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[43] Original: im Mozarteum zu Salzburg


An Karl Mozart in Mailand


Wien, den 14. September 1808.


Lieber Karl!


Wie könntest Du auf Briefe von mir warten, da Du mich durch Dein Versprechen, mir und Wowi1 bald zu schreiben, in den Fall setzest, auf Briefe von Dir zu warten? Hattest Du es vergeßen? Ich wunderte mich nicht wenig, keine von Dir zu bekomen. Bei Weigl war ich gleich bei seiner Zurückkunft, um mich nach Dir zu erkundigen, und er sagte mir, was ich vermuthete, nämlich daß Du sehr fleißig, aber sehr mühsam in der Musique arbeitest, und er meiner Meinung sey, daß Du jetzt sicher [nach Wien] kommen sollst, indem Asioli nicht gründlich genug sey und Du nie fest werden würdest, und daß er Dir dies auch selbst gesagt habe und Dir sogleich noch darüber schreiben werde. Ob er es gethan hat, weiß ich nicht. Ich hoffe es von Dir zu erfahren. Auch sagte er mir, daß er Dir schon eine Stelle im Theater verschaffen werde. Das ist, wie mir scheint, immer eine gute Aussicht. An Schülern kann es Dir hier auch nicht fehlen, im Fall die Gage zu klein wäre. Daß Kostbarste aber dabei wäre Albrechtsberger, den Du noch ganz (wenn ihm Gott das Leben schenckt) benutzen könntest. Verscherze dies Glück nicht! Sage mir aufrichtig, warum Du so zauterst? Hast Du andere Aussichten oder bist Du verliebt? Kurz, sage mir die Ursache! Wie länger Du ausbleibst, wie weniger hast Du Hoffnung, bei mir im Hauße zu seyn; weil, wie länger Du aufschiebst, wie näher kommt die Zeit, daß ich fort2 muß. Was hättest Du schon alles gewonnen, wenn Du vor einem Jahre, wie ich Dir so herzlich schrieb, gekommen wärest! Dein Bruder hat ein Engagement3 nach Pohlen und gehet vermutlich in drei oder[44] vier Wochen dahin ab. Er bekommt 1000 Gulden, Kost, Quartier, Holz und Licht; und das bloß dadurch, weil er bey Albrechtsberger studirt hat. Engagements, solche Stellen würden Dir alsdann auch nicht fehlen. Kurz, thue, was Du willst, schreibe mir aber bestimmt darüber. Man sollte glauben, daß es Dir sehr gut gehe, weil Du erstens von meinem mütterlichen Antrag keinen Gebrauch machst und weil Du nie für das Geld, welches ich Dir – gewiß bei der Theuerung, die jetzt hier ist, nicht so leicht – schicke, nie danckst. Ich vergeb Dirs, wenn Du Aussicht hast, daß es Dir immer so gut gehet. Nur bitte ich Dich, im Fall Du eine reiche Mariage machen kannst, Dich nie auf Dein Weib zu verlaßen. Du mußt immer suchen, Dein Brod selber verdienen zu können und nicht der Gnade eines Weibes zu leben. Ich glaube, daß kann kein Mann von Ehre vertragen, ohne gewiß recht unglücklich zu seyn. Ich hoffe, Du verstehest mich. Es ist gar schwer, sich im Briefe so deitlich zu machen, wie ich es wünsche; wenigstens ich kann es nicht.

Ja, Nißen hat einen sehr schönen Ring bekomen und danckt Dir für Deine Theilnahme. Er ist beinahe 2000 Gulden im Werth und, wie gesagt, sehr schön.

Heute erst ist Herr Piastrini hier bei uns geweßen und erst for zwei Tagen in Wien angekomen. Er hat prächtige Sachen. Ich wollte, ich hätte nur eins davon; allein sie scheinen nicht für mich gemacht zu seyn, und so gebe ich mich auch wieder zu Ruhe.

Heute trage ich wieder das bewußte Geld an Bridi4 und schicke Dir wie immer den Wechsel, und solltest Du es nicht brauchen, so schicke mirs nur zurücke; ich kann es schon brauchen, und nun lebe wohl! Schreibe mir öfter und versäume meine guten Rathe nicht! Glaube, daß es niemand so gut mit Dir meint als Deine

Mutter

Constanza.


[Nachschrift:] Wir sind, Gott sey es gedanckt, alle recht gesund und wohlauf. Von dem Herrn Piastrini hörte ich heute, daß du bey einer Sängerin logirst. Karl, Karl, nimm Dich in acht!

Fußnoten

1 Kosenamen für Wolfgang Xaver Mozart.


2 Weil Nissens Versetzung nach Kopenhagen zu erwarten war!


3 W.X. Mozart war in den Jahren 1808–1811 Hauslehrer der Musik in der Familie des Grafen Bavorowski in Podkamien bei Lemberg; von 1811 an in gleicher Eigenschaft im Hause des Kämmerers Janiszewski in Lemberg.


4 Bridi, Inhaber eines Geschäftshauses.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 45.
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