§. 4.

[11] Wollen wir die alten und neuen Instrumente gegen einander halten? Da werden wir auf lauter ungewisse Wege gerathen, und immer im Finstern wandeln. Wer belehret uns denn, was die ehemaligen Harfen, Citharn, Orgeln, Leyern, Pfeifen, u.s.f. eigentlich für Instrumente gewesen? Wir wollen hören, was ein ganz neues und kostbares Buch8 von einem Instrumente, dessen[11] Jubal der Erfinder seyn soll, uns weitläuftig erzählet: Das Instrument Cinyra, heißt es, war auch bey den Phöniciern, und Syrern gebräuchlich. Die Hebräer nannten es Kinnor; die Chaldäer Kinnora, und die Araber Kinnara. Dieses Instrument soll von dem Jubal erfunden und also schon lange vor der Sündflut bekannt gewesen seyn9. Es soll dasjenige seyn, worauf David vor dem König Saul gespielet10, und welches man gemeiniglich für eine Harfe hält. Es war aus Holz gemacht11 mit zehen Seyten überzogen, und wurde auf der einen Seite mit einer Schlagfeder gerühret, auf der andern aber mit den Fingern gegriffen, u.s.w.12. Mit was für einem unserer heutigen Instrumenten könnte man wohl dieses Kinnor vergleichen? Es sind ja alle weit davon unterschieden. Der Bericht selbst gründet sich auf Muthmaßung, und die musikalischen Wörterbücher sind zum Theil anderer Meynung. Die gelehrten Herren Verfasser dieses ansehnlichen Werkes haben sich alle Mühe gegeben bey ihren Nachrichten, so viel immer möglich, auf den Grund zu sehen. Allein, die Klingzeuge der Musik betreffend, bekennen sie die Ungewißheit in folgenden Worten,13: Bey Verehrung des vom Nebucadnezar aufgerichteten Bildes, erwähnet der Prophet Daniel der Posaunen, Trommeten, Harfen, Psalter, Lauten, und allerley Seytenspiels, u.s.w.14. Wir wollen aber dem Leser nicht gut dafür seyn, ob die hier angedeutete Instrumente eben auch so ausgesehen haben, wie diejenige, die wir heut zu Tage so nennen15. Man hat also wenig oder gar keine sichere Nachricht mehr von der wahren Beschaffenheit der alten Instrumenten.

Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 11-12.
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