[744] Sieben und funfzigstes Schreiben.

Von den natürlichen Merkwürdigkeiten des Königreichs Neapolis.

Das Königreich Neapolis ist in Ansehung seiner Fruchtbarkeit ein rechtes Paradies der Erden. Rand links: Fruchtbarkeit des Königreichs Neapolis. Manna. Safran. Allerley Arten des Getraides, das schönste Obst, andere Gartenfrüchte, Reiß, Flachs, Oel und Wein kommen in großer Menge und Vollkommenheit hervor. In Calabrien wird viel Manna gesammlet, und sowohl daselbst als in andern Gegenden des Reichs bauet man Safran, der dem morgenländischen gleich geschätzet wird1.

Allann, Vitriol, Schwefel, Bergkrystall, Marmorbrüche und mancherley Mineralien sind hier und da anzutreffen. Die Wolle ist sein und gut, auch die Seide in solcher Menge, daß auswärtige Länder aus den hiesigen Fabriken versehen werden können. Die Weine streiten mit den vornehmsten und berühmtesten, welche die Natur andern gesegneten Ländern schenket, um den Vorzug. Die Viehzucht ist herrlich, und insonderheit der Ruhm von neapolitanischen Pferden dergestalt ausgebreitet, daß es unnöthig ist, dabey sich lange aufzuhalten. Außer diesen itzterwähnten Dingen, davon ein großer Theil außer Landes geht und baares Geld in das Königreich zieht, bringt auch die Handlung mit Schnupftoback und vortrefflicher Seife vieles ein. Einer sonderbaren Fabrike muß ich hiebey gedenken, welche vornehmlich zu Tarento und Reggio im Schwange ist, und wozu die Fäserchen oder eine Art von Haaren und Wolle, die an einer gewissen Sorte von Muscheln gefunden wird, Gelegenheit gegeben. Rand links: Nutzung der Wolle oder Haare an Seemuscheln. Denn diese hat man also zu reinigen und zu bereiten gelernet, daß anitzt Camisoler, Mützen, Strümpfe und Handschuhe, welche wärmer als Wolle halten, darausgestricket und verfertiget werden. An der Weiche und Feinigkeit kommen solche der Seide nicht bey; hingegen behalten sie stets einen sonderbaren Glanz. Die natürliche Farbe dieser Muschelwolle fällt in das Olivengrüne: die Muschel, die solche hervor bringt, wird häufig auch um die Inseln Malta, Corsica und Sardinien gefunden, ja selbst in dem Golfo di Venetia habe ich etliche solcher Art angetroffen, an welchen aber die rauhe Materie, so man einigermaßen mit einem zarten Moose vergleichen kann, sparsam zu finden war.[744]

Unter die natürlichen Merkwürdigkeiten des Königreichs Neapolis ist auch der Lapis Phrygius2, oder die Pietra Fungifera, wie sie insgemein genennet wird, zu zählen. Rand rechts: Lapis Phrygius, oder Stein worauf Pfiffer wachsen. Es wachsen aus derselben, wenn sie an einem schattichten und feuchten Ort geleget wird, zween, drey, und nach Beschaffenheit der Größe des Steines mehrere Fungi oder Pfiffer in wenigen Tagen hervor, welche zum Essen gebraucht werden können. Es ist aber ein Irrthum, wenn, man glaubet dieses Gewächs komme aus einem puren Steine hervor, indem gedachter Stein eigentlich, nichts anders ist, als eine ineinander gewachsene und verhärtete Sammlung von Erde, verfaultem Buchenholze und Fäserchen verschiedener Pflanzen, worunter der subtile Saamen der Champignons verborgen liegt. Es ist dieser Saamen an und vor sich selbst so klein, daß man denselben nicht anders als durch Hülfe der Microscopiorum vom Staube unterscheiden kann. Daß aber auch bey dieser Hervorbringung der Natur die Pfiffer aus dem Saamen ihrer Art entstehen, erhellet daraus, daß wenn man auf dieser Pietra fongara oderfongaia nicht bisweilen einen Pfiffer, von welchem der Saame bey seiner erhaltenen Reife abfallen kann, stehen läßt, endlich die Kraft des Steines verschwindet, und keine Frucht mehr hervor kömmt. Sie wachsen insbesondere bald hervor, wenn warm Wasser auf den Stein gegossen wird. Denn dieses dringt in die engesten Zusammenfügungen, erweitert die poros des Steines, bringt die darinnen eingeschlossenen Säfte in die Gährung oder Bewegung, und erwärmet den Saamen, also, daß er bald anfängt zu keimen. Zur Frühlingszeit treiben diese Steine ihre Frucht auch in ihrer natürlichen Lage aus der Erden hervor; will man aber zu allen Zeiten des Jahres Nutzen davon haben, so darf man sie nur in Töpfe legen, und mit etwas Erde, welche ihnen die benöthigte Feuchtigkeit mittheilet, bedecken. Vermuthlich sind auch viele andere Saamen in dieser Masse verborgen, welche aber wegen Mangel der gehörigen Lage und hinlänglichen Nahrung hervor zu kommen verhindert werden. Ordentlicher Weise zeiget sich die Pfifferfrucht des Steines am dritten und vierten Tage, und am sechsten ist sie vollkommen groß und reif. Sie wächst einer Spannen hoch über die Erde, und ist nicht von einerley Art. Etliche haben in ihrer obern Runde eine Einbeugung und die Gestalt eines Trichters, andere aber sind erhaben und gleichsam mit Kappen oder Hüten bedeckt. Die äußere Farbe ist bräunlich-roth, das Innerste aberweiß. Man findet solche Steine nicht in Thälern, sondern auf den Hügeln. In dem untersten Theile des Kirchenstaats und ferner bey Fondi, Gaeta, Itri, um Neapolis und an andern Orten dieses Reichs sind sie häufig und von allerley Größe anzutreffen. Dieses ist nicht zu leugnen, daß solche Pfiffer etwas härter sind als diejenigen, so gewöhnlichermaßen in Wäldern und Gärten wachsen, welches ohne Zweifel von denen sandigen Theilen, die sie in ihrem Wachsthume aus ihrem Grunde und Boden mit an sich nehmen, herrühret. Daher kömmt es auch, daß wenn viele Pfiffer aus der beschriebenen Masse, so eigentlich weder die Härte eines Steines, noch die Eigenschaften einer Erde hat, gezogen worden, dieselbe dadurch poröser, luckerer und leichter wird. Paulo Boccone, des Großherzogs von Toscana Botanicus, der hernach Cistertiensermönch wurde und sich Silvio Boccone nennte, desgleichen auch Michael Mercati, in seiner Metallotheca (welche Joh. Maria Lancisi, erster Medicus des Pabstes Clemens des eilften, zu Rom, in Folio, im Jahre 1717, herausgegeben) haben einige Anmerkungen über diesen Lapidem Phrygium gemacht. Die Wärme des italienischen Climatis, und die Fettigkeit des Grundes ist sehr bequem in dem vorher wohl befeuchteten Erdreiche[745] Trüffeln, Erdäpfel, Morgeln, Pfiffer und dergleichen Früchte zu sonderbarer Größe zu bringen. Rand links: Außerordentliche Größe von Pfiffern. Zwanzig Meilen von Rom auf einem Landgute Guadagnola, so dem Hause Conti gehört, finden sich wohlschmeckende Pfiffer, welche bis zur Schwere von zwanzig Pfunden anwachsen. Sie müssen vor den großen Vögeln wohl bewahret und bewachet werden. Der Duca Poli verehrte einsmals einen solchen hier gewachsenen Pfiffer, der dreyßig Pfunde wog, an die Königinn von Schweden Christina, und hat solchen Athanasius Kircher wegen seiner seltenen Größe genau beschrieben.

Der Vesuvius ist der herum gelegenen Gegend wegen seines Feuers und Erschütterungen zwar oftmals sehr erschrecklich; allein gleich wie jede Sache, so schädlich sie auch scheint, dennoch auch ihren Vortheil mit sich bringt: also trägt dieser Berg durch die schweflichten und salpetrigen Theile, womit er das Land gleichsam dünget, und wegen der Wärme seiner unterirdischen Gänge, nicht wenig zu dessen Fruchtbarkeit bey. Rand links: Vesuvius verursachet Fruchtbarkeit des Landes. Gleiche Wirkung zeiget sich wegen des Berges Aetna in Sicilien, woselbst der Feldbau gar oft das sechs und dreyßigste Korn, ja in einem gewissen Strich Landes, wann er recht bearbeitet wird, das funfzigste Korn trägt. Die fruchtbarsten Gegenden sind diejenigen, wo vieler Schwefel, Salz, Salpeter und Mineralien gefunden werden. Wären aber an solchen Orten keine feuerspeyende Berge, so würden aus der Fermentation und Gährung dieser principiorum viel gefährlichere Dinge entstehen, anstatt daß sie anitzt einige Luft bekommen, in etwas ausdünsten, und dem Erdreiche ihre aufgelösete Theile zukommen lassen. Weil man auch aus der Erfahrung gefunden, daß das hiesige Land wenigern und gelindern Erdbeben unterworfen sey, wenn die unterirdischen Feuer gleichsam durch den Rachen des Vesuvius ihre Wuth auslassen, so sehen die Einwohner es nicht ungern, daß er im Frühling sich jährlich zornig anstelle, wenn solches nur mit Maßen geschieht. Die Luft wird dadurch nicht unreiner, sondern der unten an der See und nahe am Berge Vesuvius gelegene Ort Barra wird noch immer in Ansehung seiner gesunden Luft vielen andern vorgezogen.

Die ehemalige angenehme Fruchtbarkeit dieses Berges stellt MARTIALIS in folgendem Epigramma vor:


Hic est pampinels viridis Vesuvius umbris:

Presserat hic madidos nobilis uva lacus.

Hæc juga, quam Nisæ colles, plus Bacchus amavit,

Hoc nuper Satyri Monte dedere choros.
[746]

Hæc Veneris sedes, Lacedæmone gratior illi

Hic locus Herculeo nomine clarus erat.

Cuncta jacent flammis, & tristi mersa favilla,

Nec superi vellent hoc licuisse sibi.


Der oberste Theil des Vesuvius ist zwar ganz mit Asche und Steinen bedeckt, der untere aber bringt dreyerley köstliche Weine hervor, nämlich Vino Greco, gelben Muscateller und die bekannten Lacrymas Christi. Rand rechts: Lacrymæ Christi. Der mittlere ist dem Geschmacke nach der angenehmste, läßt sich aber nicht weit verführen. Die Bouteille davon wird in Pietrabianca für anderthalb Carlin verkauft. DerVino Greco kömmt von Reben, die aus Griechenland3 gebracht und hieher mit gutem Effect verpflanzet worden sind. Rand rechts: Vino Greco.

Die Lacrymæ Christi haben den Namen der Thränen von denen Tropfen, mit welchen sie nach erhaltener Reise vor sich aus den Beeren abfließen. Rand rechts: Namen der lacrymarum Christi. Der Zusatz des Namens Christi ist ein Misbrauch, der jenem Fremden und Liebhaber dieses Weines Gelegenheit zu seufzen gegeben: o Domine, cur non etiam in terris nostris lacrymatus es? Philipp Melanchthon ist im Gegentheile von den neapolitanischen lacrymis auf den Einfall gerathen, daß er in der Unterschrift eines Briefes den Ort des Thüringerlandes, woselbst er sich damals aufhielt und elende Landweine zu trinken bekam, mit der artigen Ausdrückung andeutet:


Hic ubi nativum montes lacrymantur acetum.


Der Berg Vesuvius hatte in diesem Jahre schon zu Ende des Februars angefangen zu brennen, und sah man den Rauch, da man noch drey Posten von Neapolis entfernet war. Rand rechts: Brand des Vesuvius. Es steigt solcher Dampf als eine dicke schwarze Seule gerade in die Luft, bis ihn der Wind auf eine oder andere Seite lenket und beugt. Dieses geschieht in drey bis vier Minuten, nach welchen der Gipfel des Berges ganz hell und deutlich zu sehen ist, bis ein neuer Auswurf von Asche, Steinen und Rauch erfolget, welches bisweilen in wenigen Minuten wieder geschieht. Die verschiedenen Bewegungen, welche der Wind dem aufsteigenden Rauche giebt, verursachen, daß man sich allerley Figuren und Gestalten dabey einbilden kann, und ist kein Wunder, daß man zu Zeiten des Titus Vespasians, nach DIONIS Berichte lib. XVI, viele Riesen darinnen wollte gesehen haben. Der Rauch zertheilet sich nicht so bald als er vom Berge weggetrieben worden, sondern sammlet sich in langen Strichen am Himmel als starke Wolken. Zur Nachtzeit sah man bey den meisten Auswürfen eine kurze feurige Seule in die Höhe steigen, deren Schein aber verlosch, ehe sie ins Fallen gerieth. Vermuthlich[747] war solches nur eine Wirkung der feurigen Steine, welche der Berg in einer Perpendicularlinie auswarf, und davon sonderlich bey stillem Wetter die meisten in den Abgrund, woraus sie gekommen, zurückfallen. Nachdem ich bey acht Tage vergeblich gewartet, daß das Auswerfen des Berges nachlassen möchte, und vielmehr zu befürchten war, daß es stärker werden und länger anhalten möchte, als ich in Neapolis zu bleiben gedachte: so nahm ich den 14 März den Entschluß, den Vesuvius auch währenden seines Feuerspeyens zu besteigen. Die Gesellschaft, welche dergleichen Lustreise unternimmt, kann niemals gar stark seyn, sowohl weil die Miethpferde in der Stadt Neapolis rar sind, als auch weil man viele Hülfe von denen am Berge wohnenden Bauern haben muß, und deren Anzahl nicht hinlänglich seyn würde, wenn zu viele Fremde auf einmal kommen wollten. Der Vesuvius, welcher entweder vom Plutone Summano, oder seiner Höhe und Sommita4, oder auch von einem nahe dabey gelegenen Landgute Somma, den Namen Monte di Somma insgemein allhier bekömmt, liegt fünf italienische Meilen von Neapolis, nämlich mit dem Umwege an dem Meerbusen und bis an seinen Fuß zu rechnen, von welchem noch drey kleine Meilen bis auf seinen Gipfel gerechnet werden. Vorzeiten scheint er dem Jovi Tonanti geheiliget gewesen zu seyn, weil man nach Parini Berichte in einer Inscription zu Capua liest: Rand links: Jupiter Vesuvius.


Jovi Vesuvio

Sacrum

D. D.


Eigentlich liegen, wie bey dem Parnaß, also auch hier, zween Berge neben einander, wovon aber heut zu Tage nur derjenige, welcher von Neapolis her gerechnet, rechter Hand sich befindet, Flammen von sich wirst. Das dazwischen gelegene Thal erstrecket sich auf eine Meile und ist fruchtbar. Die Höhe des feuerspeyenden Berges, so etwas geringer als des andern ist, wird auf mehr als eilfhundert Klaftern über der Fläche des Meeres gerechnet. Rand links: Höhe des Berges. Bey dem Dorfe Resina, welches drey Meilen von der Stadt Neapolis liegt, ist im Jahre 1631, da dieser Berg der ganzen Nachbarschaft großen Schaden zugefüget hatte5, eine Vermahnung und Warnung vor Sicherheit an die Nachkommen in Stein eingehauen worden, welche ich sowohl wegen ihrer kräftigen Ausdrückungen, als weil sie bey andern unvollkommen angeführet ist, hier beyfüge: Rand links: Denkmaal des Brandes vom Jahre 1631.


Posteri, Posteri, vestra res agitur. Dies facem præfert diei, nudius perendino. Advertite, Vicies ab satu Solis, ni fabulatur Historia, arsit Vesevus, immani semper clad. hæsitantium: ne posthac incertos occupet, moneo. Uterum gerit mons hic bitumine, alumine, ferro, sulphure, auro, argento, nitro, aquarum fontibus gravem. Serius ocyus ignescet, pelagoque influente pariet; sed ante parturit Concutitur, concutique solum, fumigat, coruscat, flammigerat, quatit aërem, horrendum immugit, boat, tonat, arcet finibus accolas. Emigra dum licet Jam jam enititur, erumpit, mixtum igne lacum evomit, præcipiti ruit ille lapsu, seramque fugam prævertit. Si corripit, actum est, periisti. Anno Sal. MDCXXXI. Kal. Jan. Philippo IV. Rege, Emanuele Fonseca & Zunica Comite Montis Regii Prorege[748] (repetita superiorum temporum calamitate, subsidiisque calamitatis, humanius quo magnificentius) formidatus servavit, spretus oppressit incautos & avidos, quibus lar & supellex vita potior. Tum tu, si sapis, audi clamantem lapidem. Sperne. larem, sperne sarcinulas, mora nulla, fuge. Antonio Suares Messia, Marchione Vici, Præfecto viarum.


Eben dieser unglückliche Brand des Berges vom Jahre 1631 hat drey Meilen weiter an der Seeküste, nämlich zu Torre del Greco, woselbst drey Klöster und viele andere Gebäude untergegangen, zu einer wohlgerathenen Inscription, welche sich auf eine ältere bezieht, Gelegenheit gegeben. Rand rechts: Andere Inscriptionen. Die alte ist mit folgenden Worten verfasset:


Viam

A Neapoli ad Rhegiam

Perpetuis antea latrociniis

infamem

Et conflagrati. Vesuvii saxis

impeditam

Purgato insidiis loco,

Exæquata planitie

Latam rectamque duxit

Ære Provinciali

Perafanus Ribera Alcalanorum Dux

Anno Domini MDLXII.


Die neuere Inscription, worinnen man sich unter andern wundert, daß dieser brüllende Berg nicht mehr Respect vor dem Namen des Vice-Roy, Herzogs von Alcala getragen, lautet folgender Gestalt: Rand rechts: Alberne Rodomontade.


At, o!

VIII. & LX post anno

XVIII. Kal. Jan.

Philippo IV. Regnante

Fumo, flammis, boatu

Concussu, cinere, eruptione

Horrificus, ferus, si unquam, Vesevus

Nec nomen, nec fasces tanti viri extimuit.

Quippe exardescente cavis specubus igne

Ignitus, furens, irrugiens

Exitum eluctans coërcitus aër

Discerpto violenter Momis culmine

Immani erupit hiatu postridie

Ejaculatus trans Helespontum cinerem

Pone trahens ad explendam viam pelagus[749]

Immite pelagus

Fluvios sulphureos flammatum bitumen

Fœtas alumine cautes

Informe cujusque metalli rudus,

Mixtum aquarum voluminibus ignem,

Ferventemque undante fumo cinerem

Seseque funestamque colluviem

Jugo montis exonerans;

Pompejos, Herculanum, Octavianum

Perstrictis Reatina & Porticu

Sylvasque, Villasque, Ædesque

Momento stravit, ussit, diruit

Luctuosam præ se prædam agens

Vastumque triumphum.

Perierat hoc quoque marmor alte sepultum

Consultissimi monumentum Proregis;

Ne pereat

Emanuel Fonseca & Zunica Com. Mont. Reg. Pror.

Qua animi magnitudine publicæ calamitati,

Ea privatæ consuluit.

Extractum funditus gentilis sui lapidem

Cœlo restituit, viam restauravit,

Fremente adhuc & indignante Vesevo,

Anno Sal. MDCXXXIV.

Præfecto viarum

Antonio Suarez Messia March. Vici.


Von Resina an wird das Land etwas höher, jedoch daß man noch beständig zu Pferde bleiben kann. Die vielen und großen halbausgebrannten Steine, welche man hin und wieder findet, sind Andenken der ehemaligen Verwüstungen, die über diese Ländereyen ergangen, welche zu reinigen die Bauern allenthalben auf diesem Berge kleine Mauern und Brustwehren von solchen zusammen gelesenen Steinen um ihre Weinberge aufgeführet haben. Rand links: Größe der ausgeworfenen Steine. Die Gewalt, womit sehr große Lasten aus dem Berge getrieben werden, ist so stark, daß oftmals vier bis fünf Zentner schwere Steine etliche italienische Meilen weit geworfen worden. Endlich kömmt man an eine Gegend, woselbst der Berg anfängt so steil zu werden, daß es unmöglich ist, weiter zu reiten, zumal da das Erdreich ganz mit Asche und Steinen bedeckt ist. Allhier läßt man etliche Diener bey den Pferden und den Stiefeln, welche man, um leichter fortzukommen, mit Schuhen verwechselt. Bey diesem Platze hat ein Einsiedler eine schlechte Wohnung angeleget, worinnen er beständig bleibt, bis die Gefahr vom Berge recht augenscheinlich wird. Rand links: Einsiedeley auf dem Berge. Wenn die Reisenden vom obern Theile des Berges ermüdet zurückkommen, steht er mit einer Flasche Wein bereit, wofür man nicht undankbar seyn muß, weil seine Lebensart und Regel ihm nicht verbiethet, Geld zu nehmen.

Die Bauern, so aus den nächsten Dörfern gefolget, fangen allhier ihre Dienste an, und zwar mit solcher Begierde, daß wann ihrer mehrere, als man nöthig hat, sind, und nicht alle zum Verdienste gelangen können, es bisweilen zu blutigen Schlägereyen kömmt; wobey[750] die Fremden, um welche man sich auch in buchstäblichem Verstande recht reißt, übel daran sind. Rand links: Charakter der hiesigen Bauern. Ein Reisender thut wohl, daß er sein geladenes Gewehr mit sich nehme, weil hier ein schlimmes und diebisches Volk ist, das an der Seite große Messer, dergleichen in Deutschland die Faßbinder bey ihrer Arbeit brauchen, trägt. Sie sprechen ungescheut von ihren bestialischen Lastern und Bosheiten, womit sie einander, unter der Zeit da man nothwendig ausruhen muß, vexiren. So lange wir noch unten am Vesuvius waren, verhießen sie große Dinge und pralten, daß sie uns bis an diebocca oder oberste Oeffnung des Berges bringen wollten; je höher wir aber kamen, desto zaghafter wurden sie, und führten bey jedem Auswurfe des Berges den Namen der heil. Maria und desheil. Januarius mit Anführung der großen Gefahr, worein wir uns stürzen würden, im Munde, also, daß es nöthig war, ihnen selbst Herz und Muth einzusprechen. Die Dienste, welche sie den neugierigen Fremden leisten, bestehen darinnen, daß zween voran gehen oder kriechen, und dem Fremden, der sich an sie fest hält, die Mühe im Steigen erleichtern. Zu solchem Ende tragen sie über dem Leibe einen breiten ledernen Riemen, woran man sich halten kann. Rand rechts: Hülfe, welche die Bauern leisten. Sind diese zwo Leute nicht stark genug, so kommen noch etliche von hinten zu, die den Fremden mit schieben helfen. Ein leichter Mensch braucht nicht mehr als zween, die vor ihm hergehen; einem schweren aber wird es allezeit sehr sauer, man mag ihm helfen wie man wolle. Man thut wohl, wegen der Belohnung mit solchen Leuten den Handel zu schließen, ehe man in ihrer Gewalt und Schuld ist; man muß ohnedem gemeiniglich eine kleine Zugabe als ein außerordentliches Trankgeld zurück lassen, weil sie mit dem bedungenen selten zufrieden sind. Man brauchet weder Stecken noch Stroh, und müssen die Leute mit dem Herrn Apronio oder Eberti ihren Spott getrieben haben, wenn sie ihm Stroh, und dieses noch dazu auf den Nacken geladen haben, wie er in seiner zur Freude der Welt und ewigen Zeiten (wie er selbst saget) im Jahre 1724 herausgegebenen Reisebeschreibung a. d. 170 Seite meldet.

Weil der Berg sehr steil und meistentheils mit tiefer schwarzer Asche, die als Staub von Steinkohlen anzusehen, bedecket ist, so kömmt man gar übel darauf fort, und rutschet öfters mit samt der Asche wieder etliche Schritte weit zurück. Rand rechts: Asche auf dem obern Theile des Berges. Wo keine solche Asche ist, finden sich desto mehr ungleiche und spitzige ausgebrannte Schlacken, worüber beschwerlich zu gehen ist. Daß der Schwefel Fußhoch liege, wie ein gewisser Autor meldet, habe ich nirgends bemerket, wohl aber unter andern Schlacken hie und da rothe und gelbe Stücke Stein gefunden, die vielen Schwefel halten. Daß man in die Fußstapfen seines Führers trete, ist nicht nöthig, auch öfters unmöglich, weil in der ausweichenden Asche keine Merkmaale davon zurückbleiben. Es ist bekannt, daß zu verschiedenen malen ganze Ströme von geschmolzenem Schwefel, Harz und Metall aus der obersten Oeffnung des Berges hervorgebrochen und alles, was sie erreichet, in die äußerste Verwüstung gesetzet haben. Rand rechts: Ströme von Schwefel, Metall etc. Die Schlacken dieser von einander geborstenen Materie liegen noch übereinander und ragen aus denselben viele große und spitzige Steine hervor, welche auf diesem Schwefelbache geschwommen und mit ihren ungleichen Spitzen über der Fläche geblieben sind, weil sonst; wenn der Strom gleich flüßig und ganz geschmolzen gewesen wäre, seine superficies in einer mehrern Ebene und Gleichheit erkaltet seyn würde. Dergleichen feuriger Strom erängele sich sonderlich im Jahre 1694, wobey man bemerket hat, daß obgleich gedachte schwere Lasten von Steinen mit einer Stange in die noch flüßige Materie niedergedrückt worden, sie dennoch nicht zu Boden gegangen, sondern wieder über die Fläche hervorgekommen. Solche Ströme entstehen nicht durch einen Auswurf des Berges, wie es mit den Steinen zu geschehen pflegt, sondern als aus einem überfließenden Gefäße, und ist zu[751] vermuthen, daß fast die ganze Höhlung des Berges mit solcher fließenden Materie angefüllet gewesen seyn müsse, ehe sie also hat überlaufen können. Es wollen etliche nachgerechnet haben, daß bey der Feuerergießung vom Jahre 1694 eine solche Menge Materie aus dem Vesuvius hervorgebracht worden, daß selbige, als sie erhärtet, an etlichen Orten sechszig Ellen hoch gestanden und einen eben so großen Berg hätte ausmachen können, wenn sie auf einen Platz zusammen gebracht worden wäre, woraus man von dem innerlichen Abgrunde und der Höhlung dieses schrecklichen Vulkans sich einigen Begriff machen kann. Bey dem Feuerspeyen des Berges Aetna, im Jahre 1669, sollen 93838750 Cubicfuß von Materien herausgekommen seyn6. Rand links: Keine Bimsensteine. Ich habe mich auf dem Vesuvius allenthalben nach Bimsensteinen umgesehen, aber keinen einzigen finden können. Die hin und wieder häufig liegende Schlacken sind theils zwar ausgebrannt und voller Löcher; allein sowohl durch ihre Schwere als graue und schwarze Farbe von den eigentlichen Bimsensteinen, die bey Bajä und in dasiger Nachbarschaft gefunden werden, unterschieden, und findet man, vermittelst chymischer Untersuchungen, daß in den ausgeworfenen Steinen des Vesuvius Harz, Schwefel, Salpeter, Vitriol, Alaun, Antimonium, Marchesit, Arsenicum, Petroleum und andere dergleichen Dinge enthalten gewesen, auch einigermaßen noch zu finden seyn. Rand links: Mineralien in den ausgeworfenen Steinen. Es ist dannenhero kein Wunder, wenn sie weder an Farbe noch Materie einander gleichen, indem die verschiedene Mischungen der obgedachten Stücke mit dem Erdreiche und Steinen auch vielerley Veränderungen hervor bringen müssen. Man hat auch die Ueberreste von Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Bley und andern Mineralien darinnen angetroffen, welche von der innern Beschaffenheit und den stratis des Grundes eine Anzeige geben können. Wenn ich die rothen und gelblichten Steine zu Pulver gestoßen und den Magnet dabey gebracht habe, war keine attraction oder Anhängung zu spüren, ohne Zweifel weil der in Menge vorhandene Schwefel dieselbe verhinderte. Rand links: Magnetproben. Wie denn auch der Magnet an den pulverisirten Eisensteinen, sie mögen noch so viel Eisen, als sie wollen, bey sich führen, seine Kraft nicht eher erweist, als bis man durchs Feuer und eine starke Röstung den darinnen mit begriffenen Schwefel abgetrieben hat. Als ich hernach die stark ausgebrannte schwarze Schlacken unter die Probe brachte, hingen sich die Theilchen des Martis und der zu Pulver gebrachte Stein häufig an den Magnet. Etliche wollen sogar Anzeichen von Rubinen und andern Edelgesteinen in den Schlacken gefunden haben, welches ich dahin gestellt seyn lasse. Vielerley Glasstückchen finden sich hie und da, welche aber vom geschmolzenen klaren Sande, Salz und Marchesit ihren Ursprung haben können. Als ich oben am Berge, wo vor alten Zeiten seine Oeffnung war, stund, fiel nebst andern Klumpen, die der Berg auswarf, auch noch ein ganz glüender Stein von grüngelblicher Farbe nächst bey mir nieder. Als ich solchen erkalten ließ und genauer betrachtete, fand ich ihn als mit einem glänzenden Firniß überzogen und viele Stücke Glases von mancherley Farben darinnen. Bey meiner Zurückreise hatte sich derselbe an andere Steine, welche ich in der Tasche bey mir führte, dergestalt abgerieben, daß er vieles von seiner Schönheit verlohren und ich nöthig erachtete, ihn mit Wasser zu reinigen, welches zwar einige Wirkung that, vieles aber im Steine solchergestalt[752] auflösete, daß immer ein grünliches Wasser davon abtropfet, und ich Noth habe denselben trocken zu bekommen7.

Als wir ungefähr auf der Hälfte des obern Berges waren, fanden wir viele große Steine, theils von der Schwere eines Zentners und drüber, welche noch ganz feurig waren, und wenn sie voneinander geschlagen wurden, dem ganz glüenden Eisen oder den Schlacken, wie solche frisch aus einer Schmiedeesse kommen, glichen. Rand rechts: Glüende Steine. Wir konnten Papier dabey anzünden; und versicherten unsere Führer, daß sie erst aus dem Berge geworfen worden. Ich habe derselben hie und da mehr als zehn bis funfzehn angetroffen, aber keinen einzigen fallen oder herabrollen gesehen. In dieser Gegend hörten wir öfters ein Knallen, als wenn eine ganze Batterie Geschützes von fernen losgeschossen würde, dabey war unter unsein beständiges Getöse, als wenn große Kessel in vollem Kochen wären. Wenn man mit dem Stocke nur einer Hand tief in die schwarze Asche ein Loch machte, fand sich gleich die Hitze, und zwar an etlichen Orten in solchem Grade, daß man die Hand nicht hinein stecken konnte. Rand rechts: Hitze des Bodens. Hie und da gieng der Rauch als durch Luftlöcher aus dem Berge. Ich wußte lange nicht, was viele kleine Löchlein sagen wollten, die sich bisweilen in der Asche nicht anders, als wären Finger daselbst hinein gestecket, zeigeten; allein endlich fand ich, daß die Wespen und Hornisse, denen es zu dieser Jahreszeit, sonderlich in der Nacht, unten am Berge noch zu kalt seyn mochte, selbige verfertiget und sich, um der Wärme zu genießen, hinein begeben hatten. Wo eine halbverbrannte Eichel, die ich gleichfalls hoch auf dem Berge in der Asche angetroffen, dahin gekommen, weis ich nicht zu sagen, indem auf diesem ganzen Theile des Berges, der mit Asche und Steinen bedecket ist, nicht der geringste Baum zu finden, auch nicht zu vermuthen ist, daß Vögel, die dergleichen Dinge mit sich schleppen könnten, sich auf diese unfruchtbare Höhe begeben.

Nach langem und mühsamen Steigen erreichet man endlich den Ort, wo ehemals die große Oeffnung des Berges war, mit welcher es sich aber in vielen Dingen geändert hat, indem sie sich zugeleget, und aus der Mitte durch die vielen evomitiones ein neuer runder aus Asche und verbrannten Schlacken bestehender Berg sich aufgethürmet hat. Rand rechts: Ehemalige Oeffnung des Berges. Zu Misson und Addisson Zeiten hatte man bey drey hundert Schritte in einer Ebene zu gehen, ehe man zu dem Anfange des neuen Berges kam; allein durch die viele hernach erfolgte Auswürfe hat seine Runde sich dergestalt ausgebreitet, daß itztgedachter Zwischenraum an den meisten Orten nur als ein Graben, der sechs bis acht Fuß tief und etwan dreyßig Schritte breit, anzusehen ist. Rand rechts: Neuer Berg. Vielleicht wird in wenig Jahren auch diese Niedrigung gar ausgefüllet, also daß zwischen dem alten und neuen Berge gar keine Absonderung mehr bleibt. Die Stelle des untersten Berges machet, daß man diesen Absatz nicht eher bemerket, als bis man schon darauf ist. Wir empfanden in diesem Graben eine starke Wärme, und hatten wegen der Hitze, die bey jedem Auswurfe des Berges uns ins Gesichte schlug, beynahe nöthig, etwas vor die Augen zu halten. Die Wärme des Bodens war gleichfalls an etlichen Orten so stark, daß uns auf den Schlacken die Sohlen der Schuhe verbrannten. An statt der starken Knalle und des vielen Getöses, welches wir auf der Hälfte des Berges vernommen hatten, war hier nichts zu hören, außer daß bey jedem Auswurfe[753] ein Zischen entstund, als stiege eine Menge Racketen auf einmal in die Höhe. Die Menge der Steine, des Rauches und anderer Materien die in die Luft getrieben werden, geben das Ansehen einer springenden Pulvermine, und wird der Himmel dadurch ganz verfinstert. Viele und fast die meisten Steine, sonderlich wenn sie noch ganz schwer und wenig ausgebrannt sind oder kein starker Wind wehet, fallen perpendicular wieder in den Abgrund und thun diesen Weg vermuthlich gar oft, bis sie außerhalb der Oeffnung zu fallen kommen, viele aber breiten sich auch auf den Seiten aus und jagen im Herabfallen durch ihr Geprassel nicht geringen Schrecken ein. Der Wind treibt zwar den Rauch, die Asche und die Steine mehr auf eine als die andere Seite, und kann man desfalls eine nützliche Vorsorge brauchen; allein man ist darum, wenn der Berg viele Auswürfe thut, nicht außer Gefahr. Flammen konnte man bey Tage nicht bemerken, und ist es wohl möglich, daß die Hitze, die wir damals bey den Auswürfen empfanden, eine Wirkung der glüenden Schlacken und Steine, die in die Höhe stiegen, und bey Nacht als eine feurige Kugel im Rauche aufgiengen, gewesen. Diese Umstände sind nicht allezeit einerley, sondern verändern sich, nachdem die Wuth solcher feuerspeyenden Berge mittelmäßig oder stark ist, wie Virgilius vom Aetna, Æneid. l. 3, v. 570, sq. schreibt:


– – horrificis juxta tonat Ætna ruinis

Interdumque atram prorumpit ad æthera nubem,

Turbine fumantem piceo & candente favilla;

Attollitque globos flammarum, & sidera lambit:

Interdum scopulos avulsaque viscera montis

Erigit eructans, liquefactaque saxa sub auras

Cum gemitu glomerat, fundoque exæstuat imo.


Nach des Pompejus Sarnelli, Bischofs von Bisceglia, Berichte hat der oberste Berg erst den 26 Sept. im Jahre 1685 seinen Anfang genommen. Ich rechnete, daß wir ungefähr noch acht hundert Schritte über die spitzige Steine und tiefe Asche zu steigen haben möchten; weil aber in der Zeit, als wir am Fuße desselben stunden, der Berg alle zwo bis drey Minuten auswarf, und wir über acht dergleichen Würfe hätten ausstehen müssen, ehe wir den Gipfel würden erreichet haben: so war die Gefahr, die sich stets mehrete, je näher man dem Gipfel des Berges kam, allzu augenscheinlich, als daß sich jemand näher dazu hätte wagen wollen. Es war auch nicht möglich, die Bauern, welche wir bey uns hatten, zu weiterm Fortgehen zu bewegen. Vermuthlich würden wir bey itztbeschriebenem Zustande des Berges in seiner Oeffnung nichts als Rauch und Dampf haben sehen können. Es ist lächerlich, wenn Reisende vorgeben, daß sie währenden Brennens des Berges oben hinein gesehen und den Abgrund feurig, nicht anders, als wenn Schwefel, Pech und Metall unter einander kochten oder walleten, gefunden hätten. Etliche gute Freunde, die zu verschiedenen Zeiten, und wenn der Berg nicht brannte, auf seiner Höhe gewesen, versichern, daß man dennoch den Grund seiner Oeffnung wegen des Rauches selten zu sehen bekomme; indessen geschehe es doch bisweilen, wenn er nämlich ganz still und in Ruhe ist. Es ist aber auch alsdann dasjenige, was man zu sehen bekömmt, nicht einerley, indem der Grund bald gar sehr tief, bisweilen kaum etliche hundert Fuß von dem Rande entfernet ist, nachdem sich die Cruste oder Rinde von den geschmolzenen Materien bey den letzt vorhergegangenen Entzündungen hoch oder niedrig angesetzt. Etliche Reisende sind so verwägen, daß sie weit hinunter steigen. Es ist aber solches eine Neugierigkeit, die zu nichts hilft, und erst noch vor zwey Jahren einem Engländer das Leben gekostet hat, Wenn man kurze[754] Zeit nachdem der Berg aufgehöret hat zu brennen, Steine in das Loch hinein rollet, so verursachen sie einigen Lärmen, und kömmt Rauch aus der Tiefe. Den Gipfel des Berges zu erreichen braucht man zwo Stunden, der Rückweg aber ist viel leichter und geschwinder, weil man oft vier und mehr Schritte mit der weichenden Asche fortkömmt, ohne daß man einen Fuß beweget. Nach etlichen Tagen, als ich auf dem Berge gewesen, bemerkte ich aus Neapolis an einem Abende, da es in der Stadt schon dunkel war, und der Berg beständig auswarf, eine weiße Helligkeit über demselben, welche ich anfänglich für Feuer ansah; sie blieb lange Zeit, kam aber allmählich immer höher, und endlich fand ich, daß es eigentlich der Gegenschein der untergehenden Sonne war, welche sich in dem Rauche und der dicken Luft über der Oeffnung des Berges gleichsam spiegelte, durch ihre Entfernung aber diesen Schein nach und nach kleiner und zuletzt gänzlich verschwindend machte. Ich gieng fast alle Abende in guter und starker Gesellschaft (als ohne welche es bey Nacht sehr gefährlich in Neapolis auf der Straße ist) auf dem großen Platze bey desVice-Roy Pallaste, um die Veränderungen des Feuers zu beobachten. Den 17 März war linker Hand an dem Orte, wo wir still gestanden waren, ein beständig brennendes Feuer, aus dem obern Mundloche aber stiegen nur alle vier bis fünf Minuten feurige Seulen hervor, so nach dem Augenmaße vier Fuß hoch waren und in der Dicke einen Diameter von anderthalb Fuß hatten. Den 18 März stund die ganze Gegend, wo vor alten Zeiten die bocca oder Oeffnung gewesen, im Feuer, welches aber nicht viel in die Höhe loderte. Hingegen brannte der oberste Berg bey seiner Oeffnung desto gewaltiger und ohne Unterlaß. Der Rauch erhob sich so hoch in die Luft, als der Berg selbst war. Den 19 brannte der ganze obere Berg, und in der Stadt hörte man unter der Erde bisweilen Stöße und Erschütterungen, als wenn Canonen vom weiten losgeschossen würden. Man konnte am 20sten und folgenden Monatstage das Feuer zu Gaeta sehen, obgleich dieser Ort sechs Posten entfernet ist. Es trieb der Wind auch Asche in die Stadt Neapolis, und da fing man an, seine Zuflucht zu Proceßionen und der Anrufung des heil. Januarius zu nehmen, auf welchen die Einwohner in solchen Fällen, als auf ihren besondern Schutzgott (dem sie doch in neuern Zeiten den Erzengel Michael als einen Adjunctum zu mehrerer Sicherheit gegeben) ein großes Vertrauen setzen. Rand rechts: Zuflucht zum heil. Januarius. Es geschieht dieses nicht ohne Ursach, wenn es wahr ist, daß oftmals die bloße Aussetzung des Kopfes vom besagten Heiligen nach geschehener Anrufung um Hülfe, augenscheinlich die Kraft gehabt, den Rauch und Wind von der Stadt abzuwenden, und die Wuth des brüllenden Berges zu stillen. Es ist auch kein Wunder, daß deswegen die Vorsteher der Cappella del Tesoro von der Hauptkirche, woselbst die Reliquien dieses Heiligen verwahret werden, eine große Medaille prägen lassen, so auf der einen Seite das Bildniß des heil. Januarius zeiget mit der Umschrift: Rand rechts: Medaille auf diesen Heiligen.


D. JAN. LIBERATORI. VRBIS FVNDATORI. QVIETIS.


Auf der andern aber zwo Ampullas oder Flaschen, worinnen sein wunderthätiges Blut aufgehoben wird, über einem Bluhmenkranze, in dessen Mitte man liest:


POSTQVAM. COLLAPSI. CINERES ET. FLAMMA. QVIEVIT. CIVES NEAPOLITANI. INCOLVMES A.

D. MDCCVII.
[755]

Wegen eben dieses im Jahre 1707 geschehenen Wunders hat die Stadt durch den berühmten Baumeister D. Ferdinando Sanfelice bey der Kirche S. Caterina à Formello, woselbst als an einem gleichsam im Gesichte des Berges liegenden Orte das Haupt des h. Januarius nach einer langen Procession zur Verehrung auf einen Altar gestellet worden war, ein marmornes Denkmaal mit der Statue des Heiligen und folgender Inscription aufrichten lassen: Rand links: Dankmonument.


DIVO JANVARIO

Vrbis Neap. Indigetum Principi

Quod Montis Vesuvi

Anno MDCCVII.

Cum maxima ignis eruptione

Facta dies complures magis

Magisque ferociret,

Jam ut certissimum Vrbi

Totique Campaniæ

Incendium minaretur,

Sacri ostensu capitis

In ara heic exstructa

Excidiosos impetus

Extemplo oppresserit

Et omnia serenarit,

Neapolitani

Ejus divini Beneficii

Uti & innumerorum aliorum

Quibus à Bello, Fame,

Pestilentia, Terræ motu

Urbem, Civitatemque

Liberavit, memores

P. P.[756]

Ant. Parrino giebt vor, daß im Jahre 1698, als ein ganzer Bach von Feuer sich den Berg herunter ergossen, ein vom Pabste Innocentius dem eilften geweihetes und vom Kardinal Cantelmo hinein geworfenes Agnus Dei die ganze Gewalt dieses schrecklichen Stromes aufgehalten und stillstehend gemacht. Rand rechts: Kraft eines Agnus Dei.

Sextus AureliusVICTORin Epitome, und andere, welche behaupten, es habe der Berg Vesuvius erst zu Zeiten des Vitus Vespasianus angefangen Feuer auszuspeyen, können leicht aus dem Strabo, der zu Augusts Zeiten gelebt, ihres Irrthums überzeuget werden. Es ist auch falsch, daß der ältere Plinius auf dem Berge umgekommen, weil aus dem Berichte, welchen der jüngere Plinius von seines Vetters Tode hinterlassen8, deutlich erhellet, daß jener noch weit genug vom Vesuvius entfernet gewesen, da er als ein fetter mit Engbrüstigkeit geplagter Mann wegen der dicken und schweflichten Luft ersticken müssen. Rand rechts: Wenn der Vesuvius angefangen Feuer auszuspeyen. Ob der ältere Pliniusdarauf umgekommen.

Seit Christi Geburt melden die Geschichtschreiber von etlichen und zwanzig merkwürdigen eruptionibus; es ist aber glaublich, daß deren mehrere, als in Schriften aufgezeichnet worden, sich eräuget haben. Eine der stärksten war die letztgemeldte, so unter der Regierung des Titus Vespasianus geschah, und durch welche die bey Neapolis ehemals gelegene Städte Herkulanum oder Heraklea9 und Pompeji zu Grunde giengen10.Rand rechts: Untergang der Städte Heraklea und Pompeji.

Dio Cassius meldet, daß damals die Asche bis in Africa, Syrien und Aegypten getrieben worden, ja die Sonne selbst deswegen zu Rom verfinstert geschienen11.Rand rechts: Wie weit die Asche des Berges sich ausgebreitet.

Man sollte glauben, daß die offenbare Gefahr, worinnen die Einwohner der hiesigen Gegend sowohl wegen der Erdbeben als des Vesuvius beständig leben, einige Eindrückungen in ihre Gemüther machen und eine vernünftigere Lebensart nach sich ziehen müßte. Rand rechts: Ueble Lebensart der Einwohner. Allein es ist nichts weniger, und sind die meisten dem gemeinen Schiffsvolke gleich, welches selten eher, als bey entstandenem harten Sturme an den Himmel oder die Hölle gedenket, und sobald die Gefahr vorbey, wieder in seine alten Bosheiten verfällt. Das Jahr 1707 hat noch davon eine ärgerliche Probe gegeben, indem das Volk, so nach überstandener Noth haufenweise aus der Stadt Neapolis lief, um den verursachten Schaden und sonderlich den fast noch rauchenden Feuerstrom, der sich aus dem Berge ergossen und zu erkalten anfing, in Augenschein zu nehmen, eine solche wilde Lebensart mit Fressen, Saufen und Ueppigkeiten mit denen aus der Stadt in Menge dahingekommenen lüderlichen Weibespersonen trieb,[757] daß man endlich obrigkeitlichen Amts wegen Missionarien hinaus senden mußte, um durch gute Vermahnungen den Unordnungen in etwas zu steuren.

Die vielerley Mineralien und andere Dinge, so der Vesuvius auswirft, verrathen genugsam die innere Beschaffenheit seines Abgrundes, und woher seine Entzündung entstehe. Rand links: Innere Beschaffenheit des Berges. Wenn lebendiger Schwefel und Feilstaub von Eisen vermischet und in einen Teig geknätet worden, darf nur kalt Wasser dazu gethan werden, um bald darauf diese Materie nicht nur in Hitze, sondern auch in eine vollkommene Flamme zu bringen. Lemery hat einsmals in seinem Garten zu Paris auf diese Art einen feuerspeyenden Berg, der von sich selbst in Brand gerathen, angeleget. Ja die neuern Chymici sind so weit gekommen, daß sie durch die bloße Zusammengießung zweyer zubereiteten Wasser Feuerflammen hervorbringen. Rand links: Wie man durch Kunst einen feuerspeyenden Hügel machen könne. Daß Eisen und Schwefel in Menge in den tiefen Lagen und stratis des Vesuvius und anderer feuerspeyenden Berge12 enthalten sey, zeigen sowohl die ausgeworfenen Schlacken, als die mineralischen Wasser, so unten am Berge gegen die Seeküste hervor quellen. Die Nachbarschaft der offenbaren See theilet nicht nur die zur Nahrung und Unterhaltung dieser verbrennlichen Materien nöthige Feuchtigkeit mit, sondern auch vieles Salz und Harz, so durch das Wasser von seinen stratis subterraneis abgespület wird, und eigentlich die salzige Bitterkeit des Seewassers verursachet. Rand links: Harz im Seewasser. Die Vermischung des Oeles von Steinkohlen (welche vieles Harz bey sich führen) mit gemeinem Salze und Wasser, bringt eben den Geschmack hervor, welchen das Seewasser von Natur an sich hat. Wenn die See stille ist, schwimmt bey Resina und Torre (welche beyde Orte nahe am Berge und an der See liegen) öfters viel Petroleum auf dem Wasser, welches die Fischer mit Schwämmen sammeln und an die Apotheker verkaufen. Rand links: Gemeinschaft des Vesuvius mit dem Meere. Daß aber der Vesuvius mit der offenbaren See eine Communication habe, lehret nicht nur die Erfahrung vom Jahre 1631, da gleich anfangs und vor dem Brande das Meerwasser solchergestalt verschlungen worden, daß die Galeeren und Schiffe im Hafen aufs Trockne zusitzen gekommen, sondern auch dasjenige, was im Jahre 1698 geschehen, da nämlich das Meer zwölf Schritte weit zurück gewichen, hernach aus dem Berge ein grosser Strom von Harz und andern Materien sich ergossen, und ferner als die See zu ihrer vorigen Höhe wieder gelanget und der Brand vorbey gewesen, am Ufer der See, das nahe am Berge gelegen ist, vielerley Muscheln und andere marina verbrannt und nach Schwefel riechend gefunden worden. Ja Parrino und Boccone bezeugen, daß etlichemal bey starken Entzündungen des Vesuvius auch heißes Seewasser mit Fischen, Muscheln und Schalen oder Hülsen von allerley Seefrüchten ausgegossen worden.

Es fehlet indessen dem Berge auch nicht an süßen und gesunden Wassern oder Quellen, deren einige in kostbaren Wasserleitungen nach Neapolis zu großem Vortheil der Stadt geführet werden. Rand links: Süßes Wasser des Berges. Es haben solche Brunnen keine Wärme bey sich, wie denn auch aus etlichen Ritzen oder Oeffnungen des Berges ein ganz kalter Wind herausbricht.[758]

Ich füge hier noch bey, daß ohngeachtet des neuen Hügels, so sich auf der obersten Höhe des Vesuvius über seinem verstopften alten Mundloche und daraus erwachsenen Gewölbe angesetzet, dennoch dieser Berg nicht mehr so hoch ist, als er ehemals gewesen. Rand rechts: Abnahme seiner Höhe. Eine gleiche Veränderung hat sich mit dem Aetna in Sicilien zugetragen, dessen Gipfel man vor sechszig Jahren von Furnari und andern dabey gelegenen Orten absehen konnte, anstatt, daß solches anitzt nicht mehr angeht.

Das Clima der Stadt Neapolis und des untern Theils dieses Königreichs ist also beschaffen, daß man wenig vom Winter spüret. Rand rechts: Temperirte Luft. Gartengewächse sind durchs ganze Jahr zu haben. In der Ebene friert es selten Eis; in den letzt verwichenen fünf Jahren ist nur zweymal Schnee gefallen, und zerschmelzt solcher gleich wieder. Im Gebirge sammelt man denselben, um sich dessen im Sommer anstatt des Eises zur Kühlung des Getränkes zu bedienen, und wird von solchen Gegenden auch die Stadt Neapolis versorget13. Die starke Sommerhitze wird alle Abende durch kühle Lüfte gemäßiget, und alsdann erquicket man sich mit spazieren gehen und fahren, anstatt daß man des Tages über in Häusern und im Schatten bleiben muß. Um von der Fruchtbarkeit und dem Reichthume des Landes ein Urtheil fällen zu können, hat man nur zu erwägen, wie viele Jahre dasselbe schon von auswärtigen Machten regieret werde, da es unmöglich anders seyn kann, als daß durch die Contributionen, Truppen, Kriege und ausländische Bedienten nicht vieles Geld aus dem Lande sollte gezogen worden seyn. Rand rechts: Fruchtbarkeit des Landes. Man rechne jährlich so wenig als nur mit einiger Wahrscheinlichkeit geschehen kann, und bedenke dabey, daß solches beynahe schon drittehalb Jahrhunderte anhält: so wird man sich wundern über die große Summe, so heraus kömmt. Indessen steht dieses Land doch noch besser, als viele andere italienische Staaten, und könnte noch besser genutzet werden, als wirklich geschieht. Die Generalpachtung des Tobacks allein kömmt jährlich auf fünf und zwanzig bis dreyßigtausend Ducaten.

Bey aller obgemeldten Fruchtbarkeit und andern natürlichen Vortheilen, womit das Königreich Neapolis gesegnet ist, fehlet es ihm doch auch nicht an wichtigen Beschwerlichkeiten.

Außer dem vielfältigen Schaden, den der Vesuvius seiner Nachbarschaft verursachet, leidet das Land viele Noth von Erdbeben, absonderlich in dem untern Theile des Reiches, und sieht man allenthalben mit Erstaunen die traurigen Ueberreste vieler ehemals berühmten Städte, von welchen anitzt kaum der Namen übrig ist14. Rand rechts: Erdbeben.

Eine andere Ungelegenheit, welche aber dieses Land mit andern italienischen Gegenden gemein hat, verursachet die Menge der Eydexen, davon eine grüne Art in großer Menge allenthalben anzutreffen ist. Rand rechts: Eydexen. Im Frühlinge findet man dieselben hundertweise auf den platten Dächern liegen, um sich daselbst an der Sonne zu wärmen. Sie kriechen die Mauern auf und ab, daher kein Zimmer, dessen Fenster oder Thüren offen stehen, vor ihnen sicher ist.[759] Es ist mir selbst wiederfahren, daß als ich in dem dritten Stockwerke eines steinernen Hauses einstmals meine durch Regen naß gewordene Handschuhe an das Fenster und in die Sonne gelegt hatte, wenige Minuten hernach ein solcher Gast schon in den einen gekrochen war, welchen ich nicht eher vermerkte, als bis ich die Hand in den Handschuh gesteckt hatte. Itztgedachte grüne Art Eydexen läuft sehr geschwinde, hat eine schöne glänzende Farbe, lebhafte Augen, und thut keinen Schaden15. Um Fondi, Capua und Gaeta aber findet sich eine andere böse Art, so vom gemeinen Volke mit Unrecht Tarantula genennet wird, und deren Biß gefährlich ist. Sie sind grau, größer als die andern, und wenn ihnen der Schwanz abgeschlagen, gleichen sie vollkommen einer Kröte.

Eine größere Plage sind die Scorpionen, welche sich nicht nur in den alten Mauerwerken und unter großen Steinen, sondern auch in bewohnten Häusern aufhalten. Rand links: Scorpionen. An etlichen Orten verfertiget man die Bettstollen von polirtem Eisen, und rücket sie ein wenig von der Wand ab, damit dieses Ungeziefer nicht in die Betten komme. Sie beschädigen nicht, als wenn sie beleidiget oder gedrückt werden; welches aber leichtlich und unwissend geschehen kann, wenn man sich nur im Bette umwendet, oder die Hand von einem Orte auf den andern leget. Das sicherste Mittel wider ihren Stich ist, daß man alsbald den Scorpion der den Schaden verursachet hat, zerquetsche und ihn auf den verwundeten Ort lege. In Ermangelung dessen schmiert man den Stich mit Olivenöle, worinnen andere Scorpionen getödtet worden und aufbehalten werden, leget warme Tücher auf, und nimmt etliche mal, um den Schweiß zu befördern, Theriak in starkem Weine ein. Gemeldtes Oel wird nach BOCCONIS Berichte (Observ. Phys. XVIII) auch wider den Stich der Spinne Solifugæ mit Nutzen gebraucht. In dem obern Theile Italiens sind die Scorpionen so gefährlich nicht, als sie werden, je mehr ihr Aufenthalt sich dem Æquatori nahet, und das Clima heißer wird. Rand links: Wo sie am gefährlichsten sind. In der Insel Malta, wie auch in Africa sind sie am allerschlimmsten. Gleiche Bewandniß wegen des zunehmenden Giftes hat es mit den Vipern. In den Apotheken werden viele Scorpionen zu Oel und Salz verbraucht. Wenn man sie fangen will, geht man in alte Mauern oder andere steinigte Orte, woselbst man sie häufig unter den Steinen antrifft. Man fasset sie mit einer kleinen Zange, und läßt sie in eine gläserne Flasche mit einem engen Halse fallen, woraus sie wegen Glätte der Seiten nicht kommen können.

Ich hatte in den Schriften eines neuern Naturkündigers gelesen, daß ein Scorpion, wenn er rings um mit glüenden Kohlen oder Feuer umgeben sey, welches ihm nach und nach näher käme, also daß er vermerkte, wie er nicht entkommen könne, endlich den Entschluß fasse, sich in die Mitte des Zirkels zu setzen und den Kopf mit seinem eigenen Stachel zu durch stechen. Rand links: Ob sie sich in Feuersnoth selbst hinrichten. Ich kann aber auch nicht leugnen, daß mir diese Anmerkung sehr bedenklich und unglaublich vorgekommen, weil sie dem Selbstmorde einigermaßen das Wort zu reden schien; und daher nahm ich in Neapolis Gelegenheit, wiederholte Proben desfalls anzustellen, deren keine einzige aber die Wahrheit der obgedachten Anmerkung bestätigte. Etliche Scorpionen, anstatt daß sie erst in der Runde hätten visitiren sollen, ob ihnen kein Platz zur Flucht offen stünde, liefen unbedachtsam in das Feuer und verbrannten gleich; andere krochen, sobald sie beschädigt worden, zurück, und bekamen verschiedene Zückungen oderConvulsiones, deren keine aber mit der Eindrückung des Stachels in seinen eigenen Kopf eine Gemeinschaft hatte; noch andere blieben ganz still sitzen, und ließen sich bey der Annäherung des Feuers ohne Ceremonien[760] verbrennen. Eben so unwahr ist es, wenn vorgegeben wird, als bringe sich der Scorpion mit seinen eigenen Waffen um, wenn er ins Oel geworfen wird. Denn er lebt öfters vier und zwanzig Stunden darinnen, und stirbt endlich ohne den geringsten Schein eines Selbstmordes.

Eine von den besondersten Plagen des Königreichs Neapolis ist die Tarantula, so vornehmlich in dessen unterstem Theile angetroffen wird, und von der darinnen gelegenen Stadt Tarento, in deren Gegend die größten und giftigsten sind, den Namen bekommen hat. Rand rechts: Tarantula Plinius und andere alte Scribenten nennen sie Phalangium und Phalangem. Die Personen, welche von einer solchen Spinne gebissen worden, heißen insgemein in diesen Landen Tarantolati, und ihre wunderliche Aufführung mit Schreyen, Seufzen, Lachen, Tanzen etc. ist bekannt genug. Die wenigsten können die schwarze oder blaue Farbe leiden; die meisten lieben das rothe und grüne. Sie haben auch einen Abscheu in Essenvor Kräuter und Früchte. Weil sie fast gar nichts sprechen, so kann man oftmals nur aus ihrem melancholischen Stillschweigen und starren Augen urtheilen, daß ihnen dieses Unglück wiederfahren; und alsdann sucht man sie durch die Musik in Bewegung und Schweiß zu bringen. Es lieben aber nicht alle Patienten einerley Melodie, noch einerley musikalische Instrumente, und muß man es auf verschiedene Arten mit ihnen probiren. Insgemein bedienet man sich der Chitarre, Hautbois, Trompete, Violin und sicilianischen Pauken; die zwo Hauptmelodien, so auf verschiedene Arten verändert werden, heißen la Pastorale und la Tarantella. In etlichen hitzigen Gegenden sonderlich Apuliens sind auch die Scorpionen so schlimm, daß ihr Stich eben diejenigen Wirkungen, die von dem Bisse der Tarantula kommen, zuwege bringt. Solche Kranken lieben zwar auch die itztgenannten zwo Melodien; allein solche müssen auf ganz andern Instrumenten, nämlich auf der Sackpfeife, Flöte, und dergleichen gespielet, auch eine Trummel stark dabey gerühret werden. Das Landvolk weis mit allen diesen umzugehen, und machet bey der Musik allerley Grimaçen und Bewegungen, um den Patienten desto mehr aufzumuntern. Die Tarantolati tanzen bey solcher Cur so lange als etwas von dem schädlichen Gifte in ihrem Leibe ist. Dieses währet bisweilen fünf bis sieben Tage lang. Man läßt sie aber nicht beständig fort springen, weil sie sonst ihre Kräfte gänzlich verlieren würden; sondern wenn sie sich etliche Stunden genugsam beweget haben, bringt man sie zu Bette, decket sie wohl zu, und giebt ihnen solche Arzeneyen ein, welche die Schweißlöcher eröffnen und das Herz stärken. Die Patienten, so wieder zurecht gebracht worden sind, erinnern sich nichts von allem demjenigen, das inzwischen mit ihnen vorgegangen. Wenn das Uebel nicht aus dem Grunde gehoben worden, stellet es sich in folgendem Jahre, und sonderlich vom Anfange des Junius bis in den October, wenn nämlich die stärkste Hitze ist, wieder ein. Manchem hängen dergleichen Zufälle zwanzig, dreyßig und mehrere Jahre, ja bis an sein Ende an, und etliche stürzen sich wohl gar aus Melancholie ins Wasser. Wenn man die Tarantula gleich nach geschehenem Bisse tödtet, so ist das Uebel leicht im ersten Jahre durch den Tanz zu heben, ja wenn man alsbald und ehe eine Fermentation vor gegangen, Theriak und in dessen Ermangelung Mithridat, Orvietan, oder gestoßenen Knoblauch auf die scarisicirte Wunde bindet, hat es gar keine Gefahr. Läßt man aber diese zwey Mittel außer Acht, so ist man ohngeachtet der gebrauchten Arzneymittel oftmals viele Jahre lang den ordentlichen Beschwerlichkeiten dieser Krankheit, nämlich einer Melancholie, Mattigkeit, Mangel des Appetits und Schwäche des Magens unterworfen. Braucht der Patient gar nichts, so stirbt er in wenig Tagen. Etliche geben vor, es gelange kein einziger Tarantolato vollkommen wieder zu seiner vorigen Gesundheit, so lange die Spinne, welche[761] ihn gebissen, lebet; allein dieses ist noch nicht ausgemacht, und wird von andern widersprochen. Wegen der langen Röcke ist das Weibsvolk mehr als die Mannspersonen der Gefahr unterworfen, solches Ungeziefer an sich zu bekommen und von ihnen beschädigt zu werden. Der Biß der Tarantula sieht nicht anders aus als der Stich einer Wespe, der gleichfalls eine kleine rothe Geschwulst verursachet. Man zählet über acht Arten solcher Spinnen, die an Farbe, Größe und Gestalt unterschieden sind, darinnen aber übereinkommen, daß sie alle beißen. In den Hundstagen und der ärgsten Sommerhitze ist der Biß der Tarantuln, sonderlich derjenigen, die sich in der Ebene aufhalten, am gefährlichsten, und scheint es fast, daß die Hitze der Sonne diese Thiere selbst gleichsam rasend mache. Denn diejenigen Tarantuln, so im Florentinischen angetroffen werden, verursachen dergleichen unglückliche Zufälle nicht, und wenn man auch die apulischen bösen Spinnen aus ihrem Vaterlande nach dem obern Theile des Königreichs Neapolis oder nach Rom bringt, schaden sie nicht, wenn sie gleich beißen16.

In der Insel Corsica giebt es weder Wölfe noch Vipern, hingegen sind die Tarantuln und Scorpionen sehr giftig17.

Die Tarantuln halten sich in den Löchern der Erde und Mauern, wie auch in holen Bäumen auf, und spinnen ein starkes Gewebe. Ihr Gift kömmt aus zweyen Bläßchen, die in ihrem Zahnfleische bey zween großen Zähnen (so sie nebst etlichen kleinern haben) liegen; und hat es also mit ihrer Beschädigung eben die Bewandniß, als mit dem Schlangenbisse.

Ein sonderbares Exempel der Sympathie oder Antipathie gegen die Musik erzählen die im Jahre 1670 zu Leipzig herausgekommenen Miscellanea Curiosa Medico-Physica Academiæ Naturæ curiosorum an einem Manne, welcher, so oft er eine Leyer hörte, alsbald s. v. den Urin lassen mußte, und denselben unmöglich halten konnte18. Rand links: Sonderbare Wirkung der Musik.

Unter die größten Uebel und schlimmsten Creaturen dieses schönen Landes rechnen etliche überhaupt ihre Einwohner, deren Naturell als verrätherisch, mistrauisch, grausam und unbeständig abgemalet wird. Rand links: Böse Einwohner. Allein es ist schwer und hart, von ganzen Völkern ein Urtheil zu sprechen; wiewohl nicht zu leugnen steht, daß die neapolitanische Historie fast vor andern viele und große Beweisthümer von der äußersten Bosheit des menschlichen Geschlechts an die Hand gebe. Die berüchtigte Giftmacherinn Tophana, von welcher aqua Tophania den Namen bekommen, sitzt noch im Gefängnisse, und wird daselbst von vielen Fremden aus Neugierigkeit besuchet. Rand links: Giftmischerey. Rand links: Acquetta. Sie ist ein kleines altes Weibchen, das sich in eine geistliche Freystäte retiriret, daher man ihr nicht ans Leben kommen können oder es nicht gewollt hat; ob sie gleich viele hundert Leute aus dem Wege geräumet, und insbesondere den Eheweibern, die unangenehme Männer hatten, die Tropfen umsonst und als ein Almosen gegeben. Vier bis sechs Tropfen sind genug, um einen Menschen hinzurichten, und behaupten einige, daß man die Dosin auf gewisse Zeiten, wenn sie erst ihre Wirkung thun sollen, einrichten könne. Man machet dieses Wasser noch heimlich in Neapolis unter dem Namen von Acquetta di Napoli, und wurde vor etlichen Jahren ein ganzes Fäßchen voll nach – – – verschrieben.[762] Nachdem man einigermaßen ein Gegengift in dem Limonensafte gefunden, so ist die Reputation dieses Wassers ein wenig in Abnahme gerathen. Der Medicus Paulus Branchaletti hat ein eigen Buch von Hülfsmitteln wider diese schändlichen und teufelischen Tropfen geschrieben; allein alles, was man bisher dagegen erfunden, setzet zum voraus, daß man dieselbe erst kürzlich zu sich genommen, oder Gelegenheit habe, sich noch davor in verdächtigen Gelegenheiten zu hüten und die angedrohete Gefahr zu entdecken.

Die wollüstige Lebensart ist schon in alten Zeiten an den Einwohnern dieses Landes bemerket worden. Capua und Atella sind desfalls berühmt genug, und Ovidius nennt die Stadt Neapolis: Rand rechts: Wollust.


– – in otia natam

Parthenopen– –


Was die itzigen Zeiten anlangt, so muß man gestehen, daß die Freyheit und freche Lebensart der lüderlichen Weibspersonen in dieser Hauptstadt auf den höchsten Grad gestiegen, und die Stadt hierinnen alle andere übertreffe. Rand rechts: Curtisanen in der Stadt Neapolis. Es wohnen in einer einzigen Gegend über zweytausend Curtisanen beysammen, und schämen sich geistliche Personen nicht, in diesen Gassen sich gleichfalls einzuquartieren. In allen rechnet man allhier über achtzehntausend solcher Donne libere. Die Jugend wird dadurch gänzlich verdorben, und die Geistlichkeit selbst kann wenig im Zaume gehalten werden, weil die weltliche Obrigkeit nichts über sie zu befehlen hat, und die Clerisey, aus Respect vor das Amt oder den heiligen Stand, einander durch die Finger sieht, ja es wohl übel nimmt, wenn man ihnen ihren freyen Willen nicht lassen will. Rand rechts: Ihre Anzahl. Lüderliches Leben vieler Geistlichen. Der Auditor des päbstlichen Nuntius wurde einsmals in einem schändlichen Hause und in böser Aufführung erwischet. Die Richter, vor welche ihn die Wache brachte, erwogen alsbald, daß er unter ihre Jurisdiction nicht gehöre, und ließen ihn ohne die geringste Strafe los. Damit war es aber dem arrestirt gewesenen nicht genug, sondern er foderte noch öffentliche Satisfaction wegen der Beleidigung, welche ihm die Häscher angethan hätten. Der päbstliche Nuntius und andere Geistliche nahmen seine Partey, und der Vice-Roy getrauete sich nicht, sie in dieser Sache vor den Kopf zu stoßen. Um aber doch einigermaßen allen diesen Herren wiederum einen Possen zu spielen, so ließ er zwar die Häscher mit einer Beschimpfung durch die Stadt führen, es war aber auf der Tafel, welche sie gewöhnlicher Weise auf der Brust tragen mußten, um die Verbrechen der Missethäter anzudeuten, geschrieben, daß solche Strafe ihnen angethan würde, weil sie sich unterstanden, den Auditor des päbstlichen Nuntius in seinen Plaisirs zu verunruhigen.

Die Früchte der unreinen Wollust werden von den Deutschen und Spaniern die französische, von den Franzosen aber die spanische oder neapolitanische Krankheit genennt. Rand rechts: Venerische Krankheiten. Verschiedene Plagen, so mit denen Symptomatibus derLuis Venereæ eine Gleichheit haben, waren zwar bey den Alten unter den Classen des Aussatzes bekannt, und ist außer Zweifel, daß ein usus inordinatus Veneris inprimis cum fœmina corrupti sanguinis seine Strafe auch in diesem Puncte werde nach sich gezogen haben, wie man dahin denn die Zeugnisse SVETONII und TACITI vom Kaiser Tiberius gar wohl erklären kann; allein ein so giftiger und nicht[763] anders als mit Mercurio zu curirender Complexus vieler Symptomatum, welchen man heut zu Tage Franzosen nennet, ist in Europa vor der zu Ende des Jahres 1492 geschehenen Entdeckung der Insel Hispaniola, oder wie sie heut zu Tage von den Franzosen genennt wird St. Domingue, nicht bekannt gewesen, sondern erst von Castilianern daselbst aufgefangen und erbeutet worden. Die castilianischen Matelots und Soldaten brachten solches Uebel nach Spanien und Neapolis, aus welchem letzten Lande es sich hernach bey Gelegenheit des im Jahre 1595 dahin unternommenen Kriegszuges fast mit unglaublicher Geschwindigkeit ausgebreitet hat. Schon in eben diesem Jahre äußerte sich itztgedachte Seuche auch im Königreiche Dännemark, und starb eine Menge Menschen daran, weil man derselben weder vorzubauen noch sie zu curiren wußte.

Das gemeine Volk auf dem Lande ist sehr faul, und scheuet weder das Betteln noch Bosheiten, um nur der Arbeit überhoben zu seyn. Rand links: Faulheit des Landvolks. In der Stadt Neapolis aber sind die Leute fleißiger und blühen viele Manufacturen. Man saget insgemein, wenn ein Vice-Roy das hiesige Volk im Zaüme und Ruhe behalten wolle, müsse er besorgt seyn, daß es an drey Dingen, so mit dem BuchstabenF anfangen, niemals mangele. Diese sind Feste, Farine, Forche, weil das gemeine Volk immer öffentliche Lustbarkeiten und Gepränge nebst der Wohlfeile des Mehls und Brodtes verlanget, dabey aber auch scharf gehalten seyn muß, und daher öftere Todesurtheile an den Missethätern zu vollziehen sind. Rand links: Drey F welche ein Vice-Roy zu beobachten hat. Unter die öffentlichen Lustbarkeiten gehöret der Aufzug, welcher in den vier letzten Sonntagen vor der Fasten mit vier Triumphwägen gemacht wird, und deren der erste mit Brodt, der andere mit Fleisch, der dritte mit Kräuterwerk und der vierte mit Fischen versehen ist. Sie sind beynahe haushoch, haben Musikanten auf sich, und werden von gewaffneten Handwerksleuten so lange bewachet, bis sie Preis gegeben werden. Noch einen größern Zulauf hat ein Castell Cocagna oder Cucagna genannt, weil es gleichsam zusammen gesetzt und überzogen ist mit Ochsenviertheln, Schinken, Speck, Gänsen, wälschen Hahnen und andern Eßwaaren, womit das Schlaraffenland oder Cocagna angefüllet zu seyn beschrieben wird. Rand links: CastellCocagna. Dieses ganze Werk ist nach der Baukunst eingerichtet, wird jährlich einmal aufgeführt, hat auf beyden Seiten Fontainen, woraus den ganzen Tag Wein springt, und wird durch Soldaten bewacht, bis derVice-Roy sich auf dem Balcon sehen läßt, denn dieses ist die Losung oder das Zeichen, daß dem Volke die Erlaubniß gegeben wird, sich des Castells mit stürmender Hand zu bemeistern. Bey obgemeldten dreyen F erinnere ich mich der vier F, welche man nebst andern schädlichen Dingen in Rom vermeiden soll, wenn man seine Gesundheit erhalten will:


Pelle Famem & Frigus; Fructusque19 Femurque relinque. Rand links: Vier F die in Rom zu vermeiden.


Der königl. großbrittannische und Churbraunschweig-Lüneburgische Gesandte in Wien, Herr von Huldenberg, erzählte mir bey Gelegenheit solcher Wort- oder Buchstabenspiele, daß der Kaiser Leopold einsmals mit dem Kriegspräsidenten, Grafen von Mansfeld, in der Favorita an einem Fenster gestanden, um sich mit ihm wegen einer und anderer Aenderung, die an gedachtem Gebäude vorgenommen werden sollten, zu bereden. Rand links: Vier F vor deren Nachbarschaft man sich im Bauenzu hüten hat. Weil nun Leopold der erste oftmals sich bey Dingen, welche den Schein von gelehrten oder sinnreichen Gedanken[764] hatten, aufhalten konnte; so geschah es auch diesesmal, daß er den Grafen fragte: ob er die drey F wisse, welche mit Sorgfalt zu vermeiden wären, wenn man gut bauen wolle? Dem Grafen waren diese drey Stücke entweder wirklich unbekannt, oder die Hofklugheit nachte, daß er sich unwissend anstellte, damit der Kaiser Gelegenheit haben möchte, ihm als etwas neues zu sagen, wie die drey gemeldten F auf Fiume, Fortezze und Frati zieleten; die Nachbarschaft eines Flusses überschwemme öfters die Gegenden oder nehme etwas vom Lande hinweg; bey einer Festung müsse man öfters nach des Commendanten Willen bauen, ändern und im Falle der Noth wohl gänzlich abbrechen oder verbrennen lassen; die Nahe eines Klosters ziehe nur viele Betteleyen nach sich.

Nachdem der Kaiser seine Erklärung geendiget, ließ sich der Kriegspräsident merken, er wisse wohl noch ein F, vor dessen Nachbarschaft man sich im Bauen zu hüten habe. Der Kaiser wollte dieses vierte Uebel wissen; und als Mansfeld vorschützte, Se. Kaiserl. Majestät möchten seine Freyheit ungnädig nehmen, wurde Leopolds Begierde nur desto mehr entzündet, bis endlich, als dem Grafen alle Versicherung, daß keine Ungnade zu befürchten, gegeben worden, Mansfeld gleichsam wider Willen mit der Antwort hervor rückte: es deute das vierte F auf den Namen Favorita. Der Kaiser verstund alsbald, wo der Graf hinaus wollte, und versicherte ihn, daß er desfalls den Feinden des Grafen kein Gehör geben wollte. Es hatten nämlich etliche gegen den Grafen von Mansfeld übelgesinnte bey dem Kaiser angebracht: es sey der nicht weit von der Favorita angelegte Pallast des Grafen von Mansfeld oder Fürsten von Fondi, viel zu kostbar und prächtig, als daß man ihn daselbst könne stehen lassen, weil der kaiserliche Pallast gar zu schlecht dagegen aussehe, und sey nichts anders zu thun, als daß man das mansfeldische Gebäude wieder abbreche. Dieses hatte der Graf wieder erfahren, und allhier eine gute Gelegenheit ergriffen, sich von dieser Verfolgung seiner Neider zu entledigen.

Ich gehe aber wieder zurück auf die Gemüthsneigung der Neapolitaner, deren Adel gewohnt ist, etliche Jahre mit vieler Sparsamkeit auf dem Lande zu leben, damit sie hernach nur eine Zeitlang desto größere Figur in der Stadt machen können. Rand rechts: Lebensart des neapolitanischen Adels. Aus dieser Ursache halten sie selten die Mittelstraße, und kommen auch in Ansehung ihres Vermögens überhaupt nicht sehr empor. Ihre Menge ist so groß, daß man in dem Königreiche hundert und neunzehn Prinzen, hundert und sechs und funfzig Ducs, hundert und drey und siebenzig Marquis, zwey und vierzig Grafen, und vierhundert und fünf und vierzig Barons als Vasallen zählet. Rand rechts: Menge des titulirten Adels. Der Grund und Boden, wovon mancher sich einen Marquis schreibt, trägt oftmals kaum funfzig Thaler jährlicher Einkünfte. LANSIVSConsultat. contra Ital. p. 767 erzählet, daß man einsmals im Neapolitanischen auf einem einzigen Feigenbaume dreyßig Marchesen gefunden habe, die sich daselbst des Hungers zu erwehren gesuchet. Allein dieses heißt die Satrie zu weit treiben.

Die Anzahl der Truppen, welche anitzt im ganzen Königreiche vertheilt liegen, beläuft sich auf vierzehntausend Mann, und würde bey weitem nicht zureichen, diese Nation, im Fall sich ein Feind in der Nähe zeigte, im Zaume zu halten. Rand rechts: Anzahl der Truppen. Die Vice-Roys haben monatlich[765] achtzehntausend Scudi ordentlicher Einkünfte und führen einen großen Staat, welcher regulirt und auf beständige Einkünfte angewiesen ist. Rand links: Einkünfte des Vice-Roy. Aus dieser Ursache kann an die Leibwache, Kapelle, Musik, Komödianten und dergleichen nichts abgezogen oder ersparet werden, sondern es bleibt gemeiniglich, wie es einmal eingeführet ist. Insgemein regiert ein Vice-Roy nur drey Jahre, er kann aber nach Verfließung solcher Zeit auf neue drey Jahre bestätiget werden20.

Man rühmet noch sehr die Regierung des römischen Principe Borghese, welchen der Graf von Gallas zu gewinnen und auf die kaiserliche Partey zu bringen gewußt hatte. Rand links: Nachricht vom Principe Borghese. Die Absicht des kaiserlichen Hofes war anfänglich nicht, ihn lange Zeit in der Vice-Royauté zu lassen, weil man den Kardinal von Althan nach der Endigung des Conclavs im Jahre 1721 zu dieser Würde zu erheben bedacht war. Zu solchem Ende war auch der Kardinal von Schrottenbach unter dem Vorwande des Conclavs von diesem Posten weggezogen, und Borghese nur ad interim an dessen Stelle geschickt worden, von welchem seine Beförderer glaubten, daß er in allen nach dem Willen der spanischen Partey zu Wien handeln und sich gänzlich nach ihren Gefallen regieren lassen würde, weil er keine sonderbare Kenntniß des neapolitanischen Staats und keine Stütze im Lande hätte. Allein diejenigen, so diese Gedanken von ihm hegeten, fanden sich gar bald in ihrer Rechnung betrogen. Borghese hatte bey hundert und sechszigtausend Thaler Einkünfte von seinen eigenen Gütern, Verstand, Beständigkeit und Arbeitsamkeit; dabey sah er nicht auf Geld und Eigennutz, sondern lediglich auf Ruhm und Ehre. Die Creaturen des E. v. V. hatten die allerärgste Ungerechtigkeit begangen, und diesen gieng er vornehmlich zu Leibe, ohne eines kaiserlichen Ministers Misvergnügen zu befürchten. Die Banditen, welche unter dem Grafen von Daun vertrieben worden, und unter der Regierung des Kardinals von Schrottenbach sich wieder im Lande eingefunden hatten, hielten fürs rathsamste, sich eilig wieder aus dem Staube zu machen.

Der itzige Vice-Roy, Graf von Harrach, ist ein kluger und beym Volke beliebter Mann, so viel nämlich die Gemüthsneigungen eines Volkes, das die Oberherrschaft eines auswärtigen Monarchen allezeit mit ungeduldigen Augen ansieht, es zuläßt. Rand links: Vom Grafen von Harrach. Er hat das besondere Glück gehabt, daß beym Antritt der Vice-Royauté sein eigener Sohn als Ambassadeur extraordinaire des Malteserordens an ihn geschicket worden, um ihm Glück zu wünschen. Rand links: Sein besonderes Glück. Seine Hofhaltung fällt sehr in die Augen, und weil er ein großer Liebhaber der Reuterey ist, so befindet sich insbesondere sein Marstall in gutem Stande. Rand links: Marstall. Währenden meines Aufenthalts allhier wurde derselbe mit acht bis zehn schönen Pferden aus der Barbarey vermehret, deren Genealogien von väterlicher und mütterlicher Seite so genau aufgezeichnet waren, als wenn sie nöthig gehabt hätten, ihren alten Adel zu beweisen. Rand links: Genealogien der Pferde. Diese Gewohnheit ist bey allen guten Pferdezuchten in der Barbarey eingeführet, um destomehr von der edlen Art und Tüchtigkeit der Pferde versichert zu seyn. In England fängt man gleichfalls an, dieser Manier, welche auch den Alten nicht unbekannt war, zu folgen. Rand links: Auch bey den alten Römern.


– – Romulei qualis per jugera Circi

Cum pulcher visu, titulis generosus avitis

Exspectatur equus, cujus destemmate longe

Felix emeritos habet admissura parentes,
[766]

schreibt STATIVSin Silvis. Coritha und Hirpinus waren insbesondere zwey so berühmte Pferde, daß ihre Nachkommen allen andern vorgezogen wurden, und


– – – Corithæ posteristas et Hirpini


auch beym IVVENALI gerühmet wird. LIPSIVS bezeuget Epist. XXVI, Centuriæ ad Italos & Hispanos, daß er zu Rom in der Mitte eines alten Denkmaals einen Mann bemerket, welcher in der rechten Hand einen Stab, in der linken etwas Futter, und auf den Seiten zwey springende Pferde gehabt. Zur Rechten des Mannes habe sich ferner folgende Schrift gefunden:


Aquilo. N. Aqui

lonis. vicit. CXXX

Secund. tulit

LXXXVIII.

Ter

Tul.

XXX

VII.


und zur linken Seite habe man gelesen:


Hirpinus. N. Aqui

lonis. vicit. CXIIII.

Secundas tulit

LVI. Tert. tul.

XXXVI.


Woraus zuschließen, daß obgedachter Hirpinus, dessen auch MARTIALIS gedenket21, ein Enkel eines andern berühmten Rosses, welches den Namen Aquilo geführt, gewesen. N. bedeutet Nepotem, und hatte, nach dem Inhalte der Inscription, Hirpinus im Wettlaufen hundert und vierzehn mal den ersten Preis, sechs und funfzig mal den andern, und sechs und dreyßig mal den dritten Gewinnst erhalten. Das andere Pferd, dessen hier unter dem Namen Aquilonis gedacht wird, und welches gleichfallsAquilonem zum Großvater gehabt, war hundert und dreyßig mal der vornehmste Ueberwinder gewesen, hatte acht und achtzig mal den zweyten Preis davon getragen, und zwey und dreyßig mal als der dritte in Ansehung der Geschwindigkeit obgesieget. Die Zeichnung dieses Monuments giebt BOISSARDVS, und liest man an der untern Hälfte des Steines die Grabschrift:


D. M.

Claudia Helice

Fec. L. Avi. LL. Dionysio

Cond. Gr Russatae

Conjugi digniss.


Der Mann, welcher in der obern schon angeführten Hälfte eine Schale oder Schüssel hält, aus welcher die zwey Pferde ihr Futter fressen wollen, ist ohne Zweifel Lucii Aviti Li[767] bertus Lucius Dionysius, Conditor oder Gubernator (wie aus GRVTEROpag. CCCXXXVIII erhellet) Gregis Russatæ. welche sonst auch Factio Rosea, Russea oder Russata genennt wird. Es ist bekannt, wie die Römer bey ihren Wettrennen im Circo vier Hauptparteyen oder Farben hatten, in welche diejenigen, so die Pferde oder den Wagen regierten, nach ihrer Kleidung vertheilet waren; fanden sich demnach eine factio alba, einerubea oder russea, eine prassina oder grüne, und eine veneta oder blaue (cærulea), welche die vier Jahreszeiten oder vielmehr die vier Elemente vorstellen sollten22.

Bey denen Pferden, welche obgedachtermaßen aus der Barbarey für den Grafen von Harrach gekommen waren, befand sich auch ein ägyptisches, welches an statt des Zaumes vermittelst eines durch die Nase gezogenen eisernen Ringes regieret wurde. Dergleichen Ringe bemerket man auch an den Büffeln, welche in dem Königreiche Neapolis häufig zur Arbeit gebrauchet werden. Rand links: Aegyptisches Perd mit einem Ringe durch die Nase.

Was die Münzen des Landes anlanget, so gelten anitzt die spanischen Pistolen und alten französischen Louisd'or in Neapolis fünf und vierzig Carolini. Rand links: Gangbare Münzen. Das päbstliche Geld hat gleichfalls seinen Lauf, und sind drey Paoli so viel als vier Carolini. Wenn man schlechterdings einen Ducaten nennt, so versteht man zehn Carolini darunter.

Fußnoten

1 Sonst kömmt der Safran auch aus Oesterreich und etlichen andern mittäglichen Provinzen Deutschlandes, desgleichen aus der Normandie, Languedoc, Provence und dem Fürstenthum Orange.


2 Von diesem Steine ist ein anderer Lapis Phrygius zu unterscheiden, der vieles mit der englischen Füllerde gemein hat, und vom PLINIOH. N. lib. XXXVI, c. 20 beschrieben wird.


3 Die Verpflanzung der Gewächse in fremde Gegenden bringt ihnen oftmals großen Vortheil. Der Canariensect hat seinen ersten Ursprung von den Rheinweinreben genommen. Eben die Rhein- und die burgundischen Reben haben die vortrefflichen Weine hervorgebracht, welche wir vom Capite Bonæ Spei bekommen. Die Pommes de Sina, welche anitzt vieles Geld nach Portugal ziehen. sind aus China nach Portugal versetzet worden, und führen daher auch Königreiche Neapolis, wo sie gleichfalls wohl gerathen. den Namen von Portugalese. Selbst die Thiere befinden sich bey dergleichen Veränderungen nicht übel. Die Wolle der andalusischen Schafe übertrifft on Güte und Feine alle andere, und die Art dieser Schafe kömmt doch aus England, woselbst die Wolle zwar besser ist, als in den übrigen Theilen Europens; der spanischen aber dennoch nicht beykömmt. Die Pferde, welche man aus Spanien nach Westindien gebracht, sind zwar an etlichen Orten ausgeartet, in Chili aber weit trefflicher worden, als sie in Spanien selbst sind. Die Historie zeiget weitläuftig, wie ein Volk von dem andern herkomme. Eine Beschreibung, wie die Thiere und Gewächse sich in ihren Colonien durch die Welt ausgebreitet haben, würde nicht weniger angenehm zu lesen seyn. Die Fasanen kommen von der Gegend des Flusses Phasis, der aus dem armenischen Gebirge entspringt und nach Mingrelien fließt; und sollen die Argonauten die ersten gewesen seyn, so dieso Vögel nach Griechenland gebracht haben. Les poules rouges kommen aus Numidien, die so genannten wälschen Hühner aus Westindien, und weis ich nicht, warum man ihnen den Namen von calecutischen Hühnern beygelegt, da sie doch nach dem Berichte der Reisenden in Calicut rar sind, und erst aus Europadahin gebracht werden. Der erste wälsche Hahn, der aus Mexico kam und in Frankreich verzehret worden, wurde im Jahre 1570 beym Hochzeitmahle des König Karls des neunten zur Tafel getragen. Daß der Unterschied der Luft bey dergleichen Wechsel viele Veränderung hervor bringe, sieht man selbst an dem menschlichen Geschlechte. Die Mohren, ob sie gleich mit Leuten von ihrer Nation und Art gatten, arten den noch endlich aus und werden weiß. Hingegen ist die Colonie weißer Leute, welche von den Portugiesen auf der Westküste von Africa gelassen worden, ganz schwarz geworden, ob sie sich gleich noch immer mit ihrem ursprünglichen Namen der weißen Leute beehren. Sogar die Haare dieser Leute sollen nach Art der uralten Einwohner kurz und kraus, die Nase eingebogen und die Lippen dicke worden seyn. Die Milch der europäischen Weiber wird, wenn diese nach Batavia kommen, so gesalzen, daß die Kinder sie nicht nehmen wollen, und die Europäer gezwungen sind, ihre Kinder durch Negresses oder Mohrinnen säugen zulassen.


