§. 8.

[30] Man muß demnach bey der Unterweisung eines Anfängers keine Mühe spahren ihm den Tact recht begreiflich zu machen. Dazu wird sehr dienlich seyn, wenn der Lehrmeister dem Schüler öfters die Hand zum Tacte führet; alsdann aber ihm ein und andere Stücke von verschiedener Tactsart und abwechselnder Bewegung vorspielet, und den Lehrling den Tact ganz allein dazu schlagen läßt: um zu versuchen, ob er die Abtheilung, Gleichheit, und endlich auch die Veränderung der Bewegung verstehet. Geschieht dieses nicht; so wird der Anfänger manches Stücke schon fertig nach dem Gehör wegspielen, ohne einen guten Tact schlagen zu können. Und wem wird es nicht lächerlich scheinen, wenn ich ihm sage, daß ich selbst einen gesehen, der, ob er gleich die Violin schon ziemlich gut spielte, doch den Tact, sonderbar zu langsamen Melodien, unmöglich hat schlagen[30] können? Ja, daß er vielmehr, anstatt die Viertheile mit der Hand richtig anzuzeigen, alle Noten, die man ihm vorgespielet, mit gleicher Bewegung der Hand nachgeahmet, bey aushaltenden Noten ausgehalten, bey laufenden gleichsam auch mitgelaufen, und mit einem Worte alle Bewegungen der Noten mit gleicher Bewegung der Hand nach dem Gehör ausgedrücket hat? Wo kommt dieß anders her, als wenn man dem Schüler gleich die Geige in die Hände läßt, bevor er genugsam unterrichtet worden? Man lehre ihn also vorher iedes Viertheil des Tactes mit Ernst, mit Gleichheit, mit Geiste und Eyfer recht schlagen, ausdrücken und unterscheiden; hernach wird er die Violin mit Nutzen zur Hand nehmen.

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Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 30-31.
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