IVte Reise, mit Sohn und Tochter nach Wien,

angetreten den 11. September 1767, geendigt im December 1768.

Den 11. September 1767 trat die ganze Familie die Reise nach Wien an. Kaum aber dort angekommen, wurde sie durch die in Wien grassirenden Blattern veranlasst, nach Ollmütz zu gehen, wo beyde Kinder diese Krankheit auch bekamen. In Ollmütz, wo der Knabe an den Blattern so krank war, dass er neun Tage blind lag und mehrere Wochen nach seiner Genesung die Augen sehr schonen musste, wurde ihm die Zeit lang. Der erzbischöfl. Kaplan Hay, nachheriger Bischof von Königsgräz, besuchte die Familie täglich. Dieser war in Kartenkünsten sehr geschickt. Der Knabe lernte diese mit vieler Behendigkeit von ihm. Da der dortige Fechtmeister auch öfters hinkam, so musste ihn dieser das Fechten lehren.

Schon früher hing Wolfgang mit inniger Zärtlichkeit an jeder Art von Kunst. Jeder Compositeur, Maler, Kupferstecher, den die Familie auf ihren Reisen kennen lernte, hatte ihm von seiner Arbeit ein Andenken geben müssen, welches er sorgfältig[121] aufbewahrte. Nun hören wir des Vaters Briefe während seiner Abreise von Salzburg.


(Leopold M. Brief No. 42.)


Wien, den 22. Sept. 1767.


Unterweges hat uns der Prälat von Lambach zu Mittag eingeladen. Als wir in Mölk waren, gingen wir ins Kloster, und liessen uns die Zimmer zeigen, und gaben uns weiter nicht zu erkennen, bis wir bey Beschauung der Kirche und der Orgel dem Organisten Gelegenheit gaben, den Wolfgangerl am Spielen zu kennen, oder vielmehr zu errathen.

Von unsern hiesigen Verrichtungen ist noch Nichts zu berichten. Se. Majestät sind erst aus Ungarn zurück, und die Kaiserin hatte dieser Tage ihre allmonatliche Andacht wegen des Todesfalls des seligen Kaisers. – – –


(Leopold M. Brief No. 43.)


Wien, den 29. Sept. 1767.


Ich weiss Ihnen Nichts zu berichten, als dass wir alle Gottlob! wohl auf sind, und das ist ganz sicher schon das Postgeld werth.

Die Oper von Hasse ist schön, aber die singenden Personen sind NB. für eine solche Festivität gar nichts Besonderes. Sign. Tibaldi ist der Tenor, und Sign. Raucini von München der beste Castrat, Prima Donna die Sign. Deiberin, eines wienerischen Hofviolinisten Tochter. Die Tänze aber sind trefflich: die Hauptperson ist der berühmte Vestris. – – –


(Leopold M. Brief No. 44.)


Wien, den 7. October 1767.


– – – – Dass die Blattern bey I.K.H. der[122] Prinzessin Josepha, des Königs von Neapel Braut, ausgebrochen sind, macht uns in etwas auch einen Strich durch unsere Rechnung. – – –


(Leopold M. Brief No. 45.)


Wien, den 14. October 1767.


– – – Wir haben noch nirgends gespielt, weil wir nicht bey Hofe haben spielen können. – – –


(Leopold M. Brief No. 46.)


Wien, den 17. October 1767.


– – – Die Prinzessin Braut ist eine Braut des himmlischen Bräutigams geworden.

Wir haben Umgang mit dem Herzoge von Braganza, Fürsten Kaunitz, Mr. de l'Augier, dem Baron Fries.

Vergessen Sie nicht, für uns zu beten, denn wenn Gott nicht über uns wachte, so würden wir gewiss übel daran seyn, wie Sie seiner Zeit hören werden.


(Leopold M. Brief No. 47.)


Ollmütz, den 10. Novbr. 1767.


Te Deum Laudamus! Der Wolfgangerl hat die Blattern glücklich überstanden und wo? In Ollmütz und wo? In der Residenz Sr. Excellenz des Herrn Grafen Podstatsky.

Sie denken sich die Verwirrung, die in Wien gewesen ist. Nun muss ich Ihnen einige besondere Sachen erzählen, die uns allein angehen, und daraus Sie sehen werden, wie die göttliche Vorsehung Alles so zusammen verbindet, dass wir, wenn wir uns derselben mit gänzlichem Vertrauen überlassen, unser Schicksal nicht verfehlen können.[123]

Ein Sohn unsers Wirths bekam die Blattern gleich bey unserer Ankunft, wie wir ein paar Tage später erst erfuhren. Vergebens suchte ich in der Geschwindigkeit eine andere Wohnung. Ich floh mit Wolfgang allein zu einem Freunde. Nun hörte man von Nichts als von den Blattern reden, an denen unter zehn Kranken neun starben. Wie mir zu Muthe war, lässt sich leicht einbilden. Die Nächte schlief ich nicht und bey Tage hatte meine Frau keine Ruhe. Ich war entschlossen, gleich nach dem Tode der Prinzessin nach Mähren zu gehen, bis die erste Traurigkeit vorüber war. Allein man liess uns nicht weg, weil der Kaiser oft von uns sprach, dass es nie sicher war, wann es ihm einfiele, uns kommen zu lassen. Sobald sich aber die Erzherzogin übel befand, liess ich mich von Nichts aufhalten, denn ich konnte den Augenblick kaum erwarten, meinen Wolfgang aus dem mit den Blattern gänzlich angesteckten Wien in eine andere Luft zu führen. Wir eilten nach Brünn, wo ich mit dem Wolfgangerl dem Grafen Schrattenbach und der Gräfin Herberstein aufwartete. Es wurde von einem Concerte gesprochen, um die Kinder zu hören; allein ich hatte einen innerlichen Trieb, den ich mir nicht aus dem Kopfe bringen konnte, und der mir auf einmal kam, nach Ollmütz zu reisen, und das Concert in Brünn bey der Rückkunft zu machen. Graf Schrattenbach war es zufrieden.

Gleich bey unserer Ankunft erkrankte Wolfgang. Ich ging zu dem hiesigen Domdechant Grafen Podstatsky (der in Salzburg Domherr ist). Als ich ihm von der Krankheit sprach, und meine Furcht äusserte,[124] dass es die Blattern wären, erbot er sich, uns zu sich zu nehmen, weil er diese Krankheit nicht scheute. Er befahl gleich seinem Hausmeister, zwey Zimmer für uns in Ordnung zu bringen, und schickte seinen Arzt uns zu. Darauf kamen wir in die Domdechantey. Es wurden wirklich die Blattern; aber er ist schon in der Besserung.

