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[63] Original: im Mozarteum


An Karl Mozart in Mailand


Wien, am 7. Mai 1810.


Lieber Karl!


Ich eile, Dir zu sagen: daß ich soeben von Bridi komme und fünf Dukaten für Dich bezahlt habe, damit Du das Pianoforte Deines Vaters sogleich bekommst. Es gehet noch diese Woche mit dem Vetturino Christoforttei ab. Auch bath ich Bridi, Dir bey seynem Freund Credit zu verschaffen, damit Du, wenn Du nicht solltest können, nicht sogleich bezahlen darfst. Dir bleiben also noch zehn Dukaten und das Embaliren zu bezahlen. Du siehst, daß ich mütterlich mit Dir verfahre und daß ich Dir noch das Glück verschaffe, Dein Pianoforte so geschwind wie möchlich in die Hände suche zu bringen. Wenn Du es nur auch schon hättest. Ich glaube es nicht mehr[63] erleben zu können, so sehr wünsche ich es, weil ich weiß, wie lieb es Dir seyn muß und wie hart ich es, wenn es nicht für Dich wäre, verließ. Wenn Du es nur halb so lieb hast als ich es hatte, so lässt Du es nie von Dir.

Dein Bruder wird wohl ein wenig eyfersichtig dar über werden, umsomehr da er mir so oft schrieb, daß er ein so schlechtes habe, worauf er in Gefahr sey, die Finger zu brechen. Allein dies rührte mich nicht, indem er mehr Geld als Du hast hat und sich eins schaffen kann. Indessen ist es nicht nöthig, daß er etwas davon weiß, denn er wird fest glauben, daß ich es mit nach Dänemark nehme, und dabey laßen wir ihn so lange wie möchlich.

Die Corallen1 haben mir viele Freude gemacht. Ich wünschte doch zu wißen, wie theuer sie kommen, und ersuche Dich, mir es im nächsten Briefe zu sagen. Wegen dem schönen Kleid wird Nißen wohl schon gesagt haben, daß jetzt gar keine Aussicht ist, hier so etwas anzubringen, indem man jetzt gar zu theuer leben muß. Es ist unbegreiflich theuer zu leben. Ich schrieb Dir vor einem Jahr, wo es schon theuer war; allein jetzt darfst Du die Preiße, die ich Dir damahlen mittheilte, gut mit 2 moltepliciren, und das meiste davon mit 3. So zum Beyspiel: Salz [war] zu Deiner Zeit 41/4 jetzt 12 Kreuzer; Butter 3 fl. 48 Kr., zu Deiner Zeit 48 Kr.; Schweineschmalz 1 fl. 57 Kr.; Erdäpfel sonst 10, 15, auch 20 um 1 Kreuzer, jetzt 2 um einen Groschen. In diesem Verhältniß sind Linzen, Arwes [Erbsen], Bohnen, Mehl, Grieß, Holz, Licht. Kurz, alles ist so. Ich kann nicht begreifen, wie die Armen mit dem Leben davon kommen. Es ist aber auch wahr, daß die Sterblichkeit unter den Armen sehr groß ist. Ich mag gar nicht mehr davon reden, denn es tut mir zu wehe, und ich kann leider auch nicht helfen. Wäre ich Wittwe geblieben, so hätte ich schon lange vor Hunger sterben müßen. So hat aber der liebe Gott so wie immer mir auch hierinnen geholfen; und nun gehe ich recht gerne von hier, wo ich sonst so gerne war.

Dein Bruder klagt in jedem Briefe, daß er keinen von Dir hat. Schreibe ihm doch. Adieu! Lebe wohl und schreibe mir bald, damit ich Deinen Brief noch in Wien erhalten kann. Dein Vater, der Dich und Deinen Bruder so wie immer zährtlich liebt und mir auch diesmahl die fünf Dukaten für[64] Dich gab, welche ich sonsten, wie Du leicht dencken kannst, nicht geben konnte. Wir beyde küßen Dich zährtlich uud hoffen bald auf Nachricht von Dir.

C. Nißen.


[Nachschrift Nissens:] Leben Sie wohl, mein lieber Karl! Sie bekommen noch einen Brief, ehe wir von hier reisen.

Ihr Vater Nißen.


[Zweite Nachschrift Nissens:] Was wir für die Clemenza, für die Kiste mit Musicalien und sonst für Sie ausgelegt hatten, dafür ist Ihre Schuld durch die gesandten Corallen völlig getilgt, und was ich Ihnen in meinem vorigen Briefe über diesen Gegenstand geschrieben habe, fällt weg und ist unkräftig geworden. Sie sind uns nichts mehr als Ihre Liebe schuldig.

Fußnoten

1 Karl hatte Ohrgehänge besorgt und geschickt, den vielbegehrten Strohhut aber nicht.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 65.
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