[1415] Vier und neunzigstes Schreiben.

Nachrichten von der Stadt Regenspurg.

Von Nürnberg bis Regenspurg sind zwölf Meilen, davon die letzten acht, wegen der unebenen und steinigten Gegenden, unbequem zu reisen sind. Eine Stunde vor Regenspurg paßiret man die Naab, und bald darauf hat man von dem Berge, welchen man hinunter muß, eine treffliche Aussicht über die große Ebene, worinnen Regenspurg liegt. Rand rechts: Reise von Nürnberg nach Regenspurg. Diese Reichsstadt begreift in ihren Ringmauern fünfverschiedene Reichsstände, nämlich[1415] das Hofstift Regenspurg, die Reichsabtey St. Emmeran, das Stift Nieder-Münster, das Stift Ober-Münster, und die Stadt an sich selbst.

Das Bißthum ist unmittelbar dem päbstlichen Stuhle unterworfen, und erkennet kei. nen Metropolitanum. Rand links: Bißthum. In der Domkirche liegen verschiedene Bischöfe begraben, worunter der im Jahre 1247 verstorbene Siegfried folgendes Epitaphium hat: Rand links: Bischöfliche Epitaphia.


Secretis gratum Regalibus hic cathedratum

Sigfridum stravit, mors & cinis incineravit.


An dem Grabe des Bischofs Leo liest man:


Hic jacet in tumba Præsul Leo, mente Columba,

Nomine reque Leo, sit datus ipse DEO.


An dem Grabmaale seines Nachfolgers Heinrichs von Roteneck, wird folgende Schrift bemerket:


Hanc Cathedram rexit Henricus, quem Petra texit,

De Roteneck ortus, cœli pateat tibi portus.


Mitten in der Kirche hat Philippus Guil. V. F. Pal. Rheni, Bojorum Dux, Ecclesiæ Ratisb. Ant. Rom. Card. Princeps, welcher im Jahre 1598 im zwey und zwanzigsten Jahre seines Alters das Zeitliche mit dem Ewigen verwechselt hat, seine mit Marmor und Metall gezierte Ruhestäte, zur linken Hand (in Ansehung desjenigen der in die Kirche kömmt) findet sich über dem Grabe des im Jahre 1653 verstorbenen Bischofs, Johann Georg Grafen von Herberstein, die Speisung der vier tausend Menschen in weißen Marmor gebildet. Rechter Hand in der Kirche ist ein hölzernes Crucifix in Lebensgröße, von welchem der gemeine Pöbel glaubt, daß ihm noch immer die Haare wachsen. Rand links: Wunderthätiges Crucifix. Außerhalb der Kirche sieht man auf einem kleinen Thurme die steinerne Statue eines kleinen Mannes, der den Kopf gleichsam in einen Topfstecket und sich herunterstürzet. Rand links: Fabel vom Thurmbau. Zu solcher That soll den Baumeister dieser Kirche die Verzweifelung gebracht haben, als er gesehen, daß nach geschehener Wette ein anderer Meister, der den Brückenbau über die Donau übernommen hatte, damit eher fertig worden, als die Domkirche zu Staude gebracht werden konnte. Die ganze Sache gehöret unter die Zahl der Fabeln, womit sich die Handwerkspursche zu schleppen pflegen, wenn sie von jeder Stadt gewisse Wahrzeichen bemerken wollen, und kann man leichtlich beweisen, daß die Domkirche und die Donaubrücke zu ganz unterschiedenen Zeiten gebauet worden. Weil itztgedachter Thurm keine Treppe mit Stuffen hat, und auch lastbare Thiere auf- und abgehen können, so wird er der Eselsthurm genennet. Die größte Glocke des Doms wiegt acht und neunzig Zentner, und liest man an derselben die Umschrift: Rand links: Inscription einer Glocke.


Sanctos collaudo, tonitrua fugo, funera claudo.


Die Kirche1 St. Emmerani rühmet sich, unter ihren Heiligthümern den Leichnam des St. Dionysius Areopagita zu besitzen, von welchem die Geistlichkeit dieser Reichsabtey selbst gesteht, daß er der Abtey von St. Denis in Frankreich durch Diebstal entzogen worden. Rand links: Streit wegen des Leichnams St. Dionysius. Diese Aussage hat der Pabst Leo der eilfte in einem besondern Diplomate bekräftiget und diejenigen in den Bann gethan, welche diese Reliquie der Regenspurger nicht für ächt und wahr erkennen würden. Dessen ungeachtet aber bleiben die Mönche der Abtey St. Denis bey Paris dabey, daß sie den Körper des besagten Heiligen noch wirklich besitzen, und wird insbesondere desselben Haupt in dem dritten Schranke des Schatzes daselbst gezeiget. Die[1416] Geistlichen des Stifts Emmeran behaupten, es fehle ihrem heiligen Leichname nichts, als der mittlere Finger der rechten Hand; indessen aber verwahret man auch in der Schloßkapelle zu München eine Hand davon. Von dem Haupte, welches in der bischöflichen Kirche zu Bamberg verehret wird, habe ich anderwärts schon Meldung gethan, und es pranget die Kirche St. Viti auf dem Schlosse zu Prag mit einer gleichen Reliquie.

Aus der obgedachten Abtey St. Denis ist auch ein kostbares Evangelienbuch, welches im Jahre 870 mit goldenen Buchstaben geschrieben und von Karl dem kahlen den Mönchen des Klosters geschenket worden, hieher nach St. Emmeran gekommen. Rand rechts: Schah von Emmeran. Der Band desselben ist mit Edelgesteinen besetzte und stellt das Titelblatt Karl den kahlen auf seinem Throne vor nebst den Worten:


Francia grata Tibi Rex inclyte munera defert,

Gotthia te pariter cum regnis inchoat altis.


Am Ende des Werkes ist die Zeit, worinnen dieses Manuscript verfertiget worden, wie auch die Nachricht wer solche Mühe über sich genommen hatte, in folgenden Versen ausgedrückt:


Bis quadringenti volitant & septuaginta

Anni, quo DEUS est virgine natus homo.

Ter denis annis Carolus regnabat & uno,

Cum Codex actus illius imperio.

Hactenus undosum calamo descripsimus æquor;

Littoris ad finem nostra carina venit.

Sanguine nos uno patrisque matrisque creati,

Atque sacerdotis servat uterque gradum.

En Beringarius, Leuthardus nomine dicti,

Queis fuerat sudor difficilisque nimis.

Hic tibimet Lector succedant verba precantis,

Ut dicas, capiant regna beata Poli.


Es ist ferner allhier noch ein anderes im Jahre 751 von einem neunzigjährigen Bischofe geschriebenes Evangelienbuch vorhanden nebst vielen andern Kostbarkeiten, die im Schatze verwahret werden.

Linker Hand bey dem Eingange in der Kirche ist an der Wand das Bildniß Christi in violettener Kleidung mit einem rothen Uebergewande und einem Reichsapfel in der linken Hand zu sehen. Rand rechts: Bildniß Christi in Lebensgröße. Die darunter befindliche Schrift deutet an, daß Christus bey seinen Lebzeiten in dieser Welt also gekleidet gewesen und in solcher Gestalt auch der heiligen Marinæ Descovare erschienen sey mit Verlangen, daß man ihn auf diese Art malen solle. Es wird hinzugefügt, daß auch sacra Inquisitio Vallisaletana ihre Approbation zu diesem Bildnisse gegeben habe.

