[1118] Fünf und siebenzigstes Schreiben.

Vom Ponte Rialto, dem Deutschen Hause, den vornehmsten Pallästen und Curiositätenkabinetten der Stadt, von der Insel Murano etc.

Il Ponte Rialto ist von Marmor, besteht aus einem einzigen Bogen, dessen basis neunzig Fuß hält, und ist durch den Baumeister Amonio dal Pome aufgeführet worden. Rand rechts: Il Ponte Rialto. Diese Brücke ruhet auf zwölftausend Pfählen von Ormen oder Ulmen, und hat der Republik zweymal hundert und funfzigtausend Ducaten gekostet. Seine obere Breite ist von sieben und dreyßig gemeinen Schritten, welche durch zwo Reihen von Buden gleichsam in drey Straßen, deren die mittelste die breiteste ist, getheilet wird. Auf jeder von den äußersten Seiten sind sechs und funfzig Stuffen zu steigen.

Der große Canal, über welchen diese Brücke geht, ist hier am schmalesten und nur vierzig Schritte breit. Rand rechts: Il Canale maggiore. Seine Länge ist von dreyzehnhundert Schritten, und sind längst desselben die besten Häuser zu sehen.

Nahe beym Ponte Rialto ist sowohl die Börse als die Banco. Diese gehöret dem Staate, und bekömmt man keine Zinsen von seinen Capitalien. Rand rechts: Die Banco und Börse. Die Kaufleute haben ihre Gelder darinnen stehen, theils wegen der Sicherheit, theils damit sie im Handel und Wandel solche leicht können umschreiben lassen.

Il Fontico dei Tedeschi oder das Deutsche Haus ist gleichfalls in dieser Nachbarschaft, und die Niederlage oder das Magazin aller Kaufmannswaaren, so aus Deutschland kommen oder dahin abgehen. Rand rechts: Das Deutsche Haus. Die Gesellschaft der deutschen Kaufleute, so daran Theil nehmen, besteht itzt aus acht und zwanzig Handlungen oder Häusern; und obgleich das Gebäude dem Staate zusteht, so können jedoch sie und ihre Factore, wenn beyde unverheirathet sind, darinnen wohnen. Man zählet bey fünfhundert Kammern darinnen. Georgion hat die Façade, so nach dem großen Canal geht, gemalt, und Titiano die andere nach der Straße. Die Sonne, Luft, Wind und Regen haben diesen Gemälden gar vieles von ihrer Schönheit benommen. Rand rechts: Gemälde. In den Zimmern sind noch andere Gemälde vom Titiano, Paolo Veronese, Giov. Contarini, und Tintoret zu sehen.

Die Liebhaber der Malerey finden in Venedig zwo Akademien derselben, worinnen sich die Anfänger in Abzeichnungen nackender Personen beyderley Geschlechts üben. Rand rechts: Malerakademien. Die vornehmsten Gemälde der Stadt hat MarcoBORGHINI in seinem Werke Le Minere della pittura beschrieben.

Ich füge hiebey noch, daß allhier die beste blaue Farbe, so den Namen von Ultramarin führet, verfertiget werde. Rand rechts: Ultramarinfabriken. Man nimmt hiezu Lazulistein, obgleich nicht von der besten und orientalischen Art, sondern wie er auch an etlichen Orten von Italien gefunden wird.

Die Häuser in Venedig haben niedrige und flache Ziegeldächer. Rand rechts: Dächer der Hauser. In den meisten Zimmern ist ein rothes Estrich von pulverisirtem Marmor und Backsteinen, welche mit Oele angemachet sind, und einen sowohl schönen als auch dauerhaften Fußboden hervorbringen. Rand rechts: Estrich.[1119]

Unter den Privatpallästen ist der von Grimaldi, theils wegen des Gebäudes, theils wegen der darinnen enthaltenen Merkwürdigkeiten und Antiquitäten, einer der vornehmsten. Rand links: Palazzo di Grimaldi. Mabillon hat in seinem Diario Ital. desselben weitläuftig gedacht, und Sansovinus ein besonderes Buch davon geschrieben.

An dem Canale Maggiore ist des Pesaro Pallast einer von den besten. Rand links: Pal. di Pesaro, Die Quaderstücke des untersten Stockwerkes sind als geschliffene Diamanten gehauen, und oben herum geben ihm die vielen Seulen eine nicht geringe Zierde.

Nicht weit von S. Maria Zobenigo läßt anitzt Pisani ein schönes weitläuftiges Gebäude aufführen. Rand links: Pisani, In dem Hofe stehen etliche Brustbilder und Statuen, unter welchen letzten diejenige, so eine Weibsperson, deren Haupt gleichsam mit einer zarten weißen Decke verhüllet ist, vorstellet, überaus wohl gerathen, indem es nicht anders läßt, als wenn man ihr Gesicht durch solchen Flor sehen könnte.

In dem Pallaste Grimani bemerket man unter andern ein bustum mit der Unterschrift: Rand links:Grimani.


Bono Deo Brotonti


von welchem Joh. Antonius Astorius in Venedig ein gelehrtes Schreiben an den Apostolus Zenus hat abgehen lassen. Rand links: Vom Deo Brontonte, Tarano etc. Daß Brontonti für Brotonti zu lesen sey, ist außer Zweifel, und treffen damit überein die Inscriptionen beym GRVTEROpag. XVII:


Jovi. Sancto. Brontonti.

Aur. Poplius


und pag. XXXIV.


Deo. Soli. invicto. Mithre

Fl. Septimius. Zosimus. V. P.

Sacerdus. Dei. Brontontis.


(coll. pag. CXXX, n. 6. it: XXXVI, n. II.)

Es ist aber allem Vermuthen nach Deus Brontons kein anderer als Jupiter Tonans oder Jupiter Fulminans, wie dieser genennt wird in einem Monument beym GRVTEROp. XXI, n. 3; bey eben diesem Autor kömmt Deus Fulguratus p. cit. n. 3. und Deus Fulgerator n. 4 vor. Ich ziehe dahin auch den Jovem Optimum Maximum Saranicum, dessen eine im Dorfe Mombach unweit Mainz gefundene Inscription gedenket, (GRVTER. p. XXII, 13). Saran und Taran scheinen einerley zu bedeuten; das letzte Wort aber heißt in der celtischen Sprache so viel als Donner, und hat davon auch die Benennung des deutschen und mitternächtischen Abgottes Thor, der in den vornehmsten Stücken mit dem Jupiter der Griechen und Römer verglichen werden kann1, seinen Ursprung. Tharamis kömmt beym LVCANO vor2, und auf einem in Dalmatien gefundenen Steine liest Joh. Lucius (in Inscript. Dalmat.):[1120]

Jovi. O. M.

Taranuco

Arria Successa

V. S.


Ich tragekein Bedenken gleichfalls aus dem Namen Taran oder Donner dasjenige Monument zu erläutern, welches zu Chester im Jahre 1653 ausgegraben und unter den oxsordischen Alterthümern bisher aufgehoben worden, als worauf man liest:


I. O. M. TANARO

T. ELVPIVS. GALER

PRAESENS GVN † A

PRI. LEG. XX. V. V.

COMMODO. ET

LATERANO

COSS.

V. S. L. M.


Ich gebe diese Inscription, wie sie vom Humphrid Prideaux abgeschrieben worden: denn weil der Stein wegen seiner Schwere unter freyem Himmel allem Regen und schlimmen Wetter unterworfen gestanden; so sind die Buchstaben solchergestalt verloschen, daß ich schon im Jahre 1715 nichts mehr als XX. V. in der vierten Zeile herausbringen konnte.

Es möchte zwar ein vom Boissard publicirtes Monument, welches Brontontem als einen jungen Mann ohne Bart und mit einer Leyer vorstellt, jemanden auf die Muthmaßung bringen, alsgleiche dieser Bonus Deus mehr dem Apollo, als dem Jupiter. Allein der Jupiter zeiget sich nicht jederzeit mit einem Barte in seinen Statuen. Die Leyer, so ohne Seyten im gedachten Monument des Boissard zu sehen ist und auf einer Kugel oder auf einem Kessel ruhet, kann überhaupt (nach des berühmten MONTFAVCON Erklärung Ant. expl. T. I, l. 2, c. 3.) auf den Schall des Donners zielen, und in der InscriptioneGRVTERIp. XXXVI, n. 11 wird Bonus Deus Brontons deutlich vom Apollo unterschieden.

In den Pallästen des Savorniano, Nani, Morosini, Lorendano und Vandramini sind die Zimmer und Gemälde gut. Des Sagredo berühmte Galerie konnte itziger Zeit niemand zu sehen bekommen, weil etwas darinnen gebauet wurde. Rand rechts: Galerie des Sagredo. Sie besteht aber vornehmlich aus Naturalien, Antiquitäten und sonderbaren meist fremden Waffen.

Giov. Domenico Tiepolo besitzt gleichfalls ein kostbares und wohleingerichtetes Kabinet, was sonderlich die Münzen anlanget. Rand rechts: Kabinet des Tiepolo.

Bey dem Nobile Capello findet sich eine kupferne Tafel, welche einen Theil der Fastorum Consularium in sich hält, und vom Nicolo Bon mit gelehrten Anmerkungen erläutert ist. Rand rechts: Capello. Ferner sind vorhanden vierzehn erhaben geschnittene Edelgesteine, so das Leben Christi vorstellen, viele Intagliati, Holzarbeit, Naturalien und andere sehenswürdige Dinge.[1121]

Weil der Eigenthumsherr wegen Absterben seines Vaters Antonio Capello in Trauer war, so fand ich im Saale alle Gemälde umgekehrt, dergestalt, daß man nichts davon sehen konnte.

Liebhaber von Medaillen und alten Münzen finden solche beym itztgedachten D. Bon, ben den Patritiis Ruzzini am Canale Regio, Correr in Riva di Biaggio (welcher auch ein kostbares Werk von seinen Medaglioni in Druck gegeben hat), Corner in Casse della Regina, und bey Barbaro in den Procuratie vecchie. Rand links: Medaillenkabinette.

Was die Naturalia, Mineralia, Fossilia und Petrefacta anlanget, so besitzt davon der Apotheker Joh. Jakob Zannichelli einen unvergleichlichen Vorrath, welchen ihm sein Vater Joh. Jerem. Zannichelli, der den 11 Jan. 1729 gestorben, hinterlassen hat. Rand links: Mineralien u. bey Zannichelli. Dieser Johann Jeremias ist insbesondere durch die erfundene Zubereitung des Nivis ferri, wozu ihm ein Franzose S. Hilaire, Anlaß gegeben, berühmt worden. Besagter Eisenschnee ist von schöner weißer Farbe in weiße und glänzende Fäden, als wenn sie vom feinesten Silberwären, vertheilet, und wird bey verschiedenen Zufällen, insbesondere aber wider die Gonorrhée, als eine nützliche Arzeney gebrauchet. Rand links: Eisenschnee. Es soll dieses eigentlich die Quintessenz oder die reineste Substanz des Eisens seyn, welches Metall nach denen vielen Untersuchungen, so Zannichelli damit angestellet, aus etwas wenigem Quecksilber, einer ziemlichen Menge Schwefels und vielem Salze bestehen soll. Nix Martis wird aus Feilstaube zubereitet, indem dieser oft mit Antimonio dissolviret und gereiniget wird, bis er genugsam sublimiret und bey gelindem Feuer sich krystallisiret. Der Erfinder hat im Jahre 1713 und 1719 zu Venedig eine besondere Schrift de ferro ejusque Nivis præparatione heraus gegeben.

Unter den Petrefactis der Zannichellischen Sammlung befinden sich auch zween Gaumen oder oberste Rachen von großen Fischen, ein fliegender Fisch, einTauroporus, Lapis numismalis und andere besondere Stücke. Es sind ferner einige Artefacta hiebey in Acht zu nehmen, insbesondere ein treffliches bas-relief auf einem Cylinder aus Elfenbeine.

Unter den venetianischen kostbaren Sammlungen von Gemälden würde ich diejenige, welche der Feldmarschall, Graf von Schulemburg, seit etlichen Jahren angeleget hat, oben angesetzet haben, wenn zu vermuthen stünde, daß dieselbe lange Zeit oder beständig in dieser Stadt bleiben könnte. Rand links: Gemälde des Grafen von Schulemburg. Etliche Stücke vom Castiglione verdienen vor andern betrachtet zu werden, nebst der letzten Belagerung und den neuen Befestigungswerken von Corfu, welche nicht nur in Gemälden vorgestellet, sondern auch in Holz modellirt vorhanden sind. Rand links: Importanz der Insel Corfu. Corfu ist den Venetianern nicht nur als eine Vormauer von äußerster Wichtigkeit3, sondern auch wegen der Salzwerke sehr vortheilhaftig, indem die von Chiosa (einer nicht weit von dem Einflusse der Brenta nuova und zwanzig italienische Meilen von Venedig liegenden Insel und Stadt) und von der Insel Corfu jährlich über fünf Millionen Lire eintragen. In der Festung Corfu liegen anitzt beständig vier tausend Mann zur Besatzung, und nachdem der Graf von Schulemburg sie mit vielen ganz neuen Befestigungswerken versehen, kann sie mit allem Rechte unter die stärksten Plätze von Europa gezählet werden. Die Venetianer erkennen gar wohl, was für wichtige Dienste ihnen itztgedachter General durch die Erhaltung solcher Insel erwiesen, und haben sie ihm dannenhero die Ehre wiederfahren[1122] lassen, deren sich außer dem Morosini keiner ihrer Feldherren zu rühmen hat, nämlich, daß sie ihm bey Leibzeiten eine Statue aufrichten lassen. Rand rechts: Statue so dem Grafen von Schulemburg aufgerichtet worden. Es steht diese auf dem großen Platze der Stadt Corfu und bildet den Grafen von Schulemburg in mehr als Lebensgröße und in römischer Kleidung mit einem Commandostabe in der Hand ab. An dem Fußgestelle, welches sowohl als die Statue von weißem Marmor ist, liest man die Worte:


Matthiæ

Comiti Sculemburgio

Summo terrestrium copiarum

Præfecto

Christianæ Reipublicæ

In Corcyræ obsidione

Laborantis

Fortissimo Assertori

Adhuc viventi

Senatus

Anno

M. DCC. XVI.

Die XII. Mens. Sept


Etliche Jahre, nachdem dieses Denkmaal aufgerichtet worden, fügte es sich, daß ein nicht weit davon gelegenes Pulvermagazin durch den Blitz entzündet und durch dessen gewaltigen Schlag viele in dieser Nachbarschaft stehende geistliche und weltliche Gebäude sehr beschädiget wurden, wobey aber das Schulemburgische Monument nicht das geringste erlitte. Dieses, und daß die Alten geglaubt, der Blitz treffe kein mit Lorberzweigen (die auch Zeichen des Sieges waren) gekröntes Haupt4, gab Gelegenheit zu dem sinnreichen Einfalle, daß man unten am Piedestal dieser Seule die Worte noch eingraben ließ: Rand rechts: Sinnreicher Zusatz an der Inscription.


Intacta fulmine laurus.


Ich übersende hiebey meinem Herrn die Abzeichnung dieser Statue, wie sie auch in des Grafen von Schulemburg Behausung aus weißem Marmor in Kleinem zu sehen ist, und erinnere ich nur dabey, daß sein Gesicht viel freundlicher ist, als man es in der Statue ausgedrücket hat. Die Einkünfte, welche er alsGenerale di Sbarco von der Republik hat, belaufen sich in Friedenszeiten auf dreyßig tausend Thaler, währenden Krieges aber stiegen sie aufachtzig tausend Thaler. Rand rechts: Einkünfte dieses Generals etc. Wenn er etwas in Kriegessachen anzubringen oder der Staat etwas an ihn desfalls gelangen zu lassen hat, so geschieht solches schriftlich. Die Venetianer sind sehr mistrauisch in Ansehung des Umganges ihrer Nobili und hohen Bedienten mit auswärtigen Gesandten, der Graf von Schulemburg aber hat sich gleich vom Anfange her nicht genau daran binden lassen, und giebt er einem ankommenden Ambassadeur die erste Visite. Rand rechts: Sein Umgang mit Fremden. Indessen ist seit einiger Zeit der Umgang mit ihnen nicht gar groß, weil der Generalfeldmarschall, wenn er von Terra ferma zurück kömmt, von ihnen den ersten Besuch verlanget, welchen sie ihm zu geben verweigern.[1123]

Uebrigens verdienen noch drey in Nürnberg auf ihn geprägte Medaillen angeführet zu werden, deren die erste auf der einen Seite des Feldmarschalls Brustbild vorstellet mit der Umschrift: Rand links: Medaillen, so ihm zu Ehren gepräget worden.


Matth. Joh. S. R. I. Com. de Schulenburg Ser. Reip. Ven. Marech. Gen. Corcyræ Propugnator.


Auf dem Reverse ist das gräfliche Schulemburgische Wapen zu sehen mit der Umschrift:


Ab ipso ducit opes animumque ferro.

HORAT.l. 4, c. 4.


Die andere Medaille hat das Brustbild und die Umschrift mit der ersten überein, auf der andern Seite aber zeiget sich der Plan und die Belagerung der Insel Corfu nebst den Worten:


Auspiciis Venetum virtus Germana tuetur.


In der Exergue liest man:


Corcyram

D. XXII. Aug. A. MDCCVI.


Das dritte Schaustück ist auf der einen Seite mit einem Lorberkränze gezieret, welcher die obangeführte Schrift, welche an der in Corfu aufgerichteten Ehrenseule eingegraben ist, in sich fasset. Auf der andern Seite fällt die Statue selbst und in dem Prospect die Insel Corfu in das Gesicht mit der Umschrift:


Semper honos nomenque tuum laudesque manebunt.


Die Insel Murano, so nur eine kleine Meile von Venedig entfernet ist, hat ihren eigenen Magistrat, und, wie man vorgiebt, achtzehn tausend Einwohner. Rand links: Insel Murano.

Die schönen Spiegel und andere künstliche Glasarbeit, welche allhier verfertiget werden, haben ihren Namen auch anderwärts berühmt gemacht. Rand links: Spiegelfabriken. Indessen ist der Handel damit um ein großes gefallen, nachdem man auch in andern Ländern gute Glasfabriken angelegt, welche es den venetianischen (weil in Murano die Spiegel nur geblasen, an andern Orten aber gegossen werden) an Größe weit zuvor thun. Das venetianische Glas ist sehr rein und geschmeidig, daher es sich leicht schmelzen und besser als anderes zu künstlicher Arbeit verbrauchen läßt. Ihre besten Kieselsteine, Cuogoli genannt, so zu Pulver gestoßen und mit seiner Asche vermischet werden, kommen aus dem Po-Flusse undgeben an der weißen Farbe dem Alabaster nichts nach. Man machet hier gar keine Schwierigkeiten, den Fremden alles und so lange sie es wollen, in Augenschein nehmen zu lassen, anstatt daß man in Paris öfters umsonst anfragen muß.

Ueber dieses Mistrauen der Franzosen man hat sich desto mehr zu verwundern, da in Parisdie in der Picardie gegossene Spiegel nur poliret und mit Quecksilber belegtwerden, und hingegen die dresdenische Polirmühle, welche wegen ihrer künstlichen und vortheilhaften Einrichtung der parisischen Fabrike um vieles vorzuziehen ist, ohne Bedenken einem jeden gezeiget wird. Rand links: Vergleichung mit dem parisischen und dresdenischen. Wenn zu Murano ein großer Klumpe von der feurigen Glasmasse, so viel es möglich ist, aufgeblasen worden, schwinget man ihn so lange, bis ein langer Cylinder daraus wird, welcher vermittelst eines unten hinein gestochenen Loches ganz hohl und hernach auf einer flachen Schaufel aufgeschnitten wird, also, daß ein ebenes und ausgearbeitetes Stück herauskömmt, welches sich in dem Ofen noch mehr ausbreitet, etlichemal beschnitten und hernach in den Kühlofen gebracht wird. Diese ganze Arbeit erfodert nur sechs bis sieben Minuten, währender welcher der Spiegel zehn bis zwölf mal ins Feuer kömmt.[1124]

Die Franzosen haben die Kunst, das Glaß zu gießen, erfunden, da sie es anfänglich wie die Venetianer zu blasen pflegten. Ich glaube wohl, daß durch die letzte Art und die im Schwingen mit unterlaufende Bewegung das Glas reiner gemacht, auch die zarten Luftbläschen besser herausgebracht werden; allein die Lunge eines Menschen ist nicht zulänglich, mit Blasen dasjenige in der Größe auszurichten, was durch den Guß erhalten wird, da man in Frankreich die Spiegel auf eine Höhe von hundert und fünf Zollen gebracht, anstatt man sich bey dem Blasen mit einer Höhe von etwan funfzig Zollen begnügen lassen muß. Dieses machet auch die venetianischen Spiegel, welche ein wenig groß sind, außerordentlich theuer, anstatt daß itziger Zeit der Preis vom Spiegelglase in Paris gar wohlfeil ist und z. E. ein Spiegel, der vierzehn Zolle hoch und zwölf Zolle breit ist, nur für sechs Livres aus der ersten Hand verkaufet wird. Die übrigen Preise steigen zu Paris in folgender Proportion, daß ein Spiegel der


hoch ist breitLivres


20 Zolle und16 Zolle, kostet15

25 Zolle und20 Zolle, kostet27

30 Zolle und24 Zolle, kostet52

35 Zolle und26 Zolle, kostet100

40 Zolle und30 Zolle, kostet150

45 Zolle und33 Zolle, kostet200

50 Zolle und35 Zolle, kostet255

55 Zolle und38 Zolle, kostet325

60 Zolle und40 Zolle, kostet400

65 Zolle und43 Zolle, kostet510

70 Zolle und45 Zolle, kostet620

75 Zolle und48 Zolle, kostet780

80 Zolle und50 Zolle, kostet1000

85 Zolle und53 Zolle, kostet1515

90 Zolle und55 Zolle, kostet2000

95 Zolle und58 Zolle, kostet2520

100 Zolle und60 Zolle, kostet3000


Die Polirfabrike in der Rüe S. Antoine zu Paris ist unter dem Staatsminister Colbert im Jahre 1666 angerichtet worden, und arbeiten bey vierhundert Men schen dar, innen. Die Gießung der Spiegel wird zu Cherbourg und St. Gobin verrichtet. Ehe, mals nahmen die Franzosen alle ihre Spiegel von Venedig, diese Zeiten aber sind vorbey, und hat man auch in England, Sachsen, zu Berlin und im Herzogthume Würtemberg die Spiegel. und Glasfabriken zu einer großen Vollkommenheit gebracht.

Man verfertiget zu Murano unter andern auch eine Menge gläserner, kleiner undhohler Röhren (dergleichen man zu Thermometris brauchet) von verschiedenen Farben und werden daraus in Venedig die so genannte Margaritini oder gläserne Corallen, so dem gemeinen Weibsvolke zum Zierrathe um die Hand oder den Hals dienen, gemacht. Rand rechts: Zubereitung der Margaritini. Die großen brauchet man zu Rosenkränzen. Diese Arbeit geht mit vieler Geschwindigkeit von statten, und nimmt der Meister eine ganze Hand voll solcher langen Röhrchen, welche er nahe hinter einander mit einem Eisen abstößt. Diese kurzen Cylindri werden mit Asche gemischet und in einer eisernen Pfanne über das Feuer gebracht, da dann die spitzigen Ende[1125] anfangen zu schmelzen, und vermittelst des Herumrührens (so mit einem eisernen Stabe geschieht) ihre Rundung zu bekommen, ohne daß man sie so lange über der Hitze läßt, daß die Höhlung, wodurch der Faden gezogen werden muß, gänzlich zusammenlaufe und in eines schmelze.

Bey S. Francesco di Vigna sind etliche Gassen mit Leuten, welche die itztgedachten Margaritini machen und auf Fäden ziehen, besetzet.

Die Glasmeister von Murano geben sich für Edelleute aus; weil der König in Frankreich Heinrich der dritte, als er ihre Arbeit mit Vergnügen angesehen, sie und ihre Nachkommen in den adelichen Stand erhoben haben soll. Rand rechts: Vorrechte der Glasmeister von Murano. Sie werden auch in Venedig nicht als Handwerksleute oder Personen von der untersten Classe des Volkes, sondern als Cittadini angesehen, und erscheinen bey dem Himmelfahrtsfeste mit drey wohl ausgezierten Gondoln.

Ehemals war auf dieser Insel der Pallast von Trevisano sehenswürdig; es ist aber solcher nun sehr eingegangen. Rand rechts: Pallast von Trevisano; von Cornaro. In dem Cornarischen Pallaste findet sich eine Galerie von Gemälden, welche allerdings ihr Lob verdienet; allein insgemein viel höhere Gedanken, als mit der That übereinkommen, erwecket, wenn man höret, daß diese Galerie eine italienische Meile lang seyn soll. Es ist zwar wahr, daß außer den Zimmern des untersten Stockwerkes, aus denen man in die Galerie geht, und welche mit guten Gemälden gezieret sind, man noch neun hundert und vier und achtzig gemeiner Schritte zu machen hat, ehe man zum Ende der Galerie und wieder an den ersten Ort, wo man angefangen hat, gelanget: Es kömmt also auch die Zahl von tausend Schritten heraus, wenn man deren nur hundert und sechszehn auf die Länge der Zimmer rechnet, und den obigen neun hundert und vier und achtzig Schritten beyfüget. Rand rechts: Länge einer Galerie von einer italienischen Weile. Allein diese so genannte Galerie ist gar ungleich und an vielen Orten nichts anders als ein schmaler Gang, welcher in einer Krümme und vielen Winkeln um den Garten geht. Es ist auch leicht zu erachten, daß unter denen gar vielen Gemälden, die zu Auszierung dieser großen Länge gehören, manche schlechte Stücke mit durchlaufen müssen. Uebrigens sind in diesem Bezirke auch nicht wenige marmorne Statuen und Brustbilder anzutreffen.

Unter denen funfzehn Kirchen, die auf der Insel Murano gefunden werden, ist die von St. Peter, so den Dominicanern gehöret, die vornehmste. Rand rechts: Dominicanerkirche. Die Abnehmung des Heilandes vom Kreuze auf dem Hauptaltare ist ein berühmtes Stück vom Gioseppo Salviati, und nahe dabey die Hochzeit zu Cana, gegenüber aber ein erst im Jahre 1721 verfertigtes großes und schönes Gemälde, so die Speisung der fünf tausend Mann abbildet, zu sehen.

In der Kirche St. Bernhardi, bey welcher ein Nonnenkloster gestiftet ist, sind gute Gemälde vom Falange und Petrelli. In einer Kapelle ist der todte Leichnam Christi in Gesellschaft der h. Maria und etlicher anderer Personen vorgestellt, zu deren Füßen das gemeine Volk durch das Gitter vieles Kupfergeld wirst5.

Die den heiligen Engeln gewidmete Kirche hat gleichfalls merkwürdige Gemälde vom Giov. Belin, Paris Bordone und andern. Rand rechts: SS. Angeli. Die Verkündigung Mariä auf[1126] dem Hauptaltare ist vom Pordenone, und die vier Engel unter den Orgeln vom Paolo Veronese.

Die Juden, welche ehedem in der vonihnen Giudeca oder Zueca benannten Gegend meistentheils gewohnet hatten, sind nun in ein besonderes Quartier beym Canale Regio verwiesen. Rand rechts: Judenquartier. Sie müssen sich vermittelst eines rothen Zeichens, das sie auf dem Hute tragen, von den Christen unterscheiden. Ihre Anzahl erstrecket sich auf funfzehnhundert.

Fußnoten

1 Diese Vergleichung hat von undenklichen Zeiten her den meisten Beyfall gefunden. Man lese CLVVER. Germ. antiqu. l. I, c. 26. LÖSCHER. litter. Celt. thes. XII, p. 25. WORM. fast. Dan. l. I, p. 85.SCHEFFER. Vpsal. antiqu. c. 6. ARNKIELCimbr. gentil. l. I, c. to. Joachim Wieland aber in seiner Abhandlung de Thoro, Hafn. 1769,4. will die größte Aehnlichkeit zwischen dem Mars der Römer und dem Thor der Celten bemerket haben. Und es ist wahr, daß dem Thor einige Eigenschaften beygeleget werden, die dem Gott des Krieges ähnlich sehen. Es ist aber auch nicht zu leugnen, daß man in den finstern Zeiten des Alterthums nicht alles so genau nehmen müsse. Den Namen Thor leitet Rudbek nicht von tharan, sondern von thöras her, Atlant. tom. I, c. 29: Quod Thori nomen attinet, Jovi a nostris impositum, ei originem præbuit thöras audere, quod in negotiis arduis & difficilibus plerumque locum habet.


2 Der Dichter besinget die unmenschlichen Menschenopfer der Celten, Pharsal. l. 1:


– quibus immitis placatur sanguine diro

Teutates, horrensque feris altaribus Hesus,

Et Tharamis Scythicæ non mitior ara Dianæ.


3 Die Alterthümer der Insel Corfu hat der ehemalige Erzbischof derselben, der Herr Kardinal Quirini, in seinen primordiis Corcyræ, Lecci 1725 und Brescia 1738, 4. am ausführlichsten heschrieben.


4 PLIN. Hist. Nat. Lib. XV, c. 30: Tiberium principem tonante cælo coronari ea (lauro) solitum ferunt contra fulninun metus. Auf diesen obgleich irrigen Wahn der Alten zielet auch die Erfindung einer artigen Medaille, so auf den Tod des großen Turenne gepräget und in dem herzoglichen Sachsen-Gothaischen Münzschatze zu finden ist. Die eine Seite derselben stellt des Turenne Brustbild vor, die andere aber einen mit Lorberkränzen behängten Baum, in welchen der Blitz schlägt. Die Ueberschrift ist:


Non lauri mille tuentur.


5 Wie die heydnischen Römer die kleinen kupfernen Münzen nicht nur zum Almosen, sondern auch zur Verehrung ihrer Götter gebraucht, sieht man aus SENECAde Benef. VII, 4: Omnia Deorum sunt: tamen & Diis posuimus donum & stipem jecimus. Insbesondere genos sen die Quellen und Flusse, so gewissen Gottheiten gewidmet waren. der Ehre, daß man Geld und kostbare Geschenke hinein warf, von welcher Gewohnheit itztgedachter SENECA zu verstehen ist, wenn er Quæst. Nat. IV, 2 von denen aus den Klippen und Felsen hervorbrechenden Quellen des Nils meldet: in hac ora stipem sacerdotes & aurea dona præfecti, cum solenne venit sacrum, jacinut; Welchen beyzufügen ist, was PLINIVSLib. VIII, Epist. 8 von der anderwärts schon beschriebenen heiligen Quelle des Clitumni schreibt: Fons purus & vitreus, ut numerare jactas stipes & relucentes calculos possis (CELLAR. ad h. l.).


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1127.
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