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[54] Original: im Mozarteum zu Salzburg


An Karl Mozart in Mailand


Wien, am 16. Oktober 1809.


Lieber Karl!


Vor 5 Tagen schrieb ich Dir, daß unser Freund Bridi Dir die Kiste mit den Musiqualien abgeschickt hat. Nun hoffe ich, daß Du sie bey Empfang[54] dieses Briefes, den Du durch Herrn Rey erhältst, schon haben wirst. Auch zweifle ich nicht, daß Du nicht große Freude darüber haben wirst. Ich trennte mich recht hart davon und hätte sie manigmahl theuer verkaufen können, wenn ich sie jemand anderem als Dir gegönnt hatte.

Dr. Lichtenthai ist so freundschaftlich, Dir bey dieser Gelegenheit die Cantate von Cannabich1 zu überschicken. Sie ist, wie Du sehen wirst, auf Mozarts Tod gemacht und wird alle Jahre auf seinem Sterbetage in München ihm zu Ehren aufgeführt. Sie gefiel mir recht wohl, als ich sie dort hörte. Vielleicht kannst Du sie auch einmahl dazu brauchen, obwohl sie nicht idalienisch ist.

Die Bekanntschaft des Herrn Rey machte mir viel Vergnügen, indem er Dich, wie er sagt, sehr gut kennt und wir deswegen viel von Dir sprachen.

Daß es – Gott Lob und Danck! – Frieden ist, brauche ich Dir nicht zu sagen, indem Du es schon lange wissen wirst. Gott erhalte ihn nur ja lange! Nun wird mein Aufenthalt auch nicht mehr lange in Wien seyn, und ich muß gestehen, daß ich jetzt sehr gerne von hier weggehe, indem mich doch garnichts mehr hier freut. Auch sollte ich recht böße auf Dich seyn, indem Du so selten schreibst. Seit Preßburg oder beßer zu sagen seit Mai oder gar April habe ich keinen Brief von Dir. Indessen hast Du vier oder fünf von mir. Ich kann es garnicht begreifen, warum Du so lau gegen Deine so zärtliche Mutter verfährst. Du wirst ihr einmahl gerne schreiben wollen, wenn Du nur könntest! Hast Du meinen Brief von Preßburg erhalten, worin ich Dir unsre ausgestandenen Schrecken schilderte? Und warum habe ich keine Antwort darauf erhalten? Genug davon! Bessere Dich und lieb Deine


Mutter C. Nißen.

Fußnoten

1 Gemeint ist: Mozarts Gedächtnis Feyer. Seinen Manen gewidmet von seinem Verehrer Carl Cannabich. München 1797. (Ein Exemplar in der Sammlung von Paul Hirsch in Frankfurt a.M.) – Karl Cannabich (1764–1806), Hofmusikdirektor in München, ist der Sohn von Christian Cannabich (1731–1798), dem berühmten Mannheimer bzw. Münchner Kapellmeister, dem W.A. Mozart zum ersten Male im Juli 1763 in Schwetzingen begegnete.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 55.
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