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[79] Original: im Archiv der Gesellschaft der

Musikfreunde in Wien


Nikolaus Nissen [und Konstanze] an den Abbé Maximilian Stadler in Wien

(Auszug)


Salzburg, 18. April 1825.

Im Hause des Bürgermeisters.


Verehrtester Herr Abbé,

hochlieber alter Gönner und Freund,


wenn Sie einige Zeilen weiter gelesen haben, so wird sich ohne Zweifel in Ihnen der von mir so oft erweckte Gedanke: Quid Saulus inter prophetas? wiewohl ganz leise regen und ein flüchtiges Andenken an meine zudringliche Pedanterie von früheren Zeiten vor ihren Sinn treten; aber, sich selbst immer gleich, werden Sie beide bald verjagt haben und mir mit der Ihnen eigenen Liebenswürdigkeit die hülfreiche Hand reichen, um die Sie mich bitten sehen.

[.....] Neulich habe ich die große Freude gehabt, Ihr leibhaftes Porträt zu sehen. Es ist frappant. Ich glaubte Ihnen gegenüber zu stehen. Der Hr. Hofrath v. Mosel1 ist ein trefflicher Maler. Ich eilte damit zu Ihrer Freundin, meiner Frau, die mein Vergnügen innig theilte, so wie sie mein inniges Bedauern theilt, Sie noch nicht in der Befreiung Jerusalems2 gehört zu haben.

Dieses gute Weib, welches mir täglich lieber wird, – Sie denken sich also leicht, wie hochlieb sie mir nach mehr als einem Vierteljahrhundert nun ist, – um eine ihrer Tugenden zu erwähnen, trägt nicht allein den Namen der Beständigkeit: ihre Achtung, ihre Freundschaft, ihre Erkenntlichkeit gegen Sie sind ewig dieselben wie zuvor. Sie hat jetzt ihren Sohn [Karl] in Mailand besucht, dessen Muse die Musik ist. Ihr Schützling Wolfgang [Xaver Mozart] lebt – auch recht gut – in Lemberg, wo er jetzt unter Gallus3 die Komposition[80] nochmals studirt. Wir Alten versuchen heuer wiederum uns in Gastein zu verjüngen; voriges Jahr wollte es uns nicht glücken.

Wir bitten Sie, unsere gemeinschaftlichen Freunde herzlich zu grüßen. Und nun empfangen Sie meinen Glückwunsch, daß ich aufhören muß, unsere warmen Wünsche für Ihr Wohlseyn und die aufrichtigste Erneuerung der hochachtungs-, ergebenheits- und freundschaftsvollen Gesinnungen, mit welcher ich die Ehre habe zu seyn, beßter Herr Abbé und Freund,

Ihr sehr ergebener Diener Nißen.

Fußnoten

1 Ignaz Franz Edler v. Mosel (1772–1844), seit 1820 Vizedirektor der Hofbühnen in Wien, Komponist, Musikschriftsteller.


2 Stadlers Oratorium »Die Befreiung Jerusalems«, 1811 in Wien aufgeführt.


3 Johann Mederitsch genannt Gallus (1765–1835), Musikdirektor damals in Lemberg, Komponist; später in Wien, (Vgl. E. von Komorzynski: Grillparzers Klavierlehrer Johann Mederitsch, 1919.)


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 81.
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