4 Wie man den Aetna heute zu Tage Monte Gibello nennet, und die Saracenen, als sie Herren von Sicilien waren, ihm den Namen Gebel, das ist Berg gegeben, Beyde Benennungen kommen mit dem deutschen Worte Gisbel oder Gipfel überein.


5 Die entsetzlichen Verwüstungen dieses Erdbebens haben zu folgenden Schriften Gelegenheit gegeben: Vincent. Alsar. CRVC. Vesuvius ardens, Rom. 1632, 4. Joh. Bapt. MV. SCVL. de incendio Vesuviano a. 1631, Nap. 1632, 4. Bernhard. GINNAR. histor. narrat. incendii Vesuviani, Nap. 1632, 8. Iul. Cas. RECVPIT. nuntius de incendio Vesuviano, Nap. 1632, 4. Salvat. VAR. historia incendii Vesuviani, Nap. 1634, 4. Denen AndreasRIVINVSde monte Campaniæ summo ejusque fatidico incendio, Lips. 1635, 4 beyzufügen ist.


6 Nach der Rechnung des BVRNETin Theoria sacra telluris. VIRGILIVS schreibt:


Vidimus undantem ruptis fornacibus Ætnam

Flammivomosque globos liquefactaque volvere saxa.


7 Dieser Stein behielt über Jahr und Tag seine Feuchtigkeit, ob man ihn gleich an die Sonnenhitze und andere Wärme legte. Er zerfrißt auch mit seinem sich wieder einstellenden grünen Safte das Papier, worinnen er eingewickelt ist, sobald er aufs neue in feuchte Orte kömmt. Man kann daraus muthmaßen, daß noch viele salzige und salpetrische Theilchen in ihm stecken müssen; gleichwie auch die andern Steine und der Sand des Vesuvius durch ihren salzigen Geschmack davon eine Gewißheit geben.


8 Hier sind die Worte des jüngern Plinius B. 6, Br. 16: Innixus servis duobus adsurrexit & statim concidit, ut ego conjecto, crassiore caligine spiritu obstructo, clausoque stomacho, qui illi natura invalidus & angustus & frequenter interæstuans erat. Vbi dies redditus, corpus inventum est integrum, illæsum opertumque, ut fuerat indutus: habitus corporis quiescenti quam defuncto similior. Tranquillus begleitet dieso Erzählung mit andern Umständen: Plinius Secundus Novocomensis, quum Misenensium classi præesset, & flagrante Vesuvio ad explorandas propius caussas Liburnicas prætendisset, neque adversantibus ventis remeare posset, vi pulveris ac favillæ oppressus est: vel ut quidam existimant, a servo suo occisus, quem deficiens æstu, ut necem sibi maturaret, oraverat.


9 Die zu unsern Zeiten entdeckten Ueberbleibsel des alten Heraklea haben den Fleiß der größesten Kenner des Alterthums seit einigen Jahren rege gemacht.Marchese DonMarcellodeVENVTI hat die gemachten Entdeckungen am richtigsten beschrieben, und sein Werk können die Deutschen nunmehr auch in ihrer Sprache lesen. Die Zeugnisse des Alterthums von Heraklea hat der um die schönen Wissenschaften rühmlichst verdiente Herr Conrector Münter zu Hannover in seinen beyfallswürdigen parergis historico criticis c. 1. Göttingen, 1749, 8. mit vielem Fleiß gesammlet.


10 Diese Gegend hat solche Veränderung durch die Wuth des Berges und der Erdbeben erlitten, daß man itzt nicht einmal sagen kann, wo eigentlich diese itztgenannten Städte ehemals gelegen gewesen. Mit Thaurania, Cora oder Thora und Stabia hat es gleiche Bewandniß. Was für Schaden Pompeji und Herkulana schon zu Zeiten des Seneca durch ein Erdbeben erlitten hatten, beschreibt dieser Philosoph weitläuftig im sechsten Buche seiner Quæstionum Naturalium, wie auch TACIT. Ann. lib. XV, c. 22: Und ist vermuthlich dahin und nicht auf des Vesuvius Verheerung zu ziehen, wenn DIO CASIVSlib. LXVI meldet, es sey das Volk dieser zwo Städte in den theatralischen Schauspielen gesessen, als sie so unglücklicher Weise verschüttet worden. Denn da die verwüstende Gewalt des Vesuvius nicht auf einmal und unvermuthet ausgebrochen, sondern nach und nach zugenommen, wie aus des jüngern Plinius Berichten erhellet; so ist ganz unglaublich, auch wider des Plinius Erzählung, daß man sich bis auf den letzten Augenblick mit öffentlichen Schauspielen sollte aufgehalten haben.


11 Von der Feuersbrunst des Vesuvius im Jahre 473,Indictione X, Marciano & Festo Coss. setzt Marcellinus Comes, daß ganz Europa mit leichter Asche bedecket worden: Vesuvius mons Campaniæ torridus intestinis ignibus æstuans exusta vomuit viscera, nocturnisque in die tenebris omnem Europæ faciem minuto contexit pulvere. Hujus metuendi memoriam cineris Byzantii annue celebrant VIII. Idus Novembris. Des zu Konstantinopel aus dieser Ursache angestellten Bethtages gedenkt auch PROCOPIVS, de Bello Goth. lib. II, c. 4; und die oben angeführte Inscription meldet, daß im Jahre 1631 die Asche bis über den Hellespont getrieben worden.


12 Dergleichen Gegenden noch in Italien zu Pozzuolo, Viterbo, Siena und in den Inseln Stromboli, Lipari, di Vulcano, Sicilien etc. anzutreffen sind.


13 In Sicilien ist das Clima so warm, daß man zu Anfange des Jenners den Schatten suchet. Man findet auch keine Kamine in dieser Insel. Im Monate März allein giebt es etliche Tage, da die Winde ein wenig frostig sind, und zu solcher Zeit ist ein kleines Kohlfeuer wider die Kälte hinlänglich genug. Den Gebrauch des Eises oder Schnees beym Getränke hat vermuthlich anfangs der gute Geschmack eingeführt: man will aber heute zu Tage auch eine Gesundheitsregel daraus machen und behaupten, daß in den warmen Ländern die Fieber nicht mehr so stark regieren, nachdem solche Gewohnheit aufgekommen. Insbesondere versichert Plempius in seinem Werke de valetudine Togatorum tuenda, daß seitdem der Gebrauch des Schnees zu Messma eingeführet worden, jährlich bey tausend Menschen daselbst weniger sterben. Daß man dergleichen Nutzen auch in Spanien verspüret habe, bezeuget Ludov. NONNIVS, de re cibaria, lib. IV, cap. 5.


14 Die Insel Sicilien, so vor alten Zeiten mit dem Königreiche Neapolis ein fußfestes Land ausgemacht, ist in diesem Stücke fast noch unglücklicher, und zählte man im Jenner 1693 neun und vierzig Städte und Landgüter, neun hundert und zwey und siebenzig Kirchen, Collegia und Klöster, die durch ein einziges Erdbeben ruiniret worden, und drey und neunzig tausend Menschen, so dabey ihr Leben verlohren hatten.


15 Man hat dergleichen auch auf der Insel Jersey, von wannen etliche Damen sie nach England bringen lassen, um damit zu spielen. Sie liegen alsdann in Waizenkleyen und werden mit Milch ernähret.


16 Conf, BOCCONE, Observ. Phys. XVII.


17 Eine von den corsicanischen Spinnen, so heißen, gleicht der apulischen Tarantul: eine andere verletzt mit ihrem Stiche. Der gütige Schöpfer der Welt hat gesorget, daß beyde nicht allzusehr überhand nehmen, indem er ihnen einen Feind an einer Art Wespen, die dergleichen Spinnen austilget, gemacht hat. BOCCONEObs. I.


18 Die Liebhaber der Tonkunst wissen sich dieser Anmerkungen glücklich zu bedienen, wenn sie uns die erstaunenden und recht übernatürlichen Wirkungen der Musik begreiflich machen wollen. Man lese Löschers und Schlichts Abhandlungen de admirandis musices effectibus und M. A. Pohle diss. de curatione morborum per cantus, Viteb. 1706, womit des Herrn Matthesons Mithridat wider den Gift einer wälschen Satire la musica genannt, Hamburg 1749,8. zu vergleichen ist.


19 Femur pro Venere aut copula carnali, in welchem Verstande auch die heil. Schrift dieses Wort nimmt, wie solches St. Hieronymus in der Erklärung des 44sten Psalms zeiget. 1 Mos. 49 heißt es: non deerit sceptrum de Juda, nec dux de femoribus. Exod. I: Erant igitur omnes animæ eorum, qui egressi erant de femore Jacob, septuaginta quinque. Jud. VIII:habuitque sepnaginta filios, qui egressi sunt de femore ejus. Ja etliche der Alten erklären sogar die Worte 1 Mos. 24: Ponc manum tuamSVPER FEMVR solchergestalt, daß sie so viel bedeuten alsPone manum tuam super genitale membrum. In obangeführten Gesundheitsregeln laßt man insgemein die Particulamque vor femur aus, wodurch aber derProsodiæ Gewalt angethan wird, indem die erste Sylbe des Wortes femur ohnstreitig kurz ist. Æneid. X, v. 344:


– – – magnique femur perstrinxit Achatæibid. v. 856:

– – – Simul hoc dicens, attollit in ægrum

Se femur, & – –


20 Unsre Leser wissen es, daß sich die äußere Regimentsverfassung in Neapolis seit zehn Jahren sehr verändert habe, seitdem ein Prinz aus dem Hause Bourbon den neapolitanischen und sicilianischen Thron bestiegen hat.


21 Hier sind die Worte des Dichters aus lib. III, ep.63:


Hirpini veteres qui bene novit avos.


Die übersichtigen Römer sahen nächst der Abstammung zugleich auf das Vaterland der Pferde. CLAVDIAN. in Rufin. lib. 2:


– – Delectus equorum

Quos Phrygiæ matres Argæaque gramina pasta

Semine Cappadocum sacris præsepibus arcent.


22 Wenn wir bis auf die ältesten Zeiten zurückgehen, so erwählten die Römer anfänglich nur zwo Farben. TERT VLLIAN. de spectac. c. 9: Talibus auctoribus quadrigæ productæ merito & aurigis coloribus idololatriam vestierunt, & ab initio duo soli fuerunt, albus & russeus: albus hiemi ob nives candidas, russeus æstati ob solis ruborem voti erant. Sed postea tam voluptate quam superstitione provecta, russeum alii Marti, alii album zephyris consecraverunt, prasinum vero terræ matri vel verno, venetum cœlo & mari vel autumno. Suetonius erzählet in dem Leben des Kaisers Domitianus c. 7, daß derselbe zu den gewöhnlichen Farben pannum purpureum hinzugefüget habe. Eben dieser Geschichtschreiber hat es als etwas merkwürdiges aufgezeichnet, wenn die römischen Kaiser dieser oder jener Partey vorzüglich zugethan gewesen. Von dem Vitellius saget er c. 14:Factioni Venetæ ita erat addictus, ut ei semper faveret. Und von dem Caligula c. 55: Ita addictus erat prafinæ factioni & deditus, ut cœnaret in stabuloadsiduo & maneret. Von dem großen Ansehen der Anführer dieser Parteyen zeugen einige hin und wieder gefundene Grabschriften. Hier ist eine Probe:


Factionis Venetæ Fusco sacravimus aram

De nostro certe studiosi ac bene amantes.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 768.
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