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[71] Original: im Mozarteum


An Karl Mozart in Mailand


Kopenhagen, den 13. November 1810.


Mein lieber Karl!


Es thut mir in der That sehr leid, daß ich mit Deinem Briefe so unglücklich war und ich dadurch noch immer in dem Falle bin, nicht erfahren zu können, was aus Dir geworden ist. Ich weiß noch immer nichts mehr von Dir als daß Du bey dem Vicekönig engagirt bist. Als was aber weiß ich noch nicht. Der Brief mit dem Ring, wovon Du schreibst, muß verloren gegangen seyn, denn ich bekomme ihn nicht. Den von Signor Velluti1 mit den Musiqualien von Dir bekam ich erst kurz durch Herrn Velluti for meiner Abreise wie auch den mit Deinem Portrait, aber letzteren mit dem Reifring nicht.[71] Velluti wird Dir einen [Brief] von mir mitbringen, der Dir sagen wird, wie leid es mir thut, ihn nicht früher gekannt zu haben. Nun aber bitte ich Dich, mir im nächsten Briefe ausführlich zu schreiben, was Du geworden bist und wie Du mit Deinem Schicksal zufrieden bist. Was mich betrifft, so bitte ich Dich zu glauben, daß es mir nie so gut gegangen ist wie jetzt. Auch in Betreff des Klimas gieb Dich zu Ruhe, denn es schlägt mir recht gut an. Ich befinde mich beßer als ich von lange her nicht that. Das Klima ist wahrhaftig nicht so schlimm wie man glaubt; es ist wirklich viel beständiger als das in Wien. Der Herbst war bis in die Mitte, ja bis zum Ende October so schön, daß ich immer auf dem Lande seyn konnte und so lange auch blieb. Was die verschiedenen Winde oder die Luft betrifft, wovon Du in Deinem letzten Briefe vom 17. October sprichst, die werden mir auch nicht so gefährlich werden, weil ich es eben nicht nothwendig finde, mich ihnen auszusetzen. Und so hoffe ich damit auszukommen. Überhaupt muß ich Dir bekennen, daß es mir hier sehr gefällt. Die Stadt ist sehr schön; die Gegenden mahlerisch schön durch die vielen schönen Seeen, die man sogar bey uns nicht kennt und für mich den Reiz der Neuheit haben. Besonders auf Spaziergängen bey Aufgang und Untergang der Sonne oder des Monds ist es ganz göttlich im Seeland. Auf unserer Reiße brachten wir sieben volle Wochen sehr angenehm zu, umsomehr da Nißen eine so ausgebreitete Bekanntschaft bey Güterbesitzern hat, wodurch wir uns überall solange als wir wollten im Holsteinischen aufhielten. Deinen Bruder habe ich gestern eine ganze Reißebeschreibung gegeben, weil er die meisten, von denen, wo wir waren, kennt, und es ihn daher mehr intreßiren kann als Dich. Sollte es Dich vielleicht freuen zu wißen wie ich gereißt bin und wo ich mich aufgehalten, so kannst Du einmahl den Brief von Deinem Bruder begern und mir dadurch das Leben erleichtern, indem es mir schwer und sauer werden würde, dieselbe Sache zweymahl zu schreiben.

Ich, mein lieber Karl, habe Ursache, mit dem Wechsel meines Schicksals, wenn ich nicht undanckbar seyn will, vollkommen zufrieden zu seyn. Ich habe mein Auskommen, habe einen braven lieben Man, der in Ansehen stehet und der mich auf Händen trägt und über alles schätzt. Durch Zeitungen weißt Du vielleicht, daß er Censor der politischen Blätter und vor wenigen Tagen Wirklicher Staatsrath geworden ist. Dies hindert ihn nicht,[72] vielleicht wieder einmahl im Diplomatischen Fache angestellt zu werde, und wer weiß, ob es der Himmel nicht noch so gut mit mir meint, einmahl in Deine Nähe zu kommen. Es wäre ja möglich, daß in Idalien oder in Mondenero [? Montenegro] jemand zu alt würde und seinen Posten nicht mehr verrichten kann; dann würde ich Deinem Vater, der Euch beide zährtlich liebt, gewiß keine Ruhe laßen, seinen König, der ihn mit so vieler Gnade empfangen hat, zu bitten, ihm diesen Posten zu geben. Bis dahin, lieber Karl, wollen wir hoffen! Es wäre doch gar zu traurig, wenn wir uns nicht mehr sehen sollten. Nein! Gewiß ich hoffe Dich noch zu sehen.

In Prag war ich nicht Madame Duschek2 wegen (nein; denn ich sah und wollte sie garnicht sehen), aber wegen unserm lieben Freund Niemetschek3 drei Tage. Ich freude mich schon in Wien auf ihn und schrieb ihm dahero meine Abreiße und meine vermuthliche Ankunft in Prag und sagte ihm, daß ich mich nur wegen ihm einen Tag da aufhalten werde, um ihn mit meinem Manne bekannt zu machen. Allein aus diesem einen Tag wurden drei, und da noch konnten wir nur mit Mühe weg. Er liebt und schätzt meinen Mann sehr, so wie er ihn; er machte mir auch das Compliment, indem er sagte: »Nun reißen Sie glücklich! Nun bin ich ruhig wegen Ihnen. Ich sehe, daß Sie sich in die Arme eines Mannes geworfen haben, der Ihrer würdig ist.«

Es that mir gar zu leid, daß der Bruder der Frau Schnell (glaub ich heißt er) just damahlen zum Sterben war, und ich habe noch keine Nachricht, ob er lebt oder gestorben ist. Ich bitte Dich, ihm doch von Zeit zu Zeit zu schreiben und ihm meine Besorgniß darüber mitzutheilen. Er hat zwey allerliebste Kinder. Besonders das Mädchen ist so zährtlich und liebenswürdig, und beide spielen ardig Clavir. Oh, wie oft fragten sie um Dich und um Wowi.

Lichtenthal ist also doch in Mailand! Es freud mich, daß Du ihn schon so ziemlich kennst. Ich brauche ihn Dir also nicht zu beschreiben. Ich mag ihn nicht, denn ich halte ihn falsch und undanckbar gegen Nißen, der ihm[73] so viel Gutes gethan hat. Er war eine zweite Cousine4 bey Wowi; Du wirst mich verstehen. Was hat denn der Narr im Sinne zu thuen? Will er sich durch die Weld betteln? Der dänische Doktor, der Dir das Billett von mir mitbrachte, hat ihn auch genoßen. Genug von dem Narren! War der dänische Dr. nicht ein liebenswürdiger junger Mann? Wo ist er hingereißt? Kommt er bald nach Kopenhagen? Hansen läßt Dich vielmahls grüßen. Er hat jetzt Euer Portrait5, weil es so viele Jahre nicht geputzt worden. Um es nicht zu verderben, vertraute ich es niemandem an. Nun thut er es, und dann hängt es wieder in meinem Zimmer. Ich wünschte wohl ein ähnliches in Öhl gemahltes von Dir zu haben. Warum bathst du Jagemann nicht darum? Er würde es mir zu liebe gewiß gern gethan haben.

Es freud mich, daß das Pianoforte noch in gutem Stande ist, und ich hoffe, daß Du es noch lange so haben wirst. Wowi fragte auch in seinem Briefe darum, allein ich übergieng in meinem Briefe die Antwort.

Mein lieber Nißen lässt mir jetzt eines von [Andreas] Stein aus Wien kommen; allein es wird wohl Frühjahr werden, bis ich es bekomme. Bis dahin muß ich mich schon mit einem Clavichord behelfen und thue es auch gerne, da mir die Hoffnung bleibt, ein so schönes und gutes zu bekommen. Wenn Du Deinem Bruder schreibst, so sage ihm doch, daß er recht fleissig seyn soll und sich nicht immer mit Variazionen beschäftigen soll, indem diese ihn nicht weiter bringen. Und nun lebe wohl! Schreibe mir bald! Halte Dich an die Vorschrift Deines guten Vaters, die darin bestehet, daß Du im Anfang jedes zweyten Monats schreibst. So derfen wir uns keins über das andere ängstigen und unser Briefwechsel wird nicht unterbrochen, indem wir nicht immer auf Antwort warden. Und nun lebe wohl, grüße Lichtenthal und liebe Deine Dich zärtlich liebende Mutter

Constance.


[Nachschrift Nissens:] In aller Eile, mein lieber Carl, schreibe auch ich Ihnen ein paar Worte. Unser letzter Brief war vom 29. September. Ihre gute Mutter sagt mir, daß sie oben das Datum des Ihrigen angeführt hat. Thun sie auch immer so, damit wir alle wissen, ob einer verloren geht und[74] der Inhalt nachzutragen ist. Ihre Mutter wird Ihnen auch von der neuen Gnade meines Königs gemeldet haben. Nun habe ich geduldig abzuwarten bis eine Vacanz zu meinen Gunsten wird. Von meinen jetzigen Staatseinkünften kann ich nicht leben; sie betragen etwa den fünften Theil von dem, was ich im Auslande in den letzten vier Jahren hatte. Meine Adresse ist nun kürzer so zu machen: Chevalier de l'ordre du Dannebrog, Conseiller actuel d'état. Die Gebrüder Tutein brauchen Sie nicht mehr in der Aufschrift zu nennen, da ich jetzt bekannt genug bin und überdies dem Postamte gegenüber wohne. Leben Sie so wohl als wir es wünschen, und immer besser, und erfreuen Sie uns mit umständlichen Nachrichten.

Ihr Nißen.

Fußnoten

1 Der alsbald berühmte Sänger (Kastrat) Giovanni Battista Velluti (1781–1861).


2 Die Sängerin Josefa Duschek (geb. 1753) in Prag, »Böhmens Gabrielli«, eine intime Freundin W.A. Mozarts, Witwe des Pianisten und Komponisten Franz Duschek (1736–1799).


3 Franz Niemetschek (1766 –? 1821), Professor in Prag, bekannt durch seine kleine Mozart-biographie (Prag 1798). In den Jahren 1792–1797 war Karl Mozart bei ihm in Pension.


4 Wohl Anspielung auf die Enkelin von Joseph Lange, Josephine Lange; vgl. S. 127.


5 Wiederum das Doppelportrait; vgl. S. 69.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 75.
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