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[40] Original: im Mozarteum zu Salzburg.

Adresse (von Nissens Hand): A Monsieur Charles Mozart, recommandée à Mr. le Professeur Asioli, Milano.


An Karl Mozart in Mailand


[Wien, den 29. Oktober 1807]


Lieber Karl.


Siehe das couvert!


Ich freue mich mit Dir darüber, daß auch man einmahl in Idalien anfängt, Mozartische Musique zu schätzen, umsomehr, weil es Dich und Deinen Bruder immer mehr und mehr aneifern muß, in diesem Fache recht fleißig zu seyn. Nun weiß ich kein platzigen [= Plätzchen] in ganz Europa mehr, wo man nicht die Werke Eueres Vatters hat studirt und schätzt. Mache nur ja, lieber Karl, daß Du darinnen Fortschritte machst, und schreibe mir offenherzig, wie es Dir darinnen gehet, ob Du Hülfe genug hast und Deine Zeit nicht umsonst anwendest. Mir bangt es so um Dich. Ich fürchte immer,[40] daß Du zu kurz kommst; denn mir kömmts immer vor, als solltest Du schon einigen Beweiß von Dir geben. Ich weiß nicht, ist dies nur mütterliche Ängstlichkeit, oder ist es in der That so. Kurz, schreibe mir aber, wie gesagt, ja recht offenherzig! Kapellmeister Weigl1 ist nun in Mailand. Ich habe es zu späte erfahren, daß er dahin gehet; sonst hätte ich ihn gewiß um so maniges wegen Dir gebethen. Wenn Du ihn sihest, so sage ihm dies, nebst meiner Empfehlung. Hast Du ihn noch nicht gesehen, so suche ihn auf und empfehle Dich ihm selbst. Er ist ein sehr guter und gefälliger Mann und gewiß ein großer Komponist, von jedermann dafür anerkannt. – Wie gesagt, suche ihn auf, und suche Dich in seine Gunsten zu empfehlen. Wer weiß, ob er sich nicht Deiner annimmt, und bei ihm kannst Du gewiß recht viel lernen. Und will er Dich mit nach Wien nehmen, so gehe mit! Da kannst Du noch den alten braven Albrechtsberger benützen, bei dem Dein Bruder auch den Contrapunkt studirt hat, und für welchen er noch so viele Liebe und Freundschaft hat, daß er zu ihm kommen kann, wann er will. Wenn er was componirt hat, so sihet er es durch und sagt ihm seyne Feller. Dieser liebe geschikte Mann, den Dein Vatter so sehr schätzte, wird alles für Dich thuen. Überlege es und sage mir Deine Meinung. Auf mich und Nißen weißt Du, daß Du rechnen kannst, wenn wir je imstande sind, Dir etwas zu Deinem künftigen Glücke beitragen zu können. Da es mit Dänemarck jetzt leider so trauerig aussihet, so hoffe ich noch welche Zeit hier in Wien zu verbleiben. – Kurz, ich wünscht for meiner Abreise (die wie gesagt, noch ganz und gar nicht bestimmt ist) überzeugt zu seyn, daß Du bei recht guten Meistern, von denen ich überzeugt seyn kann, daß Du was von ihnen profitiren kannst, wärest; Asioli ist nicht so ganz, wie er für Dich seyn solte, anerkannt, und ich habe auch noch nichts Großes von ihm gehört, und die Cantaten, die ich von ihm kenne, sind wahrhaftig sehr leer; der Gesang ist wohl schön, und den, dencke ich, hast Du auch schon profitiren können. Allein für das Instrumentiren wirst Du, wie Salieri sagt, in Idalien nicht weit kommen. Dafür wirst Du aber keinen so harten Gesang wie die Deitschen haben – und da hat er recht. Nun suche Du von den Deitschen zu lernen, nachdem du vier Jahre von den Idalienern gehört hast. Du weißt jetzt meine[41] Meinung, und ich laße Dir die Freuheit, mir zu schreiben, was Du willst und was Du für beßer hältst.

Wegen dem Strohut weiß ich nicht, was ich Dir rathen soll. Ich glaube aber doch, daß es am besten seyn würde, ihn zu vermauthen oder ihn mit alten Bändern zu besetzen und bey Gelegenheit jemandem mitzugeben. Ist er denn sehr theuer? Wenn dies der Fall nicht ist, so kann ja die Mauth auch nicht viel kosten. Empfehle mich dem Grafen Baldazzaroni und sage ihm, daß ich seyne liebe Tochter, die Frau v. Großer [?], selber aufgesucht habe, ihr die Nachricht ihrer guten Mutter zu bringen, worüber sie sich sehr freute. Sie ist recht wohlauf. Adieu! Ich küße Dich und bleibe Deine zärtliche Mutter

Mozart.


[Auf der Innenseite des Kuverts]


Wenn Du Lust hättest und es für vortheilhaft und vernünftig erachtest, hierher zu kommen, so mußt Du doch auf keinen Fall die Reiße antreten, ohne vorher von mir zu wißen, was Du hieselbst von mir zu erwarten hättest, und worin alsdann keinerley Veränderung oder Verbeßerung stattfinden könnte. Zwey Söhne nach ihrer Fantasie oder allen ihren Bedürfnissen zu ernähren, ist mir unmöglich, ohne mir sehr wehe zu thuen – und Du bist ja schon fast ein gemachter Mann.

Hierin folgt eine Anweisung auf 30 Gulden. Mehr kann ich diesmahl unmöglich schicken. Grüße Bellotto von mir! Ich erinnere mich seyner mit Vergnügen. Musique sollst Du bey Gelegenheit haben. Adieu, lieber Karl!


[Es ist ein Briefbogen verwandt, auf dessen erster Seite ein italienischer Brief von P. Lichtenthal2 an:Caro mio Carlino steht, datiert: Vienna, 29 Ottobre 1807.]

Fußnoten

1 Josef Weigl (1766–1846), Schüler von Albrechtsberger und Salieri, Opernkomponist.


2 Peter (Pietro) Lichtenthal (1780–1853), ursprünglich Student der Medizin, dann Musiker und Komponist; von 1810 an dauernd in Mailand. Interessant ist seine Schrift: Der musikalische Arzt (1807; italienisch 1811): über die Heilkraft der Musik. Von ihm ferner: Cenni biografici intorno al celebre maestro W.A. Mozart. Milano 1816 (8°, 40 S.). Gelegentlich der Enthüllung des Mozart-Denkmals in Salzburg (1842) veröffenlichte er: Mozart e le sue creazioni.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 42.
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