Hinblick auf die Entstehung des Monumentes

[8] »Die Stätte, die ein guter Mensch betrat,

Ist eingeweiht; nach hundert Jahren tönt

Sein Wort und seine That dem Enkel wieder.« –

Göthe.


Wenn eine große, an geistigen und materiellen Kräften reiche Stadt in ihrem allseitig bewegten Treiben, von zahlreichen Zeitinteressen in Anspruch genommen und in der Gegenwart schwelgend, wenig ihrer Vergangenheit gedenkt, und sich nicht die Zeit nimmt, die Erinnerung an ihre großen Mitbürger verflossener Tage aufzufrischen oder zur Schau zu stellen – so liegt dieß in der Natur der Dinge, daß man im Ueberflusse des Lebens aus die großen Todten vergißt, die überdieß noch häufig sehr unbequeme Mahner wären. Aber eine gesunkene Stadt spricht gerne, wie eine verblühte Schönheit, von ihrer Blüthezeit und ihren einstigen Triumphen, und möchte lieber gleich Jedem ihrer illusiren Todten ein Monument bauen, um es ihren Enkeln und den fremden Wanderern mit dem stolzen Beisatze: »der war Einer der Unsern«, zeigen zu können. Dieß ist gleichfalls natürlich und sogar auch rühmlich, wenn dabei wahre Pietät mitunterläuft. – Denn das Gewicht der Städte sinkt und steigt wechselvoll in der Wage der Geschichte, wie alles Wandelbare in der Zeit. Wie viele Städte sind nur noch die Schatten entschwundener Größe, die Gespenster von ehemals, welche mit den ausgestorbenen Augen verödeter Paläste wehmüthig in ihre Geschichte zurückblicken, sich aus den vergilbten Blättern ihrer Chronik Trost für die arme Gegenwart und Hoffnung für die Zukunft holen, und sich zur Ermuthigung an ihre ruhmvollern historischen Erinnerungen festklammern, um das kahle Jetzt mit dem Nimbus eines reichern Einst zu umkleiden. Der Umschwung der Zeit bringt es nun einmal so mit sich. –[8] Auch Salzburg hat einst stolzer unter den Städten Deutschlands dagestanden, und kann von glanzvollen Tagen erzählen, in denen die Weitmoser reiche Goldschachte öffneten; in denen Clio die Namen der Fürstbischöfe Paris Lodron und Johann Ernst Thun mit goldnen Buchstaben in die Geschichte eintrug; in denen es der bedeutende Stappelplatz für den italienisch-deutschen Handel war; in denen Theophrastus Paracelsus in der Heilkunde und Chemie Epoche machte; wie späterhin aus allen Ländern Wißbegierige an seine ausgezeichnete Universität herbeiströmten; wie ein prachtliebender Adel allen Prunk des Hoflebens entfaltete; wie selbst die seelenvollste der Künste, die Musik, durch die berühmte fürstliche Capelle glänzend vertreten wurde, und durch Leopold Mozart und Michael Haydn neuen Aufschwung nahm; wie endlich der Raphael der Tonkunst, W.A. Mozart, hier die Welt und den ersten Schauplatz seines Ruhmes betrat. – Dann kam jedoch eine Sturm- und Drangperiode, die Zeit der Kriege, welche die heitere Physiognomie Salzburgs verdüsterte und nachhaltige trübe Folgen brachte. In neuester Zeit waltet aber wieder ein glücklicheres Gestirn über unserer Stadt, indem unsere hochherzige Staatsverwaltung mit edlem Eifer sich bemüht, die Wunden milde zu heilen, welche Krieg, Brand und ungünstige Constellationen dem armen Salzburg schlugen. –

Wie gesagt hat Salzburg seit dem vorigen Jahrhundert ein Element seiner Größe nach dem andern eingebüßt, wenig von seiner Blüthe gerettet – nur Eines ist ihm treu geblieben im Wechsel – seine wunderherrliche Natur, diese Gottespoesie, die unser Land zu einem der schönsten der Erde erhebt. Und hat auch der Weltdichter diesem Eden die Nachtigall versagt – so schenkte er ihm eine unsterbliche Nachtigall, die für die Ewigkeit sang. Es erblickte ja hier im Jahre 1756 ein Sänger das Licht der Welt, der ein neues Licht in der Tonwelt entzündete. – An dem Busen der entzückenden Natur Salzburgs wuchs und erstarkte der Wunderknabe Mozart, fand sich hier in einem zweiten Tempe, trank aus einer zweiten castalischen Quelle seine hohe Begeisterung,[9] las täglich das ewige Weltgedicht des Schöpfers, welches ihn in den Riesenbuchstaben der Gletscher umgab. So wurde seine Seele ein Spiegel aller Schönheit, ein geistiges Echo der Natur, und athmete lauter wahres tiefes Leben. Dieß haben auch seine großartigen Tonschöpfungen dargelegt, welche man im Verlaufe der Zeit immer allgemeiner verstehen und nachfühlen lernte, welche durch die Zeit an Werthschätzung gewannen – die wahre Probe alles Echten und Guten. Daher glaubte Salzburg als seine Geburtsstadt die Verpflichtung und Mission zu haben, daß es allen Verehrern Mozarts eine Gelegenheit anbiethe, die alte Schuld des Dankes und Preises dem todten Meister abzutragen, die der lebende nicht erhalten hatte. Von Salzburg aus erging also der Ruf an ganz Europa, das Andenken an den Schöpfer der musikalischen Meisterwerke durch ein plastisches Meisterwerk zu verewigen, den Dank für seine Zauberspenden in Erz und Marmor auszusprechen, obgleich schon jedes seiner Tongedichte ein ewiges Denkmal seines Namens und Ruhmes sein wird. Man wollte zugleich auch die Stätte ehren, auf der er geboren ward und gelebt hatte – »denn die Stätte, die ein großer Mensch betrat, ist eingeweiht für alle Zeiten.« –

Den ersten Impuls gab der Schriftsteller Julius Schilling in Salzburg, welcher den 12. August 1835 in der Salzburger Zeitung einen Aufruf zur Errichtung eines Monumentes für Mozart in seiner Vaterstadt ergehen ließ, der dann in vielen deutschen Journalen und im Frühjahre 1836 in Schillings Reisetaschenbuch von Salzburg wiederholt wurde, und allgemeinen Anklang fand. Eine Folge dieser und ähnlicher öffentlicher Anregungen im In- und Auslande war es, daß der Großh. Oldenburg. Hofcapellmeister Aug. Pott den 19. Juli 1836 in Salzburg ein Concert gab, dessen Einnahme er als ersten Beitrag zur Errichtung eines Mozart-Denkmales den Vorständen des hiesigen Museums übergab, welche sich sofort mit dankenswerthem Eifer zugleich als Mozarts-Comite constituirten, und im September 1836 an alle Freunde der Tonkunst einen Aufruf in den gelesensten Zeitungen[10] Deutschlands ergehen ließen, den der ausgezeichnete Musikgelehrte, Hofrath von Mosel, mit den Worten einleitete:

›Wenn irgend einem Künstler der Kranz der Unsterblichkeit gebührt, so ist es Wolfgang Amadeus Mozart, der größte Tonsetzer, der im Kirchen- und Kammer-, im Concert- und Opernstyle Unerreichtes leistete, der in Erfindung, Anordnung und Ausführung gleich vortrefflich war; der in seinen Werken, wie Keiner vor und nach ihm, die Ergötzung des Laien mit der Befriedigung des Kenners zu verbinden wußte, und so die Musik auf den höchsten Gipfel erhob, den sie, ihrer Natur und ihren Grenzen nach, zu erreichen vermochte; auf jenen Gipfel, über welchen hinaus Originalität zur Bizarrerie, Melodie zum Singsang, Gediegenheit zur Pedanterie, Kraft zum Lärmen, Kunstfertigkeit zur Seiltänzerei wird.‹ –

Der Erfolg dieser öffentlichen Aufforderung des Museums-Comité's war ein höchst glänzender, indem alsbald zahlreiche Beiträge aus allen Ländern eingingen; Seine Majestät der Kaiser Ferdinand von Oesterreich und Ihre Majestät die Kaiserinn-Mutter, Se. Majestät König Ludwig von Baiern und viele andere Monarchen bedeutende Summen einsandten; Musikvereine und Theaterdirectionen zum Besten des Denkmales Akademien und Vorstellungen veranstalteten; Virtuosen zu diesem Zwecke Concerte gaben, wie z.B. Ole Ball und Ernst in Salzburg; und Musikfreunde von allen Nationen reichlich beisteuerten. So sah sich das Comité bald in die erfreuliche Lage gesetzt, an ein bedeutenderes Kunstwerk, als man Anfangs hoffen durfte, als Monument denken zu können, und wandte sich deßhalb nach dem Hauptsitze deutscher Kunst, nach München. Der hohe Protektor der Künste und Wissenschaften, Se. Maj. König Ludwig, beförderte das schöne Unternehmen mit wahrhaft fürstlicher Munifizenz; und der geniale Bildhauer, Professor Ludwig Schwanthaler, unternahm die Conception und Modellirung der Statue und Reliefs, so wie der treffliche Inspektor der k. Erzgießerei, Johann Stiegelmaier, den Erzguß desselben, aus wahrer Verehrung für den gefeierten[11] Meister und für die Kunst, mit aufopfernder Uneigennützigkeit unentgeldlich; und erwarben sich dadurch den Dank aller Kunstfreunde und das höchste Verdienst um die so glänzende Realisirung des Monumentes. – Schon am 22. Mai 1841 wurde in München die Statue Mozarts im k. Gießhause in Gegenwart Ihrer kais. Hoheit der Frau Erzherzoginn Sophie und zahlreicher Zuseher gegossen, und der Guß gelang glücklich und vollkommen. Drei Wochen später ward das Erzbild aus seinem Schachte hervorgehoben und dort aufgestellt, und den 15. Juni Abends im Beisein Sr. Majestät des Königs Ludwig und vieler hoher Gäste glänzend beleuchtet, und von zweihundert Sängern, die Mozart'sche Chöre vortrugen, mit einem musikalischen Willkommen begrüßt. –

Der September des Jahres 1841 war zur feierlichen Aufstellung des Standbildes in Salzburg bestimmt worden, und schon im Frühjahre begannen auf dem Michaelsplatze die Vorarbeiten zur Grundsteinlegung des Denkmales. Im Verlaufe derselben stieß man aber am 30. April 1841 auf zwei schöne römische Mosaikböden, welche einen bedeutenden Theil dieses Platzes einnahmen; und die sorgfältige Ausgrabung dieses interessanten antiken Fundes war Ursache, daß man die Grundsteinlegung auf das kommende Jahr verschob. –

Indessen trat hier im October 1841 durch die rastlosen und erfolgreichen Bemühungen des Musikfreundes Doctor von Hilleprandt und unter dem hohen Protektorate Sr. Eminenz des Cardinal-Erzbischofes Fürst von Schwarzenberg ein Musik-Conservatorium, das Mozarteum, als fruchtbringendes lebendigwirkendes Denkmal Mozarts zur Freude aller Verehrer der Tonkunst ins Leben. Und wie das Standbild als plastisches, so soll dieses Institut als geistiges Monument, als immertönende Memnonssäule Mozarts in Salzburg stets fortbestehen. – Eine traurige Pflicht hatte aber das Mozarteum schon am 8. März 1842 zu erfüllen, indem es die sterbliche Hülle der Wittwe Mozarts zu Grabe begleiten mußte. Mozarts treue Lebensgefährtinn hatte noch vor Kurzem ihre Wohnung auf dem Michaelsplatze[12] genommen, wo sich unter ihren Augen das Standbild ihres unvergeßlichen Gatten erheben sollte. Allein ihr sehnlichster Wunsch, noch die Verherrlichung Mozarts auf Erden zu sehen, wurde nicht erfüllt – sie starb am 6. März. – Im Frühlinge dieses Jahres wurde nun die Grundsteinlegung und der Bau des Piedestales, so wie alle Vorbereitungen zur Enthüllungsfeier mit emsiger Thätigkeit betrieben. Nachdem im Jahre 1841 der frühere Secretair des Mozart-Comité's, Herr Dr. Hock, Salzburg verlassen hatte, nahm sich der letztgewählte Secretair, Herr Dr. Löwe, mit unermüdlichem Eifer um alle Arrangements des Denkmals und des Festes an, und seine Bemühungen, so wie die des ganzen Comités, wurden von dem schönsten Erfolge gelohnt.

Anfangs August reiste endlich Herr Inspektor Stiegelmaier mit der Statue und den Reliefs von München nach Salzburg ab. Die Reise glich einem Triumphzuge. Ueberall wurde das Standbild Mozarts feierlich empfangen und geleitet. In Wasserburg begrüßte die Liedertafel der Stadt den Tonfürsten mit einer festlichen Musikaufführung, wobei die neue Vereinsfahne der »Sänger am Inn« vor Mozarts Standbilde eingeweiht wurde; und den 10. August Vormittags kam die Statue auf einem mit Kränzen und Fahnen geschmückten Wagen in Salzburg an, wo sie vom Comité und einer großen Volksmenge freudig bewillkommt wurde. Sofort wurde unter der Leitung Herrn Stiegelmaiers zur Ausstellung des (12 Fuß hohen und 30 Centner schweren) Erzbildes geschritten; und ein paar Tage nachher stand die herrliche Statue auf ihrem weißen glänzenden Marmorpiedestale, nur durch eine Bretterumhüllung, die später mit einem weißen Linnenmantel gewechselt wurde, noch den neugierigen Blicken entzogen. –

Inzwischen war die Summe der Beiträge, welche aus allen Ländern fortwährend einflossen, auf mehr als 21000 fl. C.M. angewachsen, wodurch die Kosten des Monumentes und einer entsprechenden glanzvollen Enthüllungsfeier hinlänglich gedeckt waren. (Dazu kam noch in der Folge beim Feste selbst der Ertrag der Concerte und Tribünen, welcher sich auf 3778 fl. C.M. belief. )[13] – Ein erfreulicher Beweis, wie weit verbreitet die Verehrung Mozarts ist, und welch' tiefe Wurzeln die Liebe zu dem großen Tondichter bei allen Völkern geschlagen hat, – so daß aus weitester Ferne Freunde der Kunst reichliche Spenden einzusenden wetteiferten, als gelte es eine heilige Pflicht zu erfüllen, um dem allgeliebten Meister in seiner Vaterstadt ein Denkmal des Dankes und der Bewunderung zu errichten. –[14]

Quelle:
Ludwig Mielichhofer: Das Mozart-Denkmal zu Salzburg und dessen Enthüllungs-Feier im September 1842. Salzburg 1843, S. 8-15.
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