Auf dem hohen Altare ist der Märtyrertod des h. Emmerans von dem berühmten Sandrart in einem großen Stücke, so auf zehn tausend Gulden geschätzt wird, gemalt. Rand rechts: Anders Gemälde. In der alten Kapelle wird ein vom Evangelisten Lukas gemaltes Marienbild verehret. Rand rechts: Was vom Evangelisten Lukas. Nahe bey des Grafen von Metternich Grabe zeiget sich auf dem Altare St. Benedict hinter einem Glase ein schwarzes Crucifix, welches sich vom Kreuze losgemacht, zwey auf dem Altare gestandene brennende Wachskerzen ergriffen und solche dem heiligen Ramuold, nachdem er zwey Jahre stockblind gewesen, unter die Augen gehalten haben soll, wodurch gedachter Heilige sein völliges Gesicht wieder erlanget. Rand rechts: Wunderthätiges Crucifix. Ramnoldus war der siebente Prälat dieses Stiftes, und brachte sein Leben auf hundert Jahre. Noch ein anderes wunderthätiges[1417] Crucifix (deren sechs zu Regenspurg gezählet werden) findet sich auf dem Altare des h. Bischof Wolfgangs mit der Eigenschaft, daß es in keinem Hause eines evangelisch-lutherischen Menschen bleibt, weil ihm einsmals darinnen, wie man vorgiebt, die Arme und Füße abgeschlagen worden. St. Wolfgang liegt in einer artigen unterirdischen Kapelle begraben. Der verstoßene König von Frankreich Childerich, der Kaiser Arnulph und sein Sohn Ludwig der vierte haben gleichfalls ihre Ruhestäte in der Kirche St. Emmeran gefunden, es sind aber die meisten alten Begräbnisse durch den Brand, welchen das Stift im Jahre 1642 erlitten, sehr beschädiget worden. Hinter der Kirche findet sich in einem kleinen Hofe das Grabmaal des berühmten Geschichtschreibers Johann Aventin, an welchem man folgendes liest: Rand links: Grabmaal Aventins.


Scio quod redemtor meus vivit, & in novissimo die de terra surrecturus sum.


Nascentes morimur.

Homo bulla est

D. O. M.


Johannes Aventinus, Vir singulari eruditione, fide ac pietate præditus, patriæ suæ ornamentum, exteris admirationi fuit, Bojorum & Germaniæ studiosissimus, rerum antiquarum indagator sagaciss. Religionis & honestatis amator, cui h. m. ad posterit. memoriam p. c. Θ V. Idus Jan. Ann. 1534.


Obgleich Aventin in diesem Grabmaale Religionis & honestatis amator genennet wird, so ist jedoch die römischkatholische Clerisey gar übel mit ihm zufrieden, daß er öfters die Tyranney der Päbste und die lasterhafte Lebensart der damaligen sogenannten Geistlichen mit lebhaften Farben abmalet, und geschah es daher auch, daß er im Jahre 1529, wegen Verdacht von Ketzerey2, mit Gefängniß beleget wurde, woraus man ihn jedoch in Ermangelung des benöthigten Beweises wieder erlassen mußte. In dem Indice librorum prohibitorum ist seiner nicht geschonet worden, der Jesuit Gretser und andere Scribenten tractiren ihn öffentlich als einen Ketzer, und die hiesigen Katholiken zeigen nicht gern sein Epitaphium, viele derselben geben auch vor, der Satan geißele alle Nächte den Aventin mit eisernen Ketten auf dem Kirchhofe herum. Aventins eigentlicher Zunamen war Thurnmayer, den er in Duromarum verwandelte. Seine andere Benennung hat er von der oberbayerischen Stadt Abensperg (lateinisch Aventinium oderAbusina), woselbster im Jahre 1466 gebohren war. Wann esaber auch wahr wäre, daß Avensberg oder Abenssperg das alte Aventicum oder Aventium gewesen, so hätte sich Thurnmayer doch vielmehr Aventinensem, als Aventinum schreiben müssen. Er heirathete im sechszigsten Jahre, und hatte das Unglück sich eine böse und nichtstaugende Frau auf den Hals zu laden. Die Lebensart der Fräulein in dem Ober- und Nieder-Münster ist nicht sehr eingeschränket. Sie gehen aus, so oft sie wollen, empfangen von Cavalieren Visiten, sie besuchen Bälle in der Stadt, sind gemeiniglich die letzten beym Tanze, und endlich haben sie allezeit noch das Recht aus dem Stifte zu heirathen. Die gefürstete Aebtißinnen kommen in keine Gesellschaft, weil die Frauen[1418] der Gesandten ihnen den Rang nicht geben wollen. Sie haben auch untereinander Streitigkeiten wegen des Vorzugs, Aebtißinn gegen Aebtißinn, und Fräulein gegen Fräulein. Die vom Unter-Münster räumen zwar denen vom Ober-Münster ein, daß diese von älterer Fundation sind, allein jene behaupten dagegen, daß ihr Stift eher als das obermünsterische zur fürstlichen Würde gelanget sey. Beyderley Fräulein können solchemnach nicht zu gleicher Zeit bey einer Mahlzeit gebethen werden, wo nicht ausdrücklich dabey ausgemachet ist; daß alles ohne Rangordnung abgehen soll. Die Kirche zur H. Dreyfaltigkeit ist die größte, so die Evangelischen haben, hell und oben mit Holze gewölbt, welches gar künstlich ineinander befestiget ist, wie man unter dem Dachstuhle wahrnehmen kann. Sie hat keine Seulen und ruhen die Galerien auf Stützen, so aus der Mauer in die Höhe reichen. Rand rechts: Kirche zur H. Dreyfaltigkeit. Bey der Austheilung des heil. Abendmahls geht man allhier auf eine sonst nirgend gewöhnliche Weise von der linken Hand um den Altar, vielleicht weil die Sacristey auf solcher Seite angeleget ist. In der neuen Pfarrkirche ist die Geschichte des Gichtbrüchigen von der Hand des berühmten Malers Block. Dieser in Portraiten sehr geschickte Meister hatte selbst die Gicht und daher Gelegenheit genommen, sich auf dem besagten Gemälde in der Person des Kranken vorzustellen. Außen an dieser Kirche stund in alten Zeitenein wunderthätiges Marien. bild, die schöne Maria genannt, zu welchem viele Wallfahrten geschahen. Rand rechts: Wunderthätiges Marienbild. Die Römisch- katholischen geben vor, dieses Bild sey noch heimlich irgendwo in einem Gewölbe der Kirche aufgehoben, und der Abt Anselmus schreibt in einem schlecht gerathenen Werke, dem er den Titel von Ratisbona Politica & Ecclesiastica gegeben, der Verwahrung und Besitzung dieses Bildes hauptsächlich zu, daß die Stadt noch eines erwünschten Wohlstandes genieße. Die Evangelischen, als denen gedachte Kirche zu Theile worden, wollen nichts von solchem Bilde wissen, indessen aber damit der Gegenpart nicht vielleicht ausirriger Meynung etwas unternehme, so ist die Anstalt gemacht, daß alle Nächte eine Wache um die Kirche geht, und niemanden auf der Treppe oder dem Umgange derselben duldet.

Das Kloster S. Jacobi Scotorum hat eine gute Bibliothek, und der itzige Prälat Bernhard Baillie ist ein artiger und gelehrter Mann. Rand rechts: Kloster St. Ja cobi. Es halten sich allhier nur römischkatholische Schottländer auf, aus deren Zahl die tüchtigsten zu Missionen nach Schottland genommen werden. Rand rechts: Schottländische Mißionarien. Dergleichen Seminaria sind auch zu Würzburg und Erfurt angeleget. In der hiesigen Klosterbibliothek findet sich ein lateinisches Manuscript der vier Evangelien, dessen sich auch der im Jahre 865 verstorbene St. Anscharius soll bedienet haben, wiewohl die Schrift aus neuern Zeiten zu seyn scheint. Die vorgesetzte Nachricht meldet, daß gedachter Codex ehemals der bremischen Stiftskirche gehöret, und nachmals an Franz Wilhelm, Grafen von Wartenberg, der Bischof zu Regenspurg, Osnabrück, Minden und Verden war, gekommen sey. Ferner zeiget man eine noch ungedruckte Beschreibung des sämmtlichen regenspurgischen Bißthums in neun Folianten, welches Werk um das Jahr 1686 vom Wasserburg verfertiget, und in Ratisbonam Doctam, Religiosam, Ecclesiasticam etc. eingetheilet ist.[1419]

In dem Jesuitercollegio ist nichts sonderliches zu beobachten, auch die Bibliothek in schlechtem Stande. Als den Patribus vor kurzer Zeit etliche tausend Gulden gestohlen worden, zielete jemand mit folgenden Versen auf das Amplius, welches ihr Stifter öfters in seinem Leiden ausgeruffen haben soll:


Lojolidum nuper patui prædonibus aurum,

Ampliusut posthac dicere jure queant


Die Decke ihrer Kirche hat etliche gute Fresco-Gemälde, und an zween Altären verdienen die kleinen elfenbeinernen Bildschnitzerstücke, deren viere etliche Thaten des heil. Ignatius Lo-Lola, andere viere aber die Lebensgeschichte St. Franciscus Xaverius vorstellen, betrachtet zu werden. Der Künstler davon, so anitzt ein Frater in hiesigem Jesuitercollegio ist, hieß ehemals Steinhard, und verfertigte die Hälfte itztgemeldter Arbeit noch in Seculo, wie man zu reden pfleget, da ihm dann für jedes der ersten vier Stücke hundert Thaler gezahlet wurden.

Ehemals las man auf dem St. Peterskirchhofe in Regenspurg des berühmten Mathematicus Johann Kepplers Grabschrift, von welcher anitzt aber nichts mehr zu finden ist. Indessen gebe ich solche hiemit, wie sie der gelehrte hiesige Prediger bey St. Oswald, M. Barth, unter seines Großvaters Schriften gefunden, und mir mitgetheilet hat: Rand links: Epitaphium Joh. Kepplers.


In hoc agro quiescit Vir Nobilissimus, Doctissimus & Celeberrimus Dn. IOHANNES KEPPLERVS Trium Imperatorum Rudolphi II. Matthiæ & Ferdinandi II. per annos 30. antea vero Procerum Styriæ ab anno 94. usque 1600. postea quoque Austriacorum ordinum, ab aano 1612. usque ad ann. 1628. Mathematicus, toti Orbi Christiano per monumenta publica cognitus, ab omnibus Doctis inter Principes Astronomlæ numeratus, qui manu propria assignatum post se reliquit tale


EPITAPHIVM.

Mensus eram cælos, nunc terræ metior umbras;

Mens cælstis erat, corporis umbra jacet..

In Christo pie obiit A. S. 1630. dies

Nov. ætatis suæ sexagesimo.


Unter den weltlichen Gebäuden der Stadt verdienet vor andern das Rathhaus und in demselben die Rathsstube nebst dem großen Re- und Correlations-Saale in Augenschein genommen zu werden. Wenn man durch das Zimmer des churfürstlichen Collegii in den kleinen Vorsaal geht, fällt eine im Jahre 1554 verfertigte schwarze Tafel mit folgenden Worten ins Gesicht:


Quisquis senator officii causa curiam ingrederis,

Ante hocofficium privatos affectus omnes abjicito

Iram, vim, odium, amicitiam, adulationem,

Publicæ rei personam & curam suscipito.

Nam ut aliis æquus aut iniquus judex fueris,

Ita quoque Dei judicium expectabis & sustinebis.


Die darunter befindliche poetische Uebersetzung wie auch andere deutsche Reimen, so man auf dem Rathhause angeschrieben findet, sind schlecht gerathen. In der Stadtrathsstube zeiget sich des Kaiser Leopolds Brustbild, welches Leonard Scheuseler im Jahre 1675 mit der Feder auf weißen Atlas gar künstlich gezeichnet hat, mit der Unterschrift:
[1420]

Cernere si quis avet Leopoldi Cæsaris ora,

Quem calamo expressum picta tabella refert,

Huc oculos huc ille animum convertat, habebit

Quod laudet raræ concolor artis opus.

Vive diu caput Imperii, Leopolde triumpha,

Impavidusque hostes vincere perge tuos.

Sunt tua bella Deo curæ, tibi militat æther,

Ut liceat longa, Te Duce, pace frui.

Rand rechts: Inscription auf den Kaiser Leopold.


In dem fürstlichen Collegio ist der Ofen in der Mitte unter dem Fußboden. Rand rechts: Künstliche Uhr. Eine an der Seite des Saals befindliche Schlaguhr ist nach dem Modell derjenigen, so im Münster zu Straßburg steht, verfertiget, und regen sich bey dem Schlage der Vierthel einige Figuren, bey jeder ganzen Stunde aber kommen die heil. drey Könige heraus, die der Maria mit ihrem Kindlein Respect erweisen. Zum Beschlusse krähet deroben darauf stehende Hahn, welches gerade geschehen seyn soll, als zu Anfange des vorigen Krieges das Achtsdecret wider Churbayern verlesen worden, worüber ein allgemeines Gelächter entstanden. Die in den Versammlungszimmern aller dreyer Reichscollegien stehende Confecttische dienen den Secretarien um ihre Hüte und Stöcke darauf zu legen, anstatt daß ehemals der süße Wein und das Zuckerwerk, womit die Gesandten bey jeder Versammlung tractiret wurden, daselbst Platz fand3. Rand rechts: Confecttafel. Die Stadt Regenspurg hat endlich diese Ausgabe verbethen, welche ihr bey dem beständig anhaltenden Reichstage nicht anders als beschwerlich fallen konnte, zumal da von dem aufgesetzten Confecte selten etwas übrig blieb, und was nicht auf der Stelle zu Sättigung des Appetits diente, mitgenommen wurde.

Der Reichs- Quartiermeister, der vom Erbmarschalle dependiret, hat den Legationssecretarien wegen des Sitzes und Ranges in dem Re- und Correlations-Saale, wie auch in dem fürstlichen Collegio Streitigkeiten erreget, bis endlich vor kurzer Zeit durch ein Conclusum Principum ausgemacht worden, daß er linker Hand, vom Eingange des gedachten Saales und Collegii gerechnet, in der Mitte derer geistlich-fürstlichen Legationssecretarien Bänke und zwar außerhalb der Bank sein Pult, hinter welchem er sitzt, haben soll. Rand rechts: Platz des Reichsquartiermeisters.

Die Stadt Regenspurg hat auf dem Rathhause eine gute Bibliothek, welche jedoch mehr im Jure Civili als Publico zu gebrauchen ist. Rand rechts: Bibliotheken. Billig sollte die Stadt, oder jedes Collegium der Reichsstände, oder wenigstens die sämmtliche Reichsversammlung überhaupt, einen auserlesenen Büchervorrath haben, worinnen insonderheit alle Deductionen und Schriften, so den Statum Publicum des deutschen Reichs und seiner Glieder betreffen, gesammlet würden; allein es ist noch nicht mit Ernstean diese Sache gedacht worden, ob es ihnen gleich gar oft an solchen Büchern und Subsidiis mangelt. Die Gesandten können und wollen nicht aus ihrem Privatvermögen die Unkosten dazu anwenden, und wenn auch einer oder der andere in dem Lande seines Principals mit einer guten Bibliothek schon versehen ist, so trägt er doch Bedenken, dieselbe mit vielen Kosten nach Regenspurg, woselbst sein Aufenthalt sich vielleicht nur auf kurze Zeit erstrecket, bringen zu lassen.

Es finden sich noch auf dem Rathhause sieben bis acht alte römische Inscriptionen, die in der Stadt und ihrer Nachbarschaft gefunden worden. Rand rechts: Römische Inscriptiones. Die meisten davon sind nur Grabsteine, woraus keine sonderlichen Anmerkungen gezogen werden können. Wer indessen genaue[1421] Abschriften davon zu sehen verlanget, findet solche in des Paricius itztlebendem Regenspurg, wie auch inANSELMIRatisbona Politica oder Staatischem Regenspurg, welches vor einem Jahre in Quart herausgekommen, und eigentlich der erste Theil des vermehrten Mausolæi S. Emmerani ist, welches ehemals Cölestinus, ein Abt von St. Emmeran herausgegeben hatte.

Dem Rathhause gegenüber findet sich im Krütingerischen Hause der Kampf Haus Dollingers, eines regenspurgischen Ritters, gegen den Craco einen Saracenen in Gips und zwar in Lebensgröße abgebildet, wie solcher im Jahre 930 gehalten worden. Ueber demselben zeiget sich Henricus Auceps zu Pferde mit einem Vogel in der Hand und der Umschrift:


Fertur equo celeri hic Henricus in ordine Primus

Aucupio celeber nec minus imperio,


Unter ihm und über dem Kampfe stehen die Worte:


Hans Dollinger Ratis. DCCCCXXX

Barbarus hic solidis certant Germanus & armis,

Germanus vicit, Barbarus occubuit,


Man hat allhier noch die Speere der beyden Ritter, nebst einem einfältigen alten deutschen Liede auf einer mit Pergamen überzogenen Tafel, dessen Anfang ist: Es ritt ein Türk aus Türkenland etc.

Die Brücke über die Donau ist im Jahre 1135 angefangen und in eilf Jahren vollendet worden. Sie besteht aus Quadersteinen, welche auf tief in den Wassergrund geschlagenen eichenen Pfählen ruhen. Die Länge der Brücke erstrecket sich auf vierhundert und siebenzig gemeine Schritte, oder tausend ein und neunzig Werkschuhe, und zählet man an derselben funfzehn Bogen. Rand links: Fabeln. Unter denen sogenannten Wahrzeichen finden sich auf dem Geländer der Brücke die steinernen Bilder eines Hundes ohne Kopf und zweer Hähne, die dem Teufel zu Theile worden, als der Meister der Brücke solche aus List zuerst darüber gejaget, nachdem der böse Feind, in der Hoffnung eine menschliche Creatur zu bekommen, seine Hülfe zur Aufführung des Werkes mit diesem Bedinge geleistet hatte, daß das erste, so über gedachte Brücke paßiren würde, ihm zugehören sollte. Ueber den Hähnen steht die Jahrzahl 1580, welche sich gar nicht zur Erbauung der Brücke reimet. Die Fabel von dem Brückenbaue des Teufels, und wie ervermittelst eines Hundes überlistet worden, ist auch mehrern Orten gemein, und erzählet man sie insonderheit fast mit allen Umständen von einer hohen steinernen Brücke, die auf dem Wege von Altdorf in der Schweiz über St. Gothard eine Stunde von Gestinen von einem Felsen zum andern über die Reuß geht. Insgemein saget man von den drey vornehmsten Brücken Deutschlandes: die von Dresden sey die schönste, die Prager die längste und die Regenspurger die stärkste.

Mit dem Ende der Brücke endiget sich auch das Gebieth der Stadt Regenspurg, und die jenseits des Stroms gelegene Stadt am Hof gehöret unter Churbayern. Rand links: Stadt am Hof. Das daselbst befindliche Spital von St. Katharina hat über achtzigtausend Gulden Einkünfte und ist halb katholisch, sowohl was die Aufseher als die Armen, welche darinnen aufgenommen werden, anlanget. Rand links: Anstalten eines Hospitals. Itziger Zeit werden beständig drey und sechszig Personen Mittags mit Fleisch und des Abends mit geringern Essen gespeiset. Das ordentliche Getränk ist Bier, an Feyertagen aber wird Wein gegeben. Die Evangelischen haben hiebey ihre eigene Kirche oder Kapelle, dergleichen sonst nirgends in Bayern geduldet oder angetroffen wird, doch verrichten auch die Katholiken jährlich zweymal, nämlich an St. Katharinen- und Maria Magdalenen-Tagen[1422] ihren Gottesdienst und Messe darinnen. Alle Montage wie auch am Pfingst-Dienstage wird von lutherischen Geistlichen geprediget. Was die Speisung anlanget, müssen die Evangelischen zwar die Fisch- und Fasttage der Katholischen mithalten, sie können aber nicht nur vor sich insbesondere kochen, sondern auch ihren Antheil von Fischen verkaufen.

Auf der andern Seite und eine Vierthelstunde von der Stadt Regenspurg liegt die Karthause Prüell zu St. Veit in einer schönen Ebene. Rand rechts: Karthause. Die darinnen wohnende Mönche essen nichts als Fische und Gartengewächse, sehen dabey aber dennoch frisch und gesund aus, und viele unter ihnen werden über achtzig Jahre alt. Dieses Kloster gehöret zum bayerischen Territorio, und muß jährlich wie andere in Bayern gelegene Klöster dem Churfürsten wegen der besitzenden unbeweglichen Güter ein ansehnliches bezahlen, wie denn anitzt die ausgeschriebenen dritthalb ordinairen Steuern auf funfzehnhundert, und die Biercomposition auf fünf bis sechshundert Gulden kömmt. Von jedem Eimer Wein müssen sie drey Gulden Aufschlag und zwey und vierzig Kreuzer Zoll zu Regenspurg bezahlen. Die Bibliothek dieses Klosters verdienet nicht sowohl wegen der Anzahl oder Kostbarkeit ihrer Bücher; (welche sich nicht über siebentausend erstrecken) als wegen der artigen Einrichtung des Saales, worinnen sie steht, in Augenschein genommen zu werden. Rand rechts: Bibliothek. Die Gemälde der Galerie stellen verschiedene Umstände des Klosterlebens vor, und zwischen der Stuccaturarbeit der Decke bemerket man die vornehmsten Scribenten aus dem Karthäuserorden. Die Höhe des itztgedachten Büchersaales scheint von acht und zwanzig bis dreyßig Fuß zu seyn, für welche ihre Breite zu schmal ist. In der Kirche bilden funfzehn schöne Gemälde einen Theil des Lebens und Leidens Christi ab. Rand rechts: Gemälde. Viele davon sind von der Hand des geschickten Heiß, und rühmet man darunter insbesondere die Abnehmung des Heilandes vom Kreuze. Ehemals besaß das Kloster viele andere gute Gemälde, von welchen aber die Schweden im dreyssigjährigen Kriege die besten abgeholet haben. Die Vorkirche pranget mit zwölf schönen großen Stücken, so den Lebenslauf Johannes des Täufers in sich fassen, und von den Bischöfen zu Würzburg, Eichstädt und andern geistlichen Fürsten auf Veranlassung ihrer Gesandten zu Regenspurg hieher sind verehret worden. Zehn Gemälde davon sind in den Niederlanden von Janson verfertiget, und zwar durch Veranstaltung des burgundischen Gesandten Neuvesorge, der vom Jahre 1673 bis 1697 in Regenspurg gewesen. Ihm zu Ehren ist im Refectorio ein Monument aufgerichtet, weil man ihn nicht mit unter die fürstlichen Personen, deren Gedächtniß unter eines jeden Geschenke gerühmet wird, mischen wollen, ob ergleich solches sehnlich gewünschet hat. Unter des Janson Arbeit werden die Enthauptung Johannes und die Darbringung seines Hauptes für die besten Stücke geachtet.

In Regenspurg lebt noch ein aus München gebürtiger geschickter Maler, Waxschlunger genannt, der in seinen jüngern Jahren vielen Fleiß an seine Werke gewandt, und sonderlich in Abbildung der Thiere wenige seines gleichen gehabt hat. Rand rechts: Waler Waxschlunger. Verschiedene Proben davon bekömmt man bey Herrn Mag. Barth, Predigernan St. Oswaldkirche zu sehen, welcher auch eine ansehnliche Sammlung von Kupferstichen und Handschriften vornehmer und gelehrter Leute besitzt. Bey dem Herrn D. Agricola hält sich eine mehr als siebenzigjährige Jungfer Namens Neuberg auf, welche sonst sehr schöne Wachsarbeit von Gegenden und Portraiten verfertiget hat. Rand rechts: Wachsarbeit.

Von des Joh. Martin Teuber sonderbaren Künsten und Wissenschaften, was insonderheit das Drechslen anlanget, ist vor kurzer Zeit eine besondere deutsche Schrift in Druck gekommen. Rand rechts: Drechsler. Er besitzt unterandern auch das Geheimniß in Achat allerley Figuren oder Farben zu ätzen, und trägt er keinen Zweifel, daß der Namen Christus mit etlichen andern Charakteren,[1423] die man in der bekannten kostbaren Schale aus Achat inder kaiserlichen Schatzkammer zeiget, ein Werk der Kunst und nicht der Natur allein sey.

An Christoph Daniel Oexl haben die Regenspurger einen geschickten Meister in Edel, gesteine zu schneiden. Rand links: Steinschneider.

Eine schöne Sammlung von alten und neuen sowohl erhaben- als hohlgeschnittenen Steinen besitzt der itzige churtrierische Gesandte, Herr Graf von Werther, bey welchem man auch einen ansehnlichen Vorrath von alten Münzen, neuen Medaillen und andern Merkwürdigkeiten antrifft. Rand links: Kabinet des Grafen von Werther; Unter den letzten befindet sich das Brustbild des Kaisers Karl des fünften, welches in Ansehung des schmalen Gesichtes, der blassen Farbe, des vorgeschobenen Kinns und der übrigen Lineamenten vollkommen dem Holbeinischen Gemälde in der Praunischen Sammlung zu Nürnberg gleicht, ausgenommen daß dieses Holbeinische Portrait dem Kaiser weniger Bart giebt.

Bey dem Herrn Stadtkämmerer, Joh. Georg Gölgel, sieht man ein kleines Kabinet von versteinerten Sachen, von Münzen, Urnen, Alterthümern, Thieren und Gemälden, unter welchen letztern Rubens, der seinen Sohn als einen Knaben bey sich hat, entweder von dem alten Rubens selbst oder von seinem Lehrlinge, Vandyck, verfertiget ist. Rand links: des Herrn Gölgel. Ein hier vorhandenes Casket, so Friedrichen dem fünften von Böhmen zugehört haben soll, ist von Stahl mit eingelegter Silberarbeit, welche ringsherum als eine Krone läuft. An einem Rennthiergeweihe dieses Kabinets zählet man acht und dreyßig Ende; ein anderes, von einem Elendthiere, distinguirt sich durch seine große Breite. Man bemerket auch allhier ein grönländisches Canot, das mit Seehundfellen überzogen und mit Fischdärmern zusammen genehet ist4.

Der Apotheker Joh. Wilhelm Weinmann hat von Seethieren, Muscheln, Drusen, Mineralien, Marmor und Petrefactis eine ansehnliche Sammlung. Insonderheit besitzt er über dreytausend Zeichnungen und Gemälde von Kräutern und Bluhmen, worunter dreyssig Arten von Aloe gezählet werden. Rand links: Leinewand aus Aloe. Die Fäsichen der Blätter sind, so lange sie naß bleiben, so weich als Seidenfäden, und hat Herr Weinmann, ohne daß sie vorher gesponnenworden, Leinwand daraus verfertigen lassen. Mit der Bleiche derselben will es noch nicht recht gelingen. Verschiedene Völker von Westindien bedienen sich der Fäden von Aloeblättern um Leinwand daraus zu verfertigen, und habe ich bey dem Chev. Haus Sloane in London ein ganzes Bette davon gesehen, und zwar von der Art, wie sie solche zwischen zween Bäumen zu mehrerer Sicherheit wider Ungeziefer und gefährlichere Thiere aufzuhängen pflegen. Was ferner die Naturgeschichte der hiesigen Gegend anlanget, so findet man eine halbe Stunde von der Stadt an den Eichen eine Art von Moosbäumchen oder subtilen Wurzeln, welche den zarten Dendriten gleichen und sehr artig aussehen, wenn sie naß gemacht und in der Gestalt von Bäumen auf einen schwarzen Grund geleget werden. Rand links: Sonderliche Moosbäumchen.

Zu Winser, gleichfalls eine halbe Stundevon Regenspurg, setzet sich in einer Brunnenröhre ein weißer Stein an, welcher einen Klang von sich giebt, und demjenigen, der sich zu Abano im paduanischen Gebiethe findet, sehr ähnlich ist. Rand links: Stalactites von Winser.

Bey Aubach, nicht weit von Regenspurg, werden artige Dendritæ oder Schiefersteine, die Bäume und Landschaften abbilden, ausgegraben.

In der Gegend des Klosters Weldenburg, sechs Stunden von Regenspurg auf der Seite gegen Ulm, sammlet man pectines, conchas und andere petrefacta marina, welche in[1424] einer weißen kreidigen Erde wohl erhalten sind. Rand links: Petrefacta. Von solchen und andern natürlichen Merkwürdigkeiten besitzt der Hr. D. Straßkirchen in Regenspurg eine ansehnliche Sammlung, wozu er den Anfang machte, als er noch in Tübingen den medicinischen Wissenschaften oblag.

Beym Kloster Prüflingen, welches eine halbe Stunde von Regenspurg entfernet ist, wächst ein reiches Eisenerz und gleichsam ferrum nativum, das so zu sagen in vielerley höckerige Figuren von der Natur über das Erdreich heraus geschoben wird. Rand rechts: Reiches Eisenerz. Die Jesuiten von Ingolstadt haben vieles davon ausgraben und auf Eisenhämmer bringen lassen.

Vor etlichen Jahren machte man viel Rühmens von sehr reichen Silberminen, die bey Bach, drey Meilen von Regenspurg über Stauf und auf der Seite nach Wien hinunter sollten entdecket worden seyn; allein die Sache hielt nicht lange Bestand. Indessen findet sich daselbst noch eine Art von Amethysten, die als ein Phosphorus kann gebraucht werden, wenn sie auf einen heißen Ofen geleget worden. Rand rechts:Phosphorus. Ich zweifele nicht, man könne durch die gehörige Zubereitung einen Lapidem Bononiensem daraus machen, dem dieser Stein auch in der Materie gleich kömmt, ausgenommen daß der bachische mehr ins Violetblaue fällt. Weil man auch grüne Farbe an ihm verspüret, so wird er in einigen Naturaliensammlungen Amethystus Smaragdo viridi permixtus genennt. Rand rechts: Amethysto-Smaragdus. Wenn man ihn zu Pulver stößt und in einem Gefäße übers Feuer bringt oder auf eine glüende eiserne Schaufel streuet, giebt er ein schönes weißblaues Feuer mit einigem Wallen von sich. Die größern Stücke des gedachten Steines bekommen gleichfalls über dem Feuer einen dergleichen schönen und meist weißen Schein, und wiederholen solchen, auch wenn man ein Stück mehr als einmal auf die glüende Schaufel bringt. Dieses thut nicht weniger der zu Pulver gestoßene Stein, jedoch daß bey beyderley wiederholten Proben der Glanz allezeit kürzere Zeit anhält, bis endlich die Wirkung gänzlich unterbleibt. Etliche von den nicht gar kleinen Stücken springen mit einem hellen Scheine von einander. Dergleichen Versuche kann man auch machen mit denenPseudo-adamantibus Amethysticis und andern dergleichen Flüssen oder aus vielen Farben spielenden Steinen und Quarzen, so in der Gegend von Suhla in Thüringen wachsen; desgleichen mit denen falschen Smaragden, die aus Auvergne und aus Sachsen kommen; mit einer Art von gelbem, grünem und weißlichem Talksteine, der um Bern gegraben wird, und mit dem unreinen Marienglase, welches sich in dem Steinbruche zu Kinden nahe vor Hannover in großen Stücken findet, und jederzeit, wann man es von einander schlägt, in würfliche Stücke oder Rhombos sich vertheilet. Der Schein dieses hannöverischen Steins, wann er über einer glüenden Schaufel liegt, ist weißgelb und ohne solche blaue Farbe, dergleichen man in dem bachischen, wann er über die Glut kömmt, bemerket. Das rechte Marienglas giebt bey solcher Probe einen gar schwachen und weißen Glanz von sich. Johann Elshof hat im Jahre 1676 in seinem Werke de Phosphoris quatuor versprochen, die Verfertigung eines Phosphori Smaragdini bekannt zu machen, der sein Licht nicht von den Stralen der Sonne oder der hellen Luft, sondern vom Feuer haben sollte, und zwar solchergestalt, daß man auch Buchstaben damit würde schreiben können; es ist mir aber unbekannt, ob solches geschehen sey oder nicht. Börnstein und Siegellack geben auf heißen Eisen einen leuchtenden Glanz von sich, welches mit Colophonio nicht angeht. Ich habe bey der Wirkung der obgedachten Steine nicht den geringsten Schwefelgeruch gespüret; indessen aber ist doch glaublich, daß ein subtiler eingeschlossener Schwefel die erzählten Eigenschaften hervorbringe, welche[1425] man vermuthlich auch in verschiedenen Edelgesteinen, die ihre Farbe dem Schwefel zu danken haben, beobachten würde, wenn man die Probe damit machen wollte.

Der regenspurgische Stadtphysicus und Doctor Medicinæ Georg Andreas Agricola, ist durch seinen Versuch der Universalvermehrung der Bäume, wovon im Jahre 1716 zween Theile in Folio herausgekommen sind, sowohl in Deutschland, als auswärts bekannt genug, es wäre aber vielleicht besser gewesen, wenn er damit zurückgeblieben wäre, oder wenigstens noch etliche Jahre auf Proben und Erfahrung gewendet hätte, ehe er mit seinengrossen Versprechungen zum Vorscheine gekommen. Rand links: Agricola. Rand links: Dessen Baumkünste So viel ich ihn habe kennen lernen, ist sein Gemüth ehrlich und von allem Betruge entfernet; er hat mir auch weitläuftig erzählet, wie er fast wider Willen zur Bekanntmachung seines Geheimnisses veranlasset worden, und dieses sonderlich durch den Grafen von Wratislau, welcher allzueilig mit seinen Attestaten und Nachrichten an auswärtige Orte gewesen. Unverständige Leute und theils auch Feinde des Agricola haben hernach die Sache noch größer gemacht und vorgegeben, es mache sich D. Agricola anheischig, auf jedem Platze Wälder von großen Bäumen hervorzubringen, oder aus einem kleinen Zweige alsbald in einer Stube einen Baum zu machen. Er selbst gab den Namen eines Baumes einem jeden Zweige, der eine lebendige Wurzel hatte, welche er ihm mit einer besonders zubereiteten Harzmumie also anzusetzen wußte, daß durch gute Wartung mit der Zeit ein Baum daraus erwachsen und solchemnach die Vervielfältigung der Bäume befördert werden konnte. An die Verkürzung der Zeit, welche nach dem ordentlichen Laufe der Natur zu dergleichen Wachsthume gehöret, war von ihm noch nicht gedacht; es ist aber indessen doch nicht zu leugnen, daß die allzuprächtigen Beschreibungen, welche er vor der Entdeckung seines Geheimnisses in die Weltausstreuen ließ, zuobgedachtem Irrthume leicht Anlaß geben konnten. Er hat zwar von verschiedenen Orten einen Zuschuß an Gelde zur Herausgebung seines Geheimnisses erhalten; allein der Verlag seines kostbaren und mit vielen theils unnöthigen Kupferstichen gezierten Werkes, hat viele Unkosten erfodert, und da die anfänglichen Liebhaber ihre Hand abgezogen, so liegen ihm die meisten Exemplare, als ein unvollkommenes Buch, dem noch der dritte Theil mangelt, auf dem Halse. Er ist durch gedachte Beschäfftigungen lange Zeit aus seiner Praxi gekommen, und endlich haben seine Feinde Gelegenheit genommen, ihn zu beschuldigen, es sey seine Absicht sowohl mit dieser, als seinen andern Erfindungen nur dahin gegangen, andere Leute ums Geld zu bringen; weil ihn dann N. sogar gerichtlich gezwungen, sowohl das empfangene Geld als andere Unkosten wieder zu erstatten, als des Herrn D. Agricola Alkahest einen unzerriebenen Diamanten nicht auflösen wollen. In dem obgedachten gedruckten Werke sind viele zum Baum- und Gar, tenwesen sehr nützliche Sachen enthalten, daher man in Holland für rathsam gehalten, einen Auszug davon herauszugeben; der Herr Doctor selbst aber ist fast gänzlich von diesen Din, gen abwendig gemacht worden, nachdem seine Feinde nicht aufhören wollen, durch Pasquille, Drohungen und muthwillige nächtliche Verderbung seines Gartens ihm allen Verdruß anzuthun.

Es hat ihn im Jahre 1713 ein anderes Unglück betroffen, wodurch er sehr zurück gesetzet worden. Rand links: Unglückliche Fata. Als Stadtphysicus mußte er die im Lazarethe an der Pest krank darnieder liegende Personen besuchen und ihnen Arzneyen verschreiben, wobey es dann geschah, daß ein gottloser Junge von vierzehn bis funfzehn Jahren, dem alle Hoffnung der Aufkunft abgesprochen war, aus verzweifelrer Rachgierde, sich hinter den Herrn Doctor, der vor einem Tische saß und Recepte schrieb, stellete, und ihn mit seinem Odem anhauchte. Dieser wußte anfänglich nicht, was für einer Ursache er den süßlichen unangenehmen Geruch, den er empfand, zuschreiben[1426] sollte; als er sich aber unvermuthet umkehrte, und den jungen Menschen auf frischer That, da er ihm seinen Odem zublies, betraf, ereiferte er sich solcher Gestalt darüber, daß er den Thäter mit Füßen trat, und sonst übel tractirte. Die mit dem Zorn vereinigten übrigen Umstände hatten die Wirkung, daß sich des folgenden Tages die Pest an ihm selbst vermittelst einer Beule ander einen Hüfte äußerte, welche von einem ungeschickten Feldscherer so schlecht geöffnet worden, daß er von solcher Zeit an beständig lahm geblieben.

Seine Neugierigkeit hat ihn auch auf die Erfindung eines Alcahest, oder wie er ihn aus Modestie lieber genennt haben will, eines Liquoris Universalis solventis metallici gebracht, welcher, seinem Vorgeben nach, aus alcalis, acidis, nitrosis und sulphureis besteht. Rand rechts: Alcahest. Am Geruche kömmt er demSpiritui Cornuum Cervi etwas bey; der Geschmack ist ohne Schärfe. Ich habe damit verschiedene Proben verrichten sehen, und muß das Zeugniß geben, daß eine kleine Quantität, die kaum eine halbe Eyerschale gefüllet haben würde, in kurzer Zeit die sieben mineralischen Planeten, desgleichen Kalk, Corallen, Zinnober, Kieselstein; Antimonium, Alaun, Magnet, Diamant, Rubin, Hyacinth, Perlen, Smaragd, Saphier; Krystall, Glas, Alabaster, Porzellan, Bimsenstein und mehrere dergleichen Dinge solchergestalt auflösete, daß weder der Liquor an seiner hellen Durchsichtigkeit etwas verlohr, noch etwas auf dem Grunde als Hefen zurück blieb, obgleich viele der obgedachten Sachen auf einmal hinein geworfen wurden. Absonderlich habe ich solches mit einem starken Zusatze von lebendigem Kalk, als der Herr Doctor einsmals ein wenig auf die Seite gehen mußte, probiret, ob ich gleich so viel Kalk zuschüttete, als den achten Theil des Voluminis vom Liquore, worinnen schon viele Dinge fermentirten, ausmachte. Vom Eisen und Golde wurde itzterwähnter Alkahest nur etwas gelblicher, übrigens aber blieb er durchsichtig; Zinnober und Mennig theilten ihm nichts von ihrer rothen Farbe mit. Der Diamant und andere Edelgesteine, wie auch das Glas müssen vorher trituriret oder zerrieben werden, sonst kann sie der Spiritus nicht fassen; wie wäre es auch möglich einen Spiritus aufzubehalten, wenn er Glas und Diamanten auch in ihrer Glätte auflösete? Papier, Kohlen, Haar, Wolle, Leder und andere Dinge müssen gleichfalls seiner Gewalt weichen. SolchesMenstruum besteht eigentlich aus zween Liquoribus, die anfänglich bey ihrer Mischung einigen Nebel und trübe Wolken verursachen. Der Hauptspiritus, welcher keinen sonderlichen Geruch hat, wird vom Herrn Agricola Spiritus Mercurii genennt. Nachdem jedeSpecies besonders aufgelöset worden, zieht der Herr Doctor ein Oleum oder einen Stein, der das Oleum solutæ speciei in sich hält, wiederum heraus; ob aber mit verschiedenen solcher Oele große Thaten in der Medicin ausgerichtet werden können, und ob z. E. das Oleum Lunæ ein bewährtes Mittel wider die Raserey sey, auch ein solches Aurum potabile ein langes Leben, wiewohl mit einem langsamen und schweren Tode, wenn es zuviel gebraucht worden, zuwege bringe, lasse ich dahin gestellet seyn. Die Auflösung der Oele, Gewürze, Harze und Gummi hat mehrere Schwierigkeiten, und muß dabey dem Alkahest ein Zusatz von Spiritu vini gegeben werden, Es halten etliche des Herrn D. Agricola Geheimniß nur für einCorrosivum, so aus einem Dritthel Tartari und zween Drittheln Nitri zubereitet würde. Der sehr stark rectificirte Spiritus Salis hat gleichfalls die Eigenschaft, Glas und andere Dinge wegzufressen. Zum Aufnehmen der Chymie ist zu wünschen, daß ein großer Herr oder ein anderer Liebhaber ein geringes Stück Geldes daran wage und dem D. Agricola sein Geheimniß abhandle, da man dann vermuthlich zu fernerer Erforschung der Natur und genauerer Beurtheilung verschiedener Paradoxorum mehrere Anleitung erlangen würde.[1427]

Ich habe schon oben erwähnet, daß die Stadt Regenspurg im Jahre 1713 von des Pest heimgesucht gewesen, und füge ich allhier diejenige Medaille bey, welche nach glücklich geendeter Seuche von Herrn C. F. V. H. erfunden und zu Nürnberg gepräget worden. Rand links: Medaillen auf die Pest von Regenspurg. Solche stellet auf der einen Seite die Stadt Regenspurg vor mit der die Jahrzahl 1714 in sich haltenden Ueberschrift:


ADIVtore aLtIssIMo a peste LIberata seCVra


Untenher steht:


RATISBONA.


Auf der andern Seite zeiget sich die Arche Noä, und wie der in selbiger erhaltene Erzvater Noa nebst den Seinigen, vor einem von ihm erbaueten Altare, dem allmächtigen Gott wegen sonderbarer gnädigen Erhaltung Dank saget, mit der Ueberschrift:


Æterno RATIS hæc BONA fert post fuaera grates


Untenher liest man:


Gen. VIII. v. XX.


Auf die aufgehobene Sperrung und Einschließung der Stadt Regenspurg wurde allhier eine besondere Denkmünze gepräget, die auf der einen Seite durch eine Weibsperson mit einem Lorberkränze auf dem Haupte, mit dem Cornu Copiæ in der linken und einem Schlüssel in der rechten Hand, die durch Eröffnung der Pässe erlangte Glückseligkeit vorstellet. Durch die dabey befindliche klagende Weibsperson, die einen Schleyer auf dem Haupte und eine Stadtkrone neben sich liegen hat, wobey sie mit der einen Hand nach dem ihr gereichten Schlüssel langet, wird das vorher in Elend gesteckte Regenspurg angezeiget. Die Ueberschrift ist aus VIRGILIIÆneid. lib. II, v. 740 genommen:


Oculis est reddita nostris.


Die andere Seite giebt durch eine die Jahrzahl in sich haltende Schrift eine deutlichere Erklärung des auf der ersten Seite enthaltenen Bildes mit folgenden Worten:


Deo

opIt VLante

ItInerIs

LIbertas

RegInIs CastrIs

ReDDIta.


Weil auch währender Pest der Reichstag nach Augspurg verleget worden war, so nahm nach dessen Wiederherstellung der Edelgesteinschneider Christoph Daniel Oexl Gelegenheit; eine Medaille zu verfertigen, welche auf der einen Seite das deutsche Reich mitten in dem Rath einiger andern ansehnlichen Personen abbildet, mit der Ueberschrift:


Consiliis firmaat patria jura piis.


Untenher steht:


Excus. Ratisp. A. MDCCXV.


Die andere Seite hat den Prospect der Stadt Regenspurg mit untergesetzten Worten:


Regin. S. R. I. Comitiis Anno 1662. inchoatis,

A. 1713. Augustam Vind. ob pest. translatis,

A. 1714. cum Pace Bad. relatis Sacrum.


Von dem Salzhandel der Stadt Regenspurg habe ich schon anderwärts Erwähnung gethan. Der nach Wien führende Lauf der Donau giebt gute Gelegenheit, Getraide, Holz und vielerley Victualien dahin einzuschiffen. Beyde Städte sind zu Wasser vier und funfzig Meilen von einander entfernet, weil aber das gemeine Volk den Strom hinunter nicht[1428] mehr als einen Kreuzer für jede Meile bezahlet, und solchemnach der Schifferlohn nicht gar auf einen rheinischen Gulden kömmt, so verleitet solche Gelegenheit viele Handwerkspursche, ihr Gluck in der kaiserlichen Residenzstadt zu versuchen, von wannen sie aber her nach nicht mit gleicher Bequemlichkeit in ihre Heimath zurück kommen können, sondern bey Abgang des nöthigen Verdienstes sich genöthiget sehen, die Muskete auf die Schulter zu nehmen. Rand rechts: Wohlfeile Fahrt nach Wien. Wenigstens ist in ganz Deutschland kein so gesegneter Werbplatz für Recruten als Wien.

Unter die Nahrungsmittel der Stadt Regenspurg gehöret die Verfertigung des Meeths, welchen fünf Häuser mit Ausschließung der andern zu brauen berechtiget sind. Rand rechts: Meeth. Das Hauptwesen dieses Getränkes ist Honig, welches wohlgereiniget, mit Wasser vermischet und so lange übers Feuer zum Ausdünsten gesetzet wird, bis es so stark und dick worden, daß ein Ey darauf schwimmen kann. Dieses Kochen geschieht gar langsam, damit die Fermentation desto vollkommener erfolgen möge. Zu zwanzig Eimern Meethwerden zwey Pfund Gewürznelken, anderthalb Pfund Muscatennüsse, ein halbes Pfund Zimmet, desgleichen Rosen, Salbey etc. genommen, und gilt das Maaß zwölf Kreuzer.

Jeder Bürger der Stadt giebt von seinem Vermögen, es mag solches in Capitalien (wenn diese auch gleich ruhen und nicht auf Interesse ausgethan sind) oder in andern Sachen bestehen, jährlich sechs und funfzig Kreuzer von hundert, und einen Thaler pro Cento von dem, was die Häuser gekostet haben. Rand rechts: Collectation der Bürger. Diese letzten haben hierinnen einen favorem und Vortheil, daß wenn man z. E. einen Platz oder altes Gebäude für fünfhundert Thaler erkaufet, und zwanzig oder mehr tausend Thaler hinein verbauet, so giebt dennoch der Käufer an die Obrigkeit jährlich nur fünf Thaler davon, so lange es ihm oder durch Theilung der Erbschaft bey seinen Nachkommen bleibt, und solchemnach bis es einmal wieder verkauft wird, da sich dann das Quantum der Contribution nach dem neuen Kaufschillinge zu richten anfängt. Auf diese Art kann ein reicher Vater seinen Kindern vielen Nutzen schaffen, wenn er sein meistes Vermögen in alte angekaufte Häuser stecket, dieselben mit seinen Capitalien ausbauet und an Miethsleute, daran niemals, so lange der Reichstag hierbleibt, ein Mangel sich eräugen kann, verpachtet. Denn solchergestalt nimmt die Contribution, die er sonst von seinen vorräthigen Capitalien hätte zahlen müssen, jährlich und je mehr er verbauet, ab, ohne daß er von seinem neuen prächtigen Gebäude mehr als anfänglich von dem alten Hause abzutragen hat. Itztgedachte Verordnung kömmt auch der Schönheit der Stadt zum Besten, weil mehreres Geld als sonst geschehen würde, in Gebäude gestecket wird. Das übrige Vermögen wird jährlich von jedem Bürger beschworen, und zwar vor denen fünf Personen, st das Steueramt ausmachen, und insbesondere auf das Geheimniß und Verschweigung dererjenigen Umstände, die sie durch diese Gelegenheit von eines jeden Bürgers Vermögen zu wissen bekommen, beeidigel sind. Esist zwar nachdem itzigen Laufe der Welt zu vermuthen, daß bey solchen Eiden der Bürger das Interesse bisweilen über das Gewissen triumphiren werde; allein wenn dergleichen Betrug endlich etwan bey Sterbfällen, da Inventaria verfertiget werden müssen, oder auf andere Art ans Tageslicht kömmt, so suchet man des gemeinen Wesens Schaden durch Confiscation des verschwiegenen Ueberschusses zu ersetzen, und sind desfalls noch vor wenigen Jahren einer Familie auf einmal funfzehntausend Gulden weggenommen worden.

Zum Beschlusse muß ich noch einer lächerlichen Gewohnheit gedenken, welche auf Bauernhochzeiten in denen um Regenspurg gelegenen Dörfern im Schwange ist, und vermöge welcher der Brautführer, wenn er den Bräutigam nach verrichteter Trauung vom Altare zu seinem Stuhle zurück begleitet hat, diesen beym Haaren erwischt und ihm nebst einem[1429] tüchtigen Rupfer eine derbe Maulschelle versetzet, ohne Zweifel um ihm dadurch ein Andenken und Erinnerung desjenigen, was ihm der Priester von seinen Pflichten gegen seine Ehefrau vorgesagt hat, zu hinterlassen. Aus gleichmäßiger Absicht einer beständigen Erinnerung geschieht es in verschiedenen deutschen Provinzen, daß bey Besichtigung oder Beziehung der Gränzen bey den Hauptmarksteinen die gegenwärtigenjungen Pursche und Knaben mit tüchtigen Ohrfeigen regaliret werden, damit ihnen der Platz, den sie damals mit in Augenschein genommen, destoweniger aus dem Sinne entfallen möge.

In vielen Orten von Italien ist die Gewohnheit, daß wenn Missethäter vom Leben zum Tode gebracht werden, unter dem umstehenden Volke die Väter ihren anwesenden Kindern zum Andenken der bestraften Bosheiten, eine derbe Maulschelle versetzen etc.

Regenspurg,

den 10 Jenner, 1731,

Fußnoten

1 Es ist der Prälat von St. Emmeran vor etlichen Jahren von Kaiserlicher Majestät in den Fürstenstand erhoben worden.


2 Es ist ganz natürlich zugegangen, daß Aventin die Reihe der Ketzer in der römischen, und die Anzahl der Zeugen der Wahrheit in der protestantischen Kirche vermehret hat. Der fromme Jakob Faber Staputensis in Paris hatte ihm die reizende Gestaltdes thätigen Christenthums ganz anders abgebildet, als er sie an seinen Glaubensbrüdern erblicken konnte. Und er selbst war viel zu offenherzig, als daß er zu dem fast unheilbaren Schaden Josephs hätte schweigen sollen. Er bestrafte bey seinen öffentlichen Lehrämtern, die er in Wien, Cracau, Ingolstadt und zuletzt in München bekleidete, das mehr als antichristische Verfahren der römischen Clerisey mit einer anständigen Freymüthigkeit. Was ihn aber am allermeisten verdächtig machte, das war ein entdeckter Briefwechsel mit Philipp Melanchthon. GRETSERin exam. myster. Plessæan. p. 354: Professione romanus, hoc est catholicus non fuit Aventinus, sed hæreticus: cujus criminis, utut alia probamenta deessent, id tamen satis superque liqueret ex epistola Melanchthonis ad Aventinum, quam ex ipso autographo recitavi l. II. contra Calvinianum replicatorem c. 19.


3 Der Kanzler von Ludwig mag es verantworten, was er von dem Misbrauche geschrieben hat in den Gel. Anz.B. 1, N. 133, S. 438: Des Nachmittags waren nicht allein alle Gesandten voll, sondern man mußte auch in der Mainzischen Kanzelley die Weinflaschen auf die Nebentische setzen, damit die Kanzellisten, wenn etwas ad dictaturam gegeben worden, und sie solches in die Feder genommen, nicht Durst leiden möchten.


4 Nach des Herrn Gölgel im Jahre 1732 erfolgten Absterben ist itztgedachtes Kabinet an dessen Tochtermann, den bey dem Reichstage sich aufhaltenden Reichsgräflichen Wetterau- und Fränkischen Collegialrath, Herr Ludwig Johann Karl Kelpff, einen sehr geschickten und in Reichssachen vortrefflich erfahrnen Mann gekommen, welcher selbiges bestens zu unterhalten besorget ist.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1430.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Geschichte der Abderiten

Geschichte der Abderiten

Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«

270 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon