§. 2.

[2] Eine schon fast veraltete Art der Geigen sind die kleinen Sack- oder Spitzgeiglein, welche mit 4. oder auch nur mit 3. Seyten bezogen sind. Sie wurden, wegen der Bequemlichkeit sie in den Schubsack zu stecken, gemeiniglich von den Herren Tanzmeistern bey Unterweisung ihrer Lehrlinge gebraucht.

Eine zwote, aber auch wenig mehr übliche Art sind die einfachen, oder Brettgeigen; welche also benennet werden, weil die 4. darauf gespannten Seyten, nur über einem gewölbten Brett gezogen sind, so eigentlich dem obern Theile einer gemeinen Violin oder Diskantgeige gleichet.

Die dritte Art sind die Quart- oder Halbgeiglein. Sie sind kleiner als die gemeinen Violinen, und werden für gar kleine Knaben gebraucht. Doch ist es allezeit besser, wenn es die Finger eines Knaben zulassen, ihn an eine rechte Violin zu gewöhnen; dadurch er die Finger in einer beständigen Gleichheit erhält, sie abhärtet, und solche recht auszustrecken erlernet. Vor einigen Jahren hat man noch so gar Concerte auf diese von den Italiänern sogenannte kleine Violin(Violino piccolo) gesetzet: und da es sich weit höher als eine andere Violin stimmen läßt; so wurde es sonderbar bey musikalischen Nachtstücken mit einer Zwerchflaute, Harfe, oder mit einem andern solchen Instrumente vergesellschaftet, öfters gehöret. Itzt ist man der kleinen Geiglein nimmer benöthiget. Man spielet alles auf der gewöhnlichen Violin in der Höhe.

Die vierte Gattung sind die gemeinen Violinen oder Diskantgeigen. Von welchen wir eigentlich in diesem Buche zu reden haben.

Eine fünfte Art sind die Altgeigen: welche von dem italiänischen Viola di Braccio, auch Violen heissen; am gemeinsten aber (von Braccio) die Bratschen genennet werden. Man spielet damit sowohl den Alt als den Tenor, auch zur Noth, zu einer hohen Oberstimme den Baß, dazu man doch sonst

Eine sechste Gattung, nämlich die Fagotgeige brauchet; welche der Grösse und Beseytung nach von der Bratsche in etwas unterschieden ist. Einige nennen es auch das Handbaßel; doch es ist das Handbaßel noch etwas grösser als die Fagotgeige. Man pflegt also, wie schon gesagt worden, den Baß damit zu spielen: allein nur zu Violinen, Zwerchflauten, und andern hohen Oberstimmen; sonst würde der Grund die Oberstimme überschreiten, und, wegen den[2] wider die Regel laufenden Auflösungen, gar oft eine widrige Harmonie hervorbringen. Diese Ueberschreitung der Oberstimme mit der Unterstimme ist in der musikalischen Setzkunst bey Halbcomponisten ein ganz gemeiner Fehler.

Die siebente Art heißt das Bassel oder Bassete, welches man, nach dem italiänischen Violoncello, das Violoncell nennet. Vor Zeiten hatte es 5. Seyten; itzt geigt man es nur mit vieren. Es ist das gemeinste Instrument den Baß damit zu spielen: und obwohl es einige etwas grössere, andere etwas kleinere giebt; so sind sie doch nur der Beseytung nach, folglich nur in der Stärke des Klanges, ein wenig von einander unterschieden.

Der grosse Baß, oder Violon von dem italiänischen Violone ist die achte Gattung der Geiginstrumente. Dieser Violon wird ebenfalls von verschiedener Grösse verfertiget: allein es bleibt allezeit die nämliche Stimmung; nur daß man bey der Beseytung den nöthigen Unterscheid beobachtet. Weil der Violon viel grösser als das Violoncell ist; so ist auch dessen Stimmung um eine ganze Octav tiefer. Er wird am gewöhnlichsten mit 4, der grössere aber auch mit 5. Seyten bezogen.

Die neunte Art ist die Gamba. Sie wird zwischen die Beine gehalten; daher es auch den Name hat: denn die Italiäner nennen es Viola di Gamba, das ist: Beingeige. Heut zu Tage wird auch das Violoncell zwischen die Beine genommen, und man kann es mit allem Rechte auch eine Beingeige nennen. Im übrigen ist die Viola di Gamba von dem Violoncell in vielem unterschieden. Es hat 6, auch 7. Seyten; da das Bassel nur 4. hat. Es hat auch eine ganz andere Stimmung, einen angenehmern Ton, und dienet meistentheils zu einer Oberstimme.

Die zehnte Gattung ist der Bordon, nach dem gemeinen Sprechen der Barydon, von dem italiänischen Viola di Bordone,1. Dieses Instrument hat, gleich der Gamba, 6 bis 7 Seyten. Der Hals ist sehr breit und dessen hinterer Theil hohl und offen, wo 9 oder auch 10 messingene und stählerne Seyten hinunter gehen, die mit dem Daumen berühret, und geknippet werden; also zwar, daß zu gleicher Zeit, als man mit dem Geigebogen auf den oben gespannten[3] spannten Darmseyten die Hauptstimme abgeiget, der Daume durch das Anschlagen der unter dem Hals hinabgezogenen Seyten den Baß dazu spiele. Und eben deswegen müssen die Stücke besonders dazu gesetzet seyn. Es ist übrigens eines der anmuthigsten Instrumente.

Eine eilfte Art mag die Viola d'Amor seyn; nach dem italiänischen Viola d'Amour, und nach dem französischen Viole d'Amour. Es ist eine besondere Art der Geigen, die, sonderheitlich bey der Abendstille, recht lieblich klinget. Oben ist sie mit 6. Darmseyten, davon die tiefern übersponnen sind, und unter dem Griffe mit 6. stählernen Seyten bezogen; welche letztere weder gegriffen, noch gegeigt werden, sondern nur, den Klang der obern Seyten zu verdoppeln und fortzupflanzen, sind erdacht worden. Dieses Instrument leidet viele Verstimmung.

Die zwölfte Gattung ist das englische Violet, so hauptsächlich von der Viola d'Amore nur dadurch unterschieden ist, daß es oben 7. und unten 14. Seyten, und folglich auch eine andere Stimmung hat, auch wegen Viele der untern Klangseyten einen stärkern Laut von sich giebt.

Eine alte Art der Geiginstrumente ist die aus dem Trumscheid entstandene Trompete marine. Es hat nur eine grosse Darmseyte; hat einen dreyeckichten Körper; einen langen Hals, u.s.w. Die Seyte liegt auf einem Stege, welcher auf einer Seite den Sangboden kaum berühret, und folglich verursachet, daß die Seyte, wenn sie gegeigt wird, einen schnarrenden Ton, gleich einer Trompete, von sich giebt.

Diese nun sind alle mir bekannte und meistentheils noch übliche Gattungen der Geigen; davon die vierte, nämlich die Violin, der Stoff dieser zum Versuch unternommenen Lehrschrift seyn wird.

Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 2-4.
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