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[36] Original: im Mozarteum


An Karl Mozart in Mailand


Wien, den 30. Jänner [1807].


Ich kann Dir nur wenig schreiben, lieber Karl, und will Dir daher gleich die Nachricht gäben, daß ich Herrn Voltiggi durch Deine Tante Mayer1 ausfindig gemacht habe und auch schon das Vergnügen gehabt habe, ihn bei mir zu sehen und ihm selbst den Brief von Herrn Pinali zu übergeben. Heute kömmt er, um den Brief abzuholen und ihn, wie mir scheind, mit der Antwort an Pinali einzuschließen. Wir sind gottseydank alle gesund und wohlauf. Auch die Sophie2 samt ihrem Manne in Ungarn befinden sich recht wohl und sind recht glücklich. Gestern erhielt ich einen Brief von ihnen, worin sie auch Dich herzlich grüßen laßen. Hierin die gewöhnliche Anweisung.

Wir haben jetzt alle Montage, der schon seit ein paar Jahren mein gewöhnlicher Gesellschaftstag ist, durch die fremden Virtuosen schöne Musique bei mir. Besonders zeichnen sich aber dabei aus: die beiden Brüder Pixis aus Mannheim3, der ältere auf der Violin ein Scolar von Viotti4, und der[36] jüngere auf dem Pianoforte; besonders Herr Seidler aus Berlin, ein ganz vordrefflicher Geiger, der jetzt von Paris kömmt und wie man sagt dem berühmten Rode5 nichts nachgiebt. Den sollst Du einmahl hören Deines Vaters Quartette spiellen! Was gäbe ich nicht darum, wenn Du sie mit uns hören könntest! Es sind sehr ardige Leute. Alle geben schon öffentlich Concerte. Sie sind schon den ganzen Winter hier, und obschon sie deswegen hier sind, um Koncerte zu geben, wo sich die meisten Künstler, wie Du weißt, rahr machen, so spiellen sie doch alle Montage bei mir, und in der That wetteiferten sie miteinander, und ich gewinne dabei, wie Du leicht denken kannst. Ein jeder will sich hören lassen, und so höre ich sie alle und recht oft. Sie lassen Dich alle recht herzlich grüßen.

Dein Bruder gehet jetzt zu Salieri und zu Hummel. Beide haben viele Liebe und Freundschaft, für ihn. Ich furcht nur, daß er sie nicht so benutzt, wie er soll, denn es ist nicht immer gut, wenn man zu viele Hülfe hat, weil man sich zu viel darauf verläßt, und wenn man keine mehr hat, so kann man sich nicht forthelfen, und wirklich ist dies meine Klage. Er, der von allen Ecken her Hülfe hat, thut beinahe garnichts, wenn man ihn nicht zwingt. Nun hat er die drei großen Meister Salieri, Albrechtsberger und Hummel6. Könnte ich Dir nur einen von diesen Männern geben, wie glücklich wäre ich; denn diese findest Du in ganz Idalien nicht. Thue mir einmahl den Gefallen und frage in einem Briefe, da Du weißt, daß Wowi noch jetzt die drei großen Meister hat; ob er denn auch fleißig ist und Nutzen von ihnen suchen wird zu ziehen, welches nur dadurch geschehen kann, wenn er fleißig komponirt, und frage ihn, wieviele Stücke er das Jahr durch componirt, und ob er auch brav sich im Instrumentiren übt. Sage ihm, was Du alles thun würdest, wenn Du so glücklich wärst, ihr Schüler zu seyn; und in der That, ich wünsche, daß Du sie mit ihm theillen könntest, und wer weiß was noch wird. In dieser Hoffnung verbleibe ich

Deine Mutter.

Fußnoten

1 Konstanzens älteste Schwester Josefa (1758–1819), in erster Ehe (1788) verheiratet mit dem Hofmusikus Franz de Paula Hofer (1755–1796); in zweiter Ehe (1797) mit dem Sänger und Schauspieler Friedrich Sebastian Mayer (1773–1835). Josefa war die erste Darstellerin der Königin der Nacht in Mozarts Zauberflöte.


2 Sophie Haibel.


3 Friedrich Wilhelm Pixis (1786–1842), Violinist, seit 1810 Lehrer am Konservatorium zu Prag; Johann Peter Pixis (1788–1874), Pianist und Komponist. Er hat Memoiren hinterlassen (gedruckt 1903).


4 Giovanni Battista Viotti (1753–1824), der »Vater des modernen Violinspiels«.


5 Jacques Pierre Joseph Rode (1774–1830).


6 Antonio Salieri (1750–1825), der bekannte Komponist und Rival W.A. Mozarts in Wien. – Joh. Georg Albrechtsberger (1736–1809), 1794 auch Lehrer Beethovens, seit 1792 Kapellmeister am Stefansdom zu Wien. – Johann Nepomuk Hummel (1778–1837), von 1804 bis 1811 Kapellmeister beim Fürsten Esterhazy in Wien; verließ 1816 Wien, um als Hofkapellmeister nach Stuttgart zu gehen. Von 1819–1837 Hofkapellmeister in Weimar.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 37.
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