Musikalische Kunstwörter.[48] 14

Prestissimo, (Prestissimo.) zeiget das geschwindeste Tempo an, und ist Presto assai (Presto ° assai.) fast eben dieß. Zu diesem sehr geschwinden Zeitmaase wird ein leichter und etwas kurzer Bogenstrich erfordert.

Presto, (Presto.) heißt geschwind, und das Allegro assai, (Allegro assai.) ist wenig davon unterschieden.

Molto Allegro, (Molto Allegro.) ist etwas weniger als Allegro assai, doch ist es noch geschwinder als

Allegro, (Allegro.) welches zwar ein lustiges, doch ein nicht übereiltes Tempo anzeiget; sonderbar wenn es durch Beywörter und Nebenwörter gemässiget wird, als da sind:

Allegro, ma non tanto, oder non troppo, oder moderato, (Allegro, má non tanto, oder non troppo, oder moderato.) welches eben sagen will, daß man es nicht übertreiben solle. Hierzu wird ein zwar leichter und lebhafter, iedoch schon mehr ernsthafter und nimmer so kurzer Strich erfordert, als bey dem geschwindesten Tempo.

Allegretto, (Allegretto.) ist etwas langsamer als Allegro, (Allegro.) hat gemeiniglich etwas angenehmes, etwas artiges und scherzhaftes, und vieles mit dem Andante (Andante.) gemein. Es muß also artig, tändelend, und scherzhaft vorgetragen werden: welches artige und scherzhafte man sowohl bey diesem als bey anderem Tempo durch das Wort Gustoso(Gustoso.) deutlicher zu erkennen giebt.

Vivace (Vivace.) heißt lebhaft, und Spiritoso(Spiritoso.) will sagen, daß man mit Verstand und Geist spielen solle, und Animoso (Animoso.) ist fast eben dieß. Alle drey Gattungen sind das Mittel zwischen dem[48] Geschwinden und Langsamen, welches uns das musikalische Stück, bey dem diese Wörter stehen, selbst mehrers zeigen muß.

Moderato, gemäßiget, (Moderato.) bescheiden; nicht zu geschwind und nicht zu langsam. Eben dieß weiset uns an das Stück selbst, aus dessen Fortgange wir die Mäßigung erkennen müssen.

Das Tempo Commodo, und Tempo giusto,(Tempo Commoda und Tempo giusto.) führen uns ebenfalls auf das Stück selbst zurück. Sie sagen uns daß wir das Stück weder zu geschwind weder zu langsam, sondern in dem eigentlichen, gelegenen und natürlichen Tempo spielen sollen. Wir müssen also den wahren Gang eines solchen Stückes in dem Stücke selbst suchen: wie oben im zweyten Abschnitte dieses Hauptstücks schon ist gesagt worden.

Sostenuto (Sostenuto.) heißt aushalten, oder vielmehr zurückhalten und den Gesang nicht übertreiben. Man muß sich also in solchem Falle eines ernsthaften, langen und anhaltenden Bogenstrichs bedienen, und den Gesang wohl aneinander hängen.

Maestoso, (Maestoso.) mit Majestät, bedachtsam, nicht übereilet.

Stoccato oder Staccato, (Stoccato oder Staccato.) gestossen, zeigt an, daß man die Noten wohl von einander absondern und mit einem kurzen Bogenstriche ohne Ziehen vortragen solle.

Andante, (Andante.) gehend. Dieß Wort sagt uns schon selbst, daß man dem Stücke seinen natürlichen Gang lassen müsse; sonderheitlich wenn ma un pocco Allegretto, (ma un pocco Allegreto.) dabey stehet.

Lente oder Lentemente, (Lente, Lentemente.) ganz gemächlich.

Adagio, (Adagio.) langsam.

Adagio pesante, (Adagio pesante.) ein schwermütiges Adagio. muß etwas langsamer, und zurückhaltend gespielet werden.

Largo, (Largoo.) ein noch langsameres Tempo, wird mit langen Bogenstrichen und mit vieler Gelassenheit abgespielet.

Grave, (Grave.) schwermütig und ernsthaft, folglich recht sehr langsam. Man muß auch in der That durch einen langen, etwas schweren und[49] ernsthaften Bogenstrich, und durch das beständige Anhalten und Unterhalten der unter einander abwechselnden Töne den Carakter eines Stückes ausdrücken, welchem das Wort Grave, (Grave.) vorgesetzet ist.

Zu den langsamen Stücken werden auch noch andere Wörter den itzt erklärten beygefüget, um die Meinung des Componisten noch mehr an Tag zu legen; als da sind:

Cantabile, Singbar. (Cantabile.) Das ist: Man solle sich eines singbaren Vortrags befleissigen; man soll natürlich, nicht zu viel gekünstelt und also spielen, daß man mit dem Instrumente, so viel es immer möglich ist, die Singkunst nachahme. Und dieß ist das schönste in der Musik15

Arioso, (Arioso.) gleich einer Arie. Es will eben das sagen, was Cantabile saget.

Amabile, Dolce, Soave, (Amabile, Dolce, Soave.) verlangen alle einen angenehmen, süssen, lieblichen und gelinden Vortrag: wobey man die Stimme mäßigen, und nicht mit dem Bogen reissen; sondern mit gelinder Abwechselung des Schwachen und Halbstarken dem Stücke die gehörige Zierde geben muß.

Mesto, (Mesto.) betrübt. Dieß Wort erinnert uns, daß wir uns bey Abspielung des Stückes in den Affect der Betrübniß setzen sollen, um die Traurigkeit, welche der Componist in dem Stücke auszudrücken sucht, bey den Zuhörern zu erregen.

Affettuoso, (Affettuoso.) mit Affect, will, daß wir den Affect, der in dem Stücke stecket, aussuchen, und folglich alles beweglich, eindringend und rührend abspielen sollen.

Piano (Piano.) heißt still; und Forte, (Forte.) Laut oder Stark.

Mezzo (Mezzo.) heißt halb, und wird zur Mäßigung des Forte und Piano gebrauchet. Nämlich Mezzo forte, (Mezzo forte.) halb stark oder laut; Mezzo piano, (Mezzo piano.) halb schwach oder still.

[50] Piu (Piu.) heißt mehr. Daß also Piu forte (Piu forte.) eine mehrere Stärke; Piu piano (Piu piano.) eine mehrere Schwäche anzeigen.

Crescendo, (Crescendo.) wachsend, will uns sagen, daß wir bey der Folge der Noten, bey welchen dieses Wort stehet, mit der Stärke des Tones immer anwachsen sollen.

Decrescendo, (Decrescendo.) hingegen zeiget an, daß sich die Stärke des Tones immer mehr und mehr verliehren solle.

Wenn Pizzicato, (Pizzicato.) vor einem Stücke oder auch nur bey einigen Noten stehet; so wird solches Stücke durchaus, oder dieselben Noten, ohne dem Gebrauche des Geigebogens abgespielet. Es werden nämlich die Seyten mit dem Zeigefinger, oder auch mit dem Daume der rechten Hand geschnellet, oder, wie einige zu sprechen pflegen, gekneipet. Man muß aber die Seyte, wenn man sie schnellet, niemals unten; sondern allezeit nach der Seite fassen: sonst schlägt sie bey dem Zurückprellen auf das Griffbrett und schnarret oder verliehret gleich den Ton. Den Daume soll man gegen dem Sattel an das Ende des Griffbretts setzen und mit der Spitze des Zeigefingers die Seyten schnellen, auch den Daume nur alsdann dazu brauchen, wenn man ganze Accorde zusammen nehmen muß. Viele kneipen allezeit mit dem Daume; doch ist hierzu der Zeigefinger besser: weil der Daume durch das viele Fleisch den Ton der Seyten dämpfet. Man mache nur selbst die Probe.

Col Arco, (Col Arco.) heißt mit dem Bogen. Es erinneret, daß man sich des Bogens wieder bedienen solle.

Da Capo, (Da Capo.) vom Anfang, zeiget an, daß man das Stück vom Anfange wiederholen müsse. Wenn aber

Dal Segno (Dal Segno.) dabey stehet; das ist, von dem Zeichen: so wird man auch ein Zeichen beygesetzet finden, welches uns an den Ort führet, wo man die Wiederholung anfangen muß.

Die zweene Buchstaben V.S. Vertatur Subito(Vertatur Subito.) oder auch nur das Wort Volti(Volti.) stehen gemeiniglich am Ende eines Blatts, und es heißt: Man wende das Blatt geschwind nach der andern Seite.

[51] Con Sordini, (Con Sordini.) mit Dämpfern. Das ist: Wenn diese Wörter bey einem Musikstücke geschrieben stehen, so müssen gewisse kleine Aufsätzel, die von Holz, Bley, Blech, Stahl oder Meßing gemacht sind, auf den Sattel der Geige gestecket werden, um hierdurch etwas stilles und trauriges besser auszudrücken. Diese Aufsätzel dämpfen den Ton: man nennet sie deßwegen auch Dämpfer, am gemeinsten aber Sordini vom lateinischen Surdus, oder italiänischen Sordo, betäubt. Man thut sehr gut, wenn man bey dem Gebrauche der Sordini sich sonderbar hütet die leeren Seyten zu nehmen: denn sie schreien gegen den Gegriffenen zu sehr, und verursachen folglich eine merkliche Ungleichheit des Klanges.

Aus allen den itzt erklärten Kunstwörtern siehet man Sonnenklar, daß alle Bemühung dahin gehet, den Spielenden in denjenigen Affect zu setzen, welcher in dem Stücke selbst herrschet: um hierdurch in die Gemüther der Zuhörer zu dringen und ihre Leidenschaften zu erregen. Man muß also, bevor man zu spielen anfängt, sich wohl um alles umsehen, was immer zu dem vernünftigen und richtigen Vortrage eines wohlgesetzten musikalischen Stückes nothwendig ist.

Fußnoten

1 Es liegt viel daran, wenn der Componist die Pause am rechten Orte anzubringen weis. Ja so gar eine kleine Sospir zur rechten Zeit gesetzet, kann vieles thun.


2 Vom iataliänischen, Sospirare, Seufzen.


3 Wenn wir seiner Zeit die musikalischen Auszierungen abhandeln werden; alsdann werden wir auch diese Noten auf eine ganz andere Art vorzutragen lehren.


4 Ich kann unnmöglich einsehen, wie jene ihren Satz beweisen, welche lehren: Daß der Punct eben so viel gelte, als die darauf folgende Note. Wenn nun Z.E. hier


Musikalische Kunstwörter

der Punct nach solcher Regel eine 16theilnote, und hier


Musikalische Kunstwörter

gar nur eine zwey und dreyßigtheilnote gilt, so wird ein solcher Lehrmeister mit seiner Rechnung im Tacte schlecht bestehen.


5 Es wird von dem griechischen (Διεσις) Diesis genennet. Auch Signum Intensionis.


6 Das ist das Signum remissionis.


7 Signum Restitutionis. Diejenigen, welche das Musikalische Kunstwörter Zeichen in ihrer Composition nicht brauchen wollen, die irren sich. Wenn sie es nicht glauben, mögen sie mich darum fragen.


8 Hemitonium maius naturale.


9 Viele Herren Componisten setzen dergleichen Zeichen gemeiniglich nur bey dem ersten Tacte, wenn viele solche gleiche Noten folgen: man muß also so lang damit fortfahren, bis eine Veränderung angezeiget wird.


10 Es ist übel genug, daß es Leute giebt, die sich auf ihre Kunst sehr viel einbilden, und doch keine halbe Note, ja fast keine Viertheilnote abspielen können, ohne sie in zweene Theile zu zertheilen. Wenn man zwo Noten haben wollte, würde man sie ohnfehlbar hinsetzen. Solche Noten müssen stark angegriffen, und durch eine sich nach und nach verlierende Stille ohne Nachdruck ausgehalten werden. Wie der Klang einer Glocke, wenn sie scharf angeschlagen wird, sich nach und nach verlieret.


11 Die Italiäner nennen es Appogiature.


12 Nachdem die verschiedenen Tongeschlechte der Alten abgeänderet worden, so hat man nur zwo Gattungen erwählet: Das natürliche nämlich, Genus Diatonicum so in seinem Gebiethe weder Musikalische Kunstwörter noch b leidet; und das mit (Musikalische Kunstwörter) und (b) vermischte oderGenus Cromaticum.


13 Wenn man itzt, da die gebrochnen Claviere auf der Orgel aufgehoben sind, alle Quinten rein stimmet; so giebt es bey der Fortschreitung durch die übrigen Töne eine unerträgliche Dissonanze. Man muß demnach temperiren, das ist: man muß einer Consonanze etwas nehmen, der andern aber etwas beylegen; man muß sie so eintheilen und die Töne so gegeneinander schweben lassen, daß sie alle dem Gehör erträglich werden. Und dieß heißt man die Temperatur. Es wäre zu weitläuftig alle die mathematischen Bemühungen vieler gelehrten Männer hier anzufuhren. Man lese den Sauver, den Bümler, Henfling, Werkmeister und Neidhardt.


14 Termini Technici. Man sollte freilich sich durchaus seiner Muttersprache bedienen und man könnte so gut langsam als Adagio auf ein musikalisches Stücke schreiben: allein soll denn ich der erste seyn?


15 Manche meynen was sie wunderschönes auf die Welt bringen, wenn sie in einem Adagio Cantabile die Noten rechtschaffen verkräuseln, und aus einer Note ein paar dutzend machen. Solche Notenwürger legen dadurch ihre schlechte Beurtheilungskraft zu Tage, und zittern, wenn sie eine lange Note aushalten oder nur ein paar Noten singbar abspielen sollten, ohne ihr angewöhntes, ungereimtes und lächerliches Fick Fack einzumischen.


Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 52.
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