[996] Sieben und sechszigstes Schreiben.

Anmerkungen von Parma und Piacenza.

Parma ist eine volkreiche und große Stadt, worinnen man schöne breite Straßen und viele gute Häuser (welche die Italiener nach ihrer Gewohnheit gleich mit den Namen von Palazzi beehren) antrifft. Rand rechts: Parma. Der Fluß Parma scheidet sie in zween Theile, die vermittelst dreyer steinernen Brücken mit einander verknüpfet werden. Rand rechts: Flußgleiches Namens. Ihr Umfang soll von vier italienischen Meilen, und die Citadelle nach Art der antwerpischen angeleget seyn. Rand rechts: Umfang. Citadelle. Die Zahl der Einwohner in Parma wird auf fünf und vierzig bis funfzigtausend Seelen gerechnet; worinnen man aber der Sache zu viel thut. Rand rechts: Zahl der Einwohner. Alter der Stadt.

Unter den alten Scribenten gedenket dieser StadtSTRABOlib. V. LIVIVSlib. XXXIX, c. 55. PLINIVS lib. III, c. 15. CICEROad Famil. lib. X, Ep. 33. n. 8. PTOLEMAEVS, COLVMELLA und andere. In einer alten Inscription wird sie genennet Colonia Julia Augusta Parma.

Das Schloß zu Parma ist noch nicht in dem Stande, in welchen es kommen soll. Indessen bemerket man in des Herzogs Zimmern viele treffliche Gemälde, worunter die Stücke, worauf Annibal Caracci mit Oelfarben dasjenige ausgedrücket, was Corregio an der Cuppola der Kirche di S. Giovanni à fresco gemalt hatte, den Preis vor allen davon tragen. Rand rechts: Herzogliches Schloß. Gemälde. Außer denselben verdienet die Verleugnung Petri auf einem Nachtstücke, desgleichen wie Abraham die drey Engel bewirthet, wohl betrachtet zu werden. Der Caval. Malogio hat die Herrlichkeit des Himmels und gegenüber den Fall des Lucifers auf zweyen sehr großen Stücken vorgestellet, und ist bey jener nicht zu verwundern, daß er das Paradies fast mit lauter Bischöfen und Mönchen angefüllet hat.

Bey der Herzoginn Zimmern ist ein Spiegelkabinet, worinnen aber keine große Stücke anzutreffen sind. Von den vornehmsten Gemächern sind die meisten mit rothem Sammet, der mit goldenen Galonen besetzt ist, meublirt, bey welchen sich aber die backsteinernen Fußboden gar schlecht schicken.

Das durch ganz Europa berühmte große Theater hat Rainutius der erste im Jahre 1618 erbauen lassen. Rand rechts: Treffliches Theater. Das Parterre desselben ist fünf und sechszig, und die erhöhete Schaubühne zwey und sechszig gemeiner Schritte lang. In Parma giebt man insgemein dem ganzen Werke eine Länge von hundert und neunzig, und eine Höhe von acht und vierzig bis funfzig Ellen. Vor dem Theater steht auf jeder Seite eine Statua Equestris eines alten Herzogs, und viele andere Statuen sind an den Seiten des Parterre vertheilet. In diesem sind zwölf hintereinander erhöhete Reihen zum Sitzen angeleget, dergleichen man in den alten römischen Amphitheatern zu sehen pflegt, und über denselben findet sich eine doppelte Galerie.[997] Man behauptet zwar, es hätten acht tausend bis neun tausend Zuseher bequemen Platz zum sitzen; allein der Augenschein widerspricht offenbar diesem Vorgeben. Als der älteste Bruder des itzigen Herzogs, Prinz Odoardus im Jahre 1670 mit Dorothea Sophia, des Churfürsten Philipp Wilhelms zu Pfalz aus dem Hause Neuburg Tochter, vermählet wurde, ließ man währender Oper und schönen Illumination das Parterre drey bis vier Fuß hoch unter Wasser setzen, und ein ordentliches Gefechte zwischen zwo verguldeten Schaluppen oder Gondoln vorstellen. Rand links: Wie ein Seetreffen darauf gehalten worden. Zu solchem Ende waren vorher auf beyden Seiten des Theaters zwo große Kammern oder Gewölber mit Wasser angefüllet. Die zween Eingänge, welche dasParterre hat, waren leicht verstopft, und weil sowohl der Boden als die Sitze des Amphitheaters (welche nur mit Holze überkleidet sind) aus Steinen bestehen, so gab es desfalls keine Schwierigkeiten. Die Wendungen aber, die von den Gondoln haben gemacht werden können, sind ohne Zweifel nicht gar weitläuftig gewesen, weil der Platz in Ansehung eines solchen Gebrauchs allezeit gar klein bleibt, und z. E. dem Parterre d'Aliberti zu Rom an Größe keinesweges gleich kömmt. Das sonderbareste am ganzen Werke ist, daß dasjenige, so auch leise oben auf dem Theater gesprochen wird, in allen Plätzen des Parterre ganz deutlich und laut erschallet, daher die Sänger und redende Personen viel geringere Mühe als anderwärts haben. Rand links: Außerordentlicher Schall des Theaters. Dabey ist dieses auch merkwürdig, daß keine Confusion des Echo entsteht, man mag auch die Stimme, so laut man nur will, erheben. Man erzählet, daß als das Opernhaus im Palais des Thuilleries zu Paris angelegt werden sollen, Ludwig der vierzehnte den berühmten Baumeister Vigarani nach Parma gesandt, um die Ursache des trefflichen Schalles im hiesigen Theater zu untersuchen; es sey aber alle angewandte Mühe vergeblich gewesen. Rand links: Anmerkung wegen des parisischen Opernhauses. Uebrigens rechnet man zwar, daß auch das parisische für sieben bis acht tausend Menschen Platz habe: allein ich zweifele, daß eine solche Anzahl sich wohl darinnen befinden würde, und wird es sowohl an Größe als Schönheit von dem hannöverischen Opernhause übertroffen.

Weil das große Theater zu Parma viele Kosten zu seiner Illumination erfodert: so hat man zum ordentlichen Gebrauche in einem nächst daran stoßenden Saale ein kleineres aufgeführet, in dessen Parterre zwey tausend Zuseher sitzen können. Rand links: Theater zum ordentlichen Gebrauche. Es hat solches auf den Seiten dreyfache Bänke hinter einander, dem Theater gegenüber acht erhöhete Reihen oder Kreise zum sitzen als in einem Amphitheater, und außer denselben eine dreyfache Galerie.

Des Herzogs Bibliothek steht in einem großen Saale, und fällt sowohl wegen der französischen Bände, in welchen alle Bücher gebunden sind, als wegen der wohlgearbeiteten Seulen, womit man die Repositoria gezieret hat, sehr gut ins Gesicht. Rand links: Bibliothek. Die Anzahl beläuft sich nicht über siebenzehn bis achtzehn tausend Volumina, und erhält man sie durch nichts als durch fleißiges Ausklopfen vor dem Schaden, welchen insgemein die Würmer und Motten solcher Buchbinderarbeit zuzufügen pflegen. Die Manuscripte stehen besonders in eben dergleichen Bänden. Unter den gedruckten Werken nehmen die Folianten und insbesondere die Historici den meisten Platz ein; von kleinen Werken ist wenig oder nichts allhier anzutreffen. Zu Ende des Saales liest man: Rand links: Inscription.


Theatrum Orbis miraculum

Ne suspicito

Majus hic sibi vindicat

Sapientia[998]

Maximum Farnesia

Serenissimi Francisci

Ducis VII.

Magnificentia.


Das Münzkabinet besteht aus achtzehn tausend Stücken, worunter sich keines doppelt findet, obgleich z. E. vom Hadrian allein bey fünf hundert vorhanden sind. Rand rechts: Münzkabinet. Bey jeder Münze ist mit schwarzen Buchstaben auf einem goldenen Grunde angedeutet, wem zu Ehren sie gepräget sey. Sie sind alle dergestalt in Kupfer gefasset, daß man die einzeln Stäbe, worinnen sie reihenweise gleichsam hohl liegen, umdrehen, und beyde Seiten aufs genaueste betrachten kann, ohne die Münzen selbst, die unter einem gläsernen Gehäuse liegen, in die Hand zu nehmen. Diese Sammlung geht nicht weiter als bis auf Heraclium, die Folgen der Münzena ber sind sowohl von kupfernen und silbernen, als goldenen Stücken, und zwar jede besonders vorhanden. Rand rechts: Rareste Stücke desselben. Der rareste nummus, den man allhier aufzuweisen hat, ist ein Medaillon von Pescennio nigro, so zu Antiochien gepräget worden, und auf dem Reverse die Deam Salutem vorstellet. Die drey vorhandene Ottones ærei sind medii moduli und einer davon lateinisch, die andern zween aber griechisch. An ihrer Aufrichtigkeit zweifeln nicht wenige Gelehrte. Der Jesuit P. Paolo Petrusi hat im Jahre 1694 angefangen, einen Catalogum dieses Münzkabinets in Druck zu geben, wovon der achte Theil (deren jeder aus einem gar dünnen Folianten besteht) im Jahre 1717 zu Parma herausgekommen ist. Rand rechts: Catalogus. Nach seinem Tode ist die Fortsetzung solches Werkes einem andern Jesuiten zu Piacenza P. Pioveno, aus einem adelichen venetianischen Geschlechte, aufgetragen worden, welcher aber so faul in seiner Arbeit ist, daß noch nichts davon zum Vorscheine gekommen. Nach der Einrichtung der ersten Theile muß das Werk wenigstens achtzehn kleine Bände ausmachen, wenn es in vollkommenem Stande seyn soll.

Die Tische, worauf die Münzen sich befinden, sind auf beyden Seiten einer langen Galerie, in welcher die vortrefflichsten Gemälde hängen, vertheilet. Rand rechts: Gemälde. Den Rang vor allen hat die bloßliegende und schlafende Venus vom Annibal Caracci. Unter derselben ist ein Spiegel in einer Einfassung von weißem carrarischen Marmor, der fünf Engel und mancherley Bluhmenwerk vorstellet, woran Giuliano Mozani seine Kunst erwiesen hat. Nahe dabey zeiget sich das vom Michael Angelo Buonaroti gemalte jüngste Gericht. Ferner ist allhier zu betrachten die Pietà vom Annibal Caracci; die Vermählung der h. Catharinä vom Corregio; die berühmte Zingana oder Aegyptierinn von eben diesem Meister, die von der bräunlichen Farbe des Gesichtes, welche es gleich Anfangs gehabt zu haben scheint, den Namen bekommen, eigentlich aber nichts anders als die h. Maria ist, wie sie in einer wüsten Gegend auf ihrer Flucht nach Aegypten ausruhet; die Lucretia von Parmeggiano, und insonderheit die Copey eines Portraits Leo des zehnten, welche Andrea del Sarto nach dem Original des berühmten Raphaels mit solcher Kunst gemalt, daß man sie allhier dem Originale, das der Großherzog von Florenz besitzt, vorzieht, und nicht nur Vasari sich desfalls geirret, sondern auch selbst Julius Romanus, ob er gleich an der Kleidung oder Draperie in dem Gemälde des Raphaels gearbeitet, das in Parma anitzt befindliche Stück eine Zeitlang hernach für das Original angesehen und seinen eignen Pinsel daran zu erkennen geglaubt hat, wie solches Felibien in dem Leben der berühmten Maler mit mehrerm anführet. Rand rechts: Merkwürdiger Irrthum wegen eines Gemäldes. Clemens der siebente aus dem Hause Medicis, hatte das Original einem Herzoge von Mantua, derihn besuchet und darum angesprochen, zugesagt; nachdem aber die Florentiner solches nicht[999] ohne großen Widerwillen missen wollten, ist man auf den Anschlag gerathen, mit einer untergeschobenen Copey (welche diejenige ist, davon hier geredet wird) eines Theils das gethane Versprechen zu erfüllen, andern Theils aber das Original in Florenz zu behalten. Man sage nach diesem Exempel viel von der untrüglichen Wissenschaft, womit manche Kenner aus dem bloßen Anschauen berühmter Gemälde die Namen der Meister alsbald zu entdecken sich berühmen.

Aus der großen Galerie von Gemälden geht man in eine kleinere, welcher man wegen der kostbaren Merkwürdigkeiten, die darinnen aufbehalten werden, den Nomen einer Kunst- und Schatzkammer beylegen könnte. Rand links: Kunst- und Schatzkammer. In derselben zeigen sich verschiedene bureaux oder Schreibkabinette, Tische und Uhren von eingelegter sowohl eben er als erhabener florentinischer Arbeit; ein bureau von künstlicher Bildhauerarbeit mit kostbaren Steinen besetzt; zwey Tischblätter, jedes aus einem Stücke von rothem und gelbem Marmor, der von Porto Venere kömmt; zween Tische aus Cristallo di Rocca mit eingeschnittenen Figuren, davon der eine mit verguldetem Silber eingefasset und mit artigem Bluhmenwerke von Oro smaltato gezieret ist; viele achatene und marmorne Gefäße; eine mit kostbaren Edelgesteinen besetzte Hänguhr, an welcher ein Chrysolith von der Größe einer mehr als mittelmäßigen Bohne zu sehen; etliche mit Schmelzarbeit und Edelgesteinen gezierte Schränke; verschiedene Gemälde auf Lazulistein; viele elfenbeinerne Meisterstücke, worunter etliche ziemlich große Crucifixe den ganzen Leib des Herrn Christi (die Aerme allein ausgenommen) aus einem einzigen Stücke haben; mancherley Perlenmutterarbeit; eine Sammlung von Börnstein; ein Kabinet voll Bergkrystall, der meistentheils aus dem Graubünderlande gekommen. Es sind verschiedene Stücke dar unter fast von der Größe eines Menschenkopfes. Ferner ist ein ganzer Altarschmuck aus Krystalle vorhanden; ein dergleichen Kästchen mit großen gewundenen Seulen, und ein besonderes Stück, so als ein kleiner Berg, der sich in zwo Spitzen vertheilet, anzusehen, und beynahe tausend Pfund schwer ist. Rand links: Außerordentliches großes Stück Krystall. An seiner Reinigkeit ist zwar vieles auszusetzen; was aber seine Größe anlanget, so zweifele ich, ob man seines Gleichen irgendwo vorzeigen könne. Zu Plinius Zeiten war das größte Stück Krystall, davon man Kenntniß hatte, von ungefähr funfzig Pfunden, und als ein außerordentliches Geschenk von der Livia auf das Capitolium gegeben worden1 Außer den gemeldten und andern kostbaren Dingen zeiget man in der Raritätengalerie zu Parma vielerley Bluhmenwerk von zarter Holzarbeit und ein indianisches Bette, dergleichen die Einwohner etlicher warmen Länder, um vor dem Ungeziefer sicherer zu seyn, zwischen Bäumen aufzuhängen pflegen.

Aus dieser zweyten Galerie geht man in ein Zimmer, worinnen außer einer Sammlung von Muscheln, viele alte Inscriptiones, busta, lucernæ, ägyptische, griechische und römische Götzenbilder nebst andern Alterthümern verwahret werden. Rand links: Alterthümer. Vor kurzer Zeit hat man auch die Fresco-Gemälde, so man zu Rom in den hortis Farnesianis und zwar, wie man dafür hält, in den ehemaligen Zimmern des Kaiser Nerons entdecket, hieher gebracht. Rand links: Fresco-Gemälde aus den Zimmern Nerons. Die Figuren der Menschen, welche darauf vorgestellet worden, sind nicht nach der genauesten Zeichnung gerathen, die Gesichter kaum kenntlich gemacht, auch die Farbe anitzt gar unansehnlich und weder roth noch recht gelb. Meines Erachtens würde man den Alten Unrecht thun, wenn man aus dergleichen Stücken beurtheilen wollte, wie weit sich ihre Wissenschaft in der Malerkunst erstrecket. Denn ob sie gleich allem Vermuthen nach keine Gemälde gehabt, welche der Arbeit des Raphaelis und etlicher anderer neuerer Meister den Rang hätten[1000] streitig machen können, so kann es doch nicht fehlen, es muß ihre Malerey von dem blühenden Zustande der Bildhauerkunst, in welcher man dem Alterthume ein außerordentliches Lob nicht versagen kann, vielen Vortheil gezogen und davon profitiret haben.

Wegen der Gemälde ist noch hiebeyzufügen, daß in einem Kabinette ein vortrefflich schön gemaltes Missale aufgehoben wird, zu dessen Ende man an einem Altare die Worte liest: Julius Clovius Monumenta hæc Alexandro Farnesio Domino suo faciebat M. D. X L. VI. Von dieses Clovius Arbeiten ist schon bey der Nachricht von der vaticanischen Bibliothek Erwähnung geschehen. Rand rechts: Mignaturgemälde vom Clovius. Es sind aber sowohl selbige als die hiesigen Figuren von dem P. Ramelli, der vor kurzer Zeit noch lebte, erneuert und retouchiret worden.

Was die theatralische und perspectivische Malerey anlangt, so haben sie anitzt an Pietro Righino zu Parma einen vortrefflichen Meister. Rand rechts: Maler Righino.

Der Marstall des Herzogs ist in verschiedene Gebäude vertheilet, in deren Nachbarschaft man auch die Staatskutschen von alten und neuern Zeiten verwahret. Rand rechts: Marstall. Viele darunter sind gar kostbar.

Der Herzog Rainulius der erste hat außer der Universität, so im Jahre 1599 angeleget worden, auch im Jahre 1601 eine Akademie für den Adel gestiftet, in welcher junge Leute ohne Unterschied der Jahre aufgenommen, und sowohl in Grammatica, in humanioribus, Rhetorica, Philosophia, Mathematica, Geographia, Historia, Theologia, Jure Civili, Feudali und Canonico, als auch in der deutschen, französischen und spanischen Sprache, in der Musik, Malerkunst, Fortification, im Tanzen, Fechten, Voltigiren und Reiten unterwiesen werden. Rand rechts: Anstalten der Academia dei Nobili. Die Aufsicht darüber ist den Jesuiten anvertrauet, und zahlet eine Person für die freye Tafel, Logiment, Wäsche, Licht, Aufwartung und gewöhnliche Information jährlich ungefähr hundert Filippi, deren jeder neun und einen halben Paoli gilt. Zur Reitschule giebt der Herzog beständig etliche und zwanzig meistentheils schon abgerichtete Pferde aus seinem Marstalle her, und bedenket man nur den Stallmeister monatlich mit einem Geschenke von einem Ducatone oder Scudo. Die Ausgabe bey einem jeden andern exercitio, desgleichen bey der Malerey, Fortification etc. beläuft sich monatlich etwan auf vier Paoli, und die Trankgelder, Zuschuß zur Kapelle, Herbstergötzungen, Komödien und Carnavalslustbarkeiten jährlich auf vier Ducatoni.

Die ordentlichen Lectionen sind Vormittags von drittehalben und Nachmittags von eben so vielen Stunden. Gedachte junge Leute werden in Camerate oder Gesellschaften von zehn bis dreyzehn Personen vertheilet. Jede Camerata hatihren Diener und einen besondern Aufseher oder Priester. Sie gehen zusammen aus und haben vor ihren Kammern einen großen gemeinschaftlichen Vorplatz. Anitzt befinden sich hundert und dreyßig Edelleute, Baronen und Grafen in diesem Collegio; es können aber zwey hundert und funfzig darinnen aufgenommen werden. Man sieht hiebey nicht auf den Unterschied der Nation; in Ansehung des Adels aber wird erfodert, daß solcher des malthesischen Ordens fähig sey. In der Stadt gehen sie stets schwarz gekleidet; auf der Jagd aber und in den Herbstferien sind ste an keine Farbe gebunden. Derjenige, so sich am besten hält, führet den Namen vom Principe, genießt von den andern einige Ehrerbiethung, und trägt eine Medaille an einem rothen und blauen mit Silber eingefaßten Bande über der Brust.

In dem Collegio haben sie zwey artig eingerichtete Theatra, auf deren einem sie selbst jährlich etliche Stücke, sonderlich in der Carnavalszeit vorstellen, auf dem andern aber bisweilen Komödianten agiren lassen. Die Herbstferien bringen sie auf einem Landschlosse des Herzogs unter guter Aufsicht mit Fischen, Jagen und anderm unschuldigen Zeitvertreibe zu,[1001] wobey jedoch auch das Studiren nicht gänzlich auf die Seite gesetzt wird. Der Herzog und die Vornehmsten der Stadt geben ihre Kutschen und Pferde her, um sie dahin zu bringen, und nach verflossener Zeit werden sie auf gleiche Art wieder zurück geholet.

In der Domkirche bewundert man die vom Corregio gemalte Cuppola, so die Himmelfahrt der h. Mariä vorstellet, und an welcher man die Erfindung, den zarten Pinsel und trefflichen Coloris nicht genug zu rühmen weis. Rand links: Domkirche. Cuppola vom Corregio. Die Kupferstiche davon werden zu Rom von Lorenzo Filippo de' Rossi für drittehalb Scudi verkauft, und führen den Titel: La Cupola di Parma, cioè la Vergine assunta in gloria con cori d'Angeli e Santi fra le nubi e splendori celesti, gli Apostoli, i Santi Dottori cogli altri Angeli e Putti con candelieri e odori, disegnata e intagliata in acqua forte da Giov. Battista Vanni, libro in XV. fogli reali ed imperiali.

In dem weitläuftigen unterirdischen Gewölbe dieser Kirche bemerket man das prächtige Grabmaal des B. Bernardo degli Uberti, eines Florentiners und Bischofs von Parma. Rand links: Grabmaal Bern. degli Uberti. Vor der Kirche sieht man, wie vor vielen andern der hiesigen Gegenden, verschiedene Statuen von Löwen, worauf sonst die Seulen des Vorhofes geruhet. Rand links: Taufkapelle. Das Baptisterium oder die besondere Kapelle, worinnen die Taufe verrichtet wird, ist nahe beym Dome, achteckig, hoch, geräumig und fast wie das Battisterio zu Pisa. Das Taufgefäß ist aus einem einzigen Stücke von weißem Marmor verfertigt und das Geländer herum aus gelbem Marmor. In dieser Kapelle befinden sich verschiedene alte Gemälde, die hoch geachtet werden.

Nahe beym Dome liegt die Kirche di S. Giovanni, welche eine gute Facciata, eine mit Bildhauerarbeit und Verguldungen gezierte Tribuna und zwo schöne einander gegenüber stehende Orgeln hat. Rand links: Kirche St. Giovanni. Die Cuppola war gleichfalls, wie in der Domkirche, vom Eorregio gemalet und die h. Maria, wie sie von Gott dem Vater und dem Sohne gekrönet wird, daran vorgestellet. Nachdem aber die Benedictinermönche, als Herren dieser Kirche, für gut befunden, ihr Chor zu erweitern, so wurde diese Cuppola abgebrochen, zuvor aber von Annibal und Agostino Caracci Copien der daran befindlichen Malerey genommen, nach welchen hernach Cesar Aretusi die heutige Cuppola wieder gemalet hat. Gedachte von den zween Caracci verfertigte Copien werden im herzoglichen Pallaste aufgehoben. Corregio arbeitete am Originale vom Jahre 1520 bis 15242.

Die Himmelfahrt oder Assumption der h. Mariä auf dem Hauptaltare ist vom Parmeggiano, dessen eigentlicher Namen Francesco (oder wie etliche wollen Giacomo) Mazzuoli heißt, wobey er von seinem Vetter Girolamo Mazzuoli, der auch ein geschickter Maler war, wohl unterscheiden ist. Rand links: Eigentlicher Namen des Malers Parmeggiano. Sein Unglück. Den Francesco oder Parmeggiano hat, nach Vassari Berichte, die Begierde zur Goldmacherey von seiner Hauptwissenschaft abgezogen und endlich um Reputation. Zufriedenheit und Leben gebracht.

Obgedachter Hauptaltar ist isolé und aus Lazulistein, Achat und vielerley kostbarem Marmor zusammen gesetzt. Die Stühle des Chores haben schöne eingelegte Holzarbeit. In der Capella della Madonna finden sich zwey Originalgemälde vom Corregio, und neben an die Copien seiner Notte und Madonna, die in dem herzoglichen Pallaste zu Modena gezeiget werden.

In der Kirche del Sepolcro findet man gleich beym Eingange rechter Hand in einer Kapelle die h. Mariam mit ihrem Kinde und Joseph. Rand links: Kirche del Sepolcro. Gegenüber ist Joseph, wie er Mariam zur Flucht nach Aegypten aufmuntert, abgebildet. Beyde Stücke sind vom Corregio gemalet.[1002]

Von chen diesem Meister ist in der Kirche S. Antonio l'Abbate ein treffliches Stück, auf welchem der h. Hieronymus und Maria mit ihrem Kinde, so von der h. Maria Magdalena angebethet wird, zu sehen ist. Rand rechts: S. Antonio l'Abbate.

Die Kirche Madonna della Steccata hat eine schöne Architectur und vier vom Parmeggiano à fresco gemalte kleine Cuppolen aufzuweisen. Rand rechts:Madonna della Steccata.

Die fürstlichen Personen aus dem Hause Farnese haben in der Kapuzinerkirche ihre Begräbnisse. Rand rechts: Kapuzinerkirche. Unter dem Bogen oder Gewölbe, woselbst der Sarg des berühmten Kriegeshelden Alexandri Farnesii liegt, liest man: Rand rechts: Epitaphium Alexanders Farnesius.


Pro partis Victoriis in Belgio clarus,

Pro Christianis virtutibus in cœlo clarior,

Et Serenissima ejus Uxor Maria Lusitana,

Quomodo in vita sua dilexerunt se,

Ita et in morte non sunt separati.

Hæc ambos urna capit;

Et quos pietas fecerat similes,

Sepulchrum facit æquales.

Obiit Ille anno MDXCII. Hæc autem M. D. LXXVII.


Ueber dem Grabe zeigen sich auf dem Fußboden der Kirche gleich bey der Thüre die Worte:


D. O. M.

Alexander Farnesius

Belgis devictis

Francisque obsidione levatis

Ut

Humili hoc loco

Ejus cadaver reponeretur

Mandavit

III. Non. Decemb. MDXCII.

Et

Ut secum Mariæ Lusitanæ

Conjugis optimæ ossa

Jungerentur illius

Testamentum secutus

Annuit.


Man findet hier auch gute Gemälde vom Guercino, Annibal Caracci und Agostino Caracci, welcher letztere in dieser Kirche begraben liegt.

Des Herzogs von Parma jährliche Einkünfte werden auf fünf bis sechsmal hundert tausend Scudi geschätzet, wozu die Salzwerke allein nach Abzug aller Unkosten über funfzig tausend Scudi geben. Rand rechts: Einkünfte des Herzogs, Salzwerke. Diese befinden sich zu Salso, vier und zwanzig italienische Meilen von Parma, und bestehen aus zwölf Brunnen, die gesalzenes Wasser haben, und deren jeder zwey hundertbracci oder Ellen tief ist. Das daraus kommende Wasser verdunstet oder evaporiret in großen Kesseln so lange, bis man merket, daß es anfängt sich zu coaguliren oder in Salz zu setzen, alsdann vermischt man es mit Ochsen- und etlicher anderer Thiere Blute, welches angefangen hat, faul zu werden, kochet es zusammen ungefähr eine Stunde[1003] langund schäumet es fleißig ab. Rand rechts: Wozu hiebey Blut gebraucht wird. Auf diese Art bekömmt man ein reines und weißes Salz. Die Vermischung des Bluts hatte ich zu Halle in Sachsen und an etlichen andern Orten Deutschlandes bemerket, aber nicht geglaubt, daß sie auch in mehrern Thrilen von Europa gebräuchlich wäre; wie man denn zu Lüneburg und in andern Salzwerken nichts davon weis. Man giebt zwar vor, dieSalia volatilia, womit das Blut der Thiere angefüllet sey, reinige das salzige Quellwasser und präcipitire die particulas heterogeneas; allein man kann diesen Endzweck auch ohne Blut und auf viele andere Weisen erreichen.

Zu Lisignano zwölf italienische Meilen von Parma sind zween mineralische Gesundbrunnen. Rand links: Gesundbrunnen.

An vielen Orten des parmesanischen Gebiethes sammlet man Petroleum, theils ohne Zusatz von Wasser, wie zu Miano und Vizzole, theils auf dem Wasser schwimmend, wie zu Ozzono, St. Andrea, Fornovo, Rubiano, Lisiguano, Torre, Saffo und Calestano geschieht. Rand links: Petroleum.

Bey Bardi findet man in den Gips- und Kreidenadern sechseckigte Krystalle, auch sonst hier und da einige Petrefacta. Rand links: Krystalle.

Die Güte des Parmesankäses, der durch ganz Europa verführet wird, kömmt von der herrlichen Weyde, die sonderlich um Piacenza anzutreffen ist. Rand links: Parmesankäse. Die daselbst befindlichen Wiesen können den ganzen Sommer über durch Stämmung etlicher in den Po fließenden Bäche, so oft und lange man will, gewässert werden, und führen diese Bäche eine Art von dünnem Schlamme oder Fette mit sich, so den Feldern, über welche sie sich ergießen, zur Dünge dienet. Bey diesen Umständen geben die Kühe so viel Milch, daß derjenige, so funfzig Kühe unterhält, in der guten Jahreszeit täglich einen fetten Käse von hundert Pfunden machen kann. Nur wenige Meilen von obgedachtem Striche Landes gerathen sie nicht mehr so wohl3, und der recht fette Grund oder Boden erstrecket sich nicht über zehn italienische Meilen in der Länge. Gleichwie aber in Deutschland eine große Menge Holländerkäse verkaufet werden, welche niemals in Holland gewesen, sondern in Holstein und Meklenburg gemacher worden: also geht es auch mit dem Parmesankäse, unter dessen Namen viele tausend, die um Lodi, Trino, Bologna etc. gemacht sind, verkauft werden. Absonderlich haben die Einwohner um Lodi im Mayländischen eines gleichen Vortheils in Wässerung ihrer Wiesen zu genießen, daher sie solche auch vier bis fünfmal im Jahre mähen können. Man hat dreyerley Gattungen von Parmesankäse: 1) Formaggio di Forma, welcher gemeiniglich zween Palmi im Diameter und ungefähr acht Zoll in der Dicke hat; 2) Formaggio di Robiole und 3) Formaggio di Robiollni. Wegen der Farbe nimmt man bisweilen Safran dazu, und ist ein einziges Loth genug, um hundert Käsen von der ersten Gattung die verlangte gelbe Farbe zu geben. Am besten ist der Parmesankäse, wenn er drey bis vier Jahre alt, und im Schneiden unter dem Messer so zu reden voneinander fällt. Bey Vianino gegen das apenninische Gebirge machet man auch treffliche Schafkäse.

Von Parma bis Piacenza sind zwey und dreyßig bis vier und dreyßig italienische Meilen. Fünf Meilen von der ersten Stadt kömmt man vermittelst einer Fähre über den[1004] Fluß Taro und bald darauf an das zur Linken der Straße liegende Castello Guelfo, so noch in baulichem Wesen crhalten wird. Rand rechts:Castello Guelfo und Cast. Gibellino. Nicht weit davon ist dasCastello Gibellino. Beyde Schlösser haben ihre Namen denen zwoen Factionen, durch welche Deutschland und Italien laage Zeit in Zerrüttung gesetzet worden, zu danken4.

Borgo S. Donnino, woselbst man die Post wechselt, ist zwar ein bischöflicher Sitz, dabey aber ein gar schlechter Ort. Rand rechts: Borgo S. Donnino. In seiner Gegend wachsen viele Trüffeln. Der Weg ist beständig gut und angenehm, wie er von Faenza und Bologna angefangen hat, zwischen ebenen und geraden Alleen, zu deren beyden Seiten die Felder mit fruchtbaren Bäumen uno Weinstöcken reihenweise besetzt sind. Rand rechts: Schönheit der hiesigen Gegenden. Absonderlich haben die Gegenden von Reggio (davon schon oben gemeloet worden) und Piacenza noch etwas zum voraus, und vermeynet man nicht anders, als in wohlangelegten Obstgärten zu reisen.

In einem so schönen Lande hat es nicht mangeln können, daß nicht die Clerisey gesucht haben sollte, fette Pfründen und reiche Stiftungen an sich zu bringen, wie man denn versichert, daß unter denen acht und zwanzigtausend Einwohnern, welche man in der Stadt Piacenza zu seyn glaubet, zweytausend Mönche, Nonnen und andere geistliche Personen sind. Rand rechts: Menge der Geistlichen in Piacenza. Jährlich fängt allhier den 15 April ein großer Markt an, der vierzehn Tage währet, und für den besten von ganz Italien gehalten wird, ob er gleich mit vielen deutschen Messen und Jahrmärkten in keine Vergleichung kommen kann. Rand rechts: Jährlicher Markt. Die Kramladen nehmen einen weitläuftigen Platz bey dem Schlosse ein, und sind in ordentliche Gänge vertheilet, über welche Leinwand gespannet ist, dergestalt, daß man vor Regen und Sonnenschein darunter gesichert ist. Das Sehenswürdigste von Piacenza war dieses mal die Opera, worinnen sich drey der berühmtesten Stimmen von Italien, nämlich Carlo Broschi detto Farinelli, Giovanni Carestini und Francesca Cuzzoni Sandoni hören ließen. Rand rechts: Opera. Ein Platz im Parterre kostete sieben Paoli; das unbequemste aber war, daß die Opera erst des Abends um zehn Uhr (nach deutscher Rechnung) anfing, und bis gegen vier Uhr des Morgens währete. Der Herzog von Parma war selbst mit seiner Gemahlinn und einer zahlreichen Hofstaat gegenwärtig. Rand rechts: Von dem itzigen Herzoge von Parma. Von Person ist er ein sehr dicker Herr, der sich sonst mit Reiten und Jagen viele Mühe wiewohl vergeblich gegeben hat, um zu verhindern, daß er nicht allzu fett werden möchte. Anitzt hindert ihn seine allzu große Dicke an starker Bewegung, und bringt er die meiste Zeit mit Gesprächen und Lesen zu5. Gegen die Frcmden erwies er insbesondere viele Gütigkeit, und ließ währender Opera viele vor sich in seine Loge kommen. Seine Gemahlinn ist eine Prinzeßinn von Modena, mit welcher er sehr wohl lebet, und fehlet der Ehe nichts als ein männlicher Erbe6. Der Hof hält sich meistentheils zu Parma auf, weil man die Luft daselbst für gesunder als zu Piacenza hält; es ist auch der herzogliche Pallast alldorten viel besser und bequemer als an dem letztgenannten Orte.

Auf dem Platze vor dem Pretorio oder Stadthause sind zwo große Statuæ Equestres aus bronzo, und an jedem ihrer steinernen piedestaux zwey bas-reliefs aus bronzo mit einer doppelten Inscription in Metall zu sehen. Rand rechts: Statua Equestris Alexandri Farnesii. Die eine Statue, so am besten ins Auge fällt, stellt den Herzog Alexander Farnesius vor; die bas-reliefs bilden die Belagerung von Antwerpen[1005] und den Entsatz der Stadt Paris ab, mit folgender Inscription, welche man zweymal daran gesetzet hat:


Alexandro Farnesio

Placentiæ, Parmæ etc. Duci III.

S. R. E.

Gonfalonerio perpetuo

Belgis devictis Belgico,

Gallis obsidione levatis Gallico,

Placentia Civitas

Ob amplissima accepta beneficia,

Ob Placentinum nomen

Sui nominis gloria

Ad ultimas usque gentes

Propagatum

Invicto Domino suo

Equestri hac statua

Sempiternum voluit extare monimentum.


Unter der andern Statue, die Rainutio dem ersten zu Ehren aufgerichtet worden, liest man: Rand links: Rainuntius der erste.


Rainutio Farnesio

Placentiæ, Parmæ etc. Duci IIII.

S. R. E. Confalonerio7 perpetuo

Custodi justitiæ,

Cultori æquitatis

Ob

Opisices allectos,

Populum auctum,

Patriam illustratam,

Placentia Civitas

Principi Optimo

Equestrem Statuam

D. D.


Man sieht sowohl aus diesen Inscriptionen, als sonst auch, daß die Placentiner sich den Parmesanern vorsetzen, wie ehemals die Schottländer in dem Titel ihrer Könige, die zugleich in England regierten, zu thun pflegten. Rand links: Streit zwischen Piacenza und Parma.

Das Castell von Piacenza ist schlecht befestiget, auch die Stadt in keinem Defensionsstande. Der Po ist fünf bis sechshundert Schritte von derselben entfernet, und verdienet die ganze Gegend, wegen welcher die Stadt mit allem Rechte den Namen, so sie führet, behaupten kann, von einem der hohen Thürme der Stadt in Augenschein genommen zu werden.

Die Hauptstraße, Stradone genannt, ist fünf und zwanzig gemeine Schritte breit, dreytausend Fuß in gerader Linie lang, und fehlet ihr nichts, als daß sie mit bessern Häusern bebauet seyn möchte. Rand links: Stradone.[1006]

In der Kirche St. Sixti, so den Benedictinern gehört, sieht man ein treffliches Gemälde, auf welchem Raphael d'Urbino die heil. Mariam mit St. Sixto und St. Barba vorgestellet hat. Rand rechts: Kirche St. Sixti. Im Chore sind die Stühle mit eingelegter Holzarbeit gezieret, und zwo schöne Orgeln stehen einander gegenüber. An der einen Seite des Hauptaltares meldet eine in Marmor gehauene Nachricht, daßEngilberga Augusta Hludovici Germ. Reg. F. Hludovici Pii Aug. Neptis, Karoli M. Aug. Proneptis, Hludovici II. Aug. Conjux diese Kirche gestiftet habe. Ben diesem Altare zeiget sich ein großes Grabmonument aus weißem und schwarzem Marmor, woran zween weiße Löwen, zwo weibliche und zwo männliche Statuen, alle von weißem Marmor, nebst dem österreichischen und farnesischen Wapen sich befinden. Rand rechts: Grabmaal Margarethä Austriacä. An dem Werke selbst ist keine Inscription zu lesen, vermuthlich aber ist es der Margarethæ Austriacæ, einer Gemahlinn des Herzogs Octavius Farnese und Mutter des berühmten Helden Alexanders Farnese, zu Ehren aufgerichtet, von welcher nahe dabey linker Hand (wenn man das Gesichte nach dem Hauptaltare richtet) folgende Worte handeln:


Margaretæ Austriacæ

Karoli V. Aug. F.

Octavii Farn. Plac. & Parm. Ducis IL

Uxori

Alexandri Max. Ducis III. Matri

Rainutil Ducis IV. Aviæ

Majoribus, Viro & Sobole felicissimæ

Rarissimi exempli fœminæ

Rebusque in Belgio gestis

Insigni

Quod in Samnio decedens ossa sua

In hanc ædem transferri jussit

Quodque eidem pretiosam suppellectilem

Et cœnobio in pios usus pecuniam

Legavit

Abbas & Monachi pos.

M DC XVII.


Diese Margaretha war eine natürliche Tochter des Kaisers Karl des fünften, die in ihrem vierzehnten Jahre an den ersten Herzog von Florenz, Alexandrum de Medicis, der gleichfalls ein natürlicher Sohn Laurentii de Medicis, Herzogs zu Urbino, oder wie andere wollen, des Pabstes Clemens des siebenten war, verheirathet, nach dessen bald darauf erfolgter Ermordung aber im Jahre 1538 nach Parma vermählet wurde, da ihr zweyter Mann noch nicht vierzehn, sie aber erst sechszehn Jahre alt war. Rand rechts: Nachrichten von ihr. Nach Karls des fünften Tode wurde ihr im Jahre 1559 die Statthalterschaft der gesammten Niederlande aufgetragen, welche sie acht Jahre lang mit vielem Lobe der Gerechtigkeit geführet, und würden vermuthlich die spanischen Händel in solchen Landen besser, als geschehen ist, abgelaufen seyn, wenn man ihren Anschlägen mehreres Gehör hätte geben wollen. Sie that es an Stärke vielen Mannspersonen vor, und soll auch einen männlichen Bart gehabt haben. Ihr Ende erfolgte im Jahre 1586 zu Ortona im Neapolitanischen, worauf die obgedachte Inscription zu deuten ist, wenn sie meldet, Margaretha sey in Samnio gestorben.[1007]

Die Kirche S. Augustini hat fünf naves oder Galerien und Vertheilungen ihres Gewölbes, viele Stuccaturarbeit, und in der Sacristey die Kreuzigung Christi schön in Holz geschnitten. Rand links: KircheS. Augustini.

S. Maria in Campagna ist eine der schönsten Kirchen der Stadt, und sieht man darinnen viele Gemälde von Georgione, Paolo Veronese, Alexandro Tiarini und Pordenone. Rand links: S. Maria in Campagna.

S. Sabino ist mit einer schönen Orgel versehen. Rand links: S. Sabino. Bey Gelegenheit eines Festes wurde vor etlichen Tagen diese Kirche mit dem reichen Silbergeräthe, welches sie besitzt, geschmücket, da denn auf der Mitte des Hauptaltares eine Pyramide mit großen silbernen Schüsseln besetzet war, nicht anders als wie man die buffets oder Schenktische zu zieren pflegt.

Im Fürstenthum Piacenza sind verschiedene Salzwerke. Man sammlet und raffiniret auch vielen Vitriol. Rand links: Salzwerke. Vitriol. Eisen. Gegen das apenninische Gebirge hat man etliche Eisenhütten angelegt, auch etwas Kupfer zu machen angefangen.

Unter den Petrefactis dieses Landes sind die Dentales vor andern schön und wenig beschädiget. Rand links: Petrefacta.

Fußnoten

1 PLIN. Hist, Nat. lib. XXXVII, p. m. 701.


2 RICHARDSONTraité de la Peinture & de la Sculpture, Tom. III, p. 660, sq.


3 BOCCONEl. c. Obs. XXXVI.


4 Von dem Ursprunge der Guelfen und Gibellinen haben die Italiener allerhand lächerliche Erdichtungen auf die Bahn gebracht. Man besehe SIGON. de regn. Ital. c. 13. PHILIPP. BERGAM. ad a. 1234. RITHEM. chron. Hirsaug. ad a. 1140. Der wahre Ursprung dieser Benennungen ist in das Jahr 1140 zu setzen, da sich die streitenden Parteyen des Herzog Guelphus und Conradus in der Schlacht bey Wiesberg durcheinige Losungsworte: Hye Welff und Hye Gibelingen von einander unterschieden hatten. Siehe Andr. PRESBYTER. chron. Bavar. p. 25. ADLZREITER annal. Boi. P. I, l. 21 und ECCARDde usu & præst. stud. etymol. §. 5.


5 Die itzige Beschaffenheit der parmesanischen Staaten, welche einen Prinzen aus dem Hause Bourbon verehren, ist so bekannt, daß eine nähere Anzeige unnöthig scheint.


6 Der Herzog Antonius, welcher seinem Bruder Franciscus im Jahre 1727 in der Regierung gefolget hatte, starb den 20 Jan. 1731. Wie schlecht es mit der vorgegebenen Schwangerschaft seiner Witwe abgelaufen, ist bekannt genug.


7 So ist es in dieser andern Inscription geschrieben, anstatt daß es in der vorhergehenden Gonfalonerio heißt.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1008.
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