[1285] Fünf und achtzigstes Schreiben.

Reise von Wien nach Prag, nebst der Beschreibung dieser Stadt.

Mein Herr!


Von Wien bis Prag sind ein und zwanzig und eine halbe Posten; wenn man aber nicht mit der Post geht, so ist der Weg über Snoim, Iglau, Dzaslau etc. über vier Meilen näher. Rand rechts: Weg von Wien nach Prag. Znoim, oder wie es hier zu Lande ausgesprochen wird Snaim, ist zehn Meilen von Wien entfernet, und die erste Stadt der Markgrafschaft Mähren, welche man auf dieser Reise antrifft. Von Znoim bis Iglau sind acht Meilen in einem guten und fruchtbaren Lande, die einzige frostige Höhe von Klistan ausgenommen. Es rechnen etliche Scribenten in Mähren fünfhundert Städte und funfzehntausend Dörfer, wie der passauische Minister von Hornick in seinem Buche: Oesterreich über alles wann es nur will, anmerket, welcher eben daselbst dem Königreiche Böhmen siebenhundert Städte, vier und dreyssigtausend siebenhundert zwey und siebenzig Dörfer, und dem Herzogthume Schlesien vierhundert und eilf Städte, neun und zwanzigtausend Dörfer zuschreibt. Auf diesem Grunde beruhet einer von seinen politischen Ueberschlägen, welcher in der That irrig ist. Der Kanzler von Ludwig in Germania Principe, p. 401, geht noch weiter, indem er auf Mähren hundert und zehn Städte, vierhundert und zehn Flecken, fünfhundert Schlösser und dreyßigtausend dreyhundert neun und sechszig Dörfer rechnet. In den chursächsischen Landen wollte man ehemals achtzehntausend Dörfer zählen. Allein von allen dergleichen hohen Rechnungen der Einwohner eines Landes hat man nunmehro Ursache zurück zu kommen, nachdem der chursächsische geheime Rath Zech in seinem europäischen Herolde, ganz sicher und außer allen Zweifel erwiesen, daß in allen chur- und andern fürstlichen sächsischen Ländern der Albertinischen[1285] Linie (Laußniz mit eingeschlossen) nicht mehr als zweyhundert und fünf und zwanzig Städte und fünf tausend sechs hundert und fünf und achtzig Dörfer befindlich sind. Nun ist Mähren kaum einen dritten Theil so groß, als Sachsen, und daher ganz unbegreiflich, wie darinnen allein dreyßig tausend Dörfer seyn könnten. Das ganze Land begreift höchstens siebenzig bis achtzig Quadratmeilen, und würden nach gemeldter hohen Rechnung in jedem Bezirke einer solchen Meile etliche und dreyßig Dörfer liegen müssen, welches der Augenschein genugsam widerleget und eine pure Unmöglichkeit ist, zumal wenn man betrachtet, daß gar viele rauhe und fast gänzlich unbewohnte Gebirge in dieser Markgrafschaft, sonderlich in den Hradischen, Prerauischen, Olmüzischen und Brinnischen Kreisen anzutreffen sind. Ich habe mir die Mühe gegeben, die in acht Bogen bestehende neue geographische Karte, welche der Capitain Joh. Christoph Müller auf kaiserlichen Befehl von Mähren verfertiget, und Joh. Bapt. Homann zu Nürnberg gestochen hat, nachzusehen, da ich denn die Anzahl der mit Mauern umgebenen Städte in allen von neun und dreyßig gefunden, nämlich:


5 In dem Iglauischen Kreise.

4 In dem Snoimischen.

13 In dem Olmüzischen.

9 In dem Prerauischen.

6 Im Brinnischen und

2 In dem von Hradisch.


Ferner habe an Städtchen und Flecken gezählet in dem


Iglauischen Kreise20.

In dem Snoimischen33.

Im Brinnischen65.

Im Olmüzischen32.

Im Prerowischen23.

Im Hradischen27.


Welche in allen zwey hundert austragen.

Bey der Abzählung der Dörfer habe ich sogar die einzelnen Landhöfe, einzelne Kirchen, Kapellen und Wirthshäuser, welche in großer Menge sind, mitgenommen, und dennoch die Zahl nicht höher als auf zwey tausend vier hundert bringen können, nämlich


Im Iglauischen Kreise bey300.

Im Znoimischen300.

Im Brinnischen490.

Im Olmüzischen590.

Im Prerowischen400.

Im Hradischen300.


Henelius in seiner Silesiographia c. 7 versichert, daß in ganz Schlesien kaum viertausend siebenhundert ein und sechszig Dörfer wären, welche Rechnung Fibiger in den Anmerkungen bis auf sechstausend vergrößert; allein es ist kaum die erste Zahl glaublich, indem[1286] Sachsen um ein gutes Theil größer und volkreicher ist, als Schlesien. Rand links: Muthmassung von der Dörfer Anzahl in ganz Deutschland. Wenn man diese Anmerkung zusammen hält, möchte leicht der Schluß gefasset werden, daß in ganz Deutschland kaum hundert tausend Dörfer anzutreffen sind1.

Etliche Meilen vor Iglau liegt der Flecken Pirniz; so dem Grafen von Colalto gehört. Rand rechts: Pirniz. Das dasige Wirthshaus zum Adler ist ein großes Gebäude, das anfänglich für eine evangelischlutherische Kirche angeleget worden; allein ehe noch alles zu Stande gekommen, fand die römischkatholische Geistlichkeit Gelegenheit, die Sache zu hintertreiben. Rand rechts: Zustand der Protestanten dieser Gegenden. Die Paulanermönche brachten es an sich und wohnten darinnen, bis ihr auf der Höhe dieses Städtleins gelegenes und abgebranntes Kloster wieder schön erbauet worden, da sie denn dieses im Flecken stehende Haus als ein Wirthshaus vermietheten. Es giebt in Mähren noch viele evangelische Glaubensgenossen, die äußerlich den römischkatholischen Gottesdienst im Messe-hören und Niederknieen vor dem Venerabili mitmachen. Ihre Versammlungen halten sie geheim und trauen einander selbst nicht allzuwohl, weil es öfters Verräther giebt. Wenn sie das heil. Abendmahl halten wollen, gehen sie in die ungarische Nachbarschaft. Auch in hiesiger Gegend ist das Land rauh, und hat man nöthig, fast den ganzen Sommer einzuheizen. Rand rechts: Rauhe Gegend. Viele Arten von Kirschen wurden dieses Jahr erst im Anfange des Octobers reif. Zu Iglau ist eine starke Tuchmanufactur. Rand rechts: Tuchmanufacturen.

Pfauendorf ist der erste böhmische Ort, auf welchen man kömmt, und hat der Oberst-Hofkanzler, Graf von Sinzendorf, allhier einen Thiergarten, worinnen funfzig bis sechszig Hirsche unterhalten werden. Rand rechts: Pfauendorf Zu Deutschbrod wird die Bagage von den böhmischen Zollbedienten visitiret. Rand rechts: Deutschbrod. Ehe man nach dem schönen Flecken Jenkow kömmt, hat man eine treffliche Aussicht in die auf beyden Seiten gelegene niedrigen und weiten Ebenen, in welchen man mehr als funfzig bis siebenzig Dörfer und Flecken zählen kann. Rand rechts: Jenkow. Dzaslau liegt eine und eine halbe Meile weiter, und ist eine artige Stadt mit einem sehr großen viereckigten Marktplatze. Rand rechts: Dzaslau. Rand rechts: Ueberfluß der Victualien. Bis Oval (welcher Ort drey Meilen von Prag entfernet ist) bleibt der Weg uneben und bergicht. In den Wirthshäusern auf dieser Landstraße mangelt es an Lebensmitteln nicht, und fand ich zu Dzasian Enten, Kapaunen, Fasanen, Rebhühner und Hafen; die Nachtlager aber sind nicht bequem, und muß man gemeiniglich auf der Erde über ausgebreitetem Strohe und mit einem Kopfküssen fürlieb nehmen. In den Bauerhäusern ist hinter dem Ofen ein angemauerter Platz, worauf man vermittelst einer kleinen steinernen Treppe als einer Hühnersteige kömmt, und dienet solcher den Einwohnern zum warmen Nachtlager. Rand rechts: Nachtlager auf dem Ofen.

Böhmen ist mit Flecken und Dörfern wohl bebauet. Wenn man in Deutschland die Verwunderung eines Menschen über eine rare und unbekannte Sache ausdrücken will, sagt man: sie komme ihm wie böhmische Dörfer vor. Rand rechts: Redensart von böhmischen Dörfern. Den Ursprung dieses Sprüchwortes weis ich nicht eigentlich zu sagen2. Vielleicht aber hat man in den Zeiten des Hussitenkrieges in Deutschland so viele außerordentliche Sachen von Böhmen, als einem fremden Lande erzählet, daß man hernach alle Abentheuer mit dem böhmischen Lande verglichen. Vielleicht ist gedachte Redensart auch aufgekommen, als im obgedachten verderblichen Kriege das Land dergestalt verbrannt und verwüstet worden, daß hernach ein böhmisches Dorf eine rare und gleichsam ungewöhnliche Sache war.[1287]

Der böhmische Dialectus ist etwas härter, als der benachbarten Völker, die sich der slavatischen Sprache bedienen, indem diese mehr die Consonantes, und sonderlich das L in Vocales verwandeln. Vieles vornehme Frauenzimmer gewöhnet sich einen Mischmasch von der böhmischen und deutschen Sprache an.Rand links: Sprache.

Die Landstände des Königreichs Böhmen haben über vier und zwanzigtausend Gulden angewendet, um eine gute geographische Karte von ihrem Lande zu haben. Rand links: Landkarte von Böhmen. Solche ist von dem kaiserlichen Ingenieurhauptmann, Johann Christoph Müller verfertiget, und im Jahre 1720 zu Augspurg von Michael Kaufer in fünf und zwanzig Bogen (welche nach Anleitung der zugleich herausgegebenen Generalkarte, die nur einen Bogen ausmachet, zusammen gesetzet werden können) in Kupfer gestochen worden. Das ganze Werk kostet unilluminirt dreyzehn Gulden.

Böhmen pranget mit vielen Edelgesteinen, deren etliche den orientalischen an der Güte gar nahe kommen. Die vornehmsten sind Granat, Jaspis, Krystall, Amethyst, Topas, Sapphir, Hiacynth, Smaragd, Rubin, Beryll, Türkis, Chalcedon, Sardonyx, Chrysopras, Carfunkel, Diamanten und Perlen. Rand links: Perlen. Von den letzten werden die besten bey Horasdoviz, desgleichen bey den Schlössern Rabi und Straconiz gesammlet. An der weißen Farbe übertreffen sie die orientalischen, diese aber fallen mehr in die Silberfarbe, da hingegen die böhmischen in ihrer Weiße der Milch mehr gleichen. Die böhmischen Magnete übertreffen an Güte viele andere, und sind hier wohlfeil zu haben. Rand links: Magnete.

Prag hat breitere Straßen, aber wenigere kostbare Palläste, als Wien. Die Brücke über die Mulda übertrifft an Länge die Regenspurgische und Dresdener, indem sie siebenhundert und zwey und vierzig gemeine Schritte hält. Rand links: Brücke. Ihre Breite ist von vierzehn solchen Schritten, und können drey Wagen einander ausweichen. Sie ruhet auf sechszehn Pfeilern, und ist auf den Seiten mit acht und zwanzig geistlichen Statuen, davon das Crucifix und der heil. Johann von Nepomuk von Metall, die übrigen aber von Stein sind, gezieret. Es fehlet zu keiner Zeit an Leuten, welche vor diesen Bildern knieend ihre Andacht verrichten, absonderlich aber geschieht solches häufig zur Mittags- und Abendzeit. Der h. Nepomuk, welchen der König Wenceslaus, weil er ihm der Königinn Beichte nicht offenbaren wollen, von dieser Brücke in das Wasser stürzen und auf solche Art hinrichten lassen, machet anitztin Böhmen fast alle andere Heilige vergessen, und ist gewiß, daß man ihm das meiste zugeschrieben haben würde, wenn es dem Höchsten gefallen hätte, Ihro Majestät die Kaiserinn mit einem männlichen Erben zu segnen. Rand links: Vom h. Nepomuk. Wenigstens wurde im Jahre 1724 bey der damaligen Schwangerschaft der Kaiserinn ein Kupferstich öffentlich verkauft, auf welchem dieser Heilige einen neugebohrnen Prinzen aus den Wolken hervorreichet, und die Worte zu lesen sind:


Seht doch der heilge Nepomuc

Macht hier ein treflich Meisterstuck.


Ob er gleich selbst von einer Brücke verunglücket, so ist er doch insbesondere der Beschützer derselben, und innerhalb wenig Jahren wird man in den österreichischen Erb- und andern benachbarten Landen, kaum eine einzige Brücke mehr zu Gesichte bekommen, auf welcher sein Bildniß nicht erscheine. Die solenne Erhebung dieses neuen Schutzgottes hat den[1288] Böhmen Geld genug gekostet. Es wurde solche schon unter Clemens dem eilften meist zur Richtigkeit gebracht, und sieht man daher auf einer im Jahre 1721 geprägten Medaille auf einem Tische zwischen dem Pabste und dem Königreiche Böhmen ein Mausoleum, mit der Ueberschrift: Rand rechts: Ihm zu Ehren geprägte Medaillen.


Vno Is CLeMent Is sVb sIDere fVLsIt In arIs..


und untenher liest man:


RoMæ In DVLta sanCtI VIrI festIVa

TransLatIone.


Auf der andern Seite liegt Nepomuk mit Sternen im Wasser umgeben, weil durch ihre wunderbare Erscheinung der Körper des Heiligen in der Mulda soll entdecket worden seyn. In eben solcher Gestalt, wird er auf dieser Münze auch von zween Engeln über der Prager-Brücke gehalten und mit einem Kranze gekrönet. Die Umschrift ist:


Sidere non uno Joannes fulsit in undis;


Die Ueberschrift:


InsIgnIs asyLVs persICLItantIbVs De sVa faMa.


Die wirkliche Vergötterung3 erfolgte erst im Jahre 1729. Die Ausdrückung, deren ich mich hier bediene, gründet sich auf die Medaille, welche bey dem päbstlichen Stempelschneider Hamerani zu Rom gepräget worden, und auf der einen Seite des Pabstes Benedict des dreyzehnten Brustbild und Namen, auf der andern aber den h. Nepomuk, welchem ein Engel eine Krone aufsetzet, vorstellet, mit der Um- und Unterschrift:


APOTHEOSIS IN LATER A N O

S. JOAN. NEPOM.

MDCCXXIX.


Das Leben und die Acta der Canonisation dieses Heiligen hat Antonius Paßi, Canonicus von Trident und Secretär der kaiserlichen Gesandtschaft zu Rom in den Druck gegeben und dem Kardinal Cienfuegos dediciret.

Die Jesuiten haben in der alten Stadt zu Prag eines der größten Collegiorum, welche ihr Orden besitzt, und geht ihm außer dem zu Goa und Lissabon keines vor. Rand rechts: Jesuitercollegium. Es sind beständig über zweyhundert und zehn Patres darinnen, und führet es von der Kirche S. Clementis den Namen des Collegii Clementini. Die Jesuiten haben noch in der Neustadt ein Collegium, und in der kleinen Stadt ein Profeßhaus, ein Convictorium und zwey Seminaria, also daß ihre Anzahl in Prag sich über dreyhundert erstrecket. Ihre Schulen haben großen Zulauf, und zählet man in den zwölf Classen des Collegii Clementini bey achtzehnhundert Studenten, in dem Profeßhause fünfhundert, und in dem Collegio auf der Neustadt vierhundert. Vor allen verdienet die Bibliothek des Collegii Clementini wegen ihres hellen und hohen Gewölbes, der wohl angebrachten Galerie und anderer Bequemlichkeiten gesehen zu werden. Rand rechts: Bibliothek. Ueber das seit acht Jahren angelegte Cubiculum Mathematicum hat der P. Klein anitzt die Aufsicht, und findet sich darinnen eine große Sphæra armillaris, so[1289] nach dem Systemate Tychonis de Brahe sich beweget und den Lauf des Himmels andeutet. Rand rechts: Cubiculum Mathematicum Von diesem Tycho ist auch ein großer Sextans vorhanden. Ferner zeigen sie ein Perpetuum mobile mit herumlaufenden Kugeln, allerley Uhrwerke, etliche Cameras obscuras und andere optische Künste. Man hat ihnen folgende artige Erfindung zu danken, daß vermittelst zweener hohlgeschliffenen Spiegel, welche in einer Weite von zwey und dreyßig Fuß von einander gegenüber stehen, Zunder und Pulver in dem foco des einen Spiegels sich entzündet, wenn in dem foco des andern nur eine glüende Kohle angeblasen wird. Rand links: Neue Art von Brennspiegeln. Die Spiegel sind parabolisch geschliffen, und hat Mr. du Fay im Jahre 1728 dieses Experiment in der Academie des Sciences zu Paris nachgemacht, auch behauptet, daß mit zween speculis Sphæricis eben diese Wirkung in einer noch größern Entfernung hervorgebracht werden könne. Auf dem Thurme des Collegii Clementini ist ein Observatorium, von welchem man eine schöne Aussicht über die Stadt hat. Rand links: Observatorium. Auf der Spitze hält der Atlas eine große und wohleingerichtete Sphæram armillarem. In der Kirche beym Trinhose ist das Grabmaal des Tychonis de Brahe, der in der Chymie, vornehmlich aber in der Astronomie einen unsterblichen Ruhm sich erworben hat, zu sehen. Rand links: Grabmaal Tychonis de Brahe. Ganz oben an demselben liest man in großen Buchstaben sein Symbolum:


ESSE POTIVS, QVAM HABERI.


Hierunter folgen die Worte:


Illustris ac Generosus Dominus Tycho de Brahe, Danus, Dominus in Knudstrup, arcis Uraniburgi in Insula Hellesponti Danici Huenna fundator, instrumentorum Astronomicorum, qualia nec ante sol vidit, ingeniosissimus idemque liberalissimus inventor et exstructor, antiquissima nobilitate clarus, sua auctior, animo quæcunque cœlo continentur immortali gloria complexus, Astronomorum omnis seculi longe princeps, totius Orbis commodo sumtibus immensis exactissimas intra minuta minutorumque partes triginta amplius annorum observationes mundo primus intulit; affixa sidera intra minutum ejusque semissem restituit; Hipparchi solius ab Orbe condito vel Diis improbos in octava duntaxat gradus parte conatus longissime antegressus, utriusque lunaris cursum exquisite restauravit, pro reliquis erraticis solidissimaTabularum Rudolphæarumfundamenta jecit, Mathematicorum peritis in veteratam Aristotelis et asseclarum doctrinam de sublunari Cometarum novorumque siderum situ, demonstrationibus invictis exemit novarum hypothesium Autor in Spagyricis et universa Philosophia admirandus. Evocatus ab invictissimo Romanorum Imperatore Rudolpho II. mira doctrinæ et candoris exempla dedit, ne frustra vixisse videretur. Immortalitatem etiam apud Antipodas scriptorum perennitate sibi comparavit planeque qualis esse, quam haberi maluit, nunc vita functus æternum vivit Ejus exuvias uxorisque triennio post defunctæ hæredes liberi sacro hoc loco composuerunt. Obiit IV. Kal. Nov. Anni Christiani Dionysiaci MDCI. ætatis suæ LV.


Besser herunter liest man an einem Gesimse:


Non fasces nec opes sola sceptra perennant.


Unter diesen Worten erscheint seine Statue en basrelief aus Marmor, und ist er in einem Kürasse mit einem großen Degen an der Seite, in einem Halskragen und mit einem Barte an den Oberlippen vorgestellt. Seine rechte Hand legt er auf eine Sphæram cœlestem, die über seinem Wapen steht, und liest man dabey die unverständlichen Worte: Proximi IIII. annates conclusi; zur Linken zeiget sich sein Helm, Um diesen Grabstein stehen die Worte:[1290] Anno Domini MDCIII. die XXIV. Oct. obiit illustris et generosus Dominus Tycho Brahe Sacræ Cæsareæ Majestatis Consiliarius, cujus ossa hic requiescunt. Dieses letzte Datum würde falsch seyn, wenn man es von seinem Tode verstehen wollte, und kann man es auf nichts anders, als auf die Zeit des aufgerichteten Grabmaals deuten, indem es außer allem Zweifel ist, daß Tycho den 4 November nov. stili oder den 24 October im Jahre 1601 gestorben, wie zu Ende der Hauptinscription erwähnet wird. Rand rechts: Jahr und Art seines Todes. Er war noch den 13 October v. st. bey dem Grafen von Rosemberg Abends zu Gaste. Ehe man an die Tafel gieng, vergaß er seiner sonst immer beobachteten Gewohnheit, nämlich der Blase Luft zu machen. Als demnach von der Gesellschaft stark getrunken wurde, und er sich lange des Aufstehens aus Furcht des Uebelstandes enthalten, merkte er endlich eine so starke Ausdähnung der Blase, daß er sich gezwungen fand, von der Tafel nach Hause zu eilen. Daselbst erängele sich die völlige retentio urinæ, die Schmerzen nahmen überhand, eine unruhige Nacht folgte der andern, bis er endlich den Verstand verlohr und vom Fieber dahin gerissen wurde. Er war gebohren zu Knudstorp in Schonen nicht weit von Helsingburg den 14 December st. v. im Jahre 1546, und brachte also sein Leben nicht völlig auf fünf und funfzig Jahre. Was einige vorgegeben, als hätten ihn etliche Hofleute aus Neid mit Gifte aus dem Wege geräumet, hat keinen Grund; eine lächerliche Fabel aber ist es, daß er aus Dännemark gegangen sey, weil er in seinem Horoscopio vorhergesehen, er würde im Wasser umkommen; was er nun mitten im fußfesten Lande zu vermeiden gewiß geglaubet hätte, habe er an des Kaiser Rudolphs des zweyten Tafel gefunden, indem ihm an derselben, weil er sich aufzustehen geschämet, die Blase gesprungen, und er also auch durch diesen seinen schnellen Tod einen Beweis abgeben müssen, wie vergeblich sich die Menschen bemühen, wenn sie durch die Sterne die ihnen bestimmte Todesart zu verändern gedächten. Nach Huetius Berichte gab eine geringe Sache Gelegenheit, daß Tycho bey dem Könige Christian dem vierten von Dännemark in Ungnade fiel, und hernach aus Hitze und Unwillen die ihm so sehr am Herzen liegenden Anstalten seines in der kleinen Insel Huen errichteten Observatorii zu Uranienburg und sein Vaterland verließ. Es hatte nämlich der damalige englische Abgesandte zu Koppenhagen eine schöne englische Dogge, welche sowohl der Obermarschall von Walchendorf, als Tycho de Brahe, der sie zur Wache seiner Uranienburg brauchen wollte, gern gehabt hätten. Der Gesandte wollte keinen dieser beyden Liebhaber beleidigen, und versprach, nach seiner Zurückkunft in England für jeden einen Hund zu senden. Dieses geschah; allein da die Hunde nicht von gleicher Schönheit waren, und eine neue Zwistigkeit über die Wahl entstund, entschied der König die Sache zum Vortheile des Walchendorf, welches dem Tycho, der ohnedem von einem hitzigen Gemüthe war, so empfindlich fiel, daß er sich nicht enthalten konnte, einige ungebührliche Reden wider den König, die vom Walchendorf treulich hinterbracht wurden, auszustoßen, und dadurch hernach zu mehrerer Weiterung Anlaß zu geben. Von dem Schlosse Uranienburg ist anitzt nichts mehr, als etliche halb verfallene Gewölber zu sehen. Die Nachläßigkeit der folgenden Besitzer, Wind, Regen und die alles verzehrende Zeit, haben das meiste ruiniret, und hiezu ist noch endlich gekommen, daß die Schweden, unter deren Bothmäßigkeit diese Insel gerathen, die noch übrigen Baumaterialien weggeführet und solche in dem benachbarten Schonen verbrauchet haben. Der Tag und das Jahr des Endes Tychonis ist in folgendem Disticho enthalten:


oCtobrIs VIsa est Vt LVX VICesIMa qVarta

AVLa sVbIt CœLI te generose Ty Cho.
[1291]

Es wundert mich übrigens, daß GASSENDVSin vita Tychonis de Brahe. nichts von seinem pragischen Grabmaale gedenket4.

Die Kreuzkirche, nahe bey den Jesuiten in der alten Stadt, ist artig gebauet, but viele marmorne Seulen, eine schöne Cuppola und gute Gemälde. Rand links: Kreuzkirche. In der Kirche auf dem Karlshofe ist eine scala sancta von rothem Marmor aus hiesigem Lande angelegt. An dem Hauptaltare findet sich gute Bildhauerarbeit in Holz; die Wände der Kirche sind ganz mit Gelübden bedecket, die theils in elenden Gemälden, theils in einer Menge garstiger alten Lumpen, Strümpfe, Röcke und dergleichen, so eine gar schlechte Zierde abgeben, bestehen.

Die Uhr an dem Rathhause der alten Stadt ist zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts von dem berühmten Astronomo, Hanuschio, Professore Matheseos bey der Universität, angegeben worden, und zeiget den Lauf der Sonne und des Mondes, die Monatstage, Finsternisse, Tag- und Nachtlänge etc. etc. es ist aber vieles daran nicht mehr in gehörigem Stande. Rand links: Künstliche Uhr am Rathhause.

Der Roßmarkt ist groß, und auf selbigem die Statua Equestris des Königes Wenceslaus zu sehen.

Die Domkirche St. Viti liegt auf dem Schloßberge und ist sehr reich sowohl an Heiligthümern als Kirchen- und Altarschmucke. Zum Behältnisse der erstern dienet nebst andern ein großes Kreuz von seinem ungarischen Golde, so zehntausend Ducaten schwer ist. Von der Kapelle des heil. Wenceslaus machet man insgemein eine solche Beschreibung, als wann die Wände aus nichts als Jaspis, Amethyst und Carniol bestünden; allein obgleich alles von vieler Kostbarkeit ist, so reichet es doch nicht völlig an den Pracht der Erzählung. Rand links: Kapelle St. Wenceslai. Nicht die ganze Wand, sondern nur große Theile davon, sind mit obgenannten Edelgesteinen von der Größe einer Faust und noch breiter, dabey aber ohne Ordnung bekleidet, und giebt ihrer Zusammenfügung nicht die Geschicklichkeit eines Künstlers, sondern allein der Werth des Goldes einen großen Preis. Das Grabmaal des h. Nepomuk hat gute Marmorarbeit, sowohl als das Monument Leopold Josephs, Grafen von Schlick; welcher im Jahre 1723 als kaiserlicher Geheimer Rath und Feldmarschall gestorben ist. Rand links: Grabmaal des h. Nepomuk.

In dem innern Schloßplatze steht über einem Brunnen die metallene Statue St. Georgii, welche im Jahre 1373 unter dem Kaiser Karl dem vierten gegossen worden, und nach der damaligen Zeit gar wohl gerathen ist. Rand links: Statue St. Georgius.

Der Prospect aus den königlichen Zimmern ist sehr angenehm, und der Saal, worinnen der Kaiser gespeiset hat, gut eingerichtet. Rand links: Prospect vom Schlosse Die Kunst- und Schatzkammer war anitzt nicht zu besehen, weil der Schatzmeister sich auf dem Lande aufhielt. Rand links: Kunstkammer. An Gemälden soll noch etwas gutes vorhanden seyn. Uebrigens ist bekannt, wie es ihr in der königsmarkischen Ueberrumpelung ergangen. Im Jahre 1723 haben Seine Kaiserl. Majestät die besten Sachen, so noch hier waren, mit nach Wien genommen.

Das Zimmer der böhmischen Hofkanzley, aus welchem im Jahre 1618 Wilhelm Herr von Slavata, oberster Landrichter und Kammerpräsident des Königreiches Böhmen, und[1292] Jaroslaus Herr von Martiniz, Hofmarschall und Burggraf zu Karlsstein, imgleichen Philipp Fabritius Platter, Secretär der böhmischen Kanzley, da sie hitziger, als den meisten andern versammleten böhmischen Herren gelegen war, das Interesse des Hauses Oesterreich behaupteten, herabgestürzet worden, dienet anitzt zur Statthalterey. Rand links: Herabstürzung dreyer kaiserlich gesinnter Herren 1618. Ob nun gleich diese drey Herren auf einen Misthaufen zu liegen gekommen, so ist doch sehr zu verwundern, daß ihr Fall von acht und zwanzig Prager Ellen, oder sechs Stockwerken hoch, ihnen keinen Schaden zugefüget, und der Secretär Fabritius mit einem überflüßigen Compliment sein unhöfliches Fallen über die zween andern entschuldigen können. Ich ließ die Thür zum Schloßgraben öffnen und stieg hin unter, um zu sehen, wie anitzt der Platz beschaffen sey, da ich denn unter dem einen Fenster, das sich nach der Stadt öffnet, in der Tiefe des Grabens und zwischen Dornen und Disteln ein in etwas verschüttetes Piedestal fand, auf welchem eine viereckigte hohe Pyramide, so sich mit einer Kugel und dem darauf gesetzten Kreuze endiget, ruhet. Auf der einen Seite des Piedestals ist das Slavatische Wapen, auf der andern MRA, auf der dritten 85. Schreiben(beyde diese Namen mit Stralen umgeben) eingegraben, und auf der dritten ist folgende Schrift zu lesen:


Anno Dni 1618 d. 23. Maji

Guilielmum Slavatam Baronem de Chlum

Et Koschenberg

Nobiles Hæretici

Quod eos quantum potuerat tenuisset,

Ne in Deum, Cæsarem et Regem suum furerent,

Neve Patriam et se ipsos perditum irent,

Tanquam frenetici Medicum adgressi

Ea rabie de Cancellaria huc egere præcipitem,

Ut proxime abfuerit a morte,

Et fane ab ea se tunc abfuisse

In causa tam gloriosa hodie doleret;

Nisi ilium sustineret spectaculum triumphorum,

Quos quotidie de perfidia reportat

Augusta Pietas Cæsaris Ferdinandi.


Etwan vier und zwanzig Fuß höher, als dieser Platz liegt, unter einem Fenster, das auf der andern Seite des Gemaches von der Stadt abwärts sich öffnet, bey einer Cloacke oder einem Abflusse, woselbst noch heut zu Tage Mist und Koth zu finden sind, steht eine dergleichen dreyeckigte Pyramide, auf deren zwoen Seiten die Namen Jesus und Maria, auf der dritten aber die Inscription zu lesen ist:
[1293]

Anno Domini 1618 die 23. Maji

Jaroslaus Borzita Baro a Martiniz

Quod erga DEUM et Cæsarem

Regemque suum fide esset major

Quam perfidia ferre posset

Ab Hæretica Nobilitate e regia

Cancellaria primus in hunc

Fossa locum velut in mortem certissimam deturbatus

Et tribus plumbeis globis est ictus.

Verum quos inclamaverat,

Jesus et Maria

Vere pro vehiculo illi

Et pro scuto fuerunt

Ita neque noxam sensit,

Et major a ruina surrexit.


In dem Schatze zu Loreto wird auch ein goldener mit vielen Rubinen gezierter Dreyangel gezeiget-worauf das Bildniß der Maria, wie solches von der heil. Dreyfaltigkeit gekrönet wird, in email oder Schmelzarbeit vorgestellet ist. Es ist dieses ein Geschenk, wodurch Slavata, Martiniz und Fabritius der Maria ihre Dankbarkeit für die wunderbare Erhaltung, die sie ihr vornehmlich zuschrieben, an den Tag haben legen wollen; es irren aber sowohl TVRSELLINVS (p. 417) als andere, die das heil. Haus von Loreto beschrieben haben, wenn sie den Grafen von Lobkowiz anstatt des Fabritius nennen.

Der weiße Thurm dienet zum Gefängnisse der böhmischen Standspersonen. Ehemals soll eine eiserne Maschine in Gestalt einer Weibsperson in einem Zimmer gewesen seyn, welche dem dahin gebrachten Missethäter entgegen gekommen, denselben umfasset und ihm mit ihren Armen die Brust zerquetschet. Es ist aber allhier nichts mehr davon zu sehen, und meynen einige, sie sey nach St. Peter, wo das Oberconsistorium gehalten wird, gebrachtweil sie ohnedem vornehmlich zu Abstrafung der von geistlichen Personen vollbrachten Verbrechen gebraucht worden.

Auf dem Schloßberge oder Ratshin liegt der gräfliche Czerninische Pallast, welcher zwar am Umfange dem auf der kleinen Seite liegenden Wallensteinischen Hause weicht, an Kostbarkeit des Gebäudes aber und Reichthume der Meublen an wenigen Orten seines Gleichen findet. Rand links: Czerninische Pallast. Man bauet beynahe hundert Jahre daran, und ist der Hauptsaal dennoch noch nicht fertig. Die mit den kostbarsten Schildereyen gezierte Galerie hat hundert und fünf und siebenzig gemeine Schritte in ihrer Länge. Die Treppe ist breit, hell und wohl gemalet. Mit Beschreibung der mancherley kostbaren Tapeten will ich mich nicht aufhalten, und dieses einzige nur melden, daß der Besitzer dieses Gebäudes, so jährlich dreymal hundert tausend Gulden Einkünfte hat, schon seit vielen Jahren keine Unkosten gescheuet, um diesem Pallaste eine vollkommene Schönheit zu geben. Rand links: Kapuzinerkirche. Gegenüber haben die PP. Kapuziner in einer Kirche das heilige Haus von Loreto sehr genau nachgemacht, auch sogar was die schwarzen raucherichten Wände des innersten Theils belangt. Rand links: Nachahmung des h. Hauses von Loreto. In den einzigen bas-reliefs der äußersten[1294] Seiten findet sich ein großer Unterschied, welche hier nur von Stuccaturarbeit und bey weitem nicht von der Feinigkeit, wie sie zu Loreto aus Marmor sind. Der Schatz, welchen man bey dieser Kapelle gesammlet hat, ist ungemein kostbar und beläuft sich auf viele Tonnen Goldes. Es befindet sich darunter ein Kelch, so aus tausend Cremnizer Ducaten verfertiget worden; eine Monstranz, woran etliche Perlen von der Größe einer Eichel, und in der Mitte eine in Gestalt eines Herzens fast von der Größe einer Wallnuß zu sehen sind. Rand rechts: Kostbare Monstranz. Eine andere Monstranz besteht aus sechstausend sechshundert sechs und sechszig Diamanten, welche eine Sonne vorstellen, dergestalt, daß mit denen in ihre Spitzen schießenden Stralen auch die Größe der Diamanten abnimmt. Für einen einzigen darunter befindlichen Stein sind fünf und zwanzigtausend Gulden gebothen worden, mit dem Versprechen, den Platz mit einem falschen Steine so künstlich zu ersetzen, daß man nicht den geringsten Unterschied vermerken sollte. Das ganze Werk hat zweymal hundert tausend Gulden gekostet, der Meister hat zehntausend Gulden Arbeitlohn bekommen, und zehn Jahre damit zugebracht. Ludmilla Eva Francisca von Collobrad hat sowohl diese als vorhererwähnte perlene Monstranz hieher gestiftet, um sich dadurch eine Stuffe in den Himmel und ein immerwährendes Andenken bey der Clerisey zu erwerben. Sie ist im Jahre 1695 gestorben, und ihr Portrait in Lebensgröße in dem Zimmer, worinnen dieser Schatz verwahret wird, zu sehen.

Auf dem einen Ende des Platzes vor dem Czerninischen Pallaste dienet eine steinerne Seule zur Erinnerung, daß daselbst die heydnische Herzoginn Drahomira, des h. Wenceslaus Mutter, im Jahre 939 von der Erde verschlungen worden sey5 Rand rechts: Andenken der Drahomira.. Die Fleischbänke auf der kleinen Seite sind deswegen merkwürdig, weil keine Schmeißfliege sich in selbigen jemals findet. Diese Eigenschaft schreiben etliche einem Zauberer, andere dem heil. Procopius zu. Die Kälte der itzigen Jahreszeit machet in diesem Stücke alle freye und offene Plätze einander gleich, und habe ich also auf die Wahrheit der Sache selbst nicht Acht haben können, welche ohnedem, sonderlich in einer großen Stadt, viele natürliche Ursachen haben kann und nicht gar rar ist. Auf der kleinen Seite bey dem Strohhose sieht man, wo im Jahre 1648 die Schweden unter dem Königsmark diesen Theil der Stadt Prag überrumpelt, da sie denn auch von der andern Seite sich Meister gemacht haben würden, wenn ihnen nicht noch zu rechter Zeit aus dem Thurme, der auf der Alt-Städter Seite der Prager-Brücke steht, Widerstand gethan worden. Rand rechts: Ueberrumpelung eines Theils der Stadt von den Schweden. Diesen vertheidigte anfänglich nur ein Jesuit P. Georg Placchi, nebst einem Magister, Czibis genannt, und dreyen Soldaten, bis mehrere Bürger und Studenten dazu kamen, und die Schweden zurück weichen mußten. Die Inscription, welche man zum Gedächtnisse dieser Sache mit goldenen Buchstaben an die eine Seite dieses Thurms setzen lassen, ist zwar zu hitzig wider die Schweden, übrigens aber nicht übel gerathen, und in folgenden Worten abgefasset: Rand rechts: Inscription.


Siste hic paulisper viator,

Sed lubens ac volens,

Ubi multa populatus tandem vel invitus

Sistere debuit

Gothorum et Vandaloram furor;[1295]

Et lege sculptum in marmore,

Quod in perpetuam Boëmorum omnium

Sed imprimis vetero-Pragensium

Memoriam

Anno Domini M DCXLVIII.

Mars Suecicus ferro ac igne in hac

Turre delineavit:

Hæc turris Gothici fuit ultima

meta furoris,

Sed fidei non est hæc ultima

meta Boemæ.

Potuissent idipsum cives Vetero-Pragenses

Tristi sanguine inscribere;

Nisi

Pax aurea

Ferdinandi III. Pietate et Justitia

In orbem Germanicum reducta

Pro sanguine aurum suppeditasset.


In dem abgelegenen Theile der Stadt, wo sonst das Schloß Wischerad gestanden, sieht man auf der halben Höhe eines Felsen eine alte Mauer mit drey Fenstern, als den Ueberrest eines Bades der Libussa, aus welchem sie nach genossener Luft ihre Liebhaber in die Mulda soll haben herabstürzen lassen.

In der Kirche St. Petri und Pauli auf dem Wischerad liegt eine hier in drey Stücke gebrochene marmorne Seule, welche der Teufel aus Unwillen so plump abgeladen, daß sie zerbrochen. Rand links: Kirche St. Petri und Pauli. Die Ursache seines Zorns war, daß er ein wenig zu spät mit seiner Ladung angekommen, als ein Priester dieser Kirche sich ihm mit dieser Bedingung ergeben hatte, daß der Teufel währender Zeit, da der Pfaff eine Messe lesen würde, eine Seule aus der Kirche von S. Maria in Trastevere zu Rom hieher bringen sollte. Rand links: Seule, die der Teufel aus Rom hergebracht. Diese Fabel ist etliche mal in hiesiger Kirche abgemalt, und wird von dem meisten Theile der Einwohner so fest geglaubet, daß es vergeblich wäre, sich in einen Streit mit ihnen einzulassen, zumal da nicht geleugnet werden kann, daß in obgedachter römischen Kirche auf der einen Seite ein Pfeiler weniger als auf der andern zu finden sey. Indessen versichere ich, daß zwischen den Seulen der beyden Kirchen ein großer Unterschied sich eräuge. Die einzelne Seule auf dem Wischerad ist kaum die Hälfte so dick, von weißerer Farbe und etwas höher, als die Seulen der Kirche S. Mariæ in Trastevere sind. Es ist aber dieses nicht das einzige lächerliche Wahrzeichen, womit die Wischerader-Kirche pranget, sondern man sieht auch unter dem Altare des h. Longinus (der die Seite des gekreuzigten Heilandes eröffnet haben soll) einen großen steinernen Sarg, worauf als in einem Kahne gemeldter Heilige die Mulda herunter geschwommen6. Rand links: St. Longinus steinernes Schiff. Wer dieses[1296] glaubt, wird den Russen wenig entgegen zu setzen haben, wenn sie behaupten, daß St. Nikolaus, um zu ihnen zu kommen, die See und den Sund auf einem Mühlsteine paßiret sey. Rand rechts: St. Nicolai und Herkuls Seereise. Olaus Rudbeck hat in seiner Atlantide Herkuls Reise in einem Becher oder σκύφω viel artiger zu erklären gewußt, indem er vorgiebt, man habe aus Unwissenheit der deutschen Sprache das Wort Schiff für das griechische, so einen Becher bedeutet, genommen.

Nahe an dieser Kirche ist ein Zeughaus, in dessen Hof die Wache niemanden läßt, daher man nur durch das Gitter des Thores den Tanzplatz der Libussa, auf welchem niemals Gras wachsen soll, betrachten kann. Rand rechts: Libussä Tanzplatz. Ich meines Orts habe so weit ich sehen können, allenthalben Gras bemerket. Nahe bey diesem Thore ist der Ort, von welchem der Ritter und Zauberer Horymir unter dem böhmischen Herzoge Krzesomislaus, mit seinem Pferde in einem Sprunge über die Mulda gesetzt hat. Rand rechts: Wanderung eines Pferdes. Die Weite ist von mehr als tausend Schritten, und hat man zum Andenken an dem Orte, wo er jenseit des Flusses auf die Erde gekommen, bey dem Dorfe Zlichow eine Kapelle gebauet. Das Pferd hatte außer der Gabe seiner Stärke auch die Wissenschaft, sich mit seinem Herrn im Gespräche zu unterhalten. Man zeiget bey obgedachtem Thore auf der Brustwehre in Backsteinen noch die Eindrückungen der Vorderfüße dieses Pferdes, davon das linke ein Ochsenfuß gewesen seyn soll. Es findet sich aber zur rechten Hand noch das Merkmaal eines zweyten Pferdehufeisens, von welchem die Antiquarii dieses Orts selbst gestehen, daß es nicht dazu gehöre, sondern von muthwilligen Knaben nur zum Possen eingekratzet sey. Es ist indessen eines so naturell, als das andere. Ich will meinen Herrn mit mehrern dergleichen Fabeln, welche nicht nur in Gesprächen, sondern auch in ernsthaften und gedruckten Büchern häufig fortgepflanzet werden, nicht aufhalten. Ich habe mich öfters auf Reisen über viele aus dem österreichischen und böhmischen Adel verwundern müssen, wenn ich betrachtet, daß sie itzt mit so weniger Untersuchung und vernünftiger Beurtheilung bisweilen Sachen glauben, die ihnen selbst die andern Katholiken nicht zu gut halten, da doch sonderlich in Böhmen noch vor kurzen Zeiten in Religionssachen dem menschlichen Verstande viele Freyheit gelassen war, und die Väter oder Großväter der meisten itzt in großem Ansehen stehenden böhmischen Herren, Protestanten gewesen sind. Rand rechts: Leichtgläubigkeit des jungen böhmischen und österreichischen Adels in Religionssachen.

In Prag sind hundert Kirchen und fast eben so viele Klöster. Die Stadt ist in Ansehung ihrer Größe nicht volkreich, und rechnet man in allen etwan funfzigtausend Juden und siebenzigtausend Christen. Rand rechts: Anzahl der Kirchen und Einwohner. Die Handlung ist auch nicht sonderlich, weil die Mulda nicht schiffbar ist und wegen ihrer Breite gar seicht fließt. Nahe vor der Prager. Brücke hat sie noch einen Fall und Währ; unterhalb der Brücke aber ist sie zu Flößen brauchbar.

Prag, den 11 October

1730.

Fußnoten

1 Die gemeineste Meynung von dem Ursprunge dieser Redensart hat viele Wahrscheinlichkeit. Die Böhmen hatten um das Jahr 1466 das Unglück, daß sie von den päbstlichen Bannstralen getroffen wurden. Dieser fürchterliche Bann hatte die in den damaligen finstern Zeiten gewöhnliche Folgen, daß das ganze Land mit Feuer und Schwert verheeret wurde. Und ein so trauriges Angedenken soll zu dem Sprüchworte Gelegenheit gegeben haben.


2 Conf.RINCK. im Leben des Kaiser Leopolds, a. d. 293 S.


3 Der Verfasser hat hier das Kind bey dem rechten Namen genennet. Und es wird wenig Tiefsinnigkeit erfodert, wenn man Spuren des alten heydnischen Aberglaubens entdecken will. CICEROde leg. l. 2: Mos est Gentibus, eos homines putare deos, quos in cœlum vocaverintmerita. PLIN. hist. nat. l. II, c. 7:Hic est vetustissimus bene merentibus gratiam referendi mos, ut tales numinibus adscribantur. ADAM. BREM. de sit. Dan. c. 233: Colunt et deos ex hominibus factos, quos pro ingentibus factis immortalitate donant.


4 Das Leben des Brahe, so wie es Gassendus beschrieben hat, sicht mehr einer Kette von astronomischen Anmerkungen, als einer vollständigen Lebensbeschreibung ähnlich. Die besten und zuverläßigsten Nachrichten haben wir den Herren Verfassern des Dänischen Magazins zu danken. Im Jahre 1566 hatte Brahe den Unfall, daß ihm von seinem Landsmanne Manderup Parsberg ein großer Theil der Nase weggehauen wurde, worüber er viele Spöttereyen erdulden müssen. Ob seine Frau oder Concubine eine Priesterstochter oder Bauerdirne gewesen sey, ist noch nicht ausgemacht. Sein Wahlspruch wird bisweilen verändert gelesen: Non haberi, sed esse. Es ist unleugbar, daß Brahe in Dännemark mit Gnadenbezeugungen überhäufet worden. Man thut ihm aber in Wahrheit zu viele Ehre an, wenn man ihn unter die Ritter vom Elephanten. Orden rechnet. Nicht dieser höchste Orden, sondern zwo goldene Ketten, womit ihn die dänischen Monarchen beehret hatten, haben ihm den Namen eines equitis torquati zuwege gebracht. Zu seinem letztern Misvergnügen in Dännemark scheint sein Gigensinn Gelegenheit gegeben zu haben, wodurch er sich selbst von den wichtigsten Ehrenämtern ausgeschlossen. Dazu kam ein widrig ausgefallener Proceß mit dem D. Gellius Sascerides, einem Canonicus in Lunden, welcher die Hoffnung seiner Tochter getäuschet hatte. Man lese das vorhin angeführte Dänische Magazin das 18te Heft, und die Hamburgische vermischte Bibliothek B. 1, S. 995 u. f.


5 Wenn man die böhmischen Geschichtschreiber fragen will, so beschreiben sie die Drahomira auf der allerschlimmsten Seite, Sie soll ihre Schwiegermutter die Ludomilla ermordet, und ihren eignen Sohn mit Gifte aus dem Wege zu räumen gesucht hahen. Ihr klägliches Ende wird dem unversöhnlichen Hasse gegen die Christen und dem verwägenen Gelübde von Vertilgung derselben in Böhmen zugeschrieben, und alle diese Erzählungen begleitet eine zahlreiche Menge von unglaublichen Zusätzen.


6 Andere erzählen, daß des Longinus Leib im Jahre 1409 von Rom nach Prag gebracht. von den Hußiten aber im Jahre 1420 bey des Wischerads Zerstörung nebst dem steinernen Sarge in die Mulda geworfen worden, da denn an solchem Orte sich ein Licht beständig sehen lassen und viele Schiffer Schaden gelitten, bis man den Sarg entdeckt und wieder an seinen alten Ort gebracht habe. Dieses heiligen Longinus Körper wird auch in der Kirche St. Andreä zu Mantua verehret. Vermuthlich hat das griechische Wort λόγχη, welches der Evangelist Johannes von der Lanze, womit des Heilandes Seite eröffnet worden, brauchet, Gelegenheit gegeben, daß man einen heiligen Longinus daraus gemacht, gleichwie aus Vera Icone die h. Veronica und aus Amphibalo oder Amphibolo (emer Art Mantels) der vorgegebene Bischof der Insel Man St. Amphibolus entstanden ist.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1297.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristoteles

Nikomachische Ethik

Nikomachische Ethik

Glückseligkeit, Tugend und Gerechtigkeit sind die Gegenstände seines ethischen Hauptwerkes, das Aristoteles kurz vor seinem Tode abschließt.

228 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon