[768] Acht und funfzigstes Schreiben.

Anmerkungen über die Stadt Neapolis, und ihre vornehmsten weltlichen Gebäude.

Mein Herr!


Die Stadt Neapolis liegt unter einer Polhöhe von ein und vierzig Graden und zwanzig Minuten. Rand links: Polhöhe der Stadt. Ihre Mauern, so meistentheils aus einem harten und schwarzen Bruchstein, Piperno genannt, bestehen, haben neun italienische Meilen im Umfange; wenn man aber die Vorstädte dazu nimmt, kömmt ein Umkreis von achtzehn bis zwanzig Meilen heraus1. Rand links: Ihr Umkreis. Sie hat keine so prächtigen Palläste, als Rom und Genua, aufzuweisen, hingegen auch nicht viele gar schlechte Gebäude, welche in andern Städten öfters die schönsten Straßen verunzieren. Rand links: Gebäude. Die Dächer der Häuser sind platt und mit zierlichen Balustrades versehen. Das Pflaster der Stadt ist sehr gut, und besteht meistentheils aus breiten[768] Quadersteinen. Die Straßen sind weder mit einer Erhöhung in der Mitte noch mit abfließenden Rinnen versehen. Die schönste, breiteste und längste ist la Strada di Toledo, in welcher jedoch kein einziger prächtiger Pallast anzutreffen ist. Rand rechts: Straßen. Strada di Toledo. Sie hat in der Breite zwanzig bis drey und zwanzig gemeine Schritte, und funfzehnhundert in gerader Länge, nach welchen sie noch etliche hundert Schritte in einer kleinen Krümme fortläuft. Zur Zierde und Sicherheit würde nicht wenig dienen, wenn man die Nachtleuchten in den Straßen einführte. An der Meerseite, wo eine neue Straße durchgeführet worden, liest man folgendes Monument: Rand rechts: Monument wegen Verbesserung der Straßen.


Philippo IV. Rege Catholico

D. Innicus Velez de Guevara & Tassis

Comes de Onnatte & Villa Mediana

Pro-Rex.

Hanc aperuit viam

Qui felici Pacis & Concordiæ Triumpho

Justitiæ, Paci & publicæ quieti hujus regni

Viam aperun,

Perviam civili commodo ex invio angulo

Plateam hanc fecit,

Qui famis angustia laborantem populum

Mirabiliter refecit.

Præfecti sunt alii, ut gubernarent regnum,

Præfectus est hic, ut stabiliret regnum, quod gubernaret;

Nec mirum, quod occlusam gressibus expediret viam,

Plus est, quod civium animis

Pacis & prosperitatis viam

Aperuit, munivit, servavit

Sagaci industria,

Felici indulgentia,

Mirabili virtute.


Der Hafen der Stadt Neapolis ist geräumig, und zu mehrerer Sicherheit mit einem Molo, so bey fünfhundert Schritte lang ist, wie auch mit einem Fanal versehen. Rand rechts: Hafen. Der große Hafen, Porto della Cità ist von der Darsena vermittelst des Molo unterschieden. Diese ist hinter dem Castello Nuovo, und liegen gemeiniglich vier Galeeren darinnen, deren Ruderknechte und Besatzung jährlich in der Fasten beichten und das heil. Abendmahl empfangen müssen. Rand rechts: Jährliche Communion der Ruderknechte auf den Galeeren.[769] Nachdem die erste Galeere ihre Andacht verrichtet, wird ein Ruhetag gehalten, dann folgt die andere mit einem gleichen Ruhetage und so ferner. Wenn die bey solcher Solennität gewöhnliche Proceßion des Abends sich endiget, oder das Venerabile gebracht wird, lösen alle Galeeren ihre Gestücke. Rand links: Zahl der Einwohner. Die Zahl der Einwohner in der Stadt Neapolis kann sicher auf dreymal hundert tausend Seelen gerechnet werden, und weil eine starke Handlung die Leute mehr in Bewegung bringt, so kömmt einem Reisenden die Stadt Rom dagegen fast als eine Einöde vor. Rand links: Springbrunnen. Neapolis ist mit vielen Springbrunnen versehen, welche der Stadt eine schöne Zierde geben, obgleich das Wasser der meisten nicht sonderlich gut ist. Die prächtigste dieser Fontainen ist die von Medina, dem Castello nuovo gegenüber, deren oberstes Bassin von den drey Gratien gehalten wird. Rand links: Fontaine von Medina. Der darauf mit seiner dreyzackigen Gabel stehende Neptun und viele andere Figuren spritzen das Wasser in großer Menge von sich. Die daran befindliche Inscription ist folgende:


CAROLO II. REGNANTE

Hic ubi pulvureo squalebat Olympia tractu,

Nunc hilarant fontes strataque saxa viam.

Quam Ducis adjuta auspiciis opibusque dicavit

Medina Cæli nomine Parthenope.

Excell. Dom. D. Ludovico de Cerda

Cæli Duce Prorege

Civitas Neapolis Anno

M. DC. XCVII. etc.


An einem andern Brunnen des großen Marktes liest man: Rand links: Inscription eines Brunnen auf dem großen Markte.


Bonum factum!

Philippo IV. semper Augusto,

D. Innico de Guevara & Tassis, Comite de Onnatte

Et Villa Medina, inclyto Prorege.

Vides in celeberrima Urbis area

Excitatum loci gratia fontem.

Ne te ludat perbelle ludens unda,

Guevara Principe

Non hic aquarum perennitas,

Sed faustitas, pax, æquitas manant.

Largiuntur labentes hi rivi ac imbres

Latiorem campis segetem,

Uberiorem horreis messem,

Annonam populis laxiorem,

Monetque solutus in latices lapis,

Sub tanti Principis auspiciis fluere

Jam ad votum omnia.

Porro concelebrat fausta admurmuratione Guevara nomen Fone,

Quod æternat inscriptum marmor.

Neque enim fluxa hic Principis gloria,

Undis licet præterfluentibus.

Anno Domini MDCLIII.

Fidelissima Civitas æternitati Guevaræ

Pro-Regis sui consecravit.
[770]

Die Fontainen in St. Lucia, so vom Giovanni di Nola, einem berühmten Bildhauer verfertiget worden, nebst derjenigen, welche der Cavalier Cosmo Fansego oder Fonseca, in der Straße nach St. Lucia gemacht hat, verdienen gleichfalls wegen ihrer Bau- und Bildhauerkunst gesehen zu werden. Rand rechts: Andere Springbrunnen. Nicht weit von der Darsena ist ein Springbrunnen mit einem doppelten Adler und folgendem Tetrasticho gezieret: Rand rechts: Tetrastichon an einem Brunnen.


Inter Aragonios fontes immota manebo,

Haudque Jovi ulterius fulmina prompta feram.

Me namque e superis huc traxit Petrus Aragon,

Dum fluere has dulci murmure jussit aquas.


Nicht weit davon finden sich bey einem andern Brunnen folgende Worte: Rand rechts: Schrift an einer andern Fontaine.


Carolo II. Austriaco Rege

Ut longe lateque procurrentis littoris amœnitati

Fida demum navigiorum statio

Et tutus navigantium responderet appulsus

Petrus Antonius Arragon hujus regni Pro-Rex

Opus nomini & avitæ munificentiæ

Haud impar aggressus,

Vallo primo firmissimo ablegato mari.

Scaturientium deinde aquarum affluentia cohibita

Et occurrentium scopulorum pertinacia superata,

Huc tandem inter furentis pelagi fluctus

Arte & natura vicissim reluctantibus

Exoptatam diu navibus securitatem invenit

Anno a partu Virg. MDCLXVIII.


Eine sehr kostbare Wasserleitung bringt eine große Menge Wassers vom Fuße des Berges Vesuvius nach der Stadt. Rand rechts: Wasserleitung rom Vesuvius. DiesesAquæductus bediente sich der König Alphonsus der zweyte im Jahre 1442, um Meister von der Stadt zu werden. Der Ort, an welchem vorzeiten die stärkste Sammlung dieses Wassers war, ehe es in viele Fontainen vertheilet worden, führet heut zu Tage den Namen von Seggio di Nido oder di Nido, und sieht man daselbst die Statue des Flusses Nil unter der Gestalt eines alten Mannes, der auf einem Krokodil sitzet und von verschiedenen Kindern umgeben ist. Rand rechts: Statua Nili. Die Unterschrift ist folgende:


Vetustissimam Nili statuam vides,

At capite nuper auctam non suo:

Hoc scilicet Nili factum est

Suum quod occultat caput

Alieno spectari;

Ne tamen observandum antiquitatis monumentum

Quod proximæ Nobilium sedi nomen fecit,

Statuæ truncus jaceret ignobilis

Elegantiori exornatum cultu

Urbani Ædiles voluerunt.

Anno D. MDCLVII.
[771]

Ein anderes Denkmaal des Alterthums findet sich nicht weit vom Zeughause in der Statua Jovis Terminalis, die zu Pozzuolo ausgegraben worden, und itzt mit folgender Inscription versehen ist: Rand links: Statua Jovis Terminalis


Siste Viator,

Et vetustum Jovis Terminalis bustum contemplare,

Quod cœnoso loco eductum

Petrus Antonius Aragon

Segorbiæ & Cardonæ Dux,

Hujus Regni Pro-Rex

Post aucta Judicibus stipendia

Pauperes hospitio coërcitos,

Armamentarium instructum,

Prætoriana castra ædificata,

Bajanos fontes repurgatos,

Navibus stationem effossam,

Templa asceteria excitata,

Subjectamque viam pensili tramite

leniter productam

Fontibusque fœcundam

Huc pro tantorum operum coronide

Transferri jussit.

Tu nunc & perenne juvandi studium

a fabuloso numine

In optimi Principis genium

Æquius veriusque transferto

Anno MDCLXX


Der vornehmste unter allen Pallästen ist derjenige, worinnen der Vice-Roy wohnet, und gereichet ihm zu sattsamem Ruhme, wenn man nur saget, daß der berühmte Cav. Fontana seine Baukunst daran erwiesen habe. Rand links: Pallast des Vice-Roy. Die Haupttreppe, so sich in zween Gänge theilet, ist trefflich schön, eilf gemeine Schritte breit, und von weißem Marmor. Rand links: Haupttreppe. Unten an derselben sieht man auf jeder Seite die Abbildung eines Flusses, und über dem Tago linker Hand sind die Verse zu lesen: Rand links: Verse unter dem Fluß Tago.


Numquid abdis opes ripis has effero apertis

En Tagus aurifluo & prodigus ore vomo.


Ueber der Statue des Iberi zur Rechten stehen die Worte: Rand links: unter Ibero.


Sumeret armipotens ut nomen Hiberia ab amne

Obtinui rapidis magnus Hiberus aquis.


Nach dem ersten Absatze der Treppe, woselbst sie sich theilet, ist der dritte Fluß Aragon vorgestellt mit der Ueberschrift Rand links: unter Aragon.


Det Tagus auri vim, det nomen Hiberus, Aracon

Do Regi & Regnis nomen & imperium.


Wenn übrigens bey diesem Eintritte des Pallastes etwas zu erinnern, so ist es dieses, daß der Vorplatz zu enge für eine so große und prächtige Treppe sey. Rand links: Fehler an diesem Eintritte. In dem Audienzsaale sind viele der vornehmsten Thaten der spanischen Nation, worunter man auch die Aussagung[772] der Juden gerechnet hat, abgemalet. Rand links: Audienzsaal. Die Sala Regia, worinnen die Carnavalslustbarkeiten gegeben werden, enthält aller Vice-Roys Portraite in Lebensgröße. Rand rechts: Sala Regia. Eine besondere Galerie stellt die Thaten desDuc d'Alba vor; ein anderer Saal den Krieg Kaiser Karls des fünften mit Joh. Friedrich, Churfürsten zu Sachsen; noch etliche andere Zimmer sind mit guten Gemälden gezieret, und allenthalben findet man schöne Tapeten.

In der Schloßkapelle ist viel Silbergeräthe, und hinter dem Altare eine schöne Statue Mariä aus weißem Marmor. Aus diesem Pallaste kann der Vice-Roy durch einen verdeckten Gang in das Castello Nuovo kommen, welches im Fall eines Aufruhrs eine höchstnöthige Sache ist. Rand rechts: Bedeckter Weg in das Castell Nuovo.

Das Castello Nuovo stößt mit einer Seite an die See, und ist jederzeit mit einer starken Besatzung versehen. Rand rechts: Castell Nuovo. Unter den darinnen befindlichen Canonen, deren zwey und vierzig allezeit auf den Wällen und Bastionen stehen, sind auch neune, welche Karl der fünfte dem Churfürsten von Sachsen in der Schlacht bey Mühlberg abgenommen hat.

Auf der Bastion del San Spirito zeigte man ehemals ein (nach Aussage der Aufschrift) unter dem Kaiser Maximilian dem ersten gegossenes und von Karl dem fünften hieher gebrachtes großes Geschütz, Magdalena genannt, so ein und zwanzigtausend Pfunde wog, und eine Kugel von hundert und zwanzig Pfunden schoß.

Beym Eingange des Castells findet sich ein Triumphbogen mit schöner Bildhauerarbeit und folgenden zwoen Inscriptionen: Rand rechts: Triumphbogen.


Alphonsus Regum Princeps hanc condidit arcem.


(welches von der Erneuerung des itztgedachten Schlosses zu verstehen ist) und:


Alphonsus Rex Hispanus, Siculus,

Italicus, Pius, Clemens, Invictus.


Der Platz, wo man diesen Triumphbogen aufgerichtet, ist gar enge. Unter dem Thore, woran er stößt, findet man gute Bildhauerarbeit in Stein, und ferner eine mit schönen bas-reliefs gezierte metallene Pforte, welche die vornehmsten Thaten der aragonischen Könige abbildet. Von der Dicke des bronzo an diesem Thore zeigt eine Canonenkugel, die nicht durchgedrungen, sondern noch darinnen steckt. Die Schloßkirche hat gute Verguldungen und Stuccaturarbeit. Rand rechts: Schloßkirche. Insbesondere machet man aus einem Gemälde der Pietà, das in einem daran stoßenden Zimmer befindlich ist, viel Wesens. Vor dem Zeughause, woraus nach des Parrino Vorgeben funfzigtausend Mann bewaffnet werden können, steht ein junger marmorner2 Soldat, den etliche für des Kaiser Nerons Statue ausgeben. Rand rechts: Zeughaus. Die an der Façade der St. Barbaräkirche in eben diesem Schlosse befindliche metallene Statue wird gleichfalls von etlichen dem Nero zugeschrieben. In der Kirchedell Assunta stellet ein Gemälde die Ankunft der Weisen aus Morgenland vor, deren zween des Alphonsus des ersten und Ferdinands Portraite sind. Dieses Stück soll nach Vasari Berichte das erste seyn, welches Giovanni da Bruggia mit Oelfarben gemalet. Andere machen den berühmten Zingaro zum Meister desselben, und nach ihrer Meynung stellen die drey Köpfe der Weisen die Portraite des neapolitanischen König Karls und seiner Söhne, des Prinzen von Salerno und des Herzogs von Calabrien vor. Rand rechts: Statue eines Römers. Nerons Statuen. Erstes Gemälde mit Oelfarben. Der große Saal des Schlosses ist also gebauet, daß man auf der einen Seite deutlich vernimmt, was an der andern mit leiser Stimme[773] gesprochen wird. Rand rechts: Großer Saal. Man besieht ferner eine künstliche Schneckentreppe von hundert und fünf und funfzig Stufen, und einen weitläuftigen oben mit einer Batterie versehenen Thurm, dessen äußerste Quadersteine mit Zeichen von Rhomboiden bemerket sind. Rand links: Batterie der lüderlichen Weibespersonen. Man giebt vor, der aragonische König Alphonsus habe die öffentlichen Curtisanen, welche er aus der Stadt treiben wollen, auf geschehene viele Fürbitten mit dem Bedinge wieder in Ruhe gelassen, daß jede zum Anbau dieses Thurms einen Quaderstein liefern und in solchem das Zeichen des Gliedes, welches diese Creaturen am meisten misbrauchen, eingraben sollte. Wie weit dieses Vorgeben gegründet sey, lasse ich dahin gestellet seyn: dieses aber ist gewiß, daß noch heutiges Tages diese Batterie auf Unkosten der öffentlichen lüderlichen Weibspersonen, die in der Stadt leben, unterhalten wird, und müssen sie deswegen jährlich am Sebastianstage Deputirte aus ihrem löblichen Corpore dahin schicken, denen man zeiget, was repariret werden müsse. Die Gestücke werden nur in Kriegszeiten darauf gepflanzet. Die Aussicht davon ist trefflich, und erblicket man daselbst auch die unten stehende Statue, so die Feige nach den Castell St. Elmo zeiget, und den Triumph des Baumeisters, der am ersten mit dem Castello Nuovo fertig worden, da sein Bruder indessen an St. Elmo um die Wette bauete, andeutet. Das Castello Nuovo hat treffliche unterirdische Gewölber und Minen. Auf dem Platze vor seinem Eingange liest man an einer Fontaine: Rand links: Inscription einer Fontaine.


Philippo IV. Rege

Sileat Græcia fama jam minor.

Illius equus unum protulit vatibus fontem

Ut tot canerent Duces,

Parthenopeus equus uni Hispano Eroi

Plures ubique pene reliquit expressas pedis notas

Quia ubique invenit impressa vestigia meritorum

D. Innici Guevara & Tassis Com. de Onnatte

Et Villa Mediana Regni Pro-Regis.

Juxta arcem maxime scaturire fons debuit,

Ut illum exprimeret unde regni securitas fluxit.

Disce, quisquis hauris, te quoque in ejus laudes

Effundere.

Parthenope assertori suo ac vindici

P.

Anno Sal. MDCLII.


Das Castello del Uovo hat den Namen von seinem ovalen Plan, liegt mitten im Wasser auf einem Felsen, und ist nur vermittelst einer zweyhundert und zwanzig Schritte langen Brücke mit dem fußfesten Lande verknüpfet. Rand links: Castello del Uovo. Ehemals Luculli Pallast. Voralters soll es keine Insel und des berühmten Römers Lucullus Pallast gewesen seyn, welchem hernach die normannischen Könige eine ganz andere Gestalt gegeben haben. Ueber dem Eingange liest man: Rand links: Inscription.


Philippus Secundus Rex Hispaniarum Pontem a continenti ad Lucullanas arces, olim Austri fluctibus conquassatum, nunc saxeis obicibus restauravit firmumque reddidit, D. Joanne Zunica Pro- Rege, Anno MDLXXXXV.


Gleichwie man im Castello Nuovo eine Kammer zeiget, woselbst der h. Francesco di Paola wunderbarer Weise Blut aus einer Münze hervorkommend gemacht; also zeiget man im Castello del Uovo verschiedene Zellen, denen die h. Patritia durch ihre daselbst gehabte Wohnung eine sonderbare Verehrung zuwege gebracht hat.[774]

Das süße Wasser wird aus der Stadt in steinernen Rinnen, worauf allerley marmorne Figuren von Thieren liegen, und zwar unter der Brücke in das Schloß geleitet, und sammelt es sich daselbst sowohl oben im Castell, als unten bey der Statue eines Löwen, woselbst folgende Schrift zu lesen ist. Rand rechts: Wasserleitung. Rand rechts: Inscription.


CAROLO SECVNDO

Austriaco Rege

Lucullanarum delitiarum vetustati

Novis fluentis lymphæ

Sitientibus fons aperitur

Hic denuo Patritiæ Virgineos

Irrigat flores:

Vesevi insanientis obtutu

Vel olim Navarri memoria

Ne terrearis

Ambo animi fluenta ministrant:

Ad Francisci Benavides

Excellentissimi hujus Regni Proregis

Leonem intererat,

Aquas pro igne suppeditare

Anno reparatæ salutis

MDCXCIII.


Das schreckhafte Andenken Navarri, dessen in dieser Inscription Meldung geschieht, zielet auf die Pulverminen, welche Petrus Navarrus zwar nicht erfunden, indessen aber jedoch zuerst mit der verlangten Wirkung angebracht hat. Rand rechts: Erfindung der Pulverminen. Schon im Jahre 1487 hatte ein Officier unter der genuesischen Armee, welche wider die Florentiner zu Felde lag und Serezanella belagerte, eine Mine angegeben und springen lassen; allein weil sie dasjenige nicht zuwege brachte, was man sich von ihr versprochen hatte, so verlohr die angerühmte Erfindung allen Credit, und sah man dergleichen Vorschläge als chimärische Grillen an. Navarrus war damals als ein gemeiner Soldat in dem genuesischen Lager, und hatte die misgeglückte Mine selbst in Augenschein genommen, wobey er Gelegenheit bekommen, ganz anders zu urtheilen und zu glauben, daß der Mangel der verhofften Wirkung mehr der schlechten Ausführung, als der Erfindung selbst zugeschrieben werden müsse. Die Belagerung der Castelle zu Neapolis setzte ihn endlich im Jahre 1503 in Stand, die Wahrheit seines Urtheils an den Tag zu legen, wie er denn mit solcher neuen Erfindung den Belagerten so vielen Schaden zufügte, und einen solchen Schrecken einjagte, daß sie sich in wenigen Tagen an die Spanier ergeben mußten.

Das dritte Schloß, wodurch die Stadt Neapolis ein wenig im Zaume gehalten werden kann, hat den Namen von St. Elmo oder St. Eramo wegen einer Kirche, so diesem Heiligen gewidmet gewesen, und ehemals auf diesem Platze gestanden. Rand rechts: Castell St Elmo. Gedachtes Castell liegt oben auf dem Berge gegen Abend, und ist in Gestalt eines Sterns von sechs Stralen angelegt. Seine meisten Befestigungswerke hat es Karln dem fünften zu danken, daher man über dem Thore liest: Rand rechts: Schrift über dem Thore.


Imperatoris Caroli V. Aug. Cæsaris jussu, ac Petri Toleti Villæ Franchæ Marchionis justiss. Proregis auspiciis, Pyrrhus Aloysius Serina Valentinus, D. Joannis Eques,[775] Cæsareusque militum Præfectus, pro suo bellicis in rebus experimento F. curavit. MDXXXVIII.


Die unterirdischen Gewölber dieses Platzes sind vortrefflich breit und hoch in Felsen gehauen, auch vor aller Gefahr von Bomben sicher. Aus dieser Ursache wird eine große Menge von Kriegsmunition allhier verwahret; der Proviant aber wird aus dem Castello Nuovo, in welches man vermittelst einer verdeckten Galerie (die aber anitzt vermauert ist) unter der Erde kommen kann, geholet. Rand links: Galerie nach Castello Nuovo. Oben auf dem Castello S. Elmo sind sieben Cisternen und tief unter den Gewölbern eine achte von solcher Größe, daß zwo Galeeren zu gleicher Zeit darauf sollen herum fahren können. Rand links: Cisternen. Das Wasser, so stets sehr kalt ist, wird vermittelst eines Ziehbrunnens heraus gebracht.

Das Wapen der Stadt ist ein Pferd, und stund ehemals eines aus bronzo und von außerordentlicher Größe nicht weit von der Kirche di Santa Restituta, von welchem das gemeine Volk glaubte, daß es vom Virgilio (aus welchen sie einfältiger Weise einen Zauberer machen) mit unerlaubter Kunst gegossen worden. Rand links: Wapen der Stade. Man trieb dabey allerley Aberglauben und suchte bey selbigem Hülfe wider alle Krankheiten der Pferde, die man von allen Orten herbrachte und um das metallene Bild führte, bis solches endlich im Jahre 1322 unter Maria Caraffa, Erzbischofe von Neapolis, zerschlagen und zur großen Glocke der Domkirche verschmelzt worden. Rand links: Aberglaube mit einem metallenen Pferde. Der einzige Kopf blieb zum Andenken ganz, und ist anitzt nebst einer Sammlung von andern Statuen und bas-reliefs in dem Hofe des caraffischen Pallastes zu sehen. Rand links: Pferdekopf im Pallaste der Caraffa. Karl, König von Neapolis, als er sich der Stadt Neapolis nach einer achtmonatlichen Belagerung bemächtiget, hatte diesem Pferde ein Gebiß, davon man noch einige Merkmaale sieht, anlegen, und an das Fußgestell setzen lassen:


Hactenus effrenis Domini nunc paret habenis,

Rex domat hunc æquus Parthenopensis equum.


In obgedachtem Hofe findet man auch eine kleineStatuam Equestrem des aragonischen Königs Alphonsus des zweyten auf einer Seule.

Poggio Reale, ein Pallast der außerhalb der Stadt liegt, dienete vormals den Königen wegen seiner Lage, Gärten und Wasserwerke zur Lustwohnung, ist aber nunmehr fast gänzlich eingegangen, und verlohnet nicht der Mühe gesehen zu werden. Rand links: Poggio Reale. Unter dem verfallenen Gemäuer zeiget man noch eine steile Höhe, von welcher die Königinn Johanna diejenigen Personen, so ihr nicht angestanden, hinterlistiger Weise soll haben herabstürzen lassen.

Wenn man von diesem Orte zurück nach der Stadt fährt, läßt man linker Hand die rudera eines alten Schlosses, das il Palagio degli Spiriti genennt wird; weil das gemeine Volk in den Gedanken steht, als sey dieser Pallast wegen der Gespenster, so ihn bewohnen, in solchen Verfall gerathen. Rand links: Il Palagio degli Spiriti. Es ist itzt nichts mehr daselbst zu sehen; aus der alten Inscription aber, die von ihrem ersten Platze herunter gefallen und auf der Seite gegen den Fluß Sebeto wieder eingemauert worden, ist genug zu urtheilen, daß dieses Schloß sonst viele Annehmlichkeit gehabt habe. Gedachte Inscription ist wohl ausgesonnen und in folgenden Worten verfasset Rand links: Inscription.


Nic. Ant. Caracciolo, Vici Marchio & Cæsaris a latere Consiliarius has Genio Ædes, Gratiis Hortos, Nymphis Fontes, Nemus Faunis, & totius loci venustatem[776] Sebetho & Syrenibus dedicavit. Ad vitæ oblectamentum atque secessum & perpetuam amicorum jucunditatem3.


MDXXXXIII.


Ferner kömmt man auf dem Rückwege von Poggio Reale rechter Hand an die Fledermaushöhle oder Grotta degli Sportiglioni, welche sehr breit, hoch und anderthalb italienische Meilen lang ist. Rand rechts: Fledermaushöhle. In der Mitte theilet sie sich, und geht der eine Arm nach der Gegend von Poggio Reale, ist aber itzt vermauert, nachdem man im Jahre 1656 über funfzigtausend an der Pest gestorbene Körper hinein gebracht hat. Der über dieser Höhle liegende Berg ist angenehm, und hat den Namen Monte del Trecco von dem französischen General Lautrec, der im Jahre 1528 die Stadt Neapolis belagerte, und allhier sein Lager aufschlug. Rand rechts: Monte del Trecco. Weil er die Stadt nicht verderben wollte, sondern in der Hoffnung, sie durch Mangel des Wassers zur Uebergabe zu zwingen, die Aquæductus abgraben und zerstören ließ, so blieb das sich sammelnde Wasser vor der Stadt stehen, wurde bey der großen Hitze stinkend, und verursachte eine solche Pest im Lager, daß der meiste Theil des Kriegsheeres und selbst der General Lautrec dadurch hingerissen wurden. Rand rechts: Von dem Unglücke des General Lautrec. Von den aus der Pest überbliebenen kamen wenige wieder nach Hause, weil die Italiener gar übel mit ihnen umgiengen. Der Fehler des Generals Lautrec bestund darinnen, daß er nicht vorher, ehe er die Wasserleitung verderben lassen, einen Canal, wodurch das Wasser in die See hätte abfließen können, gezogen. Als der Kaiser Heinrich der sechste die Stadt Neapolis drey Monate lang belagert hatte, mußte er gleichfalls wegen der Pest und andern ansteckenden Krankheiten unverrichteter Sache wieder abziehen. (PTOLOMAEVSLucensisad ann. 1191, p. 459. GERHARDVSStederburgensisde Henrici Leonis postremis rebus gestis, p. 863.)

In der Stadt Neapolis sind des Principe di S. Agata, Duca di Gravina, Duca di Mataloni und etlicher anderer Herren Palläste zu besehen, welche man aber keinesweges mit den römischen vergleichen kann. Rand rechts: Andere Palläste. Das Gebäude, so Fernando di S. Felice (Sanfelicius, wie er sich in etlichen Inscriptionen nennet) aufführen läßt, wird sehr schön werden. Rand rechts: Pal. di S. Felice. Er giebt selbst alles an, und ist nicht nur ein Kenner der Malerey, sondern auch ein guter Meister in dieser Kunst, welche er unter dem Solimene erlernet hat. Man findet allhier verschiedene Fruchtstücke nebst andern schönen Gemälden, so er selbst verfertiget hat, und deren eines den bethlehemitischen Kindermord, das andere aber Josephs Flucht nach Aegypten abbildet. Ein Saal dieses Pallastes wird ganz à fresco gemalet werden, und hat Solimene die Zeichnungen dazu gemacht. An schöner Marmorarbeit wird gleichfalls kein Mangel seyn. Eine neuerfundene Art von Treppen nimmt die ganze hintere Seite des Gebäudes ein. Einer der angenehmsten Theile der Stadt ist die Vorstadt, so wegen ihrer Lage am Meerstrande eigentlich Spiaggia oderPiaggia heißen sollte, insgemein aber Chiala genennet wird. Rand rechts: Vorstadt Chiaïa. Die frische Luft, gute Aussicht, Breite des Platzes und wenige Beschwerlichkeit vom Staube auf einem gepflasterten Boden, machen, daß des Abends etliche hundert Carossen daselbst anzutreffen sind. Bey solcher Gelegenheit sitzen niemals Leute von beyderley Geschlechte beysammen[777] in einem Wagen. Die rechter Hand am Hügel befindlichen Gärten sind sehr lustig gelegen, und außer mancherley Bluhmenwerke mit Orangen-Cedern-Dattel- und andern Bäumen gezieret.

Zu Pietra Bianca, vier italienische Meilen von Neapolis am Fuße des Berges Vesuvius, hat des Kaiser Karls des fünften Secretär Bernardino Martirano einen Pallast und Garten angelegt, worinnen auch itztgedachter Kaiser, als er im 1535sten Jahre von Tunis zurück kam, logiret hat, wie folgende über der Thüre befindliche Nachricht andeutet. Rand links: Pietra Bianca. Rand links: Inscription von der Einkehre Karls des fünften.


Hospes

Etsi properas ne sis impius

Præteriens hoc ædificium venerator

Hic enim Carolus V. Rom. Imper.

Debellata Aphrica

Veniens triduum in liberali

Leuco-Petræ gremio consumsit.

Florem spargito, & vale.

MDXXXV.


In einer mit vielem Muschelwerke gezierten Grotte dieses Pallastes liest man über einer schönen marmornen Statue der nackenden Arethusa folgendes wohlgesetztes Epigramma: Rand links: Artiges Epigramma auf dieStatuam Arethusæ.


Quæ modo Tyrrhenas inter celeberrima Nymphas

Et prior ante alias forma Arethusa fui.

(Pro dolor) in gelidos dum flagro versa liquores,

Narcissi ingrati duritie hic lacrymo

Haud procul hinc surgens substructo fornice terras

Chratidis ad magni nobile labor opus.

Hic mihi de conchis posuit fulgentibus antrum,

Najadum propter Nereïdumque domos.

Hujus ego æternum tanto pro munere nomen

Quam possum blando murmure testor aquæ.


Die Erschütterungen und Brunsten des Vesuvius haben diesen Pallast übel zugerichtet, und hat man ihm vergeblich mit einigen Ausbesserungen zu helfen gesucht.

Fußnoten

1 Die Namen der Vorstädte sind: Maria di Loretto, S. Antonio, Santa Maria delle Virgini, Santa Maria della Stella, Jesus Maria, S. Maria del Monte undChiaia. Die Pracht des alten und neuen Neapolis beschreiben folgende Schriftsteller: Vbert. FOLIETAin laud. urb. Neap. Nap. 1571, 4. Marc. Ant.SVRGENSin Neap. illustr. Nap. 1602, fol. Francisc. deMAGISTRISde statu rerum memor. tam eccles. quam polit. ac ædific. civitatis Neapol. cum notisJosephideMAGISTRIS, Nap. 1681, fol. Anton. EARINAdelle cose piu curiose di Napoli, Nap. 1679, 8. und vornehmlich ScipioMAZZELLAin descript. regni Neapol. Nap. 1585, 4.


2 Nach Cölestins Berichte soll besagter Soldat ein Franzose von Geburt gewesen seyn, der diesen ihm anvertrauten Posten gegen hundert Feinde mit solcher Tapferkeit vertheidiget, daß er vierzig davon erleget; allein der römische Habit stimmet mit diesem Vorgeben nicht überein.


3 Gleiche Gedanken werden in den Inscriptionen ausgedruckt, welche der Graf von Dehn über die zwo Thüren seines in Braunschweig angelegten Gartens hat setzen lassen. Ueber dem einen Eingange liest man:


Oblectamentum animi

Et mihi & aliis,

1727.


Ueber dem andern:


Civibus, Advenis,

Otium, Negotium.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 778.
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