Così fan tutte.

[92] Opera buffa in zwey Acten.


Die Uebersetzung dieser Oper kennt man unter den Titeln: »Die Schule der Liebenden.« – »Die Mädchen sind von Flandern.« – »Die Wette.« – »Eine macht's wie die andere.« – »So sind sie Alle.« – »Weibertreue.« – – Sogar der wesentliche Gang der Fabel des Stückes ist nicht bey allen Theatern überein, daher man der Musik ganz veränderten Text unterlegte, von denen aber keiner sonderlich erbaulich ist. Man muss sich fast wundern, wie Mozart sich herablassen konnte, an so elendes Machwerk seine himmlischen Melodieen zu verschwenden. Es[92] stand indess nicht in seiner Gewalt, den Auftrag abzulehnen, und der erbärmliche Text des Originals wurde ihm ausdrücklich aufgetragen. Er schrieb sie für die italienische Oper in Wien zu Ende des Jahres 1789.

Man kann in diesem Stücke weder Plan noch Anordnung finden, und es würde schwer halten, es als ein Kunstwerk zu beurtheilen. Es ist eine Sammlung einzelner Schönheiten, doch tragen sie grösstentheils das Gepräge froher, muthwilliger Laune. Jugendkraft und üppige Fülle blüht in ihr. Der Reichthum der Melodieen ist unerschöpflich. In dieser Hinsicht hat es viel Aehnlichkeit mit Figaro, doch strebt in ihm die heitere Laune weit höher an.

Die Charaktere der Damen sind naiv, flatterhaft und buhlerisch gezeichnet.

Der humoristische Educationsrath zeichnet sich vorzüglich aus. Mozart, dem überhaupt nie Etwas misslang, hat auch diesen Charakter mit vielem Glücke bearbeitet.

Die beyden Liebhaber sind frey gezeichnet, und über sie, wie über die anderen Charaktere, verbreitet sich eine leichte, etwas grelle Farbengebung.

Die Ouverture versinnlicht den Titel der Oper: »Die Mädchen sind von Flandern« durch ihr beständiges Wechseln der Instrumente. Mit einer äusserst muthwilligen Laune giebt Mozart bald den Blas-Instrumenten, bald den Streich-Instrumenten die Melodie, und wechselt hierin so schnell und unversehens, dass das Gehör beständig getäuscht wird, und oft die Geigen noch zu hören wähnt, wenn schon die Blas-Instrumente an ihre Stelle gerückt sind,[93] und so auch im Gegentheile mit den Violinen. Oft schweigen diese plötzlich und die Blas-Instrumente führen die Melodie und accompagniren zugleich. Die Melodie wandert, gleich den Mädchen von Flandern, von einem zum andern – Instrumente. In dieser, so wie in jeder andern Hinsicht ist diese Ouverture eine der künstlichsten und angenehmsten Compositionen Mozart's. Ihre Ausführung erfordert die äusserste Genauigkeit und den strengsten Tact.

In der ganzen Oper, so wie in der Ouvertüre, herrscht eine immerwährende Abwechselung, eine überaus liebliche Melodie und ausgesuchte Instrumental-Begleitung.

Man kann also nicht gerade zu sagen, dass diese Oper das unbedeutendste Werk Mozart's sey, freylich vielleicht von seinen theatralischen Werken als Ganzes betrachtet. Zu seiner Gestaltung hat somit die allzugrosse Einfachheit des Gegenstandes, die schwache Zeichnung der Charaktere von Seiten des Dichters, die Unwahrscheinlichkeit der Situationen, das Matte der Auflösung und vor Allem die erbärmlichen Uebersetzungen viel zu diesem Urtheile beygetragen. Um desto grösser waren daher die Schwierigkeiten, mit denen der Componist zu kämpfen hatte. Und wie hat er diese überwunden? Zuerst fällt in die Augen, mit welcher Delicatesse diese Oper instrumentirt ist; wie Mozart sich dabey aller ihm vorgeworfenen Ueberladungen enthalten hat; wie zweckmässig er sich aller Blas-Instrumente bedient. Man nehme dazu die Haltung des Ganzen, die Grazie in den einzelnen Gemälden, mit welcher Zartheit jede Empfindung behandelt ist; die Wahrheit[94] des Ausdruckes! Die Handlung verträgt keine starke Colorirung, und doch diese feine Nüancirung der Charaktere! Das Ernste, Bestimmte der Fiordiligi, das Lichte, Frohsinnige der Dorabella; Ferrando's sanfte Schwärmerey; Guglielmo's fröhliche Laune, Despina's Schlauheit, wie meisterhaft! Und in allen diesen Charakter-Schilderungen nicht einen einzigen kleinen Widerspruch! Sollte man endlich das Ganze zu flach finden (ohne des Dichters Schuld), so beweisen einzelne Situationen das Gegentheil. Hauptsächlich das Terzett: Soave sia il vento etc., das Sextett: Alla bella Despinetta etc., die Arie: Smanie implacabili etc. etc.

Quelle:
Nissen, Georg Nikolaus von: Anhang zu Wolfgang Amadeus Mozart's Biographie. Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1828 [Nachdruck Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms, 1991], S. 92-95.
Lizenz:
Kategorien: