[1383] Drey und neunzigstes Schreiben.

Nachrichten von der Stadt Nürnberg.

Die Republik Nürnberg begreift in ihrem Gebiethe, außer ihrer eigenen Stadt noch vier andere, nämlich Altdorf, Hersbruck, Lauff und Gräfenberg in der Ober-Pfalz, nebst mehr als fünf hundert Dörfern. Rand rechts: Größe der Stadt Nürnberg. In der Stadt Nürnberg selbst zählen etliche hundert und acht und zwanzig Hauptstraßen und vier hundert kleine, zwölf große und hundert und drey und dreyßig kleinere Springbrunnen, hundert und siebenzehn Schöpfbrunnen, sechszehn Kirchen, vier und vierzig geistliche Gebäude, zwölf Brücken, zehn Märkte, drey hundert und fünf und sechszig Thürme an den Stadtmauren, ein und zwanzig tausend Häuser, fünf und siebenzig tausend Haushaltungen, und brauchet man drey Stunden sie nebst den Vorstädten zu umgehen. Jedoch lasse ich diese Rechnung, was sonderlich die Anzahl der Dörfer, Häuser und Einwohner anlanget, dahin gestellet seyn. Die Pegnitz, so mitten durch sie fließt, treibt in dem nürnbergischen Territorio über hundert und sechszig Räder von allerley Mühlen. Einige halten diese Stadt für den Mittelpunct sowohl von Deutschland als Europa, welches man aber nicht genau nach der mathematischen Schärfe[1383] nehmen muß. Rand links: Stadtuhren. Die Hauptuhren zählen die Stunden vom Aufgange der Sonne, und san. gen nach Untergange derselben wieder an Eins zu schlagen, in welche Rechnung sich Fremde anfänglich nicht wohl zu schicken wissen, bald aber aus der gedruckten Aequation der verschie. denen Uhren den gehörigen Begriff erlangen. Rand links: Gebäude. Die Stadt ist wohl gebauet, indessen aber doch mit keinen solchen Privathäusern versehen, welche den Namen von Pallästen verdienen, und müssen die Könige von Schottland ehemals überaus schlecht logirt gewesen seyn, wenn Aeneas Sylvius mit Rechte und ohne der Sache zu viel zu thun, hat schreiben können: Cuperem Scotorum Reges tam egregie quam mediocres cives Norimbergenses habitare. Wie stark ihre Handlung in vorigen Zeiten nach Italien gewesen, sieht man nicht nur aus denen Gerechtigkeiten, welche sie noch heute zu Tage in dem deutschen Hause zu Venedig hat, sondern auch aus dem höflichen Schreiben1, welches der Doge und Rath von Venedig im Jahre 1509, da sie gar sehr in die Enge getrieben waren, an die Stadt Nürnberg ergehen ließen, als worinnen sie unter andern setzen: Cum vestro Cæsare (Maximiliano I.) pacem perpetuam intercedere cupimus, cujus si possumus, esse volumus cultores obsequentissimi. Verum obstant obtrectatores, quibus vos obviam ire par est, dum nostra simul & vestra res agitur, quando mutua nostra commercia vicissim semper usui sunt. Nostra potissimum in vobis spes est, & in Deo Opt. Max. – – – Vos igitur, auctore Deo, in vobis, qui semper antiqua benevolentia nobis conjuncti fuistis, nostram, quæso, causam agite apud Cæsarem, ut vestra opera illo conciliato, nobiscum vos rebus nostris omnibus uti possitis, atque conservata dignitas & civitas nostra, non magis nobis quam vobis semper usui sit. Der Eingang dieses Schreibens war: Dux & Senatus Venetorum, Reipublicæ & Communitati Noribergensi. Rand links: Ehemalige und itzige Handlung. Rand links: Ansehen der Republik Nürnberg bey dem venetianischen Rathe.

Es ist zwar obgedachte Handlung nicht mehr in dem blühenden Stande, worinnen sie sich vor Zeiten befand, und thun ihr die drey Städte Erlang, Schwobach und Fürth (an welchem letzten Orte die Stadt Nürnberg nur einen Theil, der Markgraf von Anspach den andern, und das Domkapitel zu Bamberg den dritten hat) noch täglich großen Eintrag und Schaden, indessen aber verfertigen dennoch die Nürnberger auch viele Manufacturen, so nach dem bekannten Sprüchworte: Nürnberger Hand geht durch alle Land, fast durch die ganze Welt verführet werden; und ob gleich die Kleinigkeiten, welche auswärts unter dem Nomen vom nürnberger Tande begriffen werden, von schlechter Wichtigkeit zu seyn scheinen, so ziehen sie doch jährlich wegen ihrer Menge über hundert tausend Thaler in die Stadt, wie denn die nürnberger Compagnie im Jahre 1728 allein in Konstantinopel für siebenzehn tausend Gulden dergleichen Waaren verkaufet hat.

BEMBVSlib. VII, Hist. Venet. GiuseppeMATTHEACCIragionam. polit. p. 86. und andere geben vor, als sey Nürnberg nach der venetianischen Regierungsform angeordnet. Rand links: Nürnbergische Regierungsform. Allein dieses wird ohne den geringsten Grund gesagt, auch aus dem Gemälde des herzoglichen Pallastes zu Venedig, worauf man sich beruffet, keinesweges erwiesen, wie ich schon in meinem Berichte von Venedig mit mehrern angemerkethabe. Noch weniger ist wahrscheinlich, daß die Nürnberger ihre Gesetze von Valenciennes sollten geholet haben, wie BERTIVSin Geograph. p. 182 behauptet. Der Rath hat allezeit zwey Häupter, die ihre Gewalt nach Verfließung von vier Wochen wieder an andere abtreten. Auf solche Art sind in allen sechs und zwanzig Burgermeister nebst acht alten Genannten, (welche gleich den vorigen ex ordine Patritiorum sind) und acht andern, so aus den Zünften nur zu gewissen[1384] Rathschlagungen gezogen werden. Rand rechts: Collectation. Die Bürger schwören jährlich, daß sie ihr Vermögen nach den Verordnungen der Stadt richtig versteuern wollen, und wenn man einen Verdacht auf eines Mannes Treue und Gewissen hat, kann er genöthiget werden, seine Rechnungen dem Rathe vorzulegen. Sollte es auch bey der Theilung seiner Erbschaft oder auf andere Weise herauskommen, daß er sein Gewissen hindan gesetzt, so ist die Geldstrafe also beschaffen und dergestalt groß, daß das Ærarium sich seines erlittenen Schadens genugsam erholen kann. Weil aber wenige Personen gern wollen, daß andere Leute genaue Nachrichten von ihrer Haabe und Gütern haben, als woraus viele Verdrüßlichkeiten entspringen können, so kann derjenige, so daraus ein Geheimniß machet, theils vor sich, theils durch andere, um einen gesetzten Preis von dem Steueramte gewisse Losungszeichen einwechseln, welche jährlich an einem gesetzten Tage auf dem Rathhause von allen Bürgern an statt des baaren Geldes unter ein Tuch auf den Tisch geleget werden, ohne daß man auf diese Art merket, wie viel Zeichen jemand hinlege, oder wieviel eigentlich sein quantum Contributionis sey, welches er vorher durch Anschaffung dieser Losungszeichen wirklich schon abgetragen hatte. Wegen der allzugroßen Steuern, die sich auch auf Capitalien, welche man nicht zinsbar ausbringen kann, sondern müßig im Kasten liegen lassen muß, erstrecket, wie auch wegen vieler andern Dinge, womit die Bürgerschaft allzusehr beschwert zu seyn glaubet, hat diese schon lange Jahre her wider den Rath Klagen geführt, auch endlich den Reichshofrath um eine Commißion angeflehet, welche der Rath, so viel möglich, abzulehnen suchet. Rand rechts: Streitigkeit zwischen dem Rathe und der Bürgerschaft. Beyde Theile wenden alles an, um ihren Endzweck zu erreichen, und muß die Zeit lehren, was die Stadt für Vortheil von diesen Zwistigkeiten haben werde.

Das Rathhaus ist ein ansehnliches Gebäude, in dessen oberster Galerie an der Decke die alten Thurniere der nürnbergischen Patritien mit erhabener Gipsarbeit vorgestellet sind. Rand rechts: Rathhaus. In der sogenannten Kreisstube sind die drey Brustbilder der Churfürsten von Sachsen Friderici Sapientis, Johannis undJohannis Friderici von Lukas Cranach gemalt. Fridericus Sapiens wägt gleichsam mit der Hand die kaiserliche Krone ab, die ihm zu schwer vorkömmt, um damit anzudeuten, daß es nur bey ihm gestanden, im Jahre 1519 Kaiser zu werden. In andern Zimmern stehen die Portraite vieler römischen Kaiser in Lebensgröße, und darunter Matthias in dem kaiserlichen Ornate, wie solcher heute zu Tage bey der Krönung des deutschen Oberhauptes gebräuchlich ist. Ein anderes Gemälde stellet die Huldigung vor, welche der Kaiser Leopold zu Nürnberg eingenommen hat. Ein Stück, so die Maria mit dem Kindlein Jesu abbildet, ist vom Lukas Cranach. Das meiste Aufsehen erwecken Adam und Eva in Lebensgröße vom Albert Dürer gemalt, für welches Stück der berühmte General und Markgraf Louis von Baden zwey und vierzig tausend Thaler gebothen haben soll. Rand rechts: Adam und Eva vom Dürer gemalt. Man liest darunter die Worte: Albertus Durer Almanus faciebat post virginis partum 1507.

Es ist solches, wie alle andere Stücke dieses Meisters, auf Holz gemalet, und daher mit ihnen den Fehlern und der Gefahr unterworfen, daß sie in feuchten Orten krumm laufen, in trocknen aber sich von einander begeben, gestalten denn auch dieses gegenwärtige einen Sprung oder Riß über den einen Schenkel und den Leib der Eva hat. In eben diesem Zimmer, dessen Decke Ovenel gemalet hat, ist ein schönes Stück von dem noch lebenden D. Lauge, der niemals die Malerey von andern gelernet hat, aufgestellet; desgleichen der Evangelist Lukas, wie er die heil. Maria abmalet vom Lembe auf Holz; die Evangelistenund Apostel Johannes, Markus, Petrus und Paulus vom Dürer; St. Hieronymus, so von einem Engel aus dem Schlafe ermuntert wird, das Opfer Isaaks und etliche andere gute Stücke,[1385] worunter vornehmlich das Friedensbanquet, welches im Jahre 1650 gehalten und von dem berühmten Sandrart gemalt worden, zu rechnen ist. Rand links: Abbildung des Friedensbanquets Der General Piccolomini, der Pfalzgraf Karl Gustav und alle an der Tafel sitzende Gäste (deren Namen mit goldenen Buchstaben an der Seite verzeichnet stehen) sind nach dem Leben geschildert, und der Maler hat sich selbst auf der einen Seite in solcher Stellung gemalt, daß er alle Leute ansieht, man mag sich stellen, wohin man will.

Der Huldigungssaal ist schön und hoch, und das ganze Portal mit seinen Seulen von Meßing. Rand links: Huldigungssaal. An den Zierrathen einer andern Thüre bewundert man die treffliche Schnitzarbeit in Holze vom Albrecht Dürer. Fast in jedem Zimmer findet man eine unterschiedene Art von schönen eisernen und theils verguldeten Ofen. Alle ersten Ostertage steht das Rathhaus und die Burg jedem, der Luft hat solche zu besehen, offen.

Meinem Herrn übersende ich hiebey etliche Medaillen, die bey der Anwesenheit und Huldigung unsers itzigen Kaisers zu Nürnberg gepräget worden. Rand links: Medaillen auf die Huldigung des itzigen Kaisers. Die erste ist von der vierten Größe und stellet auf der einen Seite das Brustbild Karls des sechsten, so über der Stadt Nürnberg von zween Geniis gehalten wird, vor, mit der Umschrift:


Magna Data a CœLo o soboLes! spes tVta! VIrebIs.


Dieser lateinische Vers drücket mit seinen Zahlbuchstaben nicht allein die Jahrzahl 1712 nach römischer Art aus, sondern hat auch dieses besondere, daß erstlich die Buchstaben, welche die Jahrzahl ausmachen, nicht untereinander verworfen, sondern in richtiger Ordnung, wie sie im Schreiben und nach dem Vorzuge der Zahlen, welche sie vorstellen, da stehen; Fürs andere geben alle Worte und Buchstaben des ganzen Verses cabbalistisch zusammengerechnet, gleichfalls die Jahrzahl, wie folgender Aufsatz zeiget:


M3079

a179

g779

n4079

a179

d4106

a1106

t100106

a1106

à11

c3128

o50128

e5128

l20128

o50128

ô5050

s90307

o50307

b2307

o50307

l20307

e5307

s90307[1386]

s90245

p60245

e5245

s90245

t100401

u200401

t100401

a1401

v200395

i9395

r80395

e5395

b2395

i9395

s90395

Welche Particularsummen

zusammen gebracht

geben 1712


Auf der andern Seite wird vorgestellet die Huldigung, welche Seine Kaiserl. Majestät am folgenden Tage nach Dero Ankunft in Nürnberg, nämlich den 16 Jenner in eigener Person von der Stadt und Bürgerschaft eingenommen haben, worauf der aus VIRGILIO, Lib. I, Æneid. um den Rand herum stehende Vers zielet:


Ille regit dictis aaimos & pectora mulcet.


Die andere Schaumünze, so von der dritten Größe ist, zeiget auf der einen Seite des Kaisers Brustbild mit der gewöhnlichen Umschrift: Carolus VI. D. G. Rom. Imp. S. A. Germ. Hisp. Hung. & Boh. Rex. Auf etlichen Abdrucken ist anstatt dieses Brustbildes der damals in Nürnberg aufgerichtete Triumphbogen zu sehen, über dessen mittlern Pforte die BuchstabenCAROLOVI. S. A. P. F. V. und am Rande der Medaille CAESAR. OPT. MAX. stehen. Untenher liest man:S. P. Q. N2. MDCCXII.

Auf dem Reverse erscheinen die bey der Ankunft des Kaisers aufder sogenannten Fleischbrücke aufgerichtete große Seulen korinthischer Ordnung ohne Hauptgesimse, auf welchen die Beständigkeit und Tapferkeit, als die zwo von Sr. Majestät zu ihrem Symbolo erwählte Tugenden mit ihren Kennzeichen, als Statuen stunden. Der dazwischen hangende mit einem Trophäo in der Mitte versehene Feston ist dasjenige Bluhmen- und Fruchtgehänge, so[1387] man bey obgemeldtem Einzuge am Herrenmarkte zwischen zweyen Häusern sah. Die Umschrift heißt:


FVLCIVNT ET ORNANT


Unten darunter in dem Abschnitte steht:


S. P. Q. N

MDCCXII.


Die dritte Medaille ist etwas kleiner, und zeiget auf der einen Seite obgedachten Triumphbogen mit denen in der Umschrift befindlichen und aus HORATIILib. IV, Od. 2 genommenen Worten:


RECEPTO CÆSARE FELIX.


Auf der andern Seite ist entweder des Kaisers Brustbild gepräget, oder die von Karl dem fünften in seinen Symbolis oft gebrauchten zwo Seulen des Herkuls, deren die eine mit der kaiserlichen, die andere mit der spanischen Krone gezieret ist. An der einen Seule liest man: CONSTANTIA, an der andern: FORTITVDO, zwischen beyden trägt Herkules die Weltkugel mit der Umschrift:


VIRTVS CONSTANTIA FORTIS


Und der Unterschrift:


PLVS VLTRA

CAROLVM

CAROLVS


Die vierte Medaille, welche, wie die vorige, von der vierten Größe ist, hat auf der einen Seite des Kaisers Bildniß mit der Umschrift:


CAROLVS VI. D. G. ROM. IMP. AVG.


Auf der andern Seite ist das Feuerwerk, so am Huldigungstage angezündet worden, abgebildet, mit der Umschrift:


Læta NorIs CaroLo fIDeI DeDIt IgnIbVs Ignes.


Unter dem Feuerwerke, vor welchem ein Obeliscus zu sehen ist, stehen diese Worte:


DIE HOMAGII

XVI. JANVARII.


Die Stadt Nürnberg hat die Ehre, daß der größte und vornehmste Theil der Reichskleinodien von vielen Jahrhunderten her in ihrer Verwahrung ist. Rand links: Reichskleinodien und Heiligthümer. Die dazu gehörigen Heiligthümer, als der Speer, womit der Heiland durchstochen worden, ein Dorn aus seiner Krone, ein Stück von der Krippe des Kindleins Jesu und dergleichen hängen hoch in dem Gewölbe[1388] der Spitalkirche in einer silbernen und verguldeten Kiste frey in der Luft. Die andern Kostbarkeiten sind besonders aufgehoben, und wird der ganze Schatz zusammen nur an fürstliche oder aus einem alten gräflichen Hause abstammende Personen gezeiget, bey welcher Gelegenheit aber auch andere Leute mit zugelassen werden. Mit ihrer weitläuftigen Beschreibung werde ich mich nicht aufhalten, weil solche schon beym WAGENSEILde Republ. Norimbergensi, und in der gelehrten Dissertation, welche Wolfgang Hieronymus Herold im Jahre 1713 unter dem Vorsitze des Kanzlers Ludwig zu Halle gehalten hat, gelesen werden kann.

Ich gedenke aber hiebey des in Nürnberg geprägten Schaustückes, so auf der einen Seite das Brustbild des Kaisers Sigismund (welcher diese Kleinodien, vornehmlich wegen des Hußitenkrieges im Jahre 1424 von Prag nach Nürnberg bringen lassen) vorstellet mit der kaiserlichen Krone, Zepter, und dem Reichsapfel; auf der andern aber die vornehmsten Stücke der sogenannten Heiligthümer, als 1) den Speer, womit Christi Seite eröffnet worden, 2) ein Stück von dem Kreuze Christi, 3) ein Stück Holz von der Krippe Christi, nebst beygefügter Anzeige, wie lang ein jedes dieser Heiligthümer sey. Rand rechts: Medaille. Rand rechts: Ausmessung etlicher Heiligthümer.

Die Umschrift der Medaille ist in Mönchsschrift:Lancea & Clavus Domini. In itztgedachte Lanze ist nach der Zeit ein Nagel vom Kreuze Christi eingefüget worden. Rand rechts: Die heilige Lanze und Nagel von der Kreuzigung. Es rühmet sich aber nicht Nürnberg allein des Speeres, womit der Leib Christi geöffnet worden, sondern auch Paris, le Puy, das bayerische Kloster Andech, und sogar Rom seit dem Ende des funfzehnten Jahrhunderts, obgleich die römischen Päbste Innocentius der sechste im Jahre 1354, Martin der fünfte 1425, Nikolas der fünfte 1454, und Pius 1460 in besondern Bullen die nürnbergische Reliquie für die ächte erkläret hatten. Innocentius der sechste verordnete ein großes Fest, das alljährlich durch Böhmen und Deutschland zu Ehren dieser Lanze und der heiligen Nägel des Kreuzes Christi, die damals bey Karl dem vierten waren, gefeyert werden sollte, an welchem diejenigen, so die Kapelle, wo diese Heiligthümer verwahrt seyn würden, besuchten, einen Ablaß von drey Jahren und hundert und zwanzig Tagen verdienen konnten. Dieses alles muß selbst nach der Katholiken Sätzen nur Spielwerk und Profanation des Gottesdienstes gewesen seyn, wenn die nürnbergische Lanze falsch ist, vonwelcher jedoch gedachter Pabst Innocentius der sechste in seiner Bulle schreibt: O felix lancea, quæ tot bona nobis effecit, & ad tanti triumphi gloriam superadditam hoc latus ipsum aperiendo sanctissimum januas nobis regni cœlestis aperuit.

Unter den andern hiesigen Heiligthümern befindet sich ein Zahn Johannisdes Täufers; drey Glieder aus den Ketten, womit Petrus, Paulus und Johannes gefesselt gewesen; ein Arm der heil. Anna, der Mutter Maria, dergleichen auch zu Rom und Cölln gezeiget werden3; ein Stück des Tischtuches, worauf Christus das letzte Abendmahl gehalten; fünf[1389] Dornen aus der Marterkrone unsers Heilandes, deren ich übrigens viele hundert zusammen zu bringen gedächte, wenn ich erwäge, wie vielerley derselben zu Cölln, Bremen, Utrecht, Gent, Antwerpen, Hannover, Bamberg, Löwen, Walkenried, Wittenberg, Prag, Wien, Rom und in sehr vielen andern Orten gezeiget werden. Rand rechts: Andere Reliquien. Rand links: Von der Dornenkrone Christi. In der Hauptkirche zu Halle in Sachsen waren nach dem im Jahre 1520 herausgekommenen Verzeichnisse ihrer Heiligthümer, zwanzig solcher Dornen, in Stade zeigete man sonst einen großen Theil dieser Krone. In der Abtey zu St. Denys hatten sie lange Jahre die ganze Dornenkrone Christi, welche viele Wunder wirkte, bis Ludwig der neunte aus Orient eine andere mitbrachte, welche die rechte seyn sollte und in einer großen Proceßion zu Paris eingeholet wurde. Die Benedictiner von St. Denys mußten selbst bey diesem Gepränge seyn, und von solcher Zeit an schweigen sie ganz still von ihrer Krone4. Gewißlich, man sollte mehr als ein Storcksnest aus solchen prätendirten heiligen Dornen, wenn sie alle auf einen Haufen gebracht würden, bauen können.

In dem Deutschen Hause haben die Römischkatholischen ihren öffentlichen Gottesdienst, welcher durch einen Pfarrer und zween Kapläne, die allezeit Ordenspriester sind, verrichtet wird; übrigens aber ist die ganze Stadt Nürnberg der evangelischen Religion zugethan, einen einzigen Bürger ausgenommen, welcher zugesagt hatte, nach erhaltenem Bürgerrechte von der römischen Kirche zu der lutherischen überzutreten, nach erreichtem Endzwecke aber sein Versprechen nicht gehalten hat. Rand links: Religion in Nürnberg. Seine Kinder sind evangelisch, und daher läßt man ihn ungestört sein Leben beschließen. Die sogenannte neue Kirche ist die schönste in der Stadt, fast oval gebauet, in Ansehung ihrer Länge aber nicht hoch genug. Die St. Sebaldskirche ist lang und dabey finster. Rand links: St. Sebldskirche. Man bewundert in derselben das metallene Grabmaal des heil. Sebalds, (der ein königlicher Prinz aus Dännemark gewesen seyn soll) und die daran befindliche nach des Albrecht Dürer Zeichnung gegossene Arbeit. Die an der Wand der Kirche hängende große Tafel, auf welcher die Erschaffung der Welt von eben diesem Meister gemalet ist, wird auf zwanzigtausend Thaler geschätzet. Bey dem Altare des Apostels Petri wird noch eine sogenannte ewige Lampe brennend unterhalten, weil eine einträgliche Stiftung aus den alten Zeiten dabey vermachet ist. Ueberhaupt hat die Annehmung des Interim zu Nürnberg verursachet, daß in dem äußerlichen Gottesdienste, was die Chorröcke, lateinische Gesänge, Antiphonas, Chorstunden, Leuchter und dergleichen Dinge anlanget, viele päbstliche Gewohnheiten zurückgeblieben sind5.

In dem Predigerkloster findet man die treffliche Stadtbibliothek, so beynahe aus sechszehntausendVoluminibus, worunterGRAEVII, GRONOVII, MARSIGLI und anderer Gelehrten kostbare Werke sind, besteht. Rand links: Stadtbibliothek. Den Grund dazu hat der Büchervorrath der fünf Mönch- und zweyer Frauenklöster, welchebey der Reformation zu Nürnberg eingezogen worden, gelegt, und behält man noch zu aller Fürsorge den Catalogus der Bücher eines jeden der gedachten Klöster. Das Gebäude selbst, worinnen sie steht, war vorzeiten ein Dominicanerkloster. Bilibald Pirkamer, ein gelehrter nürnbergischer Rathsherr, hat zum Aufnehmen dieses Schatzes der Gelehrsamkeit vieles beygetragen, und sind ihm Hieronymus Baumgärtner und andere in diesem löblichen Unternehmen nachgefolget. Der Prediger und Bibliothecarius[1390] Dilherr, welcher weder Frau noch Kinder hatte, vermachte ein Capital von tausend Gulden dazu, und die davon an Interesse jährlich fallende vierzig Gulden sind bisher noch das einzige fixum, woraus sie vermehret wird. Es sparet aber der Rath keine Kosten, diese Bibliothek mit den neuesten und besten Werken zu versehen. Rand rechts: Manuscripte. Das älteste hiesige Manuscript wird vom achten Jahrhunderte hergerechnet, und begreift die Evangelia nebst den Gebethen und Gesängen der alten griechischen Kirche. Man zeiget auch acht sehr große sogenannte Nonnenbücher, welche die horas der römischen Kirche mit musikalischen Noten in sich fassen, und vom Jahre 1458 bis 1470 von einer einzigen nürnbergischen Nonne, Margaretha Charthauserinn, geschrieben worden sind. Vondes Philipp Melanchthons, Büchern de anima, so im Drucke heraus sind, ist das Originalmanuscript allhier vorhanden. Von alten Drucken finden sich bey hundert und funfzig Stücke, und unter denselben DVRANDIRationale divinorum officiorum vom Jahre 1459. Rand rechts: Gedruckte Werke.

Ferner ist unter den gedruckten Werken Lutheri Bibel, die im Feuer unversehrt geblieben, und als einargumentum κατ' ἄνθρωπον dienen kann; HALOANDRIPandectæ, auf deren Titelblattedas Gemälde eine große Menge Volks vorstellet, so einem Prediger, der mit einer Kette um den Hals gar hoch angeschlossen ist, zuhöret. Es sind auch dieses HALOANDRIInstitutiones nebst dem Codice vorhanden. Vor den letzten bildet ein Gemälde die Wirkungen des Friedens und des Krieges ab. Der Hortus Eichstedtensis, ein rares und kostbares Werk, zeiget, wie der bischöfliche Garten zu Aichstett vor hundert Jahren in einem trefflichen Stande gewesen, von dessen Herrlichkeiten aber wenig mehr vorhanden ist. Unter denen übrigen Merkwürdigkeiten, welche in dieser Bibliothek aufgehoben werden, sieht man auf einem Tische die vom Johann Regiomontanus mit eigener Hand verfertigte chronologische Tabellen bis auf Christum; ferner einen ganzen Folianten voll Handriffe und Radirungen von des berühmten Jakob Sandrart Tochter Susanna Maria, die erstlich an einen Maler, Auer genannt, und hernach an den Buchhändler Wolfgang Moriz Ender verheirathet gewesen; etliche alte Luceruæ und ein Vas lachrymale. Rand rechts: Andere Merkwürdigkeiten. An der Wand hängt ein Gemälde, so die Gestalt des im Jahre 1665 erschienenen Kometen abbildet. Den mathematischen Vorrath und die dahin gehörigen Instrumente zieren zween kupferne und schön verguldete Globi, welche der ehemalige altdorfische Professor Matheseos, Johann Prätorius, gemacht hat, desgleichen ein Scyphus Mathematicus von Christian Heiden. Es steht auch allhier ein Wagen, so ohne Vorspann fortgeht, und von der darinnen sitzenden Person vermittelst Umdrehung des vordersten einzelnen Rades getrieben wird. Der Erfinder dieses Werkes ist Stephan Farfler, ein Uhrmacher zu Altdorf, und hat Herr Doppelmeyer in seiner Behausung ein Modell davon.

Um eine verguldete Schale, welche anfänglich nur von Eisen gewesen, hernach aber in dem vitriolischen Wasser zu Neusohl mit Kupfer überzogen worden, liest man die Reimen: Rand rechts: Verwandlung der Metalle.


Die Ankunfft mein hart Eisen ist;

Das Ciment- Wasser mich zu Kupffer frißt,

Welches zu verwundern ist.
[1391]

Sonst applicirt man auf dergleichen gleichsam metamorphosirte Gefäße, in welche etwas Silbererz eingelöthet ist, die Verse:


Eisen war ich,

Kupfer bin ich,

Silber trag ich,

Gold deckt mich.


Die Sammlung von Naturalien begreift vielerley versteinertes Holz. darunter ein schö. nes Stück aus dem Mayn bey Culmbach, und ein sehr großes von einem Baume, der in einem Weyheroder Teiche bey Farnbach, zwo Meilen von Nürnberg gefunden worden, und von außerordentlicher Härte ist. Von dem großen Blasensteine, welchen Saubertus bey sich gehabt, ist nur das Modell aus Wachs vorhanden; das Original befindet sich in der herzoglichen gothaischen Kunstkammer; die Abbildung desjenigen Steins, welcher im Jahre 1601 zu Nürnberg aus dem todten Körper des Duc de Mercœur geschnitten worden, ist gleichfalls allhier zu sehen, nebst der hölzernen Copey des Steins, welcher den 7 November 1648 aus der Blase Georg Mayers genommen worden und zwey und dreyßig Lothe gewogen hat. Rand links: Blasenstein.

Man zeiget auch einen andern Stein, der in der Schweiz perposteriora von einer Frau gegangen; ein Ey von einem Hahne; einen Hahn mit vier Füßen; das Gehörn einer Kuh, dessen Materie Hirschhorn zu seyn scheint; zwo Hirnschalen von Schweden6, die außerordentlich dick und hart sind; eine von einem Mohr, die schwärzlich und ohne Sutura ist; eine menschliche Hirnschale mit zwey kleinen Hörnern, welche eigentlich nichts anders sind, als Erhöhungen und Tuberculi, so von einer venerischen Krankheit hervorgebracht worden. Rand links: Hörner an einer menschlichen Hirnschale. Nimmt solcher schlimme Zustand überhand, so frißt er um sich und machet solche Löcher in die Knochen, als wenn auf einer neuen Scheuntenne Erbsen gedroschen wären. Das bey dem Chevalier Sloane in London befindliche Gerippe einer Kammerjungfer, die an den Franzosen gestorben, giebt einen deutlichen Augenschein.

Weiter finden sich in der nürnbergischen Bibliothek etliche künstlich in einander gedrechselte Kugeln aus Elfenbein, in deren jeder man beym Durchsehen eine kupferne Kugel gefunden, über welche das Bein des Zahns wieder zusammengewachsen war; ein uneröffnetes Hühnerey, welches mit Hufeisen so künstlich beschlagen ist, daß die Spitzen der Nägel an der äußern Seite der Schale wieder herausgekommen, und umgeleget sind; eine Kornähre, welche einige Zeit nach des Kaisers Karl des sechsten Einzuge in Nürnberg auf der rechten Achsel der hölzernen Statue, so damals auf der Ehrenpforte gestanden, hervor gewachsen; der Stengel und Stamm einer Aloe, die vor etlichen Jahren in dem Wilkamerischen Garten geblühet hat; etliche künstliche und subtile Schriften, darunter elnige von einem noch lebenden hiesigen Fleischhauer verfertiget sind; das Glas, welches D. Luther dem D. Jonas gegeben, mit der Umschrift: Rand links: Kupferne Angeln in Elfenbein. Rand links: Glas Lutheri.


Dat vitrum vitreo Jonæ vitrum ipse Lutherus

Ut vitro fragili similem se noscat uterque.


und den beygefügten deutschen Reimen:


Dem alten Doctor Jonas

Bringt D. Luther ein schön Glaß,[1392]

Das lehrt sie alle beyde sein,

Daß sie gebrechliche Gläser seyn.


Der Maler hat auch beyder Männer Bildnisse auf dem Glase ausgedrückt.

Hiebey zeiget man eine Schreibtafel des Churfürsten von Sachsen Johanns oder vielmehr Johann Friedrichs, worinnen etliche Predigten, die er seiner Gewohnheit nach dem D. Luther eigenhändig nachgeschrieben, enthalten sind. Endlich damit auchhierder Satz eintreffe: extremum occupat scabies, so ist noch ein kleines mexicanisches Götzenbild aus Golde, Fizlipuzli genannt, zu bemerken, welches ein Katzen- oder Affengesicht hat, einen Katzen. schwanz, in beyden Ohren eine Perle, am Halse einen rothen Edelgestein, und auf dem Rücken einen Spiegel, worein die Rathfragende zu sehen pflegten. Rand rechts: Fizlipuzi. Mehrere Nachricht von dieser Bibliothek giebtWAGENSEILde Republ. Norimb. SPITZELDissert. præl. m. ad Sacr. Bibl. vornehmlich aber Joh. Saubertus und Joh. Jakob Leibnitz in besondern Schriften, und sind von des letztgenannten Mannes Lebenslaufe nocheinige Umstände allhier zu bemerken. Er war ein gebohrner Nürnberger, und sein Vater, Justus Jakob Leibnitz, Bibliothecarius an des Dilherrn Platz, der Sohn selbst aber Diaconus. Rand rechts: Nachricht vom Diaconus Leibnitz. Einsmals wurde vormittags eine Braut getrauet, und als man ihr beym Ausgehen aus der Kirche wegen des eingefallenen Regens ihren Kopfzierrath abnahm, legte der Küster solchen in die Sacristey, vergaß aber ihn hernach mitzunehmen und an gehörigen Ort zu bestellen. Nachmittags kam der Diaconus Leibnitz, um die Vesperpredigt zu halten, und als er die Frauenhaube fand, meynte er, sie sey ihm zum Possen und Schimpf von seinen Collegen dahin gehänget. Man mochte ihm Vorstellungen thun so viel man wollte, so war er von diesen Gedanken nicht abzubringen, sondern er gieng auf die Kanzel und schalt daselbst aus äußersten Kräften auf seine Mitprediger. Wegen solches Vergehens wurde er suspendiret, und weil er weder zu einem Widerruff noch einer andern Ehrenerklärung zu bewegen war, endlich abgesetzet. Die Stadt Eslingen machte ihn nach diesem zu ihrem Superintendenten, er blieb aber auch allda nicht, und wurde zum deutschen Prediger nach Stockholm beruffen, allwo er erst vor vier bis fünf Jahren gestorben ist.

Das Zeughaus in Nürnberg zu besehen kostet drey Gulden und acht Groschen. Es sind darinnen zweyhundert vier und siebenzig metallene und zwey eiserne Geschütze, nebst so vielem kleinen Gewehre, daß achtzehntausend Mann damit bewaffnet werden können. Rand rechts: Arsenal. Die ganzen Canonen schießen acht und vierzig Pfund: die Nürnberger haben aber auch zwey, welche im Jahre 1521 gegossen sind, und deren Kugeln achtzig Pfund wiegen. Eine von den ganzen Canonen wird von hinten geladen, und kann solches achtmal in einer Minute geschehen. Es stehen auch allhier funfzig Regimentsgestücke, die ihre Namen von den vier und zwanzig Buchstaben, den zwölf Monaten, zwölf Himmelszeichen, dem Mars und der Pallas haben. Das kleine Gewehr ist in zierliche Ordnung gebracht, und stellet an verschiedenen Orten Seulen, Schilde, Sonnen, Trophäen und der Stadt Wapen vor, wie dergleichen künstliche Eintheilung auch in dem Towr zu London beobachtet wird. Itztgedachte ganze Kriegesrüstung ist in zween Säle oder zwo Galerien, deren die erste hundert und siebenzig, die andere aber zweyhundert und zwanzig gemeine Schritte lang ist, vertheilet. Zwischen beyden ist ein schmaler Hof, dergestalt, daß die ganze Länge zusammen fünfhundert Schritte ausmachet. Täglich sind zehn Personen mit Reinmachung des Gewehrs beschäfftiget. In dem gemeldten mittlern Vorhofe liegt eine bleyerne Kugel, die dreyhundert und achtzig Pfund schwer, und vor etlichen und dreyßig Jahren von dem Könige in Pohlen Augustus, mir mit einer Hand aufgehoben worden ist. Rand rechts: Probe der Starke Augusts Königs in Pohlen. Uebrigens unterhält die Stadt sieben Fahnen oder[1393] Compagnien zu Fuße, deren jede in Kriegszeiten hundert fünf und achtzig, itzt aber nur hundert Mann stark ist; ferner zwo Compagnien Küraßirer, jede von fünf und achtzig Mann; zwo Compagnien von alten ausgedienten Soldaten, deren die eine hundert ein und dreyßig, die andere fünf und neunzig Mann stark ist. Rand links: Kriegsstaat der Nürnberger. Dieses alles sind regulirte Truppen, außer welchen noch aus der Bürgerschaft vier und zwanzig Fahnen, jede von drey bis vierhundert Mann in Waffen gehalten werden, nebst zweyhundert Constablern und zwo Compagnien Bürgerreuter, welche letztere bey Feuersbrünsten ihre gewisse Posten haben, da indessen die Constabler das Zeughaus besetzen. Rand links: Feueranstalten. Wobey ich nicht unberührt lassen kann, wie die Feueranstalten in dieser Stadt vortrefflich sind, und wird zu mehrerer Aufmunterung der Leute demjenigen, der die erste Kufe voll Wasser in solchem Unglücksfalle bringt, ein Ducaten gezahlet, dem andern zween Gulden, dem dritten ein Gulden, dem vierten acht gute Groschen, und jedem von denen, so darauf folgen, funfzehn Kreuzer.

Die Burg liegt mitten in der Stadt auf einer Höhe, welche Gelegenheit gegeben, daselbst in einem freyen und unbedeckten Platze ein Observatorium (bey welchem aber die Instrumente anitzt in schlechtem Staude sind) anzulegen. Rand links: Observatorium. Ehemals hatte der in der Astronomie sehr berühmte Wurzelbauer die Aufsicht darüber, dessen Stelle durch Joh. Gabriel Doppelmayer nach Würden wieder besetzet ist. An einem Orte der Brustwehre auf der Burg zeiget man im Steine die Eindrücke von dreyen neben einander in einer Linie stehenden Hufeisen als ein Denkmaal, daß einsmals ein Hexenmeister, Apelle Vocales, woraus das gemeine Volk Heppele von Galen machet, von hier mit seinem Pferde, so nach dem eingedruckten Zeichen drey Füße neben einander gehabt haben muß, über den mehrals zwanzig Ruthen breiten Graben gesetzet haben soll. Rand links: Fabel vom Apelle Vocali. Mein Herr beliebe sich hiebey zu erinnern, was ich von einer ganz gleichen Fabel, die auf dem Schlosse Wischerad für wahr erzählet wird, aus Prag berichtet habe.

Man ist schon seit vielen Jahren bedacht gewesen, der Stadt eine sonderbare Zierde durch einen trefflichen Brunnen zu geben, wozu man die geschicktesten Künstler gebraucht und keine Unkosten gescheuet hat. Rand links: Der schöne Brunnen. Christoph Ritter hat das Dessein des ganzen Werkes klein in Wachs gebildet, und Georg Schweyger die großen Modelle verfertiget. Das dazu erfoderte Metall beläuft sich auf mehr als zweyhundert Zentner, und wiegt der oben auf dem Brunnen stehende Neptun allein drey und dreyßig Zentner, außer welchem noch zehn andere Statuen unten herum zu stehen kommen.

Alle diese Bilder sind schon gegossen, und hat Hieronymus Herold (welcher auch die metallene Statue des h. Johann Nepomuk, so auf der Prager-Brücke steht und über zwanzig Zentner wiegt, verfertiget hat) seine Kunst daran bewiesen. Nachdem man auch Anstalten zum Wasser gemacht, dessen (wie etliche glauben) alle Stunden hundert tausend Eimer erfodert werden, so fehlt es anitzt nur am Gelde, um die Unkosten der völligen Ein- und Aufrichtung zu bestreiten. Die metallenen Statuen stehen indessen an einem bedeckten Platze, woselbst auch vier große Cubicsteine, so zu den Piedestaux gehören, bereit liegen. Außer der Stadt vor dem Frauenthore sind neun andere zu diesem Werke schon aus dem gröbsten gehauene Steine von ungeheurer Größe zu sehen, indem jeder viel über einen Mann hoch ist, und drey und zwanzig bis vier und zwanzig gemeine Schritte im Umfange hat. An einem einzigen solcher Steine haben hundert und sechszig bis hundert und achtzig Pferde zu ziehen, und liegen sie beynahe schon hundert Jahre an diesem Platze. Daß diese Lasten wegen ihrer Größe zu den Stadtthoren nicht hereingebracht werden könnten, ist falsch, und nur nöthig, daß die Brücke gut gefüttert werde. Das Dessein dieses sogenannten schönen Brunnen[1394] sieht mein Herr in des Herrn Doppelmayers kürzlich herausgegebenem gelehrten Werke von denen nürnbergischen Mathematicis und Künstlern, welche fast von drey Jahrhunderten her durch ihre Schriften und Bemühungen die Mathematik und Künste in Nürnberg vor andern trefflich befördert haben.

Am Markte nach dem Rathhause hin steht schon ein Brunnen von künstlicher Steinhauerarbeit nach gothischer Baukunst und als ein kleiner Thurm aufgeführet. So ist auch auf dem Neuen-Bau eine schöne Fontaine, die im Jahre 1687 vollendet worden, zu sehen. Rand rechts: Fontaine auf dem Neuen-Bau. Die daran befindliche Inscription ist auf eine Schaumünze gebracht, welche auf der einen Seite den Brunnen vorstellet, auf der andern aber die Worte hat:


A. SALVT.

M. DCLXXXVII.

QVO

LEOPOLDVS MAGNVS

PARTA DE TVRCIS

VICTORIA MAXIMA

IOSEPHVM FILIVM

REGEM HVNGARIÆ CORONARI F.

HIC FONS LÆTO OMINE EXSILIRE

COEPIT

CVRANTE SENATV POPVLOQVE

NORIMBERG.

QVI AQVAM HAVRIS

FONTEM CORONA.


Der Autor des curieusen Antiquarius meldet: es sey ein Brunnen in Nürnberg sechszehntausend Schuh tief, und die Kette, woran der Schöpfeimer hängt, dreytausend Pfund schwer; ich überlasse ihm aber sowohl diese als manche andere falsche Berichte zu genauerer Untersuchung. MISSONTom. I setzet die Tiefe nur von sechszehnhundert Fußen, glaubt aber auch diese nicht.

Auf der neuen Brücke, welche hundert tausend Gulden gekostet haben soll, stehen zwo Pyramiden, deren die eine auf ihrer Spitze mit einer Taube, welche einen Oelzweig in dem Schnabel hält, die andere aber mit dem kaiserlichen schwarzen Adler gezieret ist. Rand rechts: Neue Brucke. An der ersten Pyramide liest man die Worte:


Qui pontem hunc Caroli transis fac vota, perennet

Cæsaris Augusti, dum fluit unda, genus


Ander andern:


CaroLo seXto aVgVsto pIo aC feLICI

ponteM hVnC ConseCrat

S. P. Q. N


Einige Handwerker haben gewisse Tage, an welchen sie jährlich in sonderbaren Aufzügen durch die Stadt gehen, und lassen sich insbesondere die Faßbinder mit ihren Reistänzen sehen. Die Fleischer halten öftere Ochsenhatzen. Rand rechts: Aufzuge der Handwerker. Unter dem Bildnisse des Ochsen, der auf der Fleischbrücke zu sehen ist, stehen die Verse: Rand rechts: Ochs auf der Fleischbrücke.


Omnia habent ortus suaque incremeata, sed ecce.

Quem cernis nunquam bos fuit hic vitulus.
[1395]

Der Raths- oder Herrenkeller ist so weitläuftig angelegt, daß man mit einer Kutsche darinnen herumfahren kann. Rand links: Herrenkeller. Der König Gustav Adolph hat sich darinnen nach einem brennenden Lichte zu schießen geübet.

Zum Aufnehmen der Malerey und Bildhauerkunst hat man, wie in Augspurg, also auch hier eine Akademie angeleget, worinnen man sich öfters befleißiget, nach nackenden Mannspersonen, so für Geld da stehen, sowohl zu zeichnen, als in Wachs oder Thon zu poussiren. Rand links: Malerakademie.

Der Kirchhof St. Johannes ist wegen der Menge von Grabsteinen und Denkmaalen zu besehen. Rand links: St. Johannes Kirchhof. Das gemeine Volk hat die Gewohnheit, am St. Johannstage die Gräber ihrer Verwandten auf demselben mit Bluhmen und Kränzen zu schmücken.

In dem Theatro Anatomico, welches die Stadt hat anlegen lassen7, sind bey hundert Sceleta von Thieren, sonderlich von Volatilibus. Rand links: Theatrum Anatomicum. An der Decke des Zimmers hat man die Gedärme von einem Menschen aufgehängt, welche die Rechnung, daß die Gedärme eines Menschen ohngefähr sechsmal so lang, als er selbst ist, bekräftigen. Aus der Zergliederung und dem Skeleton einer Schildkröte ersieht man, daß ihre äußerliche Schale einen Theil ihres Gerippes mit ausmache. Von der Amphisbæna glaubt man insgemein, daß sie mit zween Köpfen versehen sey; an derjenigen Schlange aber, welche unter diesem Namen allhier in einem Liquore aufgehoben wird, kann man gar deutlich den Unterschied zwischen dem Kopfe und dem Schwanze erkennen.

D. Treu hat anitzt die Aufsicht über dieses Theatrum Anatomicum, in welchem verschiedene nicht übel gerathene Inscriptionen zu bemerken sind.

Des itztgedachten Medicus Behausung ist nicht weit von dem Theatro Anatomico; und da ich zur Beschreibung derjenigen Merkwürdigkeiten, welche in Privathäusern anzutreffen sind, schreite: so mache ich billig den Anfang mit dieses gelehrten MannesMuseo, worinnen sich eine Sammlung von ohngefähr sechstausend Kräutern, einige Petrefacta, ein Seminarium oder Vorrath von allerley Saamen, etliche zarte und curieuse Anatomien von Baumblättern und einer Birne nebst vielen die Structur des menschlichen Körpers erläuternden Dingen befinden. Rand rechts: Kabinet des D. Treu. An einer Mohrenhaut sieht man, wie die Schwärze dieser Leute (sowohl als der Zigeuner, welche sich so lange salben und an der Sonne trocknen, bis die schwarze Farbe sich durch die äußere Haut hinein zieht), in dem corpore reticulato und gleichsam als ein Schleim oder mucus unter der äußern Haut sitze. Rand links: Von det schwarzen Farbe der Mohren. Gleiche Bewandniß hat es mit den Sommerflecken, welche von dem Geblüte, das Galle bey sich geführet hat, herrühren, und erzählet D. Treu hiebey ein Exempel, daß eine ihm bekannte Weibsperson, welcher; um diese gelbe Flecken zu vertreiben, gerathen war, nur etliche Tropfen Nießwurzfast unter frisches Wasser zu mischen und damit das Angesicht zu benetzen, diesen Saft ohne Zuthuung des Wassers gebraucht, da dann die Haut gänzlich vom Gesichte abgegangen und die Patientinn in Gefahr gewesen, ihre Augen zu verliehren, hingegen aber auch die Sommerflecken völlig ausgezogen worden. Die zarte schwarze untere Haut, welche gleichsam als ein Flor anzusehen ist, habe ich auch in der leydenschen Anatomiekammer an einem Mohrenkinde[1396] beobachtet, und weil sie unmittelbar über dem Skeleton liegt, so schienen hier und dar die weißen Knochen hervor. Gleichfalls habe ich bey dem Herrn Geysel in Nürnberg ein Stück von eines jungen Mohren Haut gesehen, von welcher die oberste pellicula abgezogen war, da dann die andere Haut als wie schwarz angestrichen vor Augen lag. An einem Tiegerselle, von welchem die Würme alle Haare abgefressen hatten, sah man nicht weniger, wie die schwarzen Flecken auch in der Haut dieses Thieres sitzen. D. Treu ist in seinem Systemate von der Empfängniß für die ovaria, und zeiget er unter den vielen embryonibus, womit seine Studierstube besetzet ist, ein ovulum kaum von der Größe eines Groschen, und welches nach seiner Vermuthung etwan vier Wochen vorher concipiret hat, worinnen man deutlich die ganze Eintheilung des menschlichen Körpers wahrnehmen kann. Rand rechts: Von Ovariis. Er hat auch viele experimenta pro hymene, dergleichen er in einer Jungfer von siebenzig Jahren gefunden haben will. Rand rechts: Hymen. In diesem Museo des D. Treu liest man noch folgende wohlgerathene Gedanken: Rand rechts: Inscriptiones Musei des D. Treu.


I.


Mortalium quisquis es

Toipsum & tui causa procreata

Imprudenter ignorans

Hic pedem paulisper fige

Corporis Mentisque oculis præditus sanis,

Huc

Mens otiosa

Maaus Curiosa

Exuvias Hominum

Reliquias Brutorum

Ornatum Vegetabilium

Lusum Mineralium

In tuam & suam congessit utilitatem.

Quot cernis horum particulas

Tot adspicis hieroglyphicas Naturæ literas

Gratiam & gloriam Creatoris infinitam

Saniorem quam olim Ægyptiorum Sapientiam

delineantes

Simul atque docentes

Dei immortalis omnipotentiam celebrare imperscrutabilem

Rerum cunctarum fabricam admirari inimitabilem

Athei nefandi pertinaciam vincere ineptam,

Formositatis vanæ mutationem rimari subitam

Et inde

Vitæ hujus fragilis Prudentiam discere veram.
[1397]

II.


Supra Repositorium craniis humanis refertum:

Mortalium miser,

Qui vocas in dubium

Mortuorum Reviviscentiam

Separatorum Reunionem

Perditorum Restitutionem

Seu

Exuviarum Animæ immortalis depositarum.

Ex proprio pulvere

Resuscitationem,

Cur non dubitas

Vitam hominum in utero oriri,

Unionem indigestorum naturam perficere,

Substantiam multiformem ex uniformi prodire,

Seu

Inexplicabilem corporis viventis machinam

Levi guttulæ Lymphæ

Generationem debere?

Si autem

Experientia humana a posteriori coactus

Credis Generationem

Quam nunquam videbis,

Omnipotentia divina a priori convictus

Credas Resuscitationem

Antequam eam videbis:

Beati enim sunt, qui crediderunt

Et non viderunt.


Der berühmte D. Thomasius besitzt eine schöne Bibliothek, worinnen über achthundert Epistolographi anzutreffen sind, viele antiquas gemmas, alte Münzen in den dreyen Metallen, nummos bracteatos, und andere Merkwürdigkeiten; insonderheit aber ein sehr vollkommenes Thalerkabinet. Rand links: Thomasius Btbliothek und Kabinet. Rand links: Thalersammlung. Unter denen gangbaren Münzen, die nur wegen eines besondern daran sich eräugenden Umstandes als rar angesehen werden, zeiget er einen französischen Speciesthaler, welcher in allemmit der gewöhnlichen französischen Münze übereinkömmt, ausgenommen,[1398] daß Ludwig der vierzehnte auf diesem Stücke einen Spitzbart hat, welches von ohngefähr durch einen Riß, den der Stempel bekommen, verursachet worden. Rand links: Anmerkungenüber etliche französische Münzen. Man hat seit kurzer Zeitangefangen, etwas besonders aus den französischen Thalern und Gulden zu machen, auf welchen bisweilen unter oder über dem Bildnisse Ludwigs des vierzehnten ein Hahn, die Figur eines Fuchsschwanzes und dergleichen zu sehen sind, und haben etliche sie für satyrische Gepräge, so in Holland sollten nachgemacht worden seyn, ausgegeben. Allein dieso Figuren, worinnen man ein Geheimniß suchet, sind nichts als Kennzeichen der französischen Münzmeister oder Münzstädte, aus welchen so wenig etwas zu schließen ist, als wenn in künftigen Zeiten ein Liebhaber der Chymie aus etlichen Münzen, worauf die Zeichen des Schwefels und Quecksilbers (welche sich der Münzmeister Weißmantel zu Erfurt zu einem Kennzeichen erwählet hat) zu sehen sind, die Leute bereden wollte, als wären solche aus Silber oder Gold, welches vorher Quecksilber gewesen, gepräget worden. Bey dem D. Thomasius fand ich auch eine französische Uebersetzung des ersten Buchs Julius Cäsars im Louvre im Jahre 1651 in Folio gedruckt. Dem Autor davon werden wenige andere Bücherschreiber den Rang streitig machen wollen, indem solcher Ludwig der vierzehnte König in Frankreich ist, welchem man dadurch mehrere Luft zum Studiren und zur lateinischen Sprache machen wollen, wenn er sähe, daß etwas von seiner Arbeit in den Druck gekommen. Rand rechts: Ludwig der vierzehnte Autor eines Buches. Die einzige Tochter des D. Thomasius hat es in auswärtigen Sprachen, wie auch in der Philosophie, Morale, Historie und vielen andern Wissenschaften so weit gebracht, daß sie billig mit in den ersten Rang des gelehrten Frauenzimmers zu setzen ist. Es hat ihr nicht an guten Parteyen gefehlet, es scheint aber, daß die Philosophie so stark bey ihr die Oberhand bekommen, daß sie auch dem Ehestande darüber abgesagt habe.

Bey dem Professor Joh. Gabriel Doppelmayer findet man einen schönen Vorrath von Instrumenten und andern Dingen, so in der Physica experimentali, worüber er bisweilen Collegia hält, nöthig sind. Rand rechts: Doppelmayerisches Kabinet. Er hat vor kurzer Zeit vom D. Odelem in Braunschweig einen nicht gar großen Magnet erhandelt, welchen er also in seiner Stärke übet, daß er vermeynet ihn noch in kurzem dahin zu bringen, daß er vierzehn und ein halb Pfund hiesigen Gewichtes, welche über sechszehn braunschweigische Pfunde ausmachen, heben und halten soll. Rand rechts: Anmerkungen vom Magnete. Bisher hatte man für den besten Magnet denjenigen gehalten, welchen der kürzlich verstorbene Kompaßmacher zu Amsterdam, Tayler, besessen, und welcher die Magnetnadel eines Kompasses auf vierzehn Fuß weit beweget.

Es versichert mich aber der Medicus und Professor Matheseos zu Utrecht D. Musschenbroeck8 (ein Bruder des Johann van Musschenbroeck, der in Leyden vielerley und gute mathematische, physikalische, anatomische, chirurgische und andere Instrumente verfertiget), daß[1399] der Lord Boyle in England einen Magnet habe, der hundert und siebenzig Pfund aufhebt und die Nadel auf sechszehn Fuß weit beweget. Bey dem Professor Doppelmayer sieht man ferner etwas von dem wohlerhaltenen und unbeschädigten Korn oder Rocken, so schon im Jahre 1347 auf den Herrenkasten zu Nürnberg geschüttet worden, und also über dreyhundert und achtzig Jahre alt ist. Wollte mein Herr dieses für eine Bagatelle und unnöthige Anmerkung ansehen, so verweise ich denselben nach der kaiserlichen Bibliothek in Wien, woselbst gleichfalls Getraide, so etliche hundert Jahre alt ist, gezeiget und aufgehoben wird. Ja, wasnoch mehr ist, und mir auch zum Schutze gereichet, so hat Lambecius dasselbe, ob es gleich nicht wenig von Würmern angegriffen ist, auch an Alterthum dem nürnbergischen nicht gleich kömmt, dennoch der Mühe werth zu seyn erachtet, daß er in seiner Bibliotheca Vindobonensi Nachricht davon gegeben. Im Jahre 1707 hat man zu Metz einen seit 1553 (da diese Stadt von Karl dem fünften belagert war) verborgenen Getraidboden entdecket, und auf demselben unter einer Schale von darüber hergegossenem Kalk oder Gips ganz unversehrtes Korn gefunden.

Es ist bekannt, wie vor funfzehn bis zwanzig Jahren die sogenannte Rebus in Frankreich Mode worden, und fast die ganze Nation auf solche Schwachheiten verfallen. Rand links: Daß die Erfindung derRebus nicht neu sey. Man sah solche als eine neue Probe des zunehmenden menschlichen Verstandes an, und machte man auch sogar bey Hofe viel Wesen aus dergleichen Einfällen, von deren Hochachtung man noch nicht gänzlich zurück gekommen, ob sie gleich öfters theils auf abgeschmackte, theils unehrbare Vorstellungen hinaus laufen. Daß sie indessen unter die neuen Erfindungen keinesweges zu rechnen sind, beweist die vor mehr als hundert Jahren verfertigte und bey Herr Doppelmayer befindliche Einfassung eines Wolfzahnes, dergleichen man an etlichen Orten den Kindern, wenn sie Zähne bekommen wollen, zum Spielen giebt.

Auf derselben ist ein Abbé, welcher todt auf einer Wiese liegt, und drey Lilien, so s. v. aus seinen posterioribus herausgewachsen, vorgestellet. Der Abbé soll das lateinische Wort Habe ausdrücken, eine Wiese heißt im Französischen pré, die drey Lilien sind au cullis, und diese Bilder zusammengenommen, sollen endlich nach Aussage der daselbst beygefügten Erklärung die lateinische Sentenz ausmachen: Habe mortem præ oculis9.

Bey dem Herrn von Holschuer findet man eine zahlreiche Sammlung von Kupferstichen, und tragen insbesondere die historischen (so nach der Chronologie aufeinander folgen) mehr als zwölf Bände aus. Rand links: Holschuerisches Kabinet.

Das Studium Geographicum in Deutschland hat dem allhier vor etlichen Jahren verstorbenen Joh. Baptista Homann vieles zu danken, und trat der Sohn Joh. Christoph Homann, Medicinæ Doctor, mit löblichem Eifer in des Vaters Fußstapffen; allein es hat auch dieser vor wenigen Tagen das Zeitliche mit dem Ewigen verwechselt. Rand links: Homannisches Museum Geograph. Er ist unverheirathet gestorben, und wie ihn bey seinen Lebzeiten jedermann, der ihn gekennet, wegen seiner Wissenschaften und rühmlichen Lebensart werth gehalten: also machet ihm auch nach dem Tode sein Testament noch Ehre. Seine medicinischen Sachen hat er dreyen seiner Collegen[1400] nach dem Unterschiede und wie jeder von ihnen in dieser oder jener Sache erfahren war, vermachet, die geographische Handlung aber seiner Stiefschwester Mann, dem D. Ebersperger und einem Studioso Juris, Franz genannt, welcher ihm schon lange Zeit her bey seinen weitläuftigen Correspondenzen an die Hand gegangen. Dieser beyden Männer Wissenschaft und Luft der gelehrten Welt zu dienen, giebt alle Hoffnung, daß die Geographie durch sie in manchen Stücken noch mehr Licht, welches ihr sehr nöthig ist, erlangen werde.

Bey des fränkischen Kreises Generalmünzwaradein, Casp. Theophilus Laufer, findet man die auserlesensten in Nürnberg geprägten Medaillen von Gold, Silber, Kupfer und englischem Zinn zu Kauf. Rand rechts: Die Münze. Rand rechts: Preis der Medaillen. Ist ein goldenes Schaustück über sechs Ducaten schwer, so werden über die Zahl der Ducaten, welche es wiegt, auf jeden für die Arbeit und Unkosten funfzehn Kreuzer zugelegt. Wiegt die Schaumünze aber nur sechs Ducaten oder weniger und am geringsten drey Ducaten, so wird überhaupt außer der Zahl der Ducaten, die auf das Gewicht der Münze gehen, für den Abgang des Goldes, welchen der Münzmeister beym Reinigen und Gießen leidet, ein Thaler gezahlet. Was die silbernen Schaustücke anlanget, so wiegen von den ovalen diejenigen, welche von der ersten Größe sind, zehn Loth nürnbergischen Gewichtes, die von der andern Größe acht Loth, und die von der dritten fünfthalb Loth. Die ganz runden von der ersten Größe halten sechs Loth, von der andern Größe vier oder fünfthalb und vierthalb Loth, von der dritten drey Loth, von der vierten zwey Loth, von der fünften anderthalb Loth, von der sechsten ein Loth. Jedes Loth wird mit einem Thaler oder anderthalb Gulden bezahlet. Von den kupfernen Abdrucken kosten die ovalen der ersten und andern Größe einen Thaler, und von der dritten einen Gulden. Die ganz run den kupfernen von der ersten Größe werden verkauft für einen und ein dritthel Gulden, von der andern Größe für einen Gulden, von der dritten für drey vierthel Gulden oder einen hal. ben Thaler, von der vierten für einen halben Gulden, von der fünften für einen Dritthelgulden oder zwanzig Kreuzer, von der sechsten für einen Vierthelsgulden oder funfzehn Kreuzer. Die zinnernen Abdrucke sind mit einem kupfernen Puncte bezeichnet, damit kein Betrug damit vorgehen könne, indem sie an Schönheit den silbernen wenig nachgeben, und man nicht allezeit Gelegenheit hat, sie nach dem Gewichte zu untersuchen. Die ovalen von der ersten, andern und dritten Größe werden mit drey vierthel Gulden oder einem halben Thaler bezahlet. Von den ganz runden kosten diejenigen, so zu der ersten und andern Größe gerechnet werden einen halben Gulden, von der dritten Größe einen dritthel Gulden oder zwanzig Kreuzer, von der vierten einen Vierthelsgulden oder funfzehn Kreuzer, von der fünften und sechsten einen Sechstheil Gulden oder zehn Kreuzer. Es wäre zu wünschen, daß der Thesaurus numismatum modernorum hujus Seculi, der in Nürnberg bey Endters Erben in Folio herausgekommen, fortgesetzet würde, als in welchem man auch die Abzeichnungen und Beschreibung aller hier geprägten Medaillen haben würde. Rand rechts: Anmerkung über die neuern Medaillen. Einige von den darauf vorgestellten Emblematibus kommen vom D. Thomasius, die meisten aber vom Herrn von Führer. Es ist nicht zu leugnen, daß darunter sehr glückliche und sinnreiche Ausdrückungen vorkommen;[1401] indessen aber mangelt es doch nicht an Leuten, welche wünschen, daß man sie mehr nach dem Geschmacke oder gout des Alterthums und ohne große Künsteley einrichtete. Wie weit dieser Personen Urtheil gegründet sey, will ich hier nicht weitläuftig untersuchen, dieses aber ist außer Streit, daß diejenigen, so sich nicht an das Alterthum binden, Gelegenheit haben, mehrere Veränderungen und Figuren auf den Schaustücken anzubringen, wodurch diese besser in die Augen fallen, und folglich auch mehrere Käufer finden. Ueber dieses weis ich nicht, ob die Inscriptionen Paci Publicæ, Felicitati temporum und dergleichen das Gemüth sowohl ermuntern und vielerley Umstände andeuten können, als ein wohl ausgesonnenes Sinnbild, welches, wann es nach den gehörigen Regeln eingerichtet seyn soll, mehr Mühe und Nachdenken erfodert, als manche vermeynen. Ich will aber hiedurch keinesweges denen allzu gekünstelten Schaumünzen das Wort reden, bey welchen man von zehnerley und mehr kleinen Umständen oder Anecdotes unterrichtet seyn muß, wenn man den Verstand einer solchen Münze recht einsehen, und, wie man im gemeinen Reden saget, daraus klug werden will. Die dreyerley Medaillen, die zu Zeiten der entsponnenen Uneinigkeiten zwischen dem Herzoge von Braunschweig-Wolfenbüttel Anton Ulrich, und seinem Herrn Bruder Rudolph August, gepräget worden, können hiebey zu einem deutlichen Exempel dienen, weil man, um sie zu verstehen, nicht nur von den Wirkungen der Antliæ Pneumaticæ in der Ausziehung der Luft aus zweyen aneinander gefügten Hemisphæriis unterrichtet seyn, sondern auch die Namen der damaligen wolfenbüttelischen Minister, welche nur mit den Anfangsbuchstaben ausgedrücket sind, desgleichen die Bilder, wodurch die kaiserliche, englische, braunschweigische, zellische und hannöverische Höfe vorgestellet werden, nebst den Ursachen, warum man den Adler hernach in eine Wolke verhüllet, über den Daumen ein Futteral oder einen sogenannten Däumling mit Weglassung des Buchstaben P. gezogen, und dergleichen Dinge mehr, nothwendig wissen muß. Die Mittelstraße ist in allen Dingen das Beste.

Unter den vielen nürnbergischen Schaustücken, welche man wegen ihrer sinnreichen Ausdrückungen mit Vergnügen betrachtet, gefällt mir sonderlich dasjenige, so auf den langen Aufenthalt des Königs in Schweden Karl des zwölften zu Bender, gepräget worden. Es stellet solches auf der einen Seite das Brustbild dieses sonst so unruhigen Monarchen mit seinem gewöhnlichen Titel vor, auf der andern aber eine Landschaft, in welcher bey stillem Wetter und hellem Mondscheine ein starker Löwe schläft. Der von der ottomannischen Pforte dem Könige verliehene Schutz wird in der Umschrift durch die Worte desVIRGILII im ersten Buche der Æneidos


Per amica silentia Lunæ


angedeutet, und untenher oder in der Exergue liest man:


Oculis dormitat apertis10.


Ich glaube, daß man diese Medaille als ein Meisterstück ansehen kann, und wäre zu wünschen, daß viele dergleichen ans Tageslicht kommen und den Platz derjenigen vertreten möchten, deren Erfindungen nur auf ein Wortspiel hinauslaufen. Dahin rechne ich folgende Umschrift der im Jahre 1689 auf die Einnehmung der Festung Bonn allhier geprägten Medaille: Bono redit omine Bonna; die Abbildung, wie der französische General de Motte dem Herzoge von Marlborough einen Handschuh überreicht, um die Uebergabe der Stadt Gent im Jahre 1708 anzudeuten; Frankreich, so im Jahre 1708 bey Verlust der Festung Ryssel, (so in französischer Sprache L'Isle genennt wird) über den Verlust einer Lilie aus[1402] seinem Wapen weinet; die Allusion auf eine musikalische Arie bey Wegnehmung der Stadt Aire im Jahre 1710, und die bey der Eroberung von Belgrad im Jahre 1717 auf einer Medaille angebrachte Inscription: Che bel grado da Belgrado. Die Einfälle, welchemit Recht den Namen scharfsinniger Gedanken führen sollen, müssen in allen Sprachen ihren Nachdruck und gleiche Annehmlichkeit behalten.

Der Kelleramtmann, von Fezzer, besitzt einen schönen Vorrath von Münzen, Naturalien und andern merkwürdigen Dingen, worunter sich ein künstlich geschnittener Krug aus Rhinoceros-Horn, das schwer zu arbeiten ist, befindet.

Bey der verwittweten Hofräthinn von Fezzer findet man eine artige Sammlung von gemmis antiquis, theils mit hohleingeschnittenen theils erhabenen Bildnissen. Unter den letzten ist ein schöner Kopf des Didius Julianus. Ferner sieht man bey ihr etliche kleinegruppi von Elfenbein, einen Triumph des Neptuns und der Thetis von trefflicher erhabener Arbeit auf einer Kanne, die aus einem einzigen Stücke sehr weißen Elfenbeines besteht; ein Modell von des Mogols großem Diamant, der nicht sowohl in der Breite, (nach welcher er dem Pittischen, so itzt unter den französischen Kronjuwelen ist, bey weitem nicht gleich kömmt) als an Höhe die in Europa für die größten geachtete übertrifft; den Herculem Farnesium eines Fußes hoch, wie solchen Sandrart zu Rom in schwarzem Wachse nach dem Originale poussirt und gebildet hat; ein von der Breunerinn zu Frankfurt in Wachs vortrefflich gearbeitetes bas-relief, welches eine weinende und vor einem Todtenkopfe liegende Sünderinn vorstellet; vier kupferne Schalen, die auf beyden Seiten mit künstlichen schwarzem und weissen email bedeckt sind. Auf der einen steht P. R. 1571. Wie theuer der Herzog von Gotha dergleichen Arbeit bezahlet habe, wird meinem Herrn aus der Nachricht von der gothaischen Kunstkammer noch erinnerlich seyn, und habe ich auch zwo dergleichen große Schüsseln bey dem Reichshofrathe Baron von Roth zu Wien gesehen, welches er vom Julius Romanus zu seynerachtete und auf viertausend Gulden schätzte. Es sind viele dergleichen und andere kostbare Dinge hie und da in Nürnberg gleichsam verstecket, weil die Familien aus vielerley Ursachen nicht gern wollen, daß andere etwas davon wissen. Die starke Handlung, welche vorzeiten von hier nach Italien getrieben wurde, hat Gelegenheit gegeben, daß viele Merkwürdigkeiten nach Nürnberg gekommen, welche ohne diesen Umstand in dieser Stadt nicht gesuchet werden dürften.

Herr Geysel hat einen auserlesenen Vorrath von petrefactis, worunter etliche besonders schöne Fische und Krebse sind. Rand rechts: Geyselisches Kabinet.

Was man aber selten anderswo antreffen wird, ist eine Sammlung beynahe von dreyhundert Originalstempeln alter Sigillorum, darunter auch eines von Ezelino ist. Rand rechts: Sigilla veterum. Etliche davon haben auf dem andern Ende des meßingenen Stempels ein kleineres Siegel, welches für ein Contra-Sigillum angesehen werden kann. Die meisten sind mit Ringen versehen, damit man sie anhängen könne, und ist glaublich, daß sie von den Kanzlern als ein Zeichen ihres Amtes am Halse getragen worden. Sartorio VRSATO, welcher de notis veteribus Romanorum geschrieben, hat den Anfang zu gegenwärtiger Sammlung gemacht, nach dessen Tode sie an den holländischen Consul in Venedig, Striker, gekommen, welcher sie wenige Zeit vor seinem Ende als ein Geschenk an Herr Geyseln, mit welchem er in Italien Freundschaft gemacht, geschicket hat.

Ferner hat Herr Geysel über ein und zwanzigtausend in Kupfer gestochene Portraite gesammlet, worunter bey fünftausend Stücke nur von nürnbergischen Personen sind. Rand rechts: Kupferstiche. Ich zweifele, ob eine andere Stadt in der Welt sey, die sich dergleichen rühmen könne; man muß[1403] dabey aber auch wissen, daß es hier gar wenig kostet, sich in Kupfer stechen zu lassen, und wenig Prediger oder auch Schulmonarchen in Nürnberg sind, denen dergleichen Ehre nicht wiederfährt. Rand links: Medaillen. Das vornehmste aber, so beym Herrn Geysel zu sehen, sind über siebentausend und fünfhundert Medaillen, nicht zwar in ihren Originalien von Gold oder Silber, (als welches große Summen Geldes erfodern, auch in Ansehung vieler raren Stücke, die nur einzeln in großer Herren Kabinetten anzutreffen sind, gänzlich unmöglich seyn würde), sondern in Abdrucken von Kupfer, Zinn, Bley, Gips und dergleichen. Das gothaische Kabinet ist eines von den vollständigsten in Europa, allein es kömmt an der Zahl der neuern Medaillen dem Geyselischen bey weitem nicht gleich, und kann man aus folgenden Classen, in welche die letztgedachten vertheilet sind, am besten urtheilen, was zu einer vollkommenen Sammlung von Schaustücken erfodert werde. Rand links: Bequeme Eintheilung einer Medaillensammlung.

Den Anfang machen die auf die Geburt großer Herren geprägten Münzen, unter welchen, wie auch unter allen bis auf unsere Zeiten wirklich geprägten Medaillen diejenige goldene die größte ist, welche die Stände von Oesterreich der itzigen Kaiserinn zum Wiegenbande geschenkt haben. Rand links: Welches die größte Medaille? Die eine Seite derselben zeiget des Kaisers Brustbild mit der Umschrift: Cæs. Aug. Car. VI. Gentis Habsbur. Decus & Columen; die andere ein Kind, das auf einem Löwen sitzt mit den Worten:Æternitas Augusta.Sie wog sechszehn Mark seinen Goldes, und ist weitläuftig im Supplemento numismatum historicorum ab anno 1700. usque ad annum 1701. beschrieben.


Hierauf folgen


II. Die Münzen, so auf die Reisen großer Herren geschlagen worden, worunter vornehmlich des Königs in Schweden Karl des eilften Besichtigung des Laplandes zu rechnen.

III. Die Krönungsmünzen.

IV. Inaugurations. Medaillen, wenn z. E. der Anfall eines Landes sich eräuget, die Huldigung eingenommen oder ein Votum auf dem Reichstage erlanget worden etc.

V. Vorstellungen von Einzügen und andern Solennitäten.

VI. Stiftungen von geistlichen und weltlichen Orden.

VII. Vermählungen.

VIII. Allianzen und Bündnisse.

IX. Gränzscheidungen.

X. Belagerungen und Schlachten.

XI. Nothmünzen, deren man sich in belagerten Festungen bedienen müssen.

XII. Denkmaale berühmter Generale.

XIII. Friedenshandlungen und Schlüsse.

XIV. Aufrichtung von Handlungsgesellschaften, Ziehung der Canäle, Anlegung von Seehäfen und andere Anstalten, so zur Beförderung des Commercii gereichen.

XV. Stückschießen, Scheibenschießen, Lotterien.

XVI. Anlegung geistlicher Gebäude, Kirchen, Hospitäler etc.

XVII. Erbauung weltlicher Gebäude, Rathhäuser, Luftschlösser.

XVIII. Bergwerke und Münzstädte.

XIX. Akademien und gelehrte Gesellschaften, Jubiläa der Universitäten, Belohnungen des Fleißes in Schulen etc.

XX. Gelehrte Leute.

XXI. Berühmte Künstler.[1404]

XXII. Musea und Curiositätenkabinette.

XXIII. Begebnisse, so in die Kirchenhistorie laufen.

XXIV. Sachen, so die Naturgeschichte erläutern, z. E. Denkmaale von blühenden Aloen, eine Medaille die von einem Juden auf das bekannte künstliche Pferd verfertiget worden etc.

XXV. Astronomica und Mathematica.

XXVI. Alchymica.

XXVII. Amuleta und Münzen, womit insgemein vielerley Aberglauben getrieben wird.

XXVIII. Satyrische Münzen.

XXIX. Secularia und Jubilæa von verschiedenen Gelegenheiten.

XXX. Päbstliche Jubiläa.

XXXI. Hochzeit-Jubiläa.

XXXII. Landplagen, z. E. Wasserfluthen, Pest, Hunger, Erdbeben etc.

XXXIII. Sterbfälle. Ferner kommen

XXXIV. Die Ehrengedächtnisse vornehmer Herren, unter welchen die päbstlichen Schaumünzen, welche hier in drey vollkommenen Folgen oder Suiten zu sehen sind, obenan stehen; und folgen:

XXXV. Die Kardinäle.

XXXVI. Erzbischöfe.

XXXVII. Bischöfe.

XXXVIII. Der Maltheser-Orden, die Deutschmeister etc.

XXXIX. Die römischdeutschen Kaiser.

XL. Die churfürstlichen Häuser.

XLI. Die neuen fürstlichen Häuser.

XLII. Die Reichsgrafen.

XLIII. Die Reichsstädte.


Die auswärtigen Medaillen folgen nach der alphabetischen Ordnung der Länder, deren Regenten sie angehen. Die von der Academie des Inscriptions zu Ehren Ludwig des vierzehnten angegebene Schaustücke füllen eine besondere Abtheilung und machen zweyhundert sechs und achtzig Stücke aus. Die italienische Familie von Carrara, von welcher der gelehrte Professor Köhler zu Altdorf eine eigene Abhandlung herausgegeben, erfodert gleichfalls einen besondern Platz. Unter den italienischen Schaustücken zeiget sich die allerälteste von den neuern, (so viel man bisher noch weis) mit der Umschrift: Krolus secundus de Manfredis Faven. Rand rechts: Die älteste Medaille. Sie ist vom Jahre 1368, und zwar nur auf einer Seite mit einem Gepräge versehen. Mehrere Nachricht davon giebt Herr Köhler in dem ersten Jahrgange seiner wöchentlichen Münzbelustigungen.

Uebrigens ist noch zu gedenken, daß man erst seit dem nimwegischen Frieden angefangen hat, in Münzstädten die Medaillen auch in Zinn abzuprägen und zu verkaufen.

Dorsche ist ein berühmter Stempel- und Edelgesteinschneider, der wunderliche Schicksale in seinem Leben erfahren hat. Rand rechts: Stempelschneider Dorsche. In seiner Jugend war er ein Kellerer, wurde hernach ein Weinhändler, und als es damit nicht recht fort wollte, legte er sich auf das Glasschleifen, lernete täglich zwo Stunden lang das Zeichnen bey geschickten Meistern, und zwar vier Jahre lang, ob er gleich damals schon ein und dreyßig Jahre alt war und fünf Kinder hatte, Nach diesem verfiel er auf die Geometrie, besuchte dabey die Malerakademie und hörete bey[1405] D. Heister in Altdorf ein Collegium über die Anatomie, las Bücher, so von allerley Wissenschaften handelten, und brachte es endlich in der Steinschneiderey so weit, daß ihn wenige (worunter jedoch anitzt seine eigene Tochter zu rechnen ist) darinnen übertreffen, und man dannenhero Gelegenheit genommen, im Jahre 1728 eine Schaumünze auf ihn zu prägen, deren eine Seite sein Brustbild vorstellet mit der Unterschrift: Christophorus Dorscheus Gemmarum cælator. Auf der andern Seite zeiget sich die sitzende Pallas und die Inscription: Sola Comes, vermuthlich um anzudeuten, daß er weniges einer fremden Anleitung, sondern fast alles seinem eigenen Fleiße und Verstande zu danken habe. Untenher oder in der Exergue liest man: Arti & Artifici. Man kann anitzt die Päbste in Carniol geschnitten (so zweyhundert acht und dreyßig Stücke ausmachen), für dreytausend Gulden bey ihm haben; von andern in großer Menge vorhandenen hohlgeschnittenen Bildnissen, bezahlet man das Stück für zehn bis zwölf Thaler, und nimmt er gute Steine zu seiner Arbeit. Die anspachischen und böhmischen Steine haben zwar öfters die Härte der orientalischen, allein dabey auch viele Risse und mangelt ihnen die Spielung. Herr Dorsche ist nebst seiner Frau darinnen übel daran, daß sie beyde vom Durste stark geplaget sind, und dabey die Gabe nicht haben, solcher Versuchung zu widerstehen. Das Unglück seines Sohnes, welcher im eilften Jahre von einem wüthenden Hunde übel zugerichtet worden, hat ihm viele Bekümmerniß verursachet. Denn dieser junge Knabe wurde davon rasend und blieb es dreyßig Tage lang; nachdem er auch durch die Hülfe geschickter Aerzte aus diesem gefährlichen Zustande gerettet worden, bekam er aus einem bey ihm erregten Jähzorn die hinfallende Sucht, welche ihn viele Jahre lang elend machte, bis er endlich durch den Gebrauch des Olei Cajebuch, davon er des Morgens und Abends einen Tropfen auf einem kleinen Stücke seinen Zuckers eingenommen, von dieser den Leib und das Gemüth abmattenden Krankheit befreyet worden, dergestalt, daß er itzt die Kupferstecherey lernen kann. Rand links: Mittel wider die hinfallende Sucht. Ehemals waren bey dem berühmten Mechanicus Hautsch viele merkwürdige Dinge zu sehen, es ist aber nun das meiste eingegangen.

In dem schönen Pellerischen Hause verdienen zehn bis zwölf Gemälde vom Palma betrachtet zu werden. Sie sind ein Fideicommissum und können nicht veräußert werden. Rand links: Gemälde in dem Pellerischen Hause.

Der Maler Ditsch hat eine Sammlung von Petrefactis, Muscheln, Münzen, geschnittenen Steinen, Kupferstichen, Gemälden, Erzen, Insekten, elfenbeinernen künstlichen Stücken und andern Dingen, worunter sich auch der kleine und sehr schöne Vogel Colibri befindet, nebst der Spinne, welche ein so starkes Gewebe machet, daß er sich darinnen verwickelt. Rand links: Kabinet des Malers Ditsch. Ein hier befindliches indianisches Gemälde zeiget, wie sich in den Morgenländern neun Weiber also in einander zu flechten wissen, daß sie einen Elephauten mit seinem Thurme, vorstellen. Ditsch hat drey Söhne und eine Tochter, welche alle viere sehr weit in der Malerey von Bluhmen, Vögeln und Landschaften gekommen sind. Die Tochter ist itzt mit einem Werke von Bluhmen beschäfftiget, so für einen hiesigen Kaufmann gehöret, und vierhundert Bluhmengewächse auf eben so vielen Blättern vorstellet. Jedes Blatt wird mit vier bis fünf Gulden bezahlet, und bringt sie mit solchem zur Sommerszeit zween, im Winter aber drey Tage zu.

In dem Hofplatze des Imhofischen Hauses in der Ledergasse steht über der Erde heraus der Stamm eines Baumes, welcher in Stein verwandelt worden. Rand links: Versteinerter Baum. An etlichen Orten desselben hat eine krystallene Materie die poros dergestalt durchdrungen, daß man Steine zu Ringen daraus schleifen kann, und werde ich meinem Herrn bey meiner Zurückkunft etliche Proben davon vorlegen können. Dieser Stamm ist desto merkwürdiger, weil er noch vollkommen[1406] mit seinen Wurzeln in der Erde steht, und ist glaublich, daß unter demselben eine Quelle oder andere Feuchtigkeit zu finden, welche durch die Wurzeln in den obern Theil des Baumes gewirket und solchen versteinert hat. Dergleichen Quellen finden sich nicht nur in Ungarn, sondern auch in vielen Gegenden Deutschlandes, und zwar daß sie nicht allein die hineingelegten Körper mit einer steinernen Rinde überziehen und incrustiren, sondern auch die innersten Theilchen und poros des Holzes mit steinerner Materie anfüllen. Ja so gar außer den Brunnen und in der bloßen feuchten Erde nimmt das Holz an vielen Orten dergleichen Veränderung an, und habe ich von mehr als zwanzig Gegenden Deutschlandes solche Stücke, welche als Steine am Gewichte und Härte sind, auch Feuer schlagen, durch ihre Rinde aber, Structur, Ringe die aus dem jährlichen Anwachse entstehen, durch Knoten, Aeste, wie auch durch die Wurzeln, auf welchen ihr Stamm gestanden, deutlich an den Tag legen, daß sie vorher Holz gewesen. Absonderlich findet man in den Gegenden, die an Torf reich sind, als in Holland, Westphalen und in den lüneburgischen Landen, viele Bäume in der Tiefe der Erde, welche durch eine gewaltsame Umstürzung vom Winde und Sturmwetter in solchen Stand gerathen zu seyn scheinen, und liegen sie in Ansehung ihrer Wurzel alle zwischen Mitternacht und Abend, die Gipfel der Bäume aber sind nach der Gegend zwischen Morgen und Mittag gerichtet. Rand rechts: Bäume unter der Erde. Daß itztgedachte Lande ehemals viel niedriger gelegen, läßt sich leicht begreifen, ob aber die allgemeine Noachitische Ueberschwemmung der Welt, oder eine von Nordwest gekommene particular Fluth die übrige Veränderung verursachet habe, ist nicht so leicht zu entscheiden. Ob nun gleich diese Bäume in den Torf-Adern nicht versteinert sind, so hat sich doch vieler Schwefel, Salpeter und Harz hineingezogen, wie ich solchesauch an anderm ligno fossili bemerket, in welchem ich über dieses Vitriol, Alaun, Eisen, andere Mineralien, und zu Gartow, einem der hochfreyherrlichen Bernstorfischen Familie zuständigen Gute im Herzogthume Lüneburg, Börnstein (welcher daselbst, obgleich die See mehr als funfzehn Meilen davon entfernet ist, von weißer, gelber und schwarzer Farbe gegraben wird) gefunden habe. Rand rechts: Mineralien, Börnstein etc. im Holze. Da also das Holz mit so vielerley Dingen, wie die Chymisten es nennen, imprägniret werden kann, so ist nicht zu verwundern, daß auch die Säfte, welche sich zu einen Stein oder Krystall ansetzen und coaguliren, nach und nach mit solcher Menge indie poros des Holzes einschleichen, daß endlich der ganze Baum mehr an der Eigenschaft eines Steins als des vorhergewesenen wachsenden Holzes Theil nehmen muß. Zu Joachimsthal in Böhmen wurde beynahe vor zweyhundert Jahrenein tiefer Erbstollen gebauet, der unter der ganzen Stadt weggeht, und weil ihn der Kaiser in baulichen Würden erhält, der kaiserliche Erbstollen, sonst aber auch St. Barbara-Stollen genennt wird. Rand rechts: Versteinerter Buchbaum. Als man viele Lachtern aufgefahren, fand sich mitten im Gange eine in Stein verwandelte sehr dicke und große Buche, deren Stamm damals weggeschafft worden. Vor ohngefähr sechszehn Jahren, als eine kaiserliche Commission in Bergwerkssachen zu Joachimsthal war, ließ solche an dem Orte, wo die Buche ehemals gefunden worden, über sich auffahren, und da fanden sich die ordentlich ausgebreiteten Aeste dieses Baumes, von welchen mich auch ein guter Freund mit einem Stücke, in welches sich der Fluor Crystallinus von weißer und grüner Farbe insinuirt befindet, versorget hat. Zu Joachimsthal braucht man ihn als ein bewährtes Mittel wider das Fraisch oder die Convulsionen der kleinen Kinder.

Ich wende mich nun zu fünf großen Kunstkammern, die noch in Nürnberg zu sehen sind, und unter welchen ich nicht sowohl wegen der Kostbarkeit der Sachen, als wegen der Ehre, so dem Frauenzimmer gebühret, das Sandrartische obenan setze. Rand rechts: Kabinet der Frau von Sandrart. Die Besitzerinn desselben ist die Wittwe, des wegen seiner Kunst in Malen und Zeichnen berühmten Joachim[1407] Sandrart, welche sich ein Vergnügen machet, die zu ihrem Zeitvertreib gesammlete Raritäten an Fremde zu zeigen. Das erste, so man zu Gesichte bekömmt, ist ein mit schöner florentinischer Arbeit eingelegter Schrank, nebst verschiedenen Tafeln von florentinischem Marmor. Hierauf folget allerley künstliche Frauenzimmerarbeit von Band, Papier, Seiden, Fischschuppen etc. Weißes Porzellan, auf welches die künstliche Hand einer hiesigen Jungfer, Walterinn genannt, mancherley Farben von Seide so artig zu tragen gewußt hat, daß das Auge leicht betrogen wird, und solche für Gemälde ansieht. Auf gleiche Art sind von obgenannter Person etliche Landschaften auf Elfenbein vorgestellet worden, und andere auf Papier und Pergamen mit schwarzer Seide, welche letztere den Kupferstichen sehr ähnlich kommen; ferner vielerley ausländische Kleider und Trachten; curieuse Holz-Wachs- und Glasarbeit; viele geschnittene Edelgesteine von alten und neuen Künstlern, sowohl Intagliati als Camei; Sammlungen von Münzen, Medaillen, Muscheln, Seegewächsen, Sceletis, Petrefactis, Papillons, Insekten, Vogelnestern, Eyern, Zähnen, Messern, Schuhen, Mücken-Flöh- und Mausfallen, fremden kleinen Thieren, Mineralien, Amuletis, Reliquien; eine Alraunwurzel; eine Copey des in der Stadtbibliothek befindlichen amerikanischen Abgotts Fizlipuzli; fünfhundert und funfzig elfenbeinerne Becherlein in einem einzigen Pfefferkorne; ein elfenbeinernes Kegelspiel mit seinen Kugeln in einem Hanfkorn; ein Paar vollkommen große Frauenzimmerhandschuh in einer Wallnuß, nebst mehrern dergleichen subtilen Kunststücken; Zeichnungen und Gemälde von ihrem verstorbenen Manne, Joachim Sandrart, von dessen Kunst Georg Philipp Harsdörfer in der Lebensbeschreibung unsers Sandrart auf der 13 u. 19. Seite diese Probe anführt, daß als er vor dem bayerischen Churfürsten Maximilian die zwölf Monate gemalt, und beym Monate November unter andern auch ein Jäger vorgestellet worden, der einen Hafen auf dem Rücken trug, man Mühe gehabt die Jagdhunde, welche mit dem Churfürsten in das Zimmer, woselbst der Maler seiner Arbeit oblag, kamen, abzuhalten, daß sie mit ihrem Springen gegen den Hafen das Gemälde nicht verdorben. Wobey ich mich des Rymbrands erinnere, welcher ein so gleichendes Contrefait seiner Magd verfertiget, daß, als er solches an ein Fenster, vor welchem sich besagte Magd öfters zu zeigen pflegte, gestellt, alle Nachbarn die vorbey gegangen, sich mit dem Bilde in ein Gespräch einlassen wollen. Joachimus a Sandrart in Stockau starb zu Nürnberg im Jahre 1688 im zwey und achtzigsten seines Alters, und bekam vom Harsdörfer folgendes artige Epitaphium:


Cum, Sandrarte, Tuas tabulas Natura videret,

Queis facies rerum perpetuare soles,

Obstupuit, tinxitque genas pudibunda rubore;

Optans esse suum, quod videt Artis, opus.


Die Frau Sandrart selbst ist eine von den größten Raritäten ihres Kabinets, wenn man ihr munteres Alter und unvergleichliches Gedächtniß in einem Alter von achtzig Jahren betrachtet. Rand links: Anmerkung über das Alter der Frau v. Sandrart. Sie weis eines jeden Dinges Namen, die Personen, von welchen sie solches bekommen, die Namen des Krautes oder Baumes, worauf fast jede Art der Papillons ihre Nahrung suchet und sich fortpflanzet etc. Wenn man die Lebenszeit ihres Mannes und die ihrige zusammen rechnet, so hat dieses Ehepaar zwey Jubilæa Augustanæ Confessionis erlebet, gestalten er sieben und sechszig Jahre alt war, als er seine Frau, die damals von zwey und zwanzig Jahren war, heirathete. Rand links: Chronologische Merkwürdigkeiten. Sie ist nun im zwey und vierzigsten Jahre ihres Wittwenstandes, und hat in solcher Zeit ihr Kabinet gesammlet. Noch in diesem itzigen Jahrhunderte lebte in Frankreich des Königes Karl des neunten Schwiegertochter, die unter[1408] dem Namen der Duchesse d'Angouleme bekannt war. Als besagter König im Jahre 1574 ohne eheliche Erben im vier und zwanzigsten Jahre seines Alters starb, hinterließ er einen natürlichen Sohn, der damals nur etliche Jahre alt war, und erst in seinem acht und sechzigsten oder siebenzigsten Jahre sich mit obgedachter Person, welche überaus jung war, verheirathete, daher kein Wunder ist, daß ihrer beyden Leben sich in so lange Jahre erstrecken können. Im Jahre 1725 ist die Frau von Sandrart von Georg de Marces, einem Schweden, gemalet, und im Jahre 1727 von G. D. Heumann in Kupfer gestochen worden, wie sie ihre Insekten, Muscheln und Münzen vor sich hat. Unter diesem ihr vollkommen gleichenden Portraite liest man die von dem Prediger und Professor Joachim Negelein verfertigte Verse:


Cujus inexhausto plaudit natura labori,

Artis & omnigenæ nobile servit opus,

Immenso cujus studio non sufficit orbis

Unus, in effigie parva tabella capit

Non capit ast totam; Celebri Sandrarta marito

Clarior, ingenio pingitur ipsa suo.

Nata d. 7. Jun. 1651.


Die kostbarste unter allen nürnbergischen Kunstkammern ist die Praunische, welche das meiste ihrem Stifter Paul Praun aus einem alten vornehmen nürnbergischen Geschlechte, der sich zu Anfange des vorigen Jahrhunderts lange Zeit in Italien aufgehalten, und im Jahre 1619 gestorben ist, zu danken hat. Rand rechts: Praunisches Kabinet. Dieser Mann hatte eine Seidenfabrike in Bologna, und sammlete die raresten Sachen, welche er alle nach Nürnberg sandte, um sich endlich selbst dahin in Ruhe zu begeben. In den besten Anstalten aber übereilete ihn der Tod, also daß er sein Grab zu Bologna fand. Seit seinem Absterben ist wenig zu seiner Sammlung gekommen, welches einigermaßen ihren Werth vermehret hätte, und ist es glaublich, daß ihm viele Dinge aus denen unter Karl dem fünften von der geplünderten Stadt Rom weggeführten und hier und da zerstreueten Sachen in die Hände gerathen. Das älteste unter den hier befindlichen Gemälden ist eine mit Oelfarbe im Jahre 1318 gemalte Tafel, die verschiedene Weibspersonen in alten meißnischen Trachten vorstellet. Vom Bassano sind acht Stücke vorhanden, unter welchen viere die Jahreszeiten abbilden. Die Ankunft der Weisen aus Morgenlande, um den neugebohrnen Meßiam zu verehren, wird dem alten Bassano zugeschrieben, und ist ein treffliches Stück, auf welchem eine große Menge Volkes, so theils zusieht, theils in Caravanen zieht, erscheint. Pauli Bekehrung ist vom Dionysius Calvart sehr schön ausgedrückt, bey den historischen Umständen aber ist dieses einzige auszusetzen, daß Paulus, wie fast von allen Malern geschieht, abgebildet wird, als habe er seine Reise zu Pferde verrichtet. Von eben diesem Meister ist Maria Magdalena zu den Füßen des Herrn Christi, welcher ihr verwehret, ihn anzurühren, da er ihr im Garten erschienen war; desgleichen die heilige Cäcilia und das Urtheil des Paris. St. Cäcilia ist auch vom Raphael vorhanden, wie sie in Bologna zu sehen, und ein anderer berühmter Meister zu Raphaels Zeiten sich aus Neid und Verdruß darüber zu Tode gegrämet haben soll. Das hiesige Stück soll gleichfalls ein Original seyn Guidoreno hat die Ankunft der Abigail bey David auf einem großen Stücke abgebildet, Antonio Corregio die Madonna Palma, die von den Hirten verrichtete Anbethung des Heilandes, und Nicolaus Juvenell die in Kriegszeiten schlafende Künste und Wissenschaften, welches alles Stücke von sonderbarer Schönheit sind. Ein Original des Michel Angelo, das etwan drey Fuß hoch ist und einen Mann,[1409] dem die Haut abgezogen ist, darstellet, ist vornehmlich auf die Ausdrückung der Muskeln, worinnen Angelo große Wissenschaften besaß, gerichtet. Des Albrecht Dürer Portrait ist doppelt vorhanden, einmal wie er in seiner Jugend ausgesehen, und das andere mal nach seiner Gestalt im Alter. Hiebey ist das Portrait seiner nackenden Frau, von Albrecht Dürer selbst verfertiget, zu sehen. Ihre Person ist nicht so beschaffen, daß sie viele Versuchungen erregen könnte, und soll sie auch von sehr bösem oder murrischem Gemüthe gewesen seyn, die alte Magd des Stifters dieser Sammlung hat die Ehre vom Andrea del Sarto in einem schönen Stücke gemalt zu seyn. Von den Portraiten Raphaels d'Urbino und des Mich. Angelo sieht jenes dem Angesichte, womit man insgemein den Herrn Christum zu malen pflegt, nicht unähnlich. Rand links: Portrait Raphaels; Raphael war ein Mann, welchen jedermann wegen seines freundlichen und angenehmen Umgangs liebete. Das Brustbild des Kaiser Karls des fünften wie er im zwey und dreyßigsten Jahre seines Alters ausgesehen, ist vom Christoph Amberger, und sollen einsmals tausend Thaler dafür gebothen worden seyn. Rand links: Karls des fünften; Der Mund ist etwas gezogen und von der Art, welche dem Habspurgischen Hause11 seit etlichen Jahrhunderten angeerbet ist; ob aber Karl der fünfte damals so blaß gewesen, als er auf diesem Gemälde erscheint, oder ob durch die Länge der Zeit die Farbe in etwas verbleicht, möchte vielleicht noch zweifelhaft scheinen, wenn nicht Masenius in dem Leben Karls des fünften lib. IV, §. 44 der blassen Farbe ausdrücklich gedächte, da er bey der Beschreibung der Leibesgestalt dieses Kaisers setzet: Erat ejus vultus argemeo & grato quodam pallore dilucidus, oculi cærulei, suaves, nulla acri severitate formidabiles, & ii quidem ad ingenuum pudorem virilemque modestiam instituti. Nasus e medio clementer assurgebat, quod magnitudinis animi signum in Persarum etiam Regibus ab antiquis fuit observatum. Mentum erat ad exiguam venustatis injuriam paulo prominentius, & quod gravitatis speciem addebat, subscripta & flaventi barba convestitum. Capillum vero fulgore pallemis auri more Romanorum Cæsarum circumtonsum ostendebat etc. Womit auch andere Geschichtschreiber übereinkommen, und drücken Masenius Worte das Portrait Karls des fünften, wie solches auch vom Amberger verfertiget worden, sowohl aus, daß sie verdienten über selbiges gesetzt zu werden. Das nahe dabey stehende Brustbild Sebastian Münsters, der die Kosmographie geschrieben hat, ist von eben diesem Amberger oder vom Holbein, und bewundert man an selbigem die natürliche Vorstellung des grauen Bartes. Rand links: Seb. Münsters. Ein schönes Gemälde vom Sibeto bildet eine angenehme Landschaft ab, in welcher man auf einem Felsen eine sehr künstlich gemalte Eule entdecket. Weil dieser Vogel in italienischer Sprache Civetta genennet wird, so zweifele ich nicht, der Meister habe dadurch auf seinen Namen zielen wollen. Die vielen andern Gemälde von denen schon genannten Meistern, desgleichen vom Francesco Parmegiano, Octavio Miserone, Laurentio Sabbatino, Adamo Ligastro, Lukas Cranach, Jakob Sprengler, Georg Umberger, der Italienerinn Lavinia Fontana und mehrern übergehe ich mit Stillschweigen, und sind die Namen der Künstler hinlänglich genug, ihren Werken eine Hochachtung zu erwerben. Von Handrissen ist gleichfalls eine zahlreiche Sammlung vorhanden, worunter viele sich vom Raphael d'Urbino, Michel Angelo, Annibal Carragino, Julio Romano, Antonio Corregio, Ercole Procacino, Andr. del Sarto, Bassano, Caravaggio, Perino de Vago, Mantegna, Lorenzo Sabbatino, Micerino da Siena, Horatio Samachino, Bagnacanallo Vecchio, Joachimo da Pontorno und andern[1410] berühmten Männern herschreiben. Rand links: Handrisse. Haus Hofmann allein hat hundert und neun und funfzig solcher Handriffe gemacht. Die Kupferstiche vom Albrecht Dürer machen gleichfalls einen vollkommenen Band aus. Die kleinen hier befindlichen alten Statuen von heydnischen Gottheiten, Fechtern etc. aus bronzo, belaufen sich auf ein und achtzig, und ist darunter die Pallas von zween bis drey Fuß in der Höhe nebst zween Mercuriis, (der jeder nur auf einem Fuße steht) von gleicher Höhe. Rand rechts: Statuen. Die zwölf ersten Kaiser sind in metallenen bas-reliefs von der Größe eines Tellers abgebildet. Von Marmorarbeit sind neun Statuen und sieben Kaiser en bas-relief vorhanden, welche als Originale angesehen werden. Man bemerket über dieses 1) viele metallene Copeyen römischer Statuen; 2) sechs und funfzig Statuen von Thon und andern Materien, woran berühmte Meister ihre Kunst gezeiget haben; 3) bey zwey tausend theils mit eingegrabener, theils mit erhabener Arbeit gezierte Achate, Granaten, Jaspis, Carniol, Chalcedon, Onyx, Chrysolithe, Amethyste, Hyacinthe, Saphiere und andere Steine, von welchen sieben und siebenzig in goldenen Ringen gefasset sind. Rand rechts: Gemmæ. Die darunter befindliche Suite der Kaiser, die ägyptische Hieroglyphica, ein heydnisches Opfer in Achat, Christi schön erhabenes Brustbild aus Diaspro Saguinacio und ein trefflicher alter Kopf von erhabener Arbeit aus einem Amethyst, der um ein gutes Theil größer als eine wälsche Nuß ist, verdienen vor andern gesehen zu werden, wie nicht weniger die Ausführung des Heilandes zur Kreuzigung unter vielen hundert Leuten so künstlich und klein in erhabenen Figuren geschnitten, daß der Stein in einen Fingerring dienet, und an Größe einen nürnbergischen Pfennig nicht übertrifft. 4) ist die Geschichte der Hirten, welche in der Nacht da Christus gebohren war, ihre Schafe auf dem Felde hüteten, auf indianischen weissen Marmor mit solcher Geschicklichkeit gemalet, daß die Natur und Beschaffenheit des Steines das meiste beygetragen, um die Herrlichkeit der himmlischen Heerschaaren auszudrücken. 5) mangelt es nicht an ungeschnittenen Edelgesteinen von allerley Arten. Rand rechts: Gemälde auf Marmor. 6) Unter den alten Münzen sind tausend ein hundert und funfzig von Kupfer, hundert und zwanzig in Silber und viele in Gold, worunter siebenzehn griechische Stücke gezählet werden. Rand rechts: Alte Münzen.

Ferner ist zu sehen 8) eine Sammlung von allerley Marmorkugeln; 9) eine marmorne Tafel, worauf mit einer kleinen Beyhülfe der Einbildungskraft eine Katze zu erkennen ist; 10) ein Tisch von Ebenholze, mit Stücken von Lumachella, Jaspis, Carniolen, Achat und Lazuli eingelegt und besetzet; 11) vielerley indianische Sachen; 12) Meergewächse; 13) eine monstrose Muschel, die als ein Krug gewachsen ist; 14) Petrefacta; 15) Mineralien; 16) künstliche in Holz und Stein geschnittene Stücke, worunter ein Crucifix in Holze vom Mich. Angelo ist; 17) sonderbare elfenbeinerne Drechslerarbeit; 18) etliche Stücke von so genannter Limosiner- oder Schmelzarbeit auf Kupfer von beyden Seiten, welche von einigen unter die verlohrnen Künste gerechnet wird. Uebrigens ist noch beyzufügen, daß dieses Kabinet nebst dem Hause worinnen es steht, ein Fideicommissum sey, so niemals veräußert werden kann. Rand rechts: Marmor.

In der Imhofischen Kunstkammer sind gute Gemälde vom Albert Dürer, Palma, Paul Veronese, Titian etc. Medaillen, Seemuscheln, petrefacta, mineralia, Schmelzarbeiten, türkisches Gewehr, türkische Fahnen, Bücher und andere merkwürdige Dinge anzutreffen. Rand rechts: Imhofisches Kabinet.

Das Ebermayerische Kabinet besteht aus Gemälden, (darunter etliche schöne Stücke von des Malers Ditsch Tochter sind,) antiquen Statuen aus bronzo, Corallengewächsen, gemalten und andern künstlichen Gläsern, achatenen Geschirren, schön gearbeiteten Pocalen, worunter einer von Elfenbein und ein anderer von Rhinoceros ist, wie auchaus Brennspiegeln[1411] sowohl von Metallals Glas. Rand rechts: Ebermäyerische Kunstkammer. Rand rechts: Gemälde. Das vornehmste aber machen seine theils geschnittene, theils ungeschnittene Steine aus, und findet man allhier Onyxe, Berylle, Granaten, Smaragden, Achate, Saphiere, Carniole, Hyacinthen, Amethyste, Chalcedonier und mehrere dergleichen Edelgesteine. Rand links: Gemmæ. Von dem letztgenannten Steine ist ein Kreuz auf einem ziemlich großen amethystenen Berge sehenswürdig und aus einem andern Chalcedonier ist ein Kreuz, woran Christus aus Elfenbein gemacht hängt, und ruhet dasselbe auf einem Berge von orientalischem Achat, an welchem hie und da andere Edelgesteine, als Rubine, Saphiere, Smaragden etc. zu wachsen sich angesetzt haben. Wer eine genaue Nachricht von den hier vorhandenen Gemmis verlangt, findet solche in zweyen gedruckten Werken, deren Titel sind: I. Gemmarum affabre sculptarum Thesaurus, quem suis sumptibus haud exiguis nec parvo studio collegit Ioh. Mart ab Ebermayer, Norimb. Digessit & recensuitIoh. Iac. BAIERVSP. & M. V. D. hujusque in Acad. Altorff. Professor primarius, Norimb 1720. II. Capita Deorum & illustrium hominum gemmis incisa, quæ collegit Ioh. Martinus ab Ebermayer & illustravitErhardusREVSCH, 1721, fol.

Die Volkamerische Kunstkammer hat schöne Mineralien, Petrefacta, Seegewächse, Muscheln, fremde Thiere, so in Spiritu vini aufgehoben werden, Insekten, künstliche Arbeit von Elfenbein und Wachs, Brenn- und andere Gläser, Gemälde etc. Rand links: Volkamerisches Kabinet. Gedachte Sammlung ist itzt in das Lusthaus des volkamerischen Gartens gebracht, und findet man in diesem horto Medico auch fünf Seulen, diezur Geographie gehören. Rand links: Garten. Die mittelste und größte Seule, so außer ihren Fuß- und Hauptgesimsen zehn Fuß hoch ist, und siebenthalb Schuhe im Umfange hat, stellet die vornehmsten Städte vor, welche innerhalb hundert und funfzig Meilen von Nürnberg liegen mit beygefügter Zahl der Meilen, nach welchen sie entfernet sind. Diese Seule ist von dem Herrn Volkamer zur Nachahmung der Columnæ milliariæ, die im Capitolio zu Rom steht, ausgesonnen. Rand links: Columnæ milliariæ.

Die vier andern Seulen, welche in einem Quadrat stehen, dienen zu Stützen des Daches, das über die erstgedachte große Seule geführet ist, und bemerket die erstere die Lage derjenigen Städte, die über hundert und funfzig und bis auf drey hundert und zwanzig Meilen von Nürnberg entlegen sind; die andere geht mit solchen Orten bis auf fünf hundert Meilen; die dritte stellet Europa vor, nebst der Lage der darinnen befindlichen Länder, um daraus zu sehen, was für Reiche auf einer jeden Seite, wornach man sich wendet, liegen. Gleiche Eintheilung ist mit denen um Nürnberg liegenden Dörfern aufder vierten Seule vorgenommen worden. In eben diesem Garten ist ein Obeliscus mit hieroglyphischen Figuren an seinen vier Seiten nach Art des Konstantinopolitanischen aufgerichtet. Rand links: Obeliscus. Er ist zwanzig und einen halben Fuß hoch, besteht aus einem Steine, und liest man an der einen Seite seines Fußgestelles:


ANNO SERVATI ORBIS MDCCVIIII.

EVROPA PENE VNIVERSA

BELLO, FAME, CONTAGIO, MISERE VASTATA

OBELISCVM HVNC

ERECTI SIMVLACRVM

ANIMI PACEM SVSPIRANTIS SIGNVM

EX VOTO POS.

J. C. V.
[1412]

An der andern Seite:


BEATI PACIFICI,

TRANQVILLITATEM

QVI ANIMO SERVANT INTEMERATAM

BEATIORES,

II DEMVM BEATISSIMI

QVIBVS E CALAMITATE ET MISERIA EREPTIS

ÆTERNA IN PACE

FACTVS EST LOCVS.

ΗΝ ΠΑΛΛΙ ΕΣΤΗΣΕΝ

ΤΕΤΡΑΠΛΕΥΡΟΝ ΑΡΟΥΡΗΣ ΟΓΚΟΝ

ΚΙΟΝΑ

ΘΕΟΔΟΣΙΟΣ ΑΛΚΙΜΑ ΚΟΙΡΑΝΕΩΝ

ΤΗΝ Δ' ΙΕΡΟΝ ΜΝΗΜ

ΕΙΡΗΝΗΣ ΑΝΕΘΗΚΕΤΕ

ΤΕΡΜΑ ΤΟΥ ΜΟΓΕΡΟΥ ΑΡΕΩΣ

ΕΖΟΧΑ ΒΟΛΚΑΜΕΡΟΣ!


An der vierten:


MISERI MORTALES

QVID PACEM POSCITIS

TVRBIDIS ANIMI IMPOTENTIS MOTIBVS

MOX PROFLIGANDAM

PERPETVA PIIS MENTIBVS

DE COELO FVLGET SERENITAS

IMPII NON HABENT PACEM

NEC HABEBVNT.


Diese vier Inscriptionen sind voll schöner Gedanken, und wie sie aus der Feder eines gründlich gelehrten Mannes, des hiesigen Thomasius, ihres Verfertigers nothwendig kommen mußten. Im gedachten Garten sind noch viele auswärtige Gewächse und eine gute Orangerie vorhanden.

Es ist bekannt, wie ehemals eine Gesellschaft in Nürnberg unter dem Namen der Pegnitzschäfer zusammengetreten, deren Absicht auf die Aufnahme und Verbesserung der deutschen Sprache und Poesie gerichtet war. Rand rechts: Pegnitzschäfer. Das Vorhaben war gut, die dazu erwählten Mittel aber nicht glücklich ausgesonnen. Diese Pegnitzgesellschaft besteht zwar noch heutiges Tages, allein nur unter schlechten Leuten und werden wenige Zusammenkünfte gehalten.

Die Meistersänger, welche mit den Bardis undScaldis der alten Deutschen eine große Gemeinschaft haben12, versammlen sich gemeiniglich an Festtagen, singen auch wohl in[1413] Privathäusern für ein Trankgeld. Rand rechts: Meistersänger. Die Musik floriret stark in Nürnberg, die Zusammenkünste der Liebhaber oder des Collegii Musici werden Kränzel genennet, und verdienet wi, scher aufder Violin, Tenner aber auf der Fleute traversiere gehöret zu werden. Rand links: Musik. Der Umgang mit dem nürnbergischen Frauenzimmer ist in Ansehung vieler anderer großen Städte noch sehr eingeschränkt. Rand links: Umgang mit Frauenzimmer. Man bekömmt solches wenig zu sehen, in die Versammlungen, so es untereinander hält, haben selbst die einheimischen Mannspersonen, wo sie nicht sonderlich bekannt sind, keinen Zutritt: und wenn gleich ein Fremder mit den besten Recommendationsschreiben an einen Nürnberger der eine Frau und Tochter hat, versehen ist; so wird dieser doch die ihm empfohlene Person selten zu sich in sein Haus laden, sondern sich begnügen, daß er sie im Wirthshause tractire, und, wo möglich, ihr mit einem Rausche, eine Ehre (wie sie es nennen) anthue.

Man hat seit einigen Jahren eine gute Porzellanfabrike angelegt. Die Wasserwerke vermittelst welcher die dicken überguldeten Stangen Silbers nach und nach immer durch kleinere Löcher gepresset und gezogen werden, bis endlich der dünneste Silberfaden daraus wird, verdienen allerdings in Augenschein genommen zu werden; und obgleich alles in die Sinnen fällt, so hat man doch Mühe, von der unglaublichen Ausdehnung eines Körpers, wie sie hier geschieht, sich den gehörigen Begriff zu machen, ehe die Sache durch eine deutliche Rechnung vor Augen geleget wird. Rand links: Fabriken von Silberdraht. Rand links: Mathematische Anmerkungen über das Drahtziehen. Eine Stange Silbers von fünf und vierzig Mark ist ungefähr zwey und zwanzig Zoll lang, wird aber unter den Händen der Drahtzieher oft mehr als neun tausend mal in Ansehung ihres Diameters dünner, und verlängert sich dabey auf tausend ein hundert und drey und sechszig tausend fünfhundert und zwanzig Fuß, welche acht und vierzig und ein Drittel deutsche Meilen Weges, (jede Meile auf vier und zwanzig tausend Fuß gerechnet) ausmachen.

Ja da das Silber, welches auf Seide gesponnen werden soll, vorher noch zwischen sehr glatten stählernen Rädlein platt gemacht wird, wodurch es sich abermals mehr als um den siebenten Theilverlängert, so kann man ihm alsdann vollkommen eine Längevon sechs und funfzig Meilen oder hundert und zwölf Lieües de France zuschreiben. Die Verdünnung, welche das Gold bey dieser Ausdehnung leidet, ist noch bewundernswürdiger. Denn obgedachter silberner Cylinder, so zwey und zwanzig Zoll in der Länge hat, wird verguldet, ehe die Arbeit mit dem wiederholten Pressen durch die in ihrer Weite stets abnehmende Löcher vorgenommen wird, und nach Proportion der Länge, an welcher die Stange und hernach der Draht zunimmt, verringert sich allezeit die Dicke des darauf haftenden Goldes, welche anfangs oft nur den neunzigsten Theil einer Linie, und niemals mehr als eine Linie austrägt, indem man zur Verguldung der Stange, die zwey und zwanzig Zoll lang ist, höchstens sechs Unzen Goldes (welches surdoé ist) nimmt, öfters nur zwo, ja wohl gar nur eine Unze. Bringt man gleich die Verguldung von zwo Unzen in die Rechnung, so kann man dennoch zeigen, daß durch die Ausdehnung des Silbers das äußere Gold so sehr verdünnet und zugleich mit ausgedehnet wird, daß man mit einer Unze (deren ein und zwanzig tausend zwey hundert und zwanzig auf einen Cubicfuß gehen) tausend ein hundert und neunzig Quadratschuhe bedecken könnte. Die Dicke beträgt alsdann nicht mehr als ein halbfünf und siebenzig tausend Theil einer Linie, und weil das Gold ungleich, folglich auch an manchen Orten noch dünner aufliegt, so kann man solche Dicke gar wohl nur auf ein halb zwey und sechszig tausend[1414] und fünf hundert Theil einschränken. Nachdem aber schon erwähnet worden, daß die Verguldung der silbernen Stange von fünf und vierzig Marken auch mit einer einzigen Unze Goldes angehe, so folget daraus, daß diese zu einer Dünne von dem fünf hundert und fünf und zwanzig tausendsten Theil einer Linie gebracht werden kann, welches eine Sache ist, in deren Betrachtung sich das menschliche Gemüth gleichsam als im Dunkeln und in einem finstern Abgrund verliehret, zumal wenn man bedenket, daß diese Dünne noch einmal so gering gemacht und also auf einen tausend und funfzig tausendsten Theil einer Linie (welche hier als der zwölfte Theil eines Zolles gerechnet ist) gebracht werden kann. Daß auchdas Gold nicht etwan nur abfärbe, sondern seine ganze Materie aneinanderhängend bleibe, wird dadurch bewiesen, daß wenn man einen solchen verguldeten Draht oder Faden in Scheidewasser, welches das Silber wegfrißt, dem Golde aber keinen Schaden zufügt, leget, alsdann solcher Faden sich in die subtilesten hohlen Röhrchen verwandele13.

In der Fezzerischen Meßingfabrike zu Werth (einer Vorstadt von Nürnberg, welche aber ihren eigenen Rath und ein besonderes Rathhaus hat) habe ich eine neue und nützliche Erfindung bemerket, indem eine stählerne Schere, die durch ein Wasserrad getrieben wird, die meßingenen Tafeln von der Dicke eines kleinen Fingers voneinander schneidet, anstatt daß solches vorher durch Sägen verrichtet werden mußte, wobey vieles wieder in Sägespäne abfiel. Rand rechts: Meßingfabrike.

Liebhaber von mechanischen Künsten, Manufacturen und vielen andern Wissenschaften finden hier Gelegenheit genug, ihre Neugierigkeit zu vergnügen. Rand rechts: Wechanische Künstler. Die nürnbergischen Künstler sind von etlichen Jahrhunderten her mit Recht unter diejenigen gezählet worden, welche der deutschen Nation die meiste Ehre gemacht haben. Schon vor zwey hundert und mehr Jahren hat man hier gute Taschenuhren gemacht: und wenn man die Verdienste dieser Stadt in Beförderung guter Wissenschaften genauer beleuchten wollte, würde es an Materie zu einem weitläuftigen Werke nicht ermangeln. Rand rechts: Taschenuhren schon vor zweyhundert Jahren in Nürnberg gemacht. Die um die Stadt liegende Gegend ist sandig14, dabey aber fruchtbar. Hie und da findet man Marmor, worunter auch eine aschengraue Art mit weißen Flecken ist, die nicht weit von der Stadt ausgegraben wird.

Nürnberg, den 10 Decemb.

1730.

Fußnoten

1 Vid. TVSCHVSin Tract de Jure Statuum Imperii Romani, Part. III, Membr. 25, in sin. p. 78, sq.


2 Das ist: Senatus Populusque Norimbergensis.


3 Die Nachrichten von dem Leben der heiligen Anna sind so verstümmelt und unvollständig, daß Lutherus ganz recht geurtheilet hat Tom. Altenb. VII, p. 53: Wie viel hat man gegeben um St. Annen willen, da man doch nicht weis: ob sie jemals gelebet hat? Die Schriften der göttlichen Offenbarung gedenken ihrer nicht mit einem einzigen Worte, und widerdie Glaubwürdigkeit ihres Lobredners des Epiphanius ist sehr vieles einzuwenden. Ein Licentiat zu Cöln Paull. Theod. Cliforius hat das Leben und Lob der heiligen Anna und Joachims, Aeltern der allerseligsten Jungfrau Maria, Cöln 1648 beschrieben. Er führet eine eigene erbauliche Litaney an, in welcher Anna selbst über Christum und die Maria erhoben, und mit Lobsprüchen fast ersticket wird. Wer Luft zu Fabeln hat, dem werden RIVETVSin apol. pro Virg. Mar. l. I, c. 2. Ludov. deDIEUin hist. Xaver. p. 537 sq. undBARON. in martyrol. p. 453 sq. ein Genügeleisten können. Eine Glocke zu Annaberg zeiget ihr Bildniß mit beygefügten Worten:


Quæ potes immensum Anna tu flectere Jovem,

Pelle mala & morbos, contortaque fulmina pelle.


Ueber die so widersprechende Verwahrung ihres Körpers verwundert sich CALVIN. de reliq. Sanct. p. 86: Anna der Jungfrauen Marien Mutter hat einen Körper zu Apta, den andern aber zu Leiden. Ueber das alles hat sie einen Kopf zu Trier, den andern zu Tureno bey den Gulichern, den dritten in Thüringen in der Stadt, so von ihr den Namen hat Von den Partikeln ihres Leibes mag ich auf dießmal nicht sagen, welche mehr denn an hundert Orten gefunden werden. Hieraus mag man nun etwas gewisses schließen, wenn es anders möglich ist. Man muß also billig dem D. Georg Heinrich Götze beypflichten in diss. de cultu Annæ aviæ Christi in Misniam invecto, Lips. 1702, p. 9:Integra Annæ historia, quanta quanta est, ex meris fabulis conflata & consuta est. Conrad Celtes, dieser zierliche Dichter, muß sehr viel auf die Anna gehalten haben:


Nullius Anna preces umquam dimisit inanes,

Sed tulit optatam candida semper opem.

Ergo piam matrem multo cumulemus honore,

Nullius vacuas quæ finit esse preces.


4 Vid. P.SIMONBibliotheque Critique.


5 Den Inhalt des so berüchtigten Interim und die darüber entstandenen Unruhen haben Hortleder, Thuanus und Sleidan am richtigsten beschrieben.


6 HERODOTVS,in Thalia, cap. 12 machet die Anmerkung von dem Unterschiede der Hirnschalen der Perser und Aegypter, daß jene sehr weich und gebrechlich, diese hingegen überaus hart und fest befunden worden.


7 Da die Anatomie billig das rechte Auge eines Arztes seyn soll: so hat man in den neueren Zeiten die abergläubischen Vorurtheile des Alterthums abgeleget. Das Schicksal eines Anatomici in den alten Zeiten beschreibt DIOD. SICVL. bibl. l. I, c. 91 kläglich genug: Quanto potest cursu aufugit, persequentibus eum quotquot adsunt cum lapidum jactu & exsecrationibus, acsi piaculum in ipsum avertant. Seit einigen Jahrhunderten hat man zu Beförderung der Zergliederungskunst öffentliche Anstalten gemacht, und die größesten Potentaten haben sich um die Wette bemühet, diesem Theile der Wissenschaften aufzuhelfen. Wan lese D. Büttners Beweis von der vermehrten Glückseligkeit eines Landes durch ein erbautes theatr. anatom. Königsberg, 1738, und des Herrn D. de Cilano Abhandlung von dem Wachsthume der Anatomie, Altona, 1740, 4.


8 Dieser Professor fährt in seinen fleißigen Observationibus über die Abweichung der Magnetnadel vomPolo Arctico beständig fort, und hat zu solchem Werke gute Anstalten in seinem Garten zu Utrecht gemacht. Die Declination war sonst gegen Osten, seit siebenzig Jahren her aber hat sie sich gegen Westen gewendet und ist itzt von vierzehn bis sechszehn Graden. Die genauen Beobachtungen zeigen, daß sie sich nicht nur täglich, sondern auch fast stündlich verändert, ohne daß man bisher noch bemerken können, ob der Wind, die Schwere der Luft, Nässe oder Trockne Lt. etwas dazu beytrage. Musschenbroeck besitzt Eisen, welches zwey hundert Jahre frey auf einem Thurme gestanden und dadurch eine magnetische Kraft bekommen hat. Ich habe von ihm einen schwarzen Sand, welcher (nach des Professors Versicherung) gar nichts von Eisen an sich hat, indessen aber vom Magnet fast stärker als der eiserne Feilstaub angezogen wird. Sonst meynte man, dieser Sand sey nur in Amerika zu finden, es versichert aber Musschenbroeck, daß er auch an vielen Orten Deutschlandes angetroffen werde. Die chymischen Operationen könnten bey Untersuchung dieses Sandes das beste Licht geben. Wie seine partes regulinæ beschaffen sind, habe ich noch nicht Zeit und Gelegenheit gehabt zu erforschen; mit dem oleo Vitrioli aber, wie auch mit dem Scheidewasser habe ich etliche Versuche gethan, und da diese zween liquores eine Fermentation, Schaum, Rauch, effervescentiam und starke Hitze erwecken, wenn sie auf Feilstaub oder eine gestoßeneMineram, welche particulas ferreas bey sich führet, gegossen werden: so fand sich von allen diesen Umständen kein einziger, als ich das oleum Vitrioli oder Scheidewasser mit dem Musschenhroeckischen Sande vermischete, zum deutlichen Beweise, daß nichts Eisenhaltiges in solchem Sande zu suchen sey. Der utrechtische Herr Professor wurde sich die Liebhaber der Physik verbinden, wenn er von diesem Sande und den Orten, woher er kömmt, der gelehrten Welt mehrere Nachricht mittheilen wollte. Durch wiederholte Proben könnte man alsdann noch vielerley Dinge bemerken, welche der Magnet an sich zieht, ob sie gleich mit dem Eisen keine Gemeinschaft haben: gleich wie er auch nicht allezeit durch sein Anziehen das Eisen verräth, wo es doch wirklich ist. Dieser letztere Umstand zeiget sich offenbar in pulverisirtem Eisensteine; an welchem der Magnet seine Wirkung nicht verspüren läßt, wo die mineræ ferreæ nicht vorher durch die Röstung und Gewalt des Feuers von ihrem Schwefel gereiniget worden.


9 Unter den neuern Einfällen ist vielleicht derjenige mit unter die besten zu rechnen, nach welchem hinter dem Buchstaben A eine Krone, zehn Puncte (dix points) und sieben von denen Bluhmen, welche die Franzosen pensées nennen, gemalet wurden, um dadurch zu sagen: A la Cour on ne dit point ses pensées Wie man den Herzog-Regenten in einer solchen verdeckten Schreibart eines unerlaubten Umganges mit der Herzoginn von Berry seiner Tochter beschuldiget, ist mehr als zu bekannt.


10 Ich wollte, daß man diese Exergue weggelassen, weil man insgemein vom Hasen saget, er schlafe mit offenen Augen.


11 GROTIVSHist. Belg. lib. VII nennet bey der Beschreibung der Person und Gemüthsneigungen des spanischen Königes Philipy des zweyten einen solchen Mund: labia in modum Austriacis gentilem prominentia.


12 Man hüte sich, daß man diese Vergleichung nicht zum Nachtheile der Barden und Skalden erkläret. In Wahrheit! diese ehrlichen Männer waren keine schmeichelhafte Tellerlecker, sondern strenge Sittenlehrer. MARTINde la relig. des Gaulois, Tom. I, p. 173: Les louanges ne faisoient pas l'unique occupation des Bardes, ils se meloient encore de censurer,syndiquer les actions des particuliers: sur tout ils chargeoient ceux, dont la conduite ne repondoit pas a leur devoir. Man lese TÖRNERde poesi Scaldor. e. 8. KÖLERde Scaldis, Altorf. 1724. LAVTER BACHde carmin. vet. Germ. Ien. 1696.


13 Wan kann hievon auch die Histoire de l'Academie des Sciences vom Jahre 1713 nachlesen.


14 Terra cuniculis commoda, sed non cuniculis agendis.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1415.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Die zärtlichen Schwestern. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Die zärtlichen Schwestern. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Die beiden Schwestern Julchen und Lottchen werden umworben, die eine von dem reichen Damis, die andere liebt den armen Siegmund. Eine vorgetäuschte Erbschaft stellt die Beziehungen auf die Probe und zeigt, dass Edelmut und Wahrheit nicht mit Adel und Religion zu tun haben.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon