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[112] Original: im Mozarteum


An den Musiklehrer Friedrich Schwaan in Rostock


Salzburg, am 2. September 1832.


Vor allem [schreibe ich] an meinen lieben Freund Schwaan in Rostock, ihm für seyne so herzliche liebe Freundschaft und seyne so große Theilnahme an allem, was mich und die Meinen betrifft, meinen innigsten Dank abzustatten. Ja, mein Freund, es war wohl eine große Sorge für mich, meinen geliebten, zärtlich geliebten Sohn Wolfgang in der größten Gefahr1 in Lemberg zu wißen; allein die gütige Vorsehung, mein gütiger Schöpfer hat ihn geschützt und mir erhalten. Auch hatte ich durch mehr als ein halbes Jahr aller acht Tage Briefe von ihm, dem guten lieben Sohn, und dies Jahr war ich sogar so glücklich, ihn drei Wochen bey mir gehabt zu haben. [Ich] hätte[112] ihn noch drei Wochen bey mir haben können, wenn ich ihn nicht überredet hätte, das Gasteiner Bad zu gebrauchen, weil er so übel krank aussah. Obschon er nicht bettlägerig krank war, mußte ich doch einsehen, daß seyn gutes Herz und seyne Seele zu viel gelitten durch den Verlust so vieller Freunde und Bekante, die er durch diese Krankheit [Cholera] verlohren hatte, [und daß er] gewiß nicht gesund seyn konnte. Auch hatte er immer Kolick und Abweichen, welches mir andeutete, daß er gestärkt werden mußte; und nichts in der Welt ist so wohlthätig als dies göttliche Bad. Gott sey es gedankt, daß er meinen Rathe gefolgt und es gebraucht hat. Nun ist er wieder frisch und gesund am 23. August mit meinem mütterlichen Segen nach Wien abgereist, woher ich auch schon so glücklich war, gestern den zweyten Brief zu erhalten, worin er mir nicht genug sagen kann, wie wohl er auf ist. So viel von ihm, und nun von mir und meiner guten Schwester [Sophie Haibel], die ich seit unserer Briefpause zweymahl dem grausamen Tode nah gehabt habe. Nun ist sie aber ganz wohlauf, und ich kann meinem gütigen Schöpfer nicht genug dafür danken. Daß ich so wohlauf bin und so viel Trübsahl und Angst überstehen konnte, hab ich wohl ganz allein Ihrem so inbrünstgen Gebethe zu Gott dem Allmächtigen zu verdanken; sonst würde es nicht möglich seyn. Fahren Sie fort, mich und die Meinigen zu lieben, und glauben Sie, daß es suchen wird zu verdienen Ihre ewig dankbare, Sie hochschätzende Freundin


Constanza Etatsräthin von Nissen

gewesene Wittwe Mozart.

Fußnoten

1 Die Cholera wütete damals in Europa.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 113.
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