Sie sehen schon, dass mein Leibspruch wahr ist: In te, Domine, speravi, non confundar in aeternum. Ich überlasse Ihnen zu betrachen, wie wunderbarlich wir durch unser Schicksal nach Ollmütz gezogen worden sind, und wie ausserordentlich es ist, dass Graf P. aus eigenem Triebe uns mit einem Kinde aufgenommen hat, das die Blattern bekommen sollte. Ich will nicht melden, mit was für Güte, Gnade und Ueberfluss wir in Allen bedient sind; sondern ich will nur fragen, wie viele es etwa noch dergleichen geben mögte, die eine ganze Familie mit einem Kinde, das in solchen Umständen ist, und noch dazu aus eigenem Triebe der Menschenliebe in ihre Wohnung aufnehmen würden. Diese That wird dem Grafen in der Lebensgeschichte unseres Kleinen, die ich seiner Zeit in den Druck geben werde, keine geringe Ehre machen, denn hier fängt sich auf eine gewisse Art eine neue Zeitrechnung seines Lebens an.

Aber nun werde ich später in Salzburg eintreffen, als ich gedacht hatte, um nicht Wolfgangs Leben in Gefahr zu setzen. Inzwischen bitte ich, drey heil. Messen zu Loretto bey dem heil. Kindel, und drey heil. Messen zu Maria-Plain lesen zu lassen.

Aus dem offenen Schreiben des Mr. Grimm, das Sie mir sandten, werden Sie gesehen haben, was er[125] mir vom russischen Hofe und von dem Erbprinzen von Braunschweig schreibt.

Uebrigens sehen Sie wohl, wie krumm alles gegangen ist. Da wir glaubten, dass Alles recht arg wäre, hat Gott uns mit der grossen Gnade erfüllt, und unsern lieben Wolfgang die Blattern glücklich überstehen lassen. Nun achte ich gar nichts, so mir dieses gut vorbey ist. Da wir nichts verdienen, so habe nun schon mehrmalen Geld auf meinen Credit aufgenommen. Basta! wer weiss, wem der Vater den Schimmel schenkt?


(Leopold M. Brief No. 48.)


Ollmütz, den 29. Novbr. 1767.


Iterum, iterumque Te Deum laudamus.

– – – Meine Tochter hat die Blattern glücklich überstanden. Ich bitte zu Loretto beym heil. Kindel eine heil. Messe lesen zu lassen. – – –


(Leopold M. Brief No. 49.)


Wien, den 12. Januar 1768.


Wir haben uns 14 Tage in Brünn aufgehalten. Die Gnade, die wir im gräfl. Schrattenbachschen Hause empfangen haben, und die sonderbare Achtung, die der ganze Brünnische hohe Adel für uns hatte, kann ich nicht beschreiben. – – – – –

Anfangs Januar 1768 ging die Familie nach Wien zurück und die Kinder spielten vor dem Kaiser Joseph, der dem zwölfjährigen Knaben den Auftrag gab, eine Opera buffa zu schreiben. Sie hiess La finta semplice und erhielt den wahren oder aus Höflichkeit[126] bezeugten Beyfall des Kapellmeisters Hasse und Metastasio's, wurde aber nicht aufgeführt.

Dagegen wurde die von ihm für ein Gesellschafts-Theater des bekannten Freundes der Mozart'schen Familie, Dr. Mesmer, componirte deutsche Operette, Bastien und Bastienne, in dem Gartenhause Mesmers in einer Vorstadt Wiens aufgeführt. Es war eine von Anton Schachtner in deutsche Verse übersetzte Opera comique.

Sein scharfer Beobachtungsgeist, sein Abstractions-Vermögen mit umfassendem Verstande zeigten sich auffallend in seiner Fähigkeit, aus dem Stegreife Begleitungen zu setzen. Eine simple Arie oder Melodie, italienische oder jede andere, durfte ihm nur vorgelegt werden, und er schrieb im Beyseyn der grössten Gesellschaft die Stimmen dazu für alle Instrumente, ohne inne zu halten. Bey den Kapellmeistern Bono und Hasse, bey dem Dichter Metastasio, bey dem Herzoge von Braganza, bey dem Fürsten Kauniz und Anderen liess der Vater immer die erste beste italienische Arie aufschlagen, und der Sohn setzte auf der Stelle in Gegenwart dieser Personen alle Instrumente dazu. Dieses Factum bestätigen mehrere noch lebende verehrungswürdige Zeugen, aus deren Munde ich diese Anekdote gehört habe, sagt Niemtscheck.

Die gründliche Kenntniss eines Orchesters und die hiezu nöthige und schnell und richtig gefasste Idee waren wahrhaft wunderbar bey einem zwölfjährigen Knaben, und entsprachen seinem Vermögen, in diesem Alter ein zahlreiches Musikcorps bey Aufführung seiner Messe, welche er sammt Offertorium und einem Trompeten-Concerte zur Einweihung der[127] Waisenhaus-Kirche gesetzt hatte, in der Kirche vor dem kaiserlichen Hofe zu dirigiren.


(Leopold M. Brief No. 50.)


Wien, den 23. Januar 1768.


Am 19ten waren wir von halb drey bis halb fünf Uhr bey der Kaiserin. Der Kaiser kam heraus in das Vorzimmer, wo wir warteten, bis der Caffee genommen war, und führte uns selbst hinein. Der Prinz Albert und alle Erzherzoginnen waren da: sonst keine Seele. Es würde zu lange seyn, Ihnen Alles zu schreiben, was gesprochen ward, und was alles geschah. Ueberhaupt will ich nur anführen, dass Sie sich unmöglich vorstellen können, mit welcher Vertraulichkeit die Kaiserin mit meiner Frau sprach, und sich theils wegen der Blattern ihrer Kinder, und theils wegen unserer grossen Reise unterhielt, sie über die Wangen strich, und bey den Händen drückte, da inzwischen der Kaiser mit mir und mit dem Wolfgangerl von der Musik und vielen andern Sachen sprach, und der Nannerl sehr oft die Röthe ins Gesicht trieb. Mündlich mehr. Ich liebe nicht Sachen zu schreiben, die mancher hinter dem Ofen sitzender aufgeblasener Gogelhopf (das ist eine schwäbische, baiersche Benennung) für Lügen halten würde. Sie müssen aber aus dieser ausserordentlichen Leutseligkeit nicht auf eine verhältnissmässige künftige Beschenkung schliessen. – – – –


(Leopold M. Brief No. 51.)


Wien, den 30. Januar 1768.


Es ist Zeit, Ihnen eine mehrere und klärere Nachricht von unsern, ich weiss nicht glücklichen oder[128] unglücklichen Umständen zu geben. Wenn das Gold die einzige Glückseligkeit der Menschen ausmacht, so sind wir ohne Zweifel dermalen zu bedauern, indem wir so viel von dem Unsrigen ausgelegt haben, dass wenig scheinbare Hoffnung übrig ist, uns wieder erholen zu können. Ist hingegen die Gesundheit und die Geschicklichkeit in Wissenschaften das beste Gut des Menschen, so sind wir, Gott sey gelobt! noch wohl daran. Der gefährlichste Hauptsturm ist überstanden. Wir sind alle durch die Gnade Gottes gesund, und meine Kinder haben gewiss Nichts vergessen, sondern, wie es sich zeigen wird, grössern Fortgang gemacht.

Nichts wird Ihnen nun unbegreiflicher seyn, als wie es zugeht, dass unsere Sachen keinen bessern Fortgang haben. Ich werde es Ihnen, so gut ich kann, erklären, obwohl ich die Sachen, die der Feder nicht anzuvertrauen sind, weglassen muss. Dass die Wienerin genere reden, nicht begierig sind, Ernsthaftes und Vernünftiges zu sehen, auch wenig oder gar keinen Begriff davon haben, und nichts als närrisches Zeug, Tanzen, Teufel, Gespenster, Zaubereyen, Hanswurste, Lipperl, Bernardon, Hexen und Erscheinungen sehen wollen, ist eine bekannte Sache und ihre Theater beweisen es täglich. Ein Herr, auch mit einem Ordensbande, wird wegen einer hanswurstischen Zote oder einfältigen Spasses mit den Händen klatschen, lachen, dass er fast aus dem Athem kömmt, hingegen bey der ernsthaftesten Scene, bey der rührendsten und schönsten Action und bey den sinnreichsten Redensarten mit einer Dame so laut schwatzen, dass andere ehrliche Leute kein[129] Wort verstehen. Das ist nun der Hauptgrund. Die Hauswirthschaft des Hofes, die ich hier nicht beschreiben kann, ist eine Sache, die viele Folgen nach sich zieht, und der zweyte Grund. Aus diesen zwey Gründen entspringen unzählige wunderliche Sachen, weil Alles von dem puren blinden und ungefähren Glücke, auch öfters von einer abscheulichen, doch nicht allen Menschen gegebenen, Niederträchtigkeit, oder gar von einer recht kecken und verwegenen Windmacherey abhängt. Nun auf unsere Sache zu kommen, so haben sich viele andere widrige Zufälle ereignet. Bey unserer Ankunft konnten wir nichts Anderes thun, als uns den Eingang nach Hofe zu eröffnen. Allein die Kaiserin hält keine Musik mehr bey sich; sie geht weder in die Oper noch in die Comödie. Sie liess uns an den Kaiser anweisen. Allein, da dieser Herr Alles, was Ausgaben nach sich ziehen möchte, im höchsten Grade verabscheut, so ging es lange her, bis er zu einem Entschlusse kam. Darauf folgte der Todesfall der Prinzessin Braut.

Nach unserer Rückkunft aus Mähren kamen wir zu den allerhöchsten Herrschaften, ohne dass wir daran dachten. Kaum wurde der Kaiserin erzählt, was in Ollmütz vorgegangen war und dass wir zurück waren, erhielten wir Tag und Stunde, wann wir erscheinen sollten. Allein, was hilft alle die erstaunliche Gnade, die unbeschreibliche Leutseligkeit? Was ist die Wirkung davon? Nichts, als eine Medaille, die zwar schön ist, aber so wenig beträgt, dass ich gar nicht einmal deren Werth hersetzen mag. Sie überlässt das Uebrige dem Kaiser, und dieser schreibt es in das Buch der Vergessenheit ein und[130] glaubt ganz gewiss, dass er uns mit seinen gnädigsten Unterredungen bezahlt hat.

Was die Noblesse in Wien thut? Die Ausgaben schränken sie Alle ein, so viel es möglich ist, um sich dem Kaiser gefällig zu machen. So lange der Fasching dauert, denkt man hier auf Nichts als das Tanzen. In allen Ecken ist Ball, aber NB. Alles auf gemeine Unkosten. Sogar die Redoute bey Hofe ist für baares Geld. Und wer hat den Nutzen davon? Der Hof; denn alle Tänze, Redouten, Bälle und Spectakel sind verpachtet. Andere haben den Namen und der Nutzen wird zwischen dem Hofe und den Pächtern so zu sagen getheilt. Wer also hingeht, erweis't auch dem Hofe einen guten Dienst. Diess sind demnach die politischen Ausgaben des Adels. Wir haben die grössten Personen desselben zu unserer Protection. Der Fürst Kaunitz, der Herzog von Braganza, die Fräulein Guttenberg, die das linke Auge der Kaiserin ist, der Oberst-Stallmeister Graf Dietrichstein, welcher Alles bey dem Kaiser vermag, sind unsere Freunde. Aber welcher Zufall! Noch haben wir diess Mal den Fürsten Kaunitz nicht sprechen können, weil er die Schwachheit hat, die Blattern so zu fürchten, dass er Leute scheuet, die auch nur noch rothe Flecken im Gesichte haben. Da dieses der Fall mit Wolfgang ist, so liess er uns nur durch unsern Freund de l'Augier sagen, dass er in der Fasten für unser Interesse sorgen werde, weil man in der Faschingzeit die Noblesse nicht unter einen Hut bringen könne. Als ich nun diese Sache am besten überlegte und bedachte, dass ich bereits so viel Geld ausgelegt hätte, so ereignete sich eine[131] ganz andere Begebenheit. Ich erfuhr, dass alle Clavieristen und Componisten in Wien sich unserm Fortgange widersetzten, ausgenommen der einzige Wagenseil, der aber, da er krank ist, wenig oder nichts für uns thun kann. Die Hauptmaxime dieser Leute war, alle Gelegenheit, uns zu sehen und die Wissenschaft des Wolfgangerls einzusehen, sorgfältigst zu vermeiden. Und warum? Damit sie bey den so vielen Fällen, wo sie gefragt würden, ob sie diesen Knaben gehört haben und was sie davon halten, allezeit sagen könnten, dass sie ihn nicht gehört haben und dass es unmöglich wahr seyn könnte; dass es Spiegelfechterey und Harlekinade wäre; dass es abgeredete Sachen wären, da man ihm Musik zu spielen gäbe, die er schon kenne; dass es lächerlich sey, zu glauben, er componire. Sehen Sie, desswegen fliehen sie uns. Denn wer gesehen und gehört hat, kann nicht mehr so reden, ohne sich in Gefahr zu setzen, seine Ehre zu verlieren. Einen von dieser Art Leute habe ich in das Garn bekommen. Wir hatten mit Jemand abgeredet, uns in der Stille Nachricht zu geben, wenn er zugegen wäre. Er sollte aber dahin kommen, um dieser Person ein recht ausserordentlich schweres Concert zu überbringen, welches man dem Wolfgangerl vorlegen sollte. Wir kamen also dazu und er hatte hiemit die Gelegenheit, sein Concert von dem Wolfgangerl so wegspielen zu hören, als wüsste er es auswendig. Das Erstaunen dieses Compositeurs und Clavieristen, die Ausdrücke, deren er sich in seiner Bewunderung bediente, gaben uns Alles zu verstehen, was ich Ihnen oben angezeigt habe. Zuletzt sagte er: ich kann[132] als ein ehrlicher Mann nicht anders sagen, als dass dieser Knabe der grösste Mann ist, welcher dermalen in der Welt lebt: es war unmöglich zu glauben.

Um nun das Publicum zu überzeugen, was eigentlich an der Sache ist, so habe ich es auf einmal auf etwas ganz Ausserordentliches ankommen zu lassen mich entschlossen. Nämlich, er soll eine Oper für das Theater schreiben. Und was glauben Sie, was für ein Lärmen unter der Hand unter den Componisten entstanden ist: »Was? heute soll man einen Gluck, und morgen einen Knaben von zwölf Jahren bey dem Flügel sitzen und seine Oper dirigiren sehen?« Ja, trotz allen Neidern! Ich habe sogar den Gluck auf unsere Seite gebracht, so zwar, wenn es ihm auch nicht gänzlich von Herzen geht, dass er es nicht darf merken lassen, denn unsere Protectoren sind auch die seinigen. Und um mich wegen der Acteurs sicher zu stellen, die den Componisten gewöhnlich den meisten Verdruss machen, so habe ich die Sache mit ihnen selbst angefangen und einer von ihnen musste mir selbst alle Anschläge dazu geben. Den ersten Gedanken aber, den Wolfgangerl eine Oper schreiben zu lassen, gab mir, die Wahrheit zu bekennen, der Kaiser selbst, indem er den Wolfg. zwey Mal gefragt hat, ob er nicht eine Oper schreiben und selbst dirigiren wolle. Dieser antwortete freylich: Ja; allein der Kaiser konnte auch mehr nicht sagen, indem die Opern den Affligio angehen.

Nun darf ich mich kein Geld gereuen lassen, denn es wird wohl heut oder morgen wieder kommen.[133] Wer Nichts wagt, gewinnt Nichts; ich muss die Sache recht ans Licht bringen. Es muss gehen oder brechen. Und was ist dazu geschickter als das Theater?

Es ist aber keine Opera seria, denn es wird keineOpera seria mehr jetzt gegeben und man liebt sie auch nicht, sondern eine Opera buffa. Nicht aber eine kleine Opera buffa, sondern zu drittehalb bis drey Stunden lang. Zu seriösen Opern sind keine Sänger hier. Selbst die traurige Gluck'sche Oper: Alceste ist von lauter Opera buffa – Sängern aufgeführt worden. Jetzt macht G. auch eine Opera buffa. Für die Opera buffa sind excellente Leute da: Signori Caribaldi, Caratoli Poggi, Laschi, Polini; die Signore Bernasconi, Eberhardi, Baglioni.

Was sagen Sie dazu? Ist der Ruhm, eine Oper für das Wiener Theater geschrieben zu haben, nicht der beste Weg, nicht nur einen Credit in Teutschland, sondern in Italien zu erhalten? – – – –


(Leopold M. Brief No. 52.)


Wien, den 50. März 1768.


Wir befinden uns Alle gesund und, Gott sey Dank gesagt, in guten Umständen. Das Eis ist gebrochen, nicht nur auf der Donau, sondern in unsern Angelegenheiten. Unsere Feinde sind geschlagen, NB. hier in Wien. Es kann Nichts auf einmal geschehen. Ich habe durch Phlegma Bestien in Menschen verwandelt und sie ihrer eigenen Beschämung überlassen.

Vorige Woche war für uns ein grosses Concert bey dem russischen Botschafter, Fürsten Gallizin.[134] Mit der Oper (?) geht es auch gut. Allein sie wird erst bey der Rückkunft des Kaisers aus Ungarn vielleicht aufgeführt werden. – – – –


(Leopold M. Brief No. 53.)


Wien, den 11. May 1768.


Von unserm Oberst-Hofmeister habe ich folgendes Schreiben erhalten:

»Per espresso comando di S.A. Rma. devo far sapere a V.S., qualmente il clementissimo Principe Padrone niente abbia in contrario, che il Sign. Mozart se ne possi restar fuori a suo piacimento sin tanto che vuole, ed inoltre gli passerà ancora questo mese di Marzo il suo salario; ma inavvenire, quando non sej attualmente presente in Salisburgo, sarà ben si mantenuto come prima nel suo servizio, ma durante la sua assenza non gli lascierà più correre il solito salario.«

Sehen Sie, welche Gnade! Ich kann nach meinem Belieben ausbleiben, wenn ich nur nicht begehre, dass man mich bezahle. Ich bin sehr wohl damit zufrieden. Wenigstens kann ich ohne fernern Vorwurf ausbleiben. Dass ich durch den Vorspruch des Herrn Bruders Sr. hochfürstlichen Gnaden die Besoldung als Instructor in der Violine in dem fürstlichen Kapellhause und erster Geiger wieder erbetteln könnte, wie man mir schreibt, mag wohl wahr seyn. Der Bruder weiss die schöne Historie; ich erzählte sie ihm hier. Allein wie kann ich mit Billigkeit und Ehre etwas erbetteln, was ich, da ich meinen Dienst in Salzburg nicht verrichte, nach dem gewissesten Ausspruche der meisten dasigen Hofleute[135] nicht verdiene? Es ist im Gegentheile dieses dasjenige, was mir eine Erlaubniss zur Reise nach Italien erleichtert: eine Reise, die, wenn man alle Umstände in Erwägung zieht, nicht mehr kann verschoben werden und dazu ich vom Kaiser selbst allen Vorschub in alle kaiserl. Staaten und nach Florenz und Neapel habe. Oder sollte ich vielleicht in Salzburg sitzen, in leerer Hoffnung nach einem bessern Glücke seufzen, den Wolfgangerl gross werden und mich und meine Kinder bey der Nase herumführen lassen, bis ich zu Jahren komme, die mich, eine Reise zu machen, verhindern, und bis der Wolfgangerl in die Jahre und den Wachsthum kömmt, die seinen Verdiensten die Verwunderung entziehen? Soll mein Kind durch die Oper in Wien den ersten Schritt umsonst gethan haben und nicht auf dem einmal so breit gebahnten Wege mit starken Schritten forteilen? – – – –


(Leopold M. Brief No. 54.)


Wien, den 27. Juny 1768.


Ich hätte Ihnen eine schwere Menge von allen Gattungen der ausgesonnensten Ränke und boshaften Verfolgungen zu erzählen. Allein ich bin zu müde, sie in meinen Gedanken zu wiederholen, und will es besser auf mündliche Unterredung versparen.

Wir befinden uns, Gottlob! Alle gesund, wenn gleich der Neid auf allen Seiten auf uns losstürmt. Ich bleibe bey meinem alten Spruche: In te, Domine, speravi; fiat voluntas tua. Was Gott nicht will, will ich auch nicht.


[136] (Leopold M. Brief No. 55.)


Wien, den 30. July 1768.


– – – – Unsern so langen Aufenthalt hierselbst betreffend, sind wir höchst missvergnügt; ja, Nichts als unsere Ehre hält uns zurück, sonst würden wir bereits lange in Salzburg zurück seyn. Denn wollten Sie wohl, dass man in ganz Wien sagen sollte, der Wolfgangerl hätte die Oper in Wien nicht verfertigen können, oder sie wäre so elend ausgefallen, dass man sie nicht hätte aufführen können, oder er hätte sie nicht gemacht, sondern der Vater? Wollten Sie, dass man mit kaltem Blute erwarten sollte, dass derley Verläumdungen in alle Länder ausgeschrieben würden? Würde dieses wohl zu unserer Ehre, ja, würde es zur Ehre unsers gnädigsten Fürsten seyn? Sie werden fragen, was der Kaiser dazu sagt. Hier muss ich die Sache nur kurz berühren, denn ausführlich lässt es sich nicht beschreiben. Doch Sie werden es einsehen. Hätte ich Alles gewusst, was ich nun weiss, und hätte ich Zufälle vorhersehen können, die sich ereignet haben, so würde der Wolfgangerl gewiss keine Note geschrieben haben, sondern längst zu Hause seyn. Das Theater ist verpachtet, oder vielmehr einem gewissen Affligio überlassen. Dieser muss jährlich einige tausend Gulden an Leute bezahlen, die der Hof sonst bezahlen musste. Der Kaiser und die ganze kaiserl. Familie zahlen Nichts für die Entree. Folglich hat diesem Affligio der Hof nicht ein Wort zu sagen, indem Alles auf seine Gefahr geht und er nun wirklich in Gefahr steht, ins Verderben zu gerathen.

Der Kaiser fragte einst unsern Wolfgangerl, ob[137] er nicht eine Oper schreiben möchte, und setzte hinzu, dass er ihn gerne bey dem Claviere die Oper dirigiren sehen würde. Der Kaiser liess dieses auch dem Affligio zu erkennen geben, der es denn auch gegen Bezahlung von 100 Dukaten mit uns richtig machte. Die Oper sollte anfangs auf Ostern gemacht werden; allein der Poet war der erste, der es hinderte, indem er, um nur da und dort nothwendige Veränderungen vorzunehmen, es immer verzögerte, so dass man von den veränderten Arien um Ostern erst zwey von ihm erhalten konnte. Es wurde auf Pfingsten, und dann auf die Rückkunft des Kaisers aus Ungarn festgesetzt. Allein hier fiel die Larve vom Gesicht. Denn unter dieser Zeit haben alle Componisten, darunter Gluck eine Hauptperson ist, Alles untergraben, um den Fortgang dieser Oper zu hindern. Die Sänger wurden aufgeregt, das Orchester aufgehetzt, und Alles angewandt, um die Aufführung der Oper einzustellen. Die Sänger, die ohnehin kaum die Noten kennen, und darunter ein und Anderer Alles gänzlich nach dem Gehöre lernen muss, sollten nun sagen: sie könnten ihre Arien nicht singen, die sie doch vorher im Zimmer bey uns hörten, genehmigten, applaudirten, und sagten, dass sie ihnen recht wären. Das Orchester sollte sich nun nicht gerne von einem Knaben dirigiren lassen, u.s.w. Inzwischen wurde von Einigen ausgesprengt, die Musik sey keinen blauen Teufel werth; von Andern, die Musik sey nicht auf die Worte, und wider das Metrum geschrieben, indem der Knabe nicht genug die italienische Sprache verstehe. Kaum hörte ich dieses, so bewiess ich an den ansehnlichsten Orten, dass der[138] Musikvater Hasse und der grosse Metastasio sich darüber erklärten, dass diejenigen Verläumder, die dieses aussprengten, zu ihnen kommen sollten, um aus ihrem Munde zu hören, dass dreissig Opern in Wien aufgeführt worden wären, die in keinem Stücke der Oper dieses Knaben beykämen, welche sie beyde in höchstem Grade bewunderten. Nun hiess es, nicht der Knabe, sondern der Vater habe sie gemacht. Aber auch hier fiel der Credit der Verläumder, denn sie verfielen ab uno extremo ad aliud, und hier saassen sie gleich im Pfeffer. Ich liess den nächsten besten Theil der Werke Metastasio's nehmen, das Buch öffnen, die erste Arie, die in die Hände kam, dem Wolfgangerl vorlegen. Er ergriff die Feder und schrieb, ohne sich zu bedenken, in Gegenwart vieler Personen von Ansehn die Musik dazu mit vielen Instrumenten in der erstaunlichsten Geschwindigkeit. Diess that er bey dem Kapellmeister Bono, bey Metastasio, bey Hasse, bey dem Herzoge von Braganza und bey dem Fürsten Kaunitz. Indessen war wieder eine andere Oper ausgetheilt worden: da aber nun nicht mehr zu widersprechen ist, so soll Wolfgangerls gleich darauf gemacht werden.

Hundertmal habe ich wollen zusammen packen und davon ziehen. Und wäre es eine Opera seria, wäre ich den Augenblick, ja den ersten Augenblick abgereist, und hätte sie Sr. hochfürstl. Gnaden zu Füssen gelegt. Allein, da es eine Opera buffa ist, und zwar eine solche, die besondere Charaktere von persone buffe erfordert, so muss ich unsere Ehre hier retten, es koste, was es wolle. Es steckt die Ehre unseres gnädigsten Landesfürsten ebenfalls darunter.[139] Se. hochfürstl. Gnaden haben keinen Lügner, keinen Charlatan, keinen Leutebetrüger in Ihren Diensten, die mit Vorwissen und gnädigster Erlaubniss an fremde Orte gehen, um den Leuten, gleich den Taschenspielern, einen blauen Dunst vor die Augen zu machen, nein, sondern ehrliche Männer, die zur Ehre ihres Fürsten und Vaterlandes der Welt ein Wunder verkündigen, welches Gott in Salzburg hat lassen gebohren werden. Ich bin diese Handlung dem allmächtigen Gott schuldig; sonst wäre ich die undankbarste Creatur. Und wenn ich jemals schuldig bin, die Welt dieses Wunders halber zu überzeugen, so ist es eben jetzt, da man Alles, was nur ein Wunder heisst, lächerlich macht, und allen Wundern widerspricht. Man muss sie demnach überzeugen; und war es nicht eine grosse Freude und ein grosser Sieg für mich, da ich einen Voltairianer mit einem Erstaunen zu mir sagen hörte: Nun habe ich einmal in meinem Leben ein Wunder gesehen; das ist das erste. Weil nun aber dieses Wunder zu sichtbarlich und folglich nicht zu widersprechen ist, so will man es unterdrücken. Man will Gott die Ehre nicht lassen. Man denkt, es kömmt nur noch auf einige Jahre an, alsdann verfällt es ins Natürliche und hört auf, ein Wunder Gottes zu seyn. Man will es demnach den Augen der Welt entziehen; und wie würde es sichtbarer, als in einer grossen volkreichen Stadt durch ein öffentliches Spectakel? Aber sollen wir uns über fremde Verfolgungen wundern, da fast dergleichen in dem Geburtsorte dieses Kindes geschehen? Welche Schande! Welche Unmenschlichkeit![140]

Nun werden Sie sich noch wundern, warum der Fürst Kaunitz und andere Grosse, ja der Kaiser selbst nicht befehlen, dass die Oper aufgeführt wird. Erstlich können sie es nicht befehlen, weil es nur das Interesse des Sign. Affligio (den einige Graf Affligio heissen) betrifft. Zweytens würden sie es ihm zu einer andern respective befehlen. Allein, da der Fürst Kauniz wider den Willen des Kaisers den Affligio beredet hat, dass er französische Comödianten hat kommen lassen, die ihm jährlich über 70000 fl. kosten, und die ihm nun, da sie den gehofften Zulauf nicht haben, den Untergang bringen, und A. die Schuld auf den Fürsten Kauniz wälzt, dieser Fürst hingegen sich Hoffnung machte, den Kaiser dahin zu bewegen, dass er an dem französischen Theater Belieben haben und die Unkosten dem A. ersetzen sollte, so liess der Kaiser sich viele Wochen in keinem Spectakel sehen. Sehen Sie den verdriesslichen Umstand, der sich zu gleicher Zeit ereignen musste, und der auch dazu half, dass A. sich leicht bereden liess, die Oper des Wolfgangerls vom Hals zu schieben, und die 100 Dukaten im Sacke zu behalten, und die anderer Seits verhinderte, dass aus Furcht des Ersatzes der 70000 fl. Niemand mit einem scharfen und befehlenden Nachdruck mit A. sprechen wollte. Inzwischen ist doch Alles dieses unter der Hand geschehen. A. schob den Verschub auf die Sänger, und sagte, sie könnten und wollten die Oper nicht singen. Die Sänger hingegen schoben es auf den A., und gaben vor, er hätte gesagt, dass er sie nicht aufführen werde; sie könnten sich ja ein und anderes ändern lassen. Sie soll also aufgeführt werden.[141] Sollte nun aber ein neues Hinderniss sich äussern, so werde ich meine Klage an die Majestäten gelangen lassen und eine solche Genugthuung verlangen, die unsere Ehre vor der ganzen ehrlichen Welt rettet; denn es würde keine Ehre für uns, ja für den Hof zu Salzburg seyn, wenn wir uns durch den uns verfolgenden Neid so platterdings abtreiben, und den Bosshaften Platz liessen, nach unserer Abreise dem unwissenden Publicum vorzusagen (wie es bereits geschehen), dass der Wolfgang die Oper gar nicht zu Stande gebracht habe, oder dass sie so schlecht ausgefallen, dass man sie gar nicht habe aufführen können. So muss man sich in der Welt durchraufen. Hat der Mensch kein Talent, so ist er unglücklich genug. Hat er Talent, so verfolgt ihn der Neid nach dem Maasse seiner Geschicklichkeit. Ueber alles dieses fällt jetzt die Sängerin Bernasconi in einen starken Katharr, und die Baglioni ist auch nicht wohl. Das wird wieder die Sachen auf drey Wochen verschieben, so dass ich mit dem äussersten Verdrusse, dergleichen ich auf unsern vorigen Reisen keinen gehabt habe, den Ausgang dieser verhassten Sache abwarten muss. Alle vernünftigen Menschen müssen mit Schaam bemerken, dass es eine Schande für unsere Nation ist, dass wir Teutschen einen Teutschen zu unterdrücken suchen, dem fremde Nationen durch die grösste Bewunderung, ja durch öffentliche Schriften haben Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Allein mit Geduld und Standhaftigkeit muss man die Leute überzeugen, dass die Widersacher boshafte Lügner, Verläumder und neidische Creaturen sind, die über ihren Sieg in die Faust lachen würden,[142] wenn man sich erschrecken oder ermüden liesse, um so mehr als solche Leute in Wien, die etwa eine Prinzessin oder einen k. Prinzen zu unterrichten haben, ja auch diejenigen, die nur die hiesige Luft einschlucken, sonst stolz genug sind, weil hier der Sitz des Kaisers ist, Leute, die auswärtigen Fürsten dienen, mit Verachtung anzuschauen, und von auswärtigen Fürsten höhnisch und niederträchtig zu sprechen. Nun, glaube ich, wissen Sie meine Umstände, und dennoch habe ich nur überhaupt erzählt. Ich würde auch diese Begebenheit an Se. hochfürstl. Gnaden unsern gnädigsten Herrn selbst gerichtet haben, wenn ich Höchstdieselben mit einer so langen Geschichte, in wichtigern Sachen zu stören, nicht Anstand genommen hätte. Wir empfehlen uns Ihre Hochwürden und Gnaden, dem gnädigen Hrn. Beichtvater, und bitten, er möchte uns Sr. hochfürstlichen Gnaden zu Füssen legen.

Sie sehen aus Allem, dass meine Feinde in Salzburg es gut mit uns meynen, da sie daselbst aussprengen, der Wolfgang hätte 2000 fl. für die Oper bekommen. – – –


(Leopold M. Brief No. 56.)


Wien, den 6. August 1768.


– – – Ich würde der verdriesslichen Begebenheiten, die mich hier halten, müde seyn, wenn ich nicht aus Erfahrung wüsste, dass manche Sache oft eine ganz andere Wendung bekömmt, als man jemals hoffen konnte. Wie manchmal hat mich die göttliche Vorsehung augenscheinlich mit Gewalt angetrieben oder zurückgehalten! – – –


[143] (Leopold M. Brief No. 57.)


Wien, den 13. Sept. 1768.


– – – Das Beste ist noch, dass wir Alle, Gottlob! gesund sind. Ich kann Ihnen unsere Sachen unmöglich umständlich genug beschreiben: es fehlt an Zeit und Geduld. Mündlich sollen Sie Alles und zwar erstaunliche Sachen hören. Sobald unser Handel aus ist, reisen wir augenblicklich ab.

Wir speisen manchmal bey dem P. Parhammer, und waren auch bey ihm, als der Kaiser den Grundstein zu der neuen Kirche legte. Damals fragten Se. Majestät, wie Mehrere hörten, den Wolfgang, wie weit er mit der Oper gekommen wäre, und sprach sehr lange mit ihm. – – – – –


(Leopold M. Brief No. 58.)


Wien, den 14. Sept. 1768.


– – – – Was die Oper des Wolfg. anbelangt, kann ich Ihnen kurz nichts anders sagen, als dass die ganze Musikhölle sich empört hat, um zu verhindern, dass man die Geschicklichkeit eines Kindes sehen soll. Ich kann sogar auf die Aufführung nicht dringen, da man sich verschworen hat, sie, wenn es seyn müsste, elend aufzuführen, und zu verderben. Ich musste die Ankunft des Kaisers erwarten: sonst würde die Bataille längst ihren Anfang genommen haben. Ich werde Nichts unterlassen, was die Rettung der Ehre meines Kindes erheischt. Ich wusste es schon lange: noch länger aber argwohnte ich es. Ich sagte es sogar dem Grafen von Zeil, welcher aber glaubte, dass alle Musici für den Wolfg. eingenommen wären, weil er auch nach dem Aeusserlichen[144] urtheilte, und ihm die innerliche Bosheit dieser Vieher nicht bekannt war. Geduld! die Zeit wird Alles aufklären, und Gott lässt Nichts vergebens geschehen. – –


(Leopold M. Brief No. 59.)


Wien, den 24. Sept. 1768.


Heute habe ich an Se. Hochfürstliche Gnaden geschrieben. Ich hoffe, der Bruit, von dem Sie melden, werde ohne Grund seyn. Sollte aber Gott etwas Anderes mit uns vorhaben, so stünde es zu ändern nicht in unserer Gewalt. Immer hoffe ich, Sie werden mich nicht in Ungewissheit lassen, auch nur einen Augen blick.

Am 21. d.M. hatte ich bey dem Kaiser Audienz und überreichte ihm meine Beschwernisse wider den Theaterimpressar. Es ist auch schon die Untersuchung dem Grafen Spork übergeben, und Affligio hat Befehl sich zu verantworten. Der Kaiser war auf das gnädigste und versprach alle Gerechtigkeit. Heute habe ich wieder Geld aufnehmen müssen. Der Himmel wird Alles wieder ersetzen. – – –


Species facti.

Wien.


Nachdem viele des hiesigen Adels sowohl durch auswärtige Nachrichten als durch eigene Untersuchung und angestellte Proben von dem ausserordentlichen Talente meines Sohnes überzeugt waren, wurde es durchgehends als eine der bewunderungswürdigsten Begebenheiten dieser und der vorigen Zeiten angesehen, wenn ein Knabe von zwölf Jahren eine Oper schreiben und selbst dirigiren sollte. Eine gelehrte[145] Schrift aus Paris bestärkte diese Meinung, indem solche, nach einer ausführlichen Beschreibung des Genie's meines Sohnes, behauptet: es wäre kein Zweifel, dieses Kind werde in einem Alter von zwölf Jahren auf einem oder dem andern Theater Italiens eine Oper schreiben. Und Jederman glaubte, ein Deutscher müsse solch einen Ruhm nur seinem Vaterlande vorbehalten. Ich wurde hierzu einhellig aufgemuntert. Ich folgte der allgemeinen Stimme, und der holländische Gesandte, Herr Graf von Degenfeld war der erste, welcher dem Theaterimpressarius Affligio den Vorschlag machte, weil ihm die Fähigkeit des Knaben schon von Holland aus bekannt war. Der Sänger Carattoli war der zweyte, der es dem Affligio vortrug. Und die Sache ward bey dem Leibmedicus Laugier in Gegenwart des jungen Baron von Swieten und der zwey Sänger Carattoli und Caribaldi mit dem Impressarius beschlossen, um so mehr als Alle, sonderbar die zwey Sänger, mit grösstem Ausdruck behaupteten, dass eine auch sehr mittelmässige Musik von einem so jungen Knaben wegen des ausserordentlich wunderbaren, und schon um dieses Kind ein Orchester beym Clavier sein Werk dirigiren zu sehen, die ganze Stadt ins Theater ziehen müsse. Ich liess also meinen Sohn schreiben.

Sobald der erste Akt fertig war, bat ich den Carattoli selbst, solchen zu hören und zu beurtheilen, um mich sicher zu stellen. Er kam, und seine Verwunderung war so gross, dass er gleich den folgenden Tag wieder bey mir erschien, und den Caribaldi mit sich brachte. Caribaldi, nicht weniger erstaunt, führte ein paar Tage darauf den Poggi zu[146] mir. Alle zeigten einen so ungemeinen Beyfall, dass sie alle auf mein wieder holtes Fragen: ob sie wohl glaubten, dass es gut wäre? ob sie dafür hielten, dass er fortfahren sollte? sich über mein Misstrauen ärgerten, und öfters mit vieler Bewegung ausriefen: Cosa! Come! Questo è un portento. Questa opera andrà alle stelle. Cuna meraviglia. Non dubiti, che scrivi avanti! sammt einer Menge anderer Ausdrücke. Das Nämliche sagte mir Carattoli in seinem eigenen Zimmer.

Durch den Beyfall der Sänger eines erwünschten Erfolgs versichert, liess ich meinen Sohn in der Arbeit fortfahren, bat aber auch den Leibmedicus Logier, mit dem Impressarius der Bezahlung halber in meinem Namen Richtigkeit zu machen. Es geschahe, und Affligio versprach 100 Ducaten. Um nun meinen theuern Aufenthalt in Wien zu verkürzen, machte ich damals den Antrag, dass die Oper noch vor der Abreise Sr. Majestät nach Ungarn aufgeführt werden möchte. Allein einige Abänderungen, die der Poet im Texte zu machen hatte, hemmten die Composition; und Affligio erklärte sich, dass er solche auf die Zurückkunft Seiner Majestät wolle aufführen lassen.

Nun lag die Oper schon einige Wochen fertig. Man fing zu copiren an, und der erste Akt wurde den Sängern, gleich darauf der zweyte, ausgetheilt, da unterdessen mein Sohn eine und andere Arie, ja sogar das Finale des ersten Akts bey verschiedenen Gelegenheiten der Noblesse beym Clavier produciren musste, welche von Allen bewundert worden, davon[147] bey dem Fürsten von Kauniz Affligio selbst Augen- und Ohrenzeuge war.

Nun sollten die Proben ihren Anfang nehmen. Allein, wie hätte ich dieses vermuthen sollen! hier nahmen auch die Verfolgungen gegen meinen Sohn ihren Anfang.

Es geschieht sehr selten, dass eine Oper gleich bey der ersten Probe vollkommen gut ausfallen, und nicht hin und wieder eine Abänderung erleiden sollte. Eben desswegen pflegt man Anfangs beym Flügel allein, und bis nicht die Sänger ihre Parthien, besonders die Finalen wohl zusammen studirt haben, niemals mit allen Instrumenten zu probiren. Doch hier geschah das Gegentheil. Die Rollen waren noch nicht genug studirt, es war keine Probe der Sänger bey dem Claviere gemacht, die Finalen nicht zusammenstudirt; und dennoch nahm man die Probe des ersten Acts mit dem ganzen Orchester vor, um nur der Sache gleich Anfangs ein geringes und verwirrtes Ansehen zu geben. Niemand, der zugegen war, wird es eine Probe nennen, ohne darüber zu erröthen. Das lieblose Betragen derjenigen, denen es ihr Gewissen sagen wird, will ich nicht anführen. Gott mag es ihnen verzeihen!

Nach der Probe sagte mir Affligio: es wäre gut; doch da ein und anderes zu hoch wäre, so müsste da und dort einige Veränderung gemacht werden; ich möchte nur mit den Sängern sprechen: und da Se. Majestät schon in zwölf Tagen hier wären, so wolle er die Oper in vier, längstens sechs Wochen aufführen, damit man Zeit habe, Alles in gute Ordnung zu bringen, ich solle mich darüber gar nicht aufhalten;[148] er sey Mann von seinem Worte, und werde in Allem sein Versprechen halten; es sey nichts neues; auch bey andern Opern gingen Veränderungen vor.

Es wurde demnach dasjenige, was die Sänger verlangten, abgeändert, und in dem ersten Acte zwey neue Arien gemacht, unterdessen aber im Theater la Caschina aufgeführt.

Nun war die bestimmte Zeit verflossen, und ich hörte, Affligio habe abermals eine andere Oper austheilen lassen. Es ging sogar die Rede, Affligio werde die Oper gar nicht aufführen; er hatte sich verlauten lassen, die Sänger könnten sie nicht singen. – Und diese hatten sie vorher nicht nur gut geheissen, sondern auch bis in den Himmel erhoben.

Um mich auch wider dieses Geschwätz sicher zu stellen, musste mein Sohn bey dem jungen Baron von Swieten in Gegenwart des Grafen von Spork, des Duca di Braganza und anderer Musikverständigen die ganze Oper beym Clavier produciren. Alle verwunderten sich höchstens über das Vorgeben des Affligio und der Sänger: Alle waren sehr gerührt und erklärten einhellig, dass ein so unchristliches, unwahrhaftes und boshaftes Vorgeben nicht zu begreifen wäre; dass sie diese Oper mancher italienischen vorzögen, und dass, statt ein solches himmlisches Talent zu ermuntern, eine Kabale dahinter stecke, welche sichtbarlich nur dahin abziele, dem unschuldigen Knaben den Weg zu seiner verdienten Ehre und Glück abzuschneiden.

Ich begab mich zu dem Impressarius, um die wahre Beschaffenheit der Sachen zu erfahren. Dieser sagte mir: er wäre niemals dagegen, die Oper[149] aufzuführen; ich werde es ihm aber nicht verdenken, wenn er auf sein Interesse sehe; man hätte ihm einigen Zweifel beygebracht, dass die Oper vielleicht nicht gefallen möchte; er habe die Caschina und wolle nun auch die Buona figliuola probiren lassen, dann aber gleich des Knaben Oper aufführen; sollte sie nicht, wie er wünsche, gefallen, so wäre er wenigstens schon mit zwey andern Opern versehen. Ich schützte meinen bereits langen Aufenthalt vor, und dessen Verlängerung. Er erwiederte: Ey was! acht Tage mehr oder weniger! Ich lasse sie dann gleich vornehmen. Bey diesem blieb es nun. Des Carattoli Arien waren geändert, mit Caribaldi Alles richtig gemacht, desgleichen mit Poggi und Laschi. Jeder versicherte mich insbesondere: er hätte nichts einzuwenden. Alles käme lediglich auf den Affligio an. Inzwischen verflossen mehr als vier Wochen. Der Copist sagte mir, er habe noch keine Ordre, die veränderten Arien abzuschreiben; und da ich bey der Hauptprobe der Buona figliuola vernahm, Affligio wollte wieder eine andere Oper vornehmen, stellte ich ihn selbst zur Rede. Hierauf gab er in meiner und des Poeten Coltellini Gegenwart dem Copisten Befehl, dass Alles in zwey Tagen ausgetheilt und die Oper längstens in 14 Tagen mit dem Orchester probirt werden sollte.

Allein die Feinde des armen Kindes (wer sie immer sind) haben es abermals hintertrieben. An dem nämlichen Tage bekam der Copist Befehl, mit dem Schreiben einzuhalten. Und in ein paar Tagen erfuhr ich, Affligio hätte nun beschlossen, die Oper des Knaben gar nicht auf das Theater zu geben. Ich[150] wollte Gewissheit in der Sache haben, ging zu ihm, und erhielt den Bescheid: Er hätte die Sänger zusammen berufen, diese geständen ein, dass die Oper zwar unvergleichlich componirt, aber nicht theatralisch wäre, und folglich von ihnen nicht könnte aufgeführt werden. Diese Rede war mir unbegreiflich. Denn sollten wohl die Sänger wirklich wagen, dasjenige, ohne schamroth zu werden, zu verachten, was sie vorher bis an die Sterne erhoben, zu welchem sie den Knaben selbst aufgemuntert, und was sie dem Affligio selbst als gut angepriesen haben? Ich antwortete ihm: er könnte nicht verlangen, dass der Knabe die grosse Mühe, eine Oper zu schreiben, umsonst unternommen habe. Ich erinnerte ihn seines Accordes. Ich gab ihm zu verstehen, dass er uns vier Monate herumgezogen, und uns in mehr als 160 Ducaten Unkosten gebracht habe. Ich erinnerte ihn der von mir versäumten Zeit, und versicherte ihm, dass ich mich sowohl der 100 Ducaten, die er mit dem Leibmedicus Laugier accordirt hätte, als übrigen Unkosten halber an ihn halten werde. Auf diese meine billige Forderung ertheilte er mir eine unverständliche Antwort, die seine Verlegenheit verrieth, mit der er sich, ich weiss nicht wie, von der ganzen Sache loszumachen suchte, bis er endlich mich mit den schändlichst lieblosen Ausdrücken verliess: wenn ich den Knaben wollte prostituirt haben, so werde er die Oper belachen und auspfeifen lassen. Coltellini hörte dieses Alles.

Diess wäre also der Lohn, der meinem Sohne für seine grosse Bemühung, eine Oper zu schreiben, davon sein Original 558 Seiten beträgt, für die versäumte[151] Zeit und die gemachten Unkosten angeboten wird! Und wo bliebe endlich, was mir am meisten am Herzen liegt, die Ehre und der Ruhm meines Sohnes, da ich nun nicht mehr wagen darf, auf die Vorstellung der Oper zu dringen, nachdem man mir deutlich genug zu verstehen gegeben hat, dass man sich alle Mühe geben würde, solche elend genug zu produciren; dass man ferner bald vorgiebt, die Composition sey nicht zu singen, bald, sie sey nicht theatralisch, bald, sie sey nicht nach dem Texte, bald, er wäre nicht fähig gewesen, eine solche Musik zu schreiben, und was derley albernes und sich selbst widersprechendes Geschwätz immer ist, welches doch Alles bey einer genauen Untersuchung der musikalischen Kräfte meines Kindes, – um welche ich hauptsächlich zu seiner Ehre angelegentlichst und allerunterthänigst bitte – zur Schande der neidischen ehrenräuberischen Verläumder wie ein Rauch verschwinden und Jederman überzeugen wird, dass es lediglich dahin abziele, ein unschuldiges Geschöpf, dem Gott ein ausserordentliches Talent verliehen, welches andere Nationen bewundert und aufgemuntert haben, in der Hauptstadt seines deutschen Vaterlandes zu unterdrücken und unglücklich zu machen.


(Leopold M. Brief No. 60.)


Wien, den 12. Nov. 1768.


– – – – Am Feste der unbefleckten Empfängniss wird die neue Kirche des P. Parhammerischen Waisenhauses benedicirt werden. Der Wolfg. hat zu diesem Feste eine solenne Messe, ein Offertorium und Trompeten-Concert für einen Knaben[152] componirt und dem Waisenhause verehrt. Glaublich wird der Wolfg. selbst tactiren. Es hat Alles seine Ursachen. – – –


(Leopold M. Brief No. 61.)


Wien, den 14. Dec. 1768.


– – – Wir haben unsere Sachen erst jetzt beendigen können.

Die Messe, die am 7. Decbr. in Gegenwart des kaiserl. Hofes bey dem P. Parhammer von Wolfg. ist aufgeführt worden und wobey er selbst den Tact geschlagen hat, hat dasjenige, was die Feinde durch Verhinderung der Oper zu verderben gedacht haben, wieder gut gemacht, und hat den Hof und das Publicum, da der Zulauf erstaunlich war, von der Bosheit unserer Widersacher überführt. Das Umständlichere mündlich.

Nicht weniger ist ein schönes Präsent von der Kaiserin erfolgt. – – – –


Sinngedicht

zur Ehre des Herrn Wolfