten so gute Weinberge, daß PLINIVSlib. XIV, c. 6[731] ihre Gewächse unter die besten Weine seiner Zeit rechnet; sie sind aber von dieser Güte so sehr abgefallen, daß sie heute zu Tage wegen ihrer Herbe erst abgekochet werden, ehe man sie zum Trinken brauchet. Rand rechts: Velletri. Gleiche Veränderung eräuget sich an dem Gebirge bey Setia nicht weit von Casa Nuova, welches itzt fast gänzlich unfruchtbar ist, an statt daß es in alten Zeiten wegen seiner herrlichen Weine in großem Rufe war, wie aus dem Juvenal, Martial, Strabo, Athenäus, Statius und Plinius lib. XIV, c. 6 erhellet. Rand links: Veränderung des Weingewächses. Der letztgemeldte Scriptor bemerket insbesondere, daß Augustus den Wein von Setia allen andern vorgezogen habe. Rand links: Pallast der Ginetti. Der vornehmste oder vielmehr einzige Pallast in Velletri ist derjenige, so ehemals der Familie Ginetti gehörte, und durch Erbschaft an den Principe Lancellotti gekommen ist. Es hat solchen der Kardinal Ginetti durch den berühmten Baumeister Martin Lunghi aufführen lassen, und wie man vorgiebt, fünf hundert tausend Scudi Romani daran verwendet. Rand links: Treppe. Die Haupttreppe desselben ist von weißem Marmor, breit, helle, bequem, und wird für die schönste von ganz Italien ausgegeben. In den Zimmern findet man viele schöne Statuen, busta, bas-reliefs und Gemälde. Unter den ersten ist die Venus mit dem Cupido eine der besten, sowohl als die Fabel der unglücklichen Dirce, die nach Art des Toro di Farnese, aber in Kleinem, abgebildet ist. Die Aussicht über den Garten ist trefflich, und bemerket man unter denen vielen guten Bildhauerstücken, womit derselbe versehen ist, vier marmorne Seulen, so vor Zeiten in dem Tempel des Mars zu Velletri gestanden, nebst etlichen in der Nachbarschaft ausgegrabenen marmornen Särgen, die aus dem Alterthume kommen, und mit verschiedener Bildhauerarbeit gezieret sind. Die auf einem derselben befindlichen Meergötter geben Gelegenheit zu muthmaßen, daß ein Seeofficier darinnen begraben gewesen. Rand links: Seulen aus dem Tempel des Mars. Alte marmorne Särge. Die Abzeichnungen davon sind an des Kardinals Petri MarcelliniCORRADINIveteri Latio profano & sacro, welches Werk der Jesuit Josephus Roccus Vulpius fortgesetzet hat, Tom. IV, Tab. II, V, VI anzutreffen.

Unter denen Alterthümern, welche die Familie der Borgia in ihrem Hause zu Velletri gesammlet hat, verdienen die Brustbilder eines alten Weltweisen und des Kaisers P. Helvii Pertinacis (wofür etliche diese Statue ansehen) in Augenschein genommen zu werden. Rand links: Alterthümer in dem Pallaste di Borgia.

Auf dem nahe am Pallaste der Ginetti gelegenen Markte zeiget sich die ansehnliche Statue des Pabstes Urbans des achten aus bronzo, die nach Aussage der daran befindlichen Inscription im Jahre 1637 aufgerichtet worden, und besagten Pabst in seiner päbstlichen Kleidung, wie er den Segen ertheilet, vorstellet. Rand links: Statue Urbans des achten. Sie ist nach der Zeichnung des Chev. Bernini verfertiget, und ruhet auf einem Piedestal von Marmor.

MISSONT. II, p. 6 zeiget zwar aus dem SVETONIO, daß der Kaiser Augustus zu Rom gebohren sey, und die Einwohner von Velletri sich ohne Grund dieser Ehre anmaßen; allein man kann doch aus eben diesem Geschichtschreiber in dem Leben Augustus Cap. 5 und 94, wie auch aus dem Anfange des fünf und funfzigsten Buchs Dionis beweisen, daß des itztgedachten Kaisers Geschlecht aus Velletri gebürtig gewesen, und er selbst auf einem benachbarten Landhause erzogen worden. Rand links: Ob Augustus zu Velletri gebohren sey.

Ohngefähr drey italienische Meilen von Velletri auf der Seite nach Nettuno, an einem Orte, der le Cento colonne genennet wird, finden sich die Ueberreste eines alten Wasserbehältnisses oder piscinæ, und nicht weit von Velletri gegen Cinthiano in einer Gegend, so den Namen Colle Ottone führet, entdecket man die rudera eines prächtigen Pallastes, von welchem man glaubet, daß er dem Kaiser Salvio Othoni zugehöret habe. Rand links: Ueberrest des Pallastes Othonis. Rand links: Ueberrest des Pallastes Othonis. Das darunter befindliche schöne und hohe Gewölbe hat sich noch wohl erhalten, und können die Kupferstiche[732] von beyden itztangeführten Alterthümern in des CORRADINIveteri Latio continuato, Tom. IV, Tab. III, IX nachgesehen werden.

Linker Hand bey Cisterna, woselbst die vierte Postwechslung ist, liegt der schöne Pallast des Principe Caserta. Sermoneta hat eine morastige und ungesunde Gegend. Zu Plinius Zeiten wurde sie Palus Pomptina genennt, und findet man anitzt wenige und einzelne Häuser in einem Striche Landes, der ehemals drey und zwanzig Städte zählete1. Rand rechts: Pallast des Principe Caserta. Sermoneta. Palus Pomptina. Ungesunde Gegend. Aus dem STRABONE (Geogr. lib. V) sieht man zwar, daß diese Gegend schon in alten Zeiten wegen ihrer ungesunden Luft berüchtiget war, und SILIVS ITALICVS nennet den Campum, Pomptinum pestiferum; allein diese Luft ist itzt unreiner, ols jemals, weil die Ursachen, woraus ihre üble Eigenschaften entstehen, nämlich die stehenden Wasser und Moräste itziger Zeit noch häufiger als voralters sind. Die Waldung um Cisterna und Sermoneta, sonderlich diejenige, so über dem erstgedachten Orte gegen Mittag liegt, hält einen großen Theil der schädlichen Ausdünstungen ab, die sonst durch die Mittagswinde aus den pomptinischen Morästen nach Rom kommen und daselbst vielerley gefährliche Fieber vermehren würden. Rand rechts: Nutzen der Waldung um Cisterna. Aus dieser Ursache hat der Pabst auch nicht zugeben wollen, daß im Jahre 1714 der Herzog Sermoneta, Michael Angelus de Cajetanis, diese Holzung, woraus er großen Profit hätte machen können, auf einmal aushauen dürfen. Zur Untersuchung dieser Sache wurden etliche Kardinäle ernennet, und der gelehrte päbstliche Leibmedicus, Johann Maria Lancisi, übergab bey solcher Gelegenheit eine Schrift, worinnen er weitläuftig zeigete, was der Gegend von Rom für Nachtheil entstehen könnte, wenn man anders als stückweise und nachgewissen Eintheilungen, zur Niederfällung dieses Holzes schreiten wollte. Die Anmerkungen, worauf er seine Meynung gründete, schienen von solcher Wichtigkeit zu seyn, daß man seinem Rathe gefolget, und die Waldung in solche Haue vertheilet worden, daß die ersten Plätze wieder mit Holze bewachsen seyn können, ehe die Reihe der Umfällung an die letzten kömmt.

Wenn man nach Neapolis reiset, bleibt Sermoneta linker Hand auf einem mit Oelbäumen bepflanzten Berge liegen. Der Weg bis Casa nuova ist in einer nicht unangenehmen Ebene, und finden sich linker Hand etliche Ueberreste von altem Mauerwerke, Tre-Taverna genannt, so für den Ort, dessen das acht und zwanzigste Capitel der Apostelgeschichte Meldung thut, ausgegeben werden. Rand rechts: Tre-Taverna davon Apostelg. 28. Hinter Casa nuova kömmt man linker Hand in ein schönes Thal, nach dessen Endigung die Straße nach Piperno immer bergan geht. Diese Gegenden sind gleichfalls mit vielen Oelbäumen bewachsen. Rand rechts: Piperno. Vor Piperno an dem Berge können sich die Liebhaber der natürlichen Merkwürdigkeiten mit Sammlung verschiedener Petrefactorum vergnügen. Rand rechts: Petrefacta. Die Einwohner der Stadt haben große Hochachtung vor ein Marienbild, welches vom Evangelisten Lukas gemalet und in einer Feuersbrunst wunderbarer Weise erhalten worden seyn soll. Gleich hinter Piperno kömmt man durch einen Wald, der meistentheils aus Bäumen besteht, von welchen das Pantoffelholz (woraus auch die Pfropfe zu gläsernen Flaschen verfertiget werden) genommen wird. Es ist dieses nichts anders, als die dicke Rinde des Baumes, welche alle zwey Jahre wieder zu ihrem vorigen Stande anwächst. Rand rechts: Portrait der h. Maria vom Lukas. Pantoffelholz. Der Baum ist das ganze Jahr hindurch grün, seine Blätter sind hart und gleichen den Birn- oder Pflaumenblättern, die Frucht aber sieht den kleinen Eicheln ähnlich und dienet den Schweinen zur Futterung. Man findet dergleichen Bäume auch schon vor Piperno an vielen Orten. Die Franzosen nennen ihn le Liege, und wächst er auch in Gascogne und Spanien.[733]

Terracina, voralters Anxur genannt, ist die letzte Stadt des päbstlichen Gebiethes, und liegt an einem Berge. Rand links: Terracina. Fruchtbare Gegend. Die Gegend hat zwar noch einige Moräste, ist übrigens aber sehr fruchtbar und mit gutem Weinwachs, schönen Gärten und vielen Orangenbäumen, die hie und da in kleinen Wäldchen frey und unumschlossen stehen, versehen. Sowohl hier als weiter hin im Neapolitanischen wird viel Johannisbrodt, so als große Schoten von Bohnen wächst, gebauet, und nennt man diese Frucht Caroba oder Carrobola, den Baum aber Carobajo. Rand links: Iohannisbrodt. Da also der ganze Strich Landes einem angenehmen Garten nicht unähnlich ist, so hat man sich nicht zu verwundern, daß die alten Heiden, nach Aussage etlicher Figuren, die man an verschiedenen Orten eingegraben findet, dem Priapus als einem Deo Hortorum viele Ehre allhier erwiesen haben2. Rand links: Monumente Priapi als eines Vorstehers der Gärten.

Gleich hinter Terracina findet man die rudera des Janus-Tempels, des Pallastes Jul. Cäsars, Hadrians und etliche andere Alterthümer, worunter die Via Appia, auf welcher man über Mola hinaus bis an den Fluß Garigliano beständig bleibt, das vornehmste ist. Rand links: Via Appia. Rand links: Ueberreste etlicher Alterthümer. Diese Straße hat ihren Namen vom Censore Appio Claudio, der sie von der Porta Capena zu Rom bis Capua machen lassen. Aus des TACITI Annal. Lib. II, c. 30, STRABONE und HORATIO erhellet, daß sie zu dieser Männer Zeiten bis nach Brundisium gereichet; wer sie aber bis dahin verlängert, wird nicht gemeldet. Man folget ihr nicht allezeit, theils weil man nähere Wege angeleget, theils weil sie an vielen Orten gar schadhaft und für fahrende unbequem worden ist. In hiesiger Gegend hat man ihr mit fleißiger Ausbesserung in so weit geholfen, daß man nicht Ursache hat, sich allzusehr darüber zu beschweren. Die Steine sind einen bis zween Fuß im Viereck wohl zusammen gefüget und von solcher Härte, daß ihnen der Gebrauch und der Verlauf so vieler Jahrhunderte wenig Nachtheil gebracht hat. Die Breite des Weges ist von zwanzig Palmi Romani, dergestalt, daß zween Wagen einander füglich ausweichen können. Von Terracina hat man die offenbare See ganz nahe zur Rechten, ja eine italienische Meile von dieser Stadt hat man einen Theil eines Felsen abtragen müssen, um Platz für die Landstraße, die an die See flößt, zu haben. Drey Meilen von hier findet sich die Gränzmauer, so Portello genennt wird, und von dem Berge nicht zwar ganz bis an die See, wie etliche melden, jedoch aber bis an den Thurm, worinnen zu Kriegszeiten neapolitanische Besatzung liegt, reichet. Rand links: Gränzen des Königreichs Neapolis. Auf der Seite gegen Neapolis liest man am Thore folgende Inscription:


Philippo II. Rege Catholico

Peraf. Alcalæ Dux pro Rege.

Hospes, hic sunt fines Regni Neapolitani.

Si amicus advenis, pacata omnia invenies

& malis moribus pulsis, bonas leges.

Anno Domini MDLXVIII.


Wenn man von Rom nach Neapolis reiset, versieht man sich mit einem Passe, welchen der kaiserliche Minister oder derjenige Kardinal, so des Kaisers Interesse beobachtet, ohne[734] Entgeld ertheilet; eben dergleichen Erlaubniß erhält man bey der Zurückreise von dem Vice-Roy in Neapolis, und wird in beyden die Zeit, wie lange solcher Paß gelten soll, ausgedrückt. Rand links: Benöthigter Passeport. Man hat unserer Gesellschaft dieses Zeugniß weder zu Terracina noch bey der itztgemeldten Mauer, sondern erst zu Mola abgefodert. Insgemein unterscheidet man allhier das päbstliche Gebiethe von dem Königreiche Neapolis durch die Benennungen von la Campagna und il Regno; man findet aber auch einen großen Unterschied an den Ländern selbst, indem das Neapolitanische viel schöner und besser, als das päbstliche Land bebauet ist. Rand rechts: Unterschied des päbstlichen und neapolitanischen Gebieths.

Ich werde mich jederzeit mit Vergnügen der schönen Aussicht, deren man zwischen Fondi und Iteri genießt, erinnern. Rand rechts: Schöne Gegenden. Rechter Hand des Weges zeigete sich ein mit Kohl, Flachs und Getraide bebauetes Land, zwischen welchen die Weinstöcke alleenweise und also daß ihr Laubwerk sich oben mit einander verbindet, angeleget sind. Dieser Prospect endiget sich mit der See, auf welcher stets einige Tartanen und Schiffe hin und her segeln. Linker Hand des Weges sieht man wiederum Weinwachs, Oel- und Maulbeerbäume, große Cypressen, schöne Pomeranzenwäldchen und endlich ein kleines Gebirge. Fast eben dergleichen angenehme Gegend ist hinter Mola anzutreffen. Vor Gariglione ist das Land etwas schlecht, es währet aber solches nicht lange, und sobald man über den gemeldten Fluß gekommen, bleibt man beständig auf einem ebenen und fruchtbaren Boden.

Fondi ist die erste neapolitanische Stadt auf dieser Seite, sie hat im Jahre 1534 eine große Verwüstung erlitten, als Hariaden Barbarossa sich vergebliche Hoffnung gemacht hatte, die wegen ihrer Schönheit berühmte Juliam Gonzagam Herzoginn von Trajetto und Gräfinn von Fondi von hier hinweg zu rauben, und in des türkischen Kaisers Serail zu liefern. Rand rechts: Fondi. Eine mehr als zu weit getriebene und wilde Keuschheit ist es zu nennen, wenn es wahr ist, was etliche vorgeben, daß als diese Prinzeßinn durch Hülfe eines Cavaliers kümmerlich und bloß im Hemde entronnen, sie hernach diesen ihren Wohlthäter auf hinterlistige Weise aus keiner andern Ursache, als aus Verdruß, daß er sie in solchem Stande gesehen, habe hinrichten lassen. Rand rechts: Begebenheiten der Julia Gonzaga. Wäre diese schändliche That von ihrem Gemahle dem Vespasian Colonna anbefohlen worden, so fände man in der den Italienern gleichsam angebohrnen Eifersucht vielleicht einigen Schein der Entschuldigung; der Juliä Undankbarkeit aber könnte mit nichts bemäntelt werden. Allein es ist vielleicht leichter, die Juliam wider die Beschuldigung der Undankbarkeit zu vertheidigen, als die Ehre ihrer damals erhaltenen Keuschheit zu behaupten. BRAN TOME dans les Vies des Dames illustres, p. 282, und aus ihm VARILLASHist. de François I, lib. 8, p. 347, ad ann. 1537, erzählen den Verlauf des ganzen Handels, und wie Julia durch das Geräusch der annähernden Türken erwachet, im Hemde zum Fenster hinaus gesprungen, und solchergestalt in die benachbarten Gebirge entronnen sey. Von einem Cavalier, der ihr hiebey hülfliche Hand gereichet haben sollte, wird nichts gedacht, dieses aber hinzugefüget, daß sie auf ihrer Flucht den Banditen in die Hände, und also aus dem Regen in die Traufe gerathen sey, auch hernach ohngeachtet der eidlichen Versicherung, welche die Julia gab, daß diese Leute allen Respect vor sie behalten, wenige Leute dennoch haben glauben wollen, daß sie ganz rein davon gekommen sey. Diese Umstände bestehen nicht mit der Gegenwart eines Cavaliers und seiner darauf erfolgten Hinrichtung. Uebrigens irren Brantome und Varillas, wenn sie diese Prinzeßinn Liviam und ihren Mann Ascanium Colonnam nennen. Bey obgedachter Zerstörung; von Fondi hat Barbarossa auch der Gräber Prosperi und Antonii, Herzogen von Colonna, nicht verschonet, sondern selbige völlig zerstöret, auch über die in der Stadt verübte Grausamkeiten, noch viele Einwohner in die Sclaverey geschleppet.[735]

Mola ist ein kaiserlicher Zoll und Paß an der See, dessen Besatzung wöchentlich aus Gaeta abgelöset wird; man besieht daselbst einen mit Orangenbäumen und Alleen wohl unterhaltenen Garten bey denruderibus eines Pallastes, welcher nach dem Inhalte der Inscriptionen, die man darinnen gefunden haben will, dem Cicero zugehöret hat. Rand links: Mola. Rand links: Cicerons Garten. Die dazu gehörigen Grotten und unterirdischen Gewölber haben noch in diesem Jahrhunderte von den kaiserlichen Soldaten, als sie sich von Gaeta Meister zu machen suchten und hier ihre Magazine hatten, großen Schaden erlitten. Rand links: Ob Cicero hier umgebracht worden. Cicero wurde von dem undankbaren Popilius Länas hingerichtet, als er sich von hier in einen sichern Ort begeben wollte; die zween unglücklichen deutschen Prinzen Friedrich von Oesterreich und Conradinus von Schwaben wurden gleichfalls zu Mola erkannt, und nach Neapolis auf die Schlachtbank geliefert; ist dannenhero dieser Ort, wiewohl nicht auf die angenehmste Art für einen unparteyischen Leser, in der Historie bekannt genug. Etliche Gelehrte halten indessen dafür, daß Cicerons letzter Aufenthalt nicht zu Mola sondern in Astura gewesen3.

Die Festung Gaeta liegt drey italienische Meilen von Mola, und fährt man zu Wasser in einer Stunde dahin. Rand links: Gaeta. Sie hat ihren Namen von des Aeneas Amme, Cajeta, die nach VIRGILII Berichte lib. 7 allhier gestorben und begraben ist. Rand links: Ursprung des Namens. Es ist ein Wunder, daß man nicht etliche Mauerwerke den Fremden als rudera ihres Grabes zeiget. Dafür aber besieht man auf einem befestigten Hügel den sogenannten Rolandsthurm, oder das Mausoleum Lucii Munatii Planci, welcherLucii Filius, Lucii Nepos, Lucii Pronepos, Consul, Censor, Imperator, zweymal Septemvir Epulonum und Triumphator ex Rætis gewesen, wie folgende an dem Thurme befindliche Inscription andeutet: Rand links: Mausoleum L. Munatii.


L. Munatius. L. F. L. N. L. Pron.

Plancus. Cos. Cens. Imp. Iter. VII. Vir.

Epul. Triump. ex. Rætis. ædem. Saturni.

Fecit. de. maniblis. agros. divisit in. Italia.

Beneventi. in. Gallia. colonias. deduxit.

Lugdunum. & Rauricam.


In der vierten Zeile scheint Maniblis für Manubiis gesetzt zu seyn, und aus den obrigkeitlichen Aemtern, welche dieser Plancus, der unterdem Augustus gelebet und Cicerons Discipel gewesen, bedienet hat, erhellet, daß dieses Werk ohngefähr funfzehn oder sechszehn Jahre vor Christi Geburt aufgeführet worden. Etliche haben aus diesem Thurme einen Tempel Saturni, welchen Munatius habe bauen lassen, machen wollen; allein dieses zeiget die gemeldte Inscription so wenig an, als daß man daraus gewiß erweisen könnte, es sey dieses das Grabmaal des Munatius. Rand links: Ob dieses ein Tempel des Saturns gewesen. Es findet sich nichts von der Formel Diis Manibus, sondern die Erzählung[736] seiner Ehrenämter könnte von ihm auch bey seinen Lebzeiten und an jedes Werk, das er aufführen lassen, gesetzt worden seyn. Ich habe dieses Plancus schon in meinem Schreiben von Basel gedacht. SVETONIVSin vita Octavii c. 7 meldet, daß Plancus diesen Kaiser zu dem Entschlusse bewegt, lieber des Augustus als Romulus Zunamen anzunehmen. Die Stadt Lugdunum, deren in der obgedachten Inscription Meldung geschieht, brannte zu Seneca Zeiten A. V. C. 811, und zwar gerade hundert Jahre nach ihrer Stiftung ab, wie aus dieses Philosophen Lib. I, Epist. 91 zu sehen ist. Sieben Jahre hernach suchte ihr Nero, wie TACITVSAnnal. XVI, c. 13 berichtet, wieder aufzuhelfen.

Al Monte della Trinità haben die Benedictiner eine Kirche, nahe bey welcher man die Spaccata, oder den großen Riß, welchen der Fels von oben an bis unten in die See hinein erlitten hat, besieht. Rand rechts: Riß eines Felsen. Daß er nicht also erschaffen sey, zeigen die Lucken und Löcher, so auf beyden Seiten zu bemerken sind, und in welche sich die hervorragenden Spitzen oder Zähne der gegenüber stehenden Seite ganz genau schicken würden, wenn man beyde Theile wieder zusammen rücken könnte. Ob aber diese Spaltung des harten und marmorhaften Felsen durch ein Wunderwerk zur Zeit des Leidens Christi geschehen sey, ist eine andere Frage, deren Bejahung sich auf verdächtige neuere Traditiones gründet, und offenbaren Widerspruch von denenjenigen leidet, welche alle die in der heil. Schrift beym Tode Christi erzählte Wunder bloß in die Gränzen des jüdischen Landes einschränken, in Erwägung, daß sie an andern Orten der Welt, wo man nichts von der Sache, deren Wahrheit dadurch bewiesen werden sollte, wußte, ohne allen Nutzen und Frucht würden gewesen seyn4. Rand rechts: Ob er beym Leiden Christi sich zugetragen. Es mag aber das Erdbeben, welches diese Veränderung zuwege gebracht hat, sich eräuget haben wenn es wolle, so bleibt die Wirkung doch allezeit eine sehenswürdige Sache. Die Oeffnung ist vier bis fünf Fuß breit, obenher aber etwas weiter. Durch dieselbe ist eine Treppe angeleget, welche sich an einer kleinen Kapelle, del Crocifisso genannt, so nach der offenbaren See sieht, endiget. Von dieser Kapelle habe ich bis an die obere Kirche neun und funfzig Schritte gezählet, wovon ein und funfzig die Länge des gerissenen Felsen ausmachen. Die Absätze oder Tritte der Treppe habe ich genau zu bemerken vergessen, es sollen aber derselben gewiß achtzehn seyn. Man giebt vor, ihre Zahl treffe niemals überein, so oft man sie auch zähle: und gleiche Bewandniß habe es mit denen Kreuzen, die auf beyden Seiten des Ganges in dem Marmor abgebildet sind, und von den andächtigen Katholiken fleißig geküsset werden. Die Mönche offeriren den Ankömmlingen auf einem Teller etliche kleine Stücke von dem Felsen, welche nicht weniger von den Römischkatholischen mit großer Ehrerbiethung geküsset werden. Man giebt dafür ein Geschenk oder Almosen, und wird versichert, daß man ein untrügliches Mittel wider das Kopfweh, die hinfallende Sucht, schwere Geburt der Frauen und andere schlimme[737] Zufälle dadurch erhalten habe. Rand rechts: Aberglauben von diesem Felsen. Die vor der untern Kapelle vorbey segelnde Schiffe grüßen dieselbe mit etlichen Canonenschüssen, lassen ihre Ruder etwas ruhen und verrichten ihre Andacht unter einer Musik, oder schicken an das Kloster so vieles Geld, als wenigstens die Unkosten der Canonenschüsse würden ausgetragen haben. Ja man giebt vor, daß so gar die türkischen Schiffe öfters ihre Gelübde an Geld hieher senden, wenn sie in Sturm und Ungewitter sich mit ihrer Andacht zu dieser Kapelle gewendet, und dadurch glücklich erhalten worden. Denenjenigen, die nicht allen diesen Erzählungen vollkommenen Glauben beyzulegen scheinen, zeiget man den Eindruck einer Hand, unter welcher sich der Fels gleichsam als Wachs erweichen lassen, als ein vermessener Mensch sich verlauten lassen: es habe der Berg so wenig bey Christi Leiden sich eröffnet, als wenig der Stein unter seiner rechten Hand weich sey. Rand links: Wunderbare Ueberzeugung eines Unglaubigen. Zum Andenken dieses Wunders liest man dabey die Verse:


Improba mens verum renuit, quod fama fatetur,

Credere; at hoc digitis saxa liquata probant.


Bey dem Eingange der obern Kapelle finden sich rechter Hand die schönen Gedanken: Rand links: Wohlgesetzte Verse.


Una fuit quondam hæc rupes: nunc dissita: Montes

Exitium Domini cum gemuere sui.

Durior es saxis, ferior feritate ferarum,

Sin lacrimis cernas hoc pietatis opus.


Zur Linken:


Rumpe cor, o mortalis homo, velut ardua rupes

Rupit, in arce Crucis compatiare Deo.

O! hominum durum genus, ardua saxa dehiscunt;

Saxea corda hominum stant moriente Deo.


Das Franciscanerkloster rühmet sich, daß der Stifter dieses sogenannten seraphinischen Ordens in demselben sich aufgehalten habe. Rand links: Franciscanerkloster. Ort, wo St. Franciscus den Fischen geprediget: imgl. wo er seine Brunst in Dornen gekühlet. Vor der Porta di Ferro zeiget man an dem Ufer des Meeres den Platz, woselbst St. Franciscus gestanden, als er mit solcher Kraft geprediget, daß auch die Fische des Meeres durch ein sonderbares Wunder sich über das Wasser empor erhoben, um die Reden dieses Lehrers desto besser anhören zu können. Daß die Mönche dieses Klosters bey ihrem Garten einen Dornbusch unterhalten, dessen Stacheln ohne Spitzen sind, seit dem Franciscus um seine unreine Brunst zu kühlen, sich darinnen herumgewälzet hat, haben andere schon angemerket; der Eindruck aber in die Gemüther würde noch stärker seyn, wennman bey diesen stumpfen Dornen auch die eigentliche Art des Busches, da er noch mit seinen scharfen Stacheln versehen ist, betrachten könnte.

In dem Chor der Domkirche hängt die geweihete Fahne, welche der Pabst Pius der fünfte dem Johanni d' Austria geschenket, da dieser als Admiral der christlichen Ligue wider die Türken zu See gieng. Rand links: Domkirche. Geweihete Standarte. In der Mitte solcher Standarte ist ein Crucifix zwischen den Bildnissen der Apostel Petri und Pauli zu sehen, worunter die Worte stehen:


In hoc signo vincis.


Die Leute fallen mit großer Andacht davor auf die Kniee. Rand links: Taufstein.

Die bas-reliefs des marmornen Taufsteins stellen den Tanz etlicher Faunen und Satyren vor, desgleichen wie Bacchus vom Mercurius der Ino zur Erziehung übergeben wird. Die Arbeit daran ist schön, und zeigen folgende eingegrabne Worte den Namen des Meisters an:
[738]

ΣΛΛΠΙΩΝ

ΑΘΗΝΑΙΟΣ

ΕΠΟΙΗΣΕ


Dieses Gefäß, so auf vier marmornen Löwen ruhet, ist aus dem verfallenen Mauerwerke der Stadt Formia nach Gaeta gebracht worden, und vor alten Zeiten vermuthlich in einem Tempel des Bacchus gebraucht worden. Die dem Altare des heil. Sacraments gegenüber stehende Statue des Aesculapius hat MISSONT. II, p. 23 beschrieben. Rand rechts: Statua Æsculapii. Man findet in der Mauer der Kirche auch noch ein anderes kleines heidnisches Idolum eingemauert. Auf einer Seule, so die Höhe von drey Männern hat, ist der Märtyrertod St. Erasmi, dessen Körper hier verwahret wird, künstlich eingehauen. Die unterirdische Kapelle der Kirche ist vom Brandi, gemalet. Rand rechts: Unterirdische Kapelle. Der Altar und das Geländer davor hat schöne eingelegte Marmorarbeit und sechs silberne in Lebensgröße gegossene Statuen von Heiligen. Den Thurm des Doms soll Fridericus Barbarossa zur Büßung seiner Sünden haben bauen lassen.

Nahe bey dem Thore des Castells, das auf einem Berge liegt und schlecht unterhalten wird, ist der Körper des berühmten Karls Herzogs von Bourbon zu sehen, welchem aber der unterste Kinnbacken fehlet, daher man seine Stelle mit einem andern hölzernen ersetzen müssen. Rand rechts: Leiche des Herzog Karls von Bourbon. Als dieser Herr in der Bestürmung der Stadt Rom blieb, konnte er als einer, so im päbstlichen Bann und mit gewaffneter Hand wider den heiligen Stuhl umgekommen, in keinen geweiheten Kirchhof gebracht werden; ihn unbegraben oder bey den gemeinen Leichen zu lassen, verstatteten seine Verdienste um den Kaiser und sein hoher Stand nicht: dannenhero fasseten die Spanier den Entschluß, ihn indessen als eine Mumie zu dörren und allhier aufzuheben, weswegen es kein Wunder, wenn er im Gesichte gar schwarz aussieht. Er steht in einem Schranke aufgerichtet in gelben Stiefeln mit rothen Absätzen, die Strümpfe, so ein wenig über die Stiefeln hervorgehen, sind mit Spitzen besetzt, und das neue Kleid, welches ihm im Jahre 1719 der General und Gouverneur der Stadt Prampero, machen lassen, ist blau mit silbernen Knöpfen und Knopflöchern. Rand rechts: Ihre Kleidung. Dieses Skeleton ist ferner mit einem Degen an der Seite, einem Stocke in der Hand, einer Perrücke und einem Hute mit Federn versehen. Rand rechts: Grabschriften auf diesen Herzog. Ueber dem Schranke liest man:


Francia me diò la leche, Espanna fuerza y ventura,

Roma me dio la muerte, y Gaëta la sepultura.


Das ist: Frankreich gab mir die Milch, Spanien Macht und Glück, Rom den Tod, und Gaeta das Grab. CIACCONIVSin vita Clementis VII, p. 465 führet folgendes auf ihn verfertigtes Epitaphium an:


Aucto Imperio, Gallo victo,

Superata Italia, Pontifice obsesso

Roma capta

Carolus Borbonius in victoria cæsus

Hic jacet.


Ein anderes findet sich bey Franc. SWERTIO in folgenden Zeilen:


Victorem victumque eadem complectitur urna

Et tamen hoc victi non nisi corpus habet.

Hoccine miraris? mirari desine, vicit

Qui jacet hic alios, ipse sibi periit


Es ist bekannt, daß ein Spanier sein eigen Haus, worinnen Karl von Bourbon logiret hatte, des Tages darauf in Brand gesteckt, damit man nicht sagen möchte, es habe ein Verräther[739] darinnen gewohnet; und ist dannenhero desto weniger zu verwundern, wenn nicht alle auf diesen Bourbon gemachte Epitaphio einerley Gedanken von ihm in sich halten. Baptista Gabius, ein Veroneser, ist unter der Zahl derjenigen, welche ihm nicht allzugeneigt gewesen, wie solches die beym iovio in Elogiis befindliche Inscription klar an den Tag leget:


Dedecus Arvernæ gentis, Patriæ improba labes,

Transfuga qui levis & perfidus hostis erat,

Icto uno stratus temeratæ in limine Romæ,

Ne se victorem cerneret, occubuit.

Debuit haut alias Superis persolvere pœnas

Perfidus ante homines, impius ante Deum.


An den Seiten sind zwo Inscriptionen zu bemerken, deren die eine in italienischer, die andere in französischer Sprache verfasset ist. Rand links: Incriptionen. Beyde sind von einerley Inhalte, und lautet die letzte, welche von andern unvollkommen publiciret worden, folgender gestalt:


Au Charles Duc de Bourbon de la Maison Royale de France, Grand Connetable du Royaume, clair par sa naissance, plus clair par sa fortune, qui persecuté de son Roy, protegé de l'Empereur Cing5, fait son Capitain General de l'Armée, glorieux par ses exploits & par ses victoires emportées sur les trouppes du même Roy, qu'il fit prisonnier en Pavie, s'acheminant à la ville de Rome, ou chacun croyoit, qu'il alla triompher, comme un Heros de l'Antiquité, il y fut tué pendant le siege 1527. Son corps enbaumé fût transporté en Gaëta & Mons. le General Comte de Prampero, Gouverneur de cette place & de son chateau pour donner un admirable exemple aux autres Ministres de trés juste Impereur Charles Six, restaura le tombeau 1719.


Ehemals pflegten die Officiers der hiesigen Besatzung bey sonderbaren Freudenbezeugungen, und wenn der Wein die Köpfe eingenommen hatte, dem Karl von Bourbon seine Hirnschaale abzulehnen und Gesundheiten daraus herum zu trinken; nachdem aber etlichemal Verdrüßlichkeiten und Unglücke darüber und bey solcher Gelegenheit unter ihnen entstanden, so ist solche Unordnung gänzlich untersaget worden6. Rand links: Trinken aus der Hirnschaale.

Die itzige Besatzung der Stadt besteht aus tausend Mann. Im Jahre 1707 den 30 Sept. wurde dieser Ort von den Kaiserlichen unter dem General Dann nach einer hartnäckigen Belagerung, in währender welcher die spanische Besatzung mit funfzehntausend Canonenschüssen und viertausend Bomben das kaiserliche Lager begrüßet, dieses aber mit zwanzigtausend Canonenschüssen und vierzehnhundert Bomben geantwortet hatte, mit stürmender Hand eingenommen, und der gewesene neapolitanische Vice-Ré Marchese de Vigliena mit zweytausend Spaniern zu Kriegsgefangenen gemacht. Rand links: Belagerung von Gacta 1707. Die bey solcher Gelegenheit eroberten zehn Fahnen und Standarten hängen in der Cappella del Tesoro der Domkirche zu Neapolis, zum Zeichen des dem heil. Januarius gethanen und bezahlten Gelübdes7.[740]

Acht italienische Meilen von Mola findet man einen langen verfallenen Aquæductum, der zwo Meilen her von der kleinen auf einer angenehmen Höhe und linker Hand liegenden Stadt Trajetto kam, nebst etlichen Stücken von altem Mauerwerke, welche von der Stadt Minturna übrig geblieben sind. Rand rechts: Aquæductus. Nahe dabey fließt der Garigliano, der voralters Liris genennt wurde, und dem Latio zur Gränze diente. Rand rechts: Garigliano. Das Dorf, so auch den Namen Garigliano führet, liegt am Flusse, und gehört sowohl als die Einkünfte der allhier angelegten Fahrde der Familie von Caraffa. Der Verfasser des kürzlich herausgekommenen Werkes Voyage Historique d'Italie meldet T. II p. 196, daß er über einer Brücke den Garigliano paßiret sey; allein es muß ihn entweder sein Gedächtniß sehr betrogen haben, oder (welches ich aus vielen andern Umständen urtheile) er selbst ist niemals in diese Gegenden gekommen; ob gleich übrigens das Buch nicht nur vieles, so merkwürdig ist, in sich hält, sondern auch sonst wohlge schrieben und angenehm zu lesen ist. Rand rechts: Anmerkung über Voyage Hist. d'Italie. Sobald man über diesen Fluß gelanget, bleibt man bis Capua in einer fruchtbaren Ebene, und liegt rechter Hand der falernische Strich Landes, der sich ehemals von Sinuessa bis an den Vulturnum erstreckte, und wegen seiner trefflichen Weine berühmt war. Rand rechts: Vinum Falernum.

Linker Hand bey St. Agatha liegt die bischöfliche Stadt Sessa auf einem Berge, und findet man in ihrer Kirche viele alte mosaische Arbeit, welche aber gegen die neuern Stücke gar schlecht aussieht. Rand rechts: Sessa. Es scheint, daß die Verfertiger derselben ihre Schwäche selbst wohl erkannt, und daher für nöthig erachtet haben, jedem Bilde den Namen des Dinges, so dadurch vorgestellet werden soll, en Mosaique beyzufügen. Eine irrige Nachricht eines guten Freundes gab Gelegenheit diesen Ort zu besehen, der an sich selbst nicht die Mühe verlohnet, daß ein Reisender deswegen einen Umweg nehme. Vorzeiten war er eine der vornehmsten Städte der Volscorum, und führte den Namen Aurunca und Suessa Pometia.

Eine Vierthelstunde vor Capua liest man am Wege folgende Inscription eines Monuments: Rand rechts: Monument wegen verbesserten Weges.


Phil. II. Cath. regnante

Peraf. Alcalæ Dux pro Rege

Munitam a veteribus trina silice viam

Tempus ut omnia corruperat

Sustulit itineris impedimenta

Aqua ad Vulturnum deducta, ponte substructo

In publicis commodis & ornamentis

Assidua cogitatione curaque defixus.

MDLXVIII.


Vor der Domkirche zu Neu-Capua sind etliche große alte Särge von Marmor zu sehen, mit wohl erhaltenen bas-reliefs, die Opfer und andere dergleichen Ceremonien vorstellen. Rand rechts: Neu-Capua. In der Kirche selbst ist ein gutes Gemälde von der Verkündigung Mariä.[741]

An der Mauer der Stadt liest man folgende Schrift: Rand links: Inscription.


Philippo IV. Rege

Romano quondam pacem imperio

Lumen columenque Campaniæ

Marte, Opibus, Copiis diu florentem

CAPVAM

Vicissitudine collapsam deterrima,

Cassam munimentis, nudatam subinde muris,

Hostesque prope insultantes contemplatus

Emanuel Fonseca & Zunica Com. Mont. Reg. VII.

consilia antevertens belli

Suoque futuroque præcavens ævo

Refectis mœnibus structisque propugnaculis

Si minus pristinæ magnitudini

Pristinæ restituit munitioni.

Anno Salutis hum. M. DCXXXVI.


Des König Karls des zweyten Statue auf dem Markte ist mit folgender Inscription versehen:


Karolo II. Regi Catholico

Phil. IV. Filio, Phil. III. Nepoti, Phil. II. Pronepoti

Karoli V. Cæsaris Abnepoti

Avitæ generositatis hæredi,

Propagatori gloriæ,

Anno regiminis sui primo impleto

Jam vota implenti omnia Monarchiæ

Simul & spem aurei seculi revocanti

Ordo Populusque Capuanus

Devotus Numini Majestatique ejus

Statuam in foro marmoream

Adorabundus posuit

Mansuram priscæ fidelitatis suæ testimonium

Austriaci Sceptri perennaturi auspicium,

VIII. Id. Novemb. Ann. Sal. MDCLXXVI.

D. D. Ferdinando Joachimo Fraxardo

Requesens & Zunica

Marchione Veletium

Pro-Reg. Neapol.

D. Josepho de Ledesm. Reg.

ad D. Claræ Reg. Neap. Consiliario

Et Civitatis Capuanæ Regio Gubernatore.

Auroram optato faciunt

hæc lumina sæclo.
[742]

Endlich ist ein Phœnix und Wundermann der medicinischen Facultät, Paulinus Bottonius, nicht mit Stillschweigen vorbey zu gehen, weil ihm sein Grabmaal in St. Eligii Kirche das Lob beyleget, daß niemals ein Kranker unter seinen Händen gestorben, welches gewiß was außerordentliches seyn würde, wenn man versichert wäre, daß dieser gute Mann eine starke Praxin gehabt hätte, oder man nicht wüßte, was die Leichenpredigten und Grabsteine für Freyheiten haben. Das Epitaphium ist indessen folgendes: Rand rechts: Epitaphium eines raren Medici.


D. O. M.

Paulino Bottonio

Medico præclarissimo

Et omnibus doctrinis exculto

A quo vivo funus nullum

Ut ab eo mortuo omnium luctus

Senatus Populusque Campanensis

Civi benemerentissimo F.

Anno Salutis M D C XL.

Ætat. s. LXII.


In der Kirche St. Anna ist des Paganini Lucii Grabmaal mit folgender Beyschrift zu bemerken: Rand rechts: Epitaphium Paganini Lucii.


Hic, PAGNINE, jaces, Musarum gloria, Luci

Grammaticæ pariter Rhetoricæque decus,

Cujus jam meritis tantum Campania debet,

Varroni quantum maxima Roma suo.


Alt. Capua, so mit seinen wollüstigen Sitten Hannibals Kriegsheer geschwächet und verdorben hat, liegt zwo italienische Meilen von hier rechter Hand gegen Neapolis zu. Rand rechts: Alt. Capua. Von seinem ehemaligen Prachte ist außer etlichen ruderibus eines Amphitheaters nichts sonderliches mehr zu sehen, und haben die Vandalen, Ostrogothen und Longobarden alles in Grund zerstöret. Von Neu-Capua bis Neapolis sind sechszehn italienische Meilen in der schönsten Gegend, die man nur wünschen kann. Rand rechts: Gegend von Capua nach Neapolis. Die Straße ist zwar neuer als die Via Appia, giebt ihr aber an Schönheit nichts nach, und währet in lauter Alleen öfters ganze Vierthelstunden lang in gerader Linie. Zu beyden Seiten sind besäete Felder, Kohl- und Weingärten. Selbst die großen Bäume der Allee dienen den Weinreben anstatt der Stangen, also daß sie an denselben hinauf laufen und als festons oder Bluhmengewinde sich von oben her wieder mit einander verbinden.

Im Monat Februar und März hat man genug zu thun, wenn man vom frühen Morgen bis es Abend wird mit einer Sedia sieben Posten zurück leget; in langen Tagen aber verrichtet man die Reise von Rom nach Neapolis, so siebenzehn und eine halbe Post austrägt, bequem in zween Tagen. Rand rechts: Weite des Weges von Rom. Die zwey Pferde, so vor die Sedia gespannt werden, bezahlt man auf jedem Postwechsel im Neapolitanischen mit eilf Carlini, und für eine entlehnte Sedia giebt man halb so viel. Die Wege sind im Neapolitanischen gut, die Postpferde trefflich, und ist es eine Luft in diesem Lande zu reisen. Das einzige hat man wohl zu beobachten, daß man sich mit vollwichtigen Louisd'or oder spanischen Pistolen versehe, weil sie mit der äußersten Schärfe alles Gold nachwägen, und darüber sowohl unterwegens als in der Stadt Neapolis unnöthige Schwierigkeiten machen, nur damit sie solche um einen geringern Preis bekommen[743] mögen. Rand rechts: Was wegen des Geldes zu beobachten. Ich erinnere mich, daß der Hausknecht eines Wirthshauses zu Mola (welcher Ort ohnedem wegen seiner diebischen und boshaften Einwohner beschrieen ist) über eine Doppia oder spanische Pistole, die er nur in die Hand nahm und damit gleichsam als wäre es ein Pfund Fleisch gewesen, abwog, das Urtheil, daß sie zu leicht, verwägener Weise aussprach, da sie doch hernach bey genauerer Untersuchung überwichtig befunden wurde.

Ich bin ...

Neapolis, den 8 März 1730.

Fußnoten

1 PLIN. Hist. Nat. lib. III, c. 5. Conf. CORRADINI Latium, Tom. II.


2 VIRGIL. Ecl. VII, v. 33:


Sinum lactis, & hæc te liba, Priape, quot-annis

Exspectare sat est: custos es pauperis horti.

Nunc te marmoreum pro tempore fecimus: at tu,

Si fœtura gregem suppleverit, aureus esto.


Conf, TIBVLL. lib. I, El. I. MARTIAL. lib. VI, Ep. 16:


Tu qui pene viros terres & falce cinædos

Jugera sepositi pauca tuere loci.


Priapus wurde daher auch bey den Römern genannt


– – furum aviumque

Maxima formido


3 Noch andere Geschichtschreiber nennen Cateja, ein Landgut des Cicero, den letzten Aufenthalt dieses berühmten Mannes. Der unschlüßige Cicero selbst verleugnete bey seiner letzten unanständigen Furchtsamkeit alle Grundsätze einer männlichen und gesetzten Weltweisheit. Bald begab er sich bey seiner Flucht aufs Meer, bald trat er wieder ans Land. Bald setzte er auf das Mitleiden seiner Feinde ein wankelhaftes Vertrauen, bald faßte er den Vorsatz, in das Haus des Augustus sich einzuschleichen und sich selbst zu ermorden, damit sein Geist den Augustus beunruhigen könnte. Popilius, den Cicero ehemals so glücklich vertheidiget hatte, kam ihm bey seiner Unschlüßigkeit auf den Hals. Seine Knechte setzten ihn wider seinen Willen in eine Senfte und eilten dem Meere zu; sie wurden aber aufgefangen, und der größte römische Redner mußte ein schmäliges Ende nehmen. Nichts war barbarischer als die Grausamkeit, womit die Fulvia sein Haupt selbst nach dem Tode schändete. DIO CASS. hist. l. 47: Caput Ciceronis arreptum insultans amarulentis verbis & conspuens genibus suis imposuit Fulvia, orique ejus aperto linguam extractam acubus, quales secum comendi capitis caussa mulieres ferunt, compunxit, additis crebris ac turpibus opprobriis.


4 Der geborstene Fels ist ohnstreitig der Wirkung eines Erdbebens zuzuschreiben, nicht aber derjenigen Erschütterung, wodurch der Tod Christi verherrlichet worden. Die heiligsten Geschichtschreiber versichern, daß sich ein ganzer Schauplatz von Wundern geöffnet habe, ob sie gleich die Gränzen nicht genau bestimmen. Zwar Phlegon Trallian gedenket eines ähnlichen Erdbebens in Bithynien, allein sein angegebenes viertes Jahr der 202ten Olympiadis läßt sich mit der Zeit des Leidens Christi nicht vereinigen. Man lese Pet. Bayle unter dem Worte Phlegon, und vergleiche damit Baumgartens Kirchengeschichte I. Th. a. d. 212 S.


5 Also steht es.


6 Die überaus barbarische Gewohnheit, aus den Hirnschaalen der Feinde zu trinken, hat ein sehr großes Alterthum vor sich, und ist sonderlich den mythischen, deutschen und nordischen Völkern gemein gewesen. HFROD. in Melpom. LIV. hist. l. XXIII, c. 24. DIOD. SIC. bibl. hist. l. V, p. 306. RVF. FEST. in breviar. PaullAEMIL. de gest. Franc. l. 1.


At Celtæ vacui capitis circumdare gaudent

Ossa, nefas, auro & menfis ea pocula servant.

SIL. ITAL. Pun. l. 13.


Unsre nordischen Vorfahren hatten sich so sehr in diese Gewohnheit verliebt, daß sie die Fortsetzung derselben nach dem Tode unter die Ergötzlichkeiten der Himmelsbürger rechneten. Man lese die Eddamyth. 76. RegnerLODBROG. in epic. stroph. 25. WORM. litter. run. p. 225. SCHEFFER. Vpsal. antiqu. c. 10. BARTHOL. antiqu. Dan. I. II, c. 12. Von dem Albion, einem longobardischen Helden, erzählet Warnefried, daß er seine Gemahlinn, die Rosimunda, gezwungen, aus ihres leiblichen Vaters, des Cunimundus, Hirnschaale zu trinken; er meldet aber auch zugleich, daß Albion diesen Frevel mit dem Leben bezahlen müssen. de gest. Longob. l. I, c. 27.


7 Im Sommer des Jahres 1734 bemächtigten sich die Spanier von Gaeta, ohne sonderlichem Verlust.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 744.
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