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[103] Original: im Mozarteum


An den Musiklehrer Friedrich Schwaan in Rostock


Salzburg, am 5. Dezember 1829.


Hochverehrter Herr!


Überzeugt, daß ein paar Zeilen von mir Ihnen angenehm seyn werden, ergreife ich die Feder und benutze zugleich die schöne Gelegenheit, Ihnen[103] einen glücklichen Ausgang des Alten Jahres und einen noch glücklicheren Eingang zum Neuen Jahre zu wünschen. Möge der liebe Gott Ihnen seynen Segen und Zufriedenheit dazu geben!

Was mich betrifft, so lebe ich mit meiner liebsten Schwester [Sophie Haibel] so wie es meine Lage ohne Mozart und ohne Nissen zuläßt, so glücklich wie möglich. Ich hatte zwey große ausgezeichnete Männer, von denen ich geliebt und geschätzt, ja ich muß sagen, angebethet wurde. Auch sie wurden, beyde gleich, aufs zärtlichste von mir geliebt, und ich war daher zweymahlen vollkommen glücklich; und das soll man ja in dieser irdischen Welt nicht seyn. Durch die göttliche Religion aber gestärckt, gebe ich mich in mein Schicksal, und sage mit Haller1:


Ein Blick in vorig Leid wird künftig uns entzücken,

Wenn unserem Auge sich der Schöpfung Plan wird entdecken,

Der itzt vor unseren kühnen Blicken

In seelig Dunkel sich versteckt.


So viel von mir, und nun zur Biographie! Es freud mich unendlich, daß sie auch Ihren Beyfall hat, und obschon ich bis jetzt noch keinen Gewinn für meine Söhne geschöpft, so bin ich doch froh, der Welt und besonders den Mozartischen Verehrern ein Werck in die Hände geliefert zu haben, welches ihnen Vergnügen verschafft, und so schließe ich mit dem Wunsche, daß mein Schreiben Sie recht bald bey der besten Gesundheit treffe und Sie immer gütig bleiben Ihrer Freundin

Constanza

Etatsräthin von Nissen

gewesene Wittwe Mozart.

Fußnoten

1 Albrecht v. Haller (1708–1777), ein ehedem beliebter und berühmter, heute vergessener und ungenießbarer Dichter.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 104.
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