§. 7.

[29] Dieß ist aber nur die gewöhnliche mathematische Eintheilung des Tacts, welches wir eigentlich das Zeitmaas und den Tactschlag nennen7. Nun kommt es noch auf eine Hauptsache an: nämlich, auf die Art der Bewegung. Man muß nicht nur den Tact richtig und gleich schlagen können: sondern man muß auch aus dem Stücke selbst zu errathen wissen, ob es eine langsame oder eine etwas geschwindere Bewegung erheische. Man setzet zwar vor iedes Stück eigens dazu bestimmte Wörter, als da sind: Allegro, lustig; Adagio, langsam, u.s.f. Allein das Langsame sowohl als das Geschwinde und Lustige hat seine Stuffen. Und wenn auch gleich der Componist die Art der Bewegung durch Beyfügung noch anderer Beywörter und Nebenwörter deutlicher zu erklären bemühet ist: so kann er doch unmöglich jene Art auf das genaueste bestimmen, die er bey dem Vortrage des Stückes ausgedrücket wissen will. Man muß es also aus dem Stücke selbst herleiten: Und hieraus erkennet man unfehlbar die wahre Stärke eines Musikverständigen. Jedes melodisches Stück hat wenigstens einen Satz, aus welchem man die Art der Bewegung, die das Stück erheischet, ganz sicher erkennen kann. Ja oft treibt es mit Gewalt in seine natürliche Bewegung; wenn man an ders mit genauer Achtsamkeit darauf siehet. Man merke dieses, und wisse aber auch, daß zu dieser Erkenntniß eine lange Erfahrung, und eine gute Beurtheilungskraft erforderet werde. Wer wird mir also widersprechen, wenn ich es unter die ersten Vollkommenheiten der Tonkunst zähle?

Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 29-30.
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