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[82] Original: in Wiener Privatbesitz


An den Pianofortefabrikanten Johann Andreas Streicher1 in Wien


Salzburg, am 7. Juli 1826.


Überzeugt, daß Herr Streicher nicht übel nehmen wird, daß sich die Witwe Etatsräthin von Nissen gewesene Mozart die Freiheit nimmt, einen jungen talentvollen fleißigen Mann zu empfehlen, der sich überall, wo er Arbeit genossen, Liebe und Ehre erwarb und daher sowohl meinem lieben Gatten als auch mir lieb und wert ist und war. Er ist Tischlergesell und hat es schon weit in diesem Fache gebracht. Da aber Salzburg der Ort nicht ist, wo er mehr, als er kann, lernen wird, so entschloß er sich, nach Wien zu gehen, um seinen Wünschen gemäß mehr zu lernen. Er ist ein[82] Däne und heißt Hansen2. So wie ich mich erinnern kann, waren Sie stets mit der Dänen ihrem Fleiß zufrieden. Dies ist die Ursache, daß ich auch Ihnen einen überschicke, der gewiß an Fleiß und guter Aufführung noch alle, die Sie gekannt haben, übertreffen wird. Ich bitte daher, im Falle er nicht so glücklich seyn kann, bei Ihnen selbst unterzukommen, ihm doch beyzustehen, daß er einen guten Ort bekömmt.

Sollten Sie, wie ich nicht zweifele, noch an meinem Schicksal Antheil nehmen und wünschen Sie, etwas Mehreres von mir zu wissen, so ist dies der Mann, der Ihnen mehr sagen und erzählen wird, als ich im Stande seyn würde, auch wenn ich ein Buch Papier vollschriebe.

Nun empfehlen Sie mich Ihrer lieben Frau und allen Angehörigen und nehmen Sie noch zum Schluß die Nachricht mit, daß, so Gott will, in fünf oder sechs Wochen mein Sohn Wolfgang aus Lemberg über Wien zu mir3 kommen und Sie gewiß auch besuchen wird, worauf sich unendlich freut


Ihre Dienerin

Constance Nissen

gewesene Mozart.


[Nachschrift:] Abt Stadler, der gewiß gerne von mir hört, bitte ich sehr zu grüßen und ihm zu sagen, daß leider seyn Brief meinen geliebten, meinen unvergeßlichen Gatten nicht mehr fand. Ach, was würde dieser Brief ihm noch viele Freuden gemacht haben!

Fußnoten

1 Johann Andreas Streicher (1761–1833), Mitschüler Schillers auf der Karlsschule und sein Fluchtgenosse. Er war seit 1793 verheiratet mit Nanette Stein (1769–1833), der Tochter des berühmten Instrumentenbauers Joh. Andreas Stein in Augsburg, und verlegte dessen Fabrik nach Wien. Auch Beethoven stand mit Streicher in freundschaftlichen Beziehungen.


2 M.E. Hansen aus Kopenhagen, der bis zum Sommer 1830 in Deutschland geblieben ist. Er war wohl ein Sohn des Malers Hans Hansen, der Konstanze i.J. 1802 (in Wien) porträtiert hat.


3 W.X. Mozart hat etwa vierzehn Tage, bis zum 1. September 1826, in Salzburg geweilt. Am 28. September traf er wieder in Lemberg ein.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 83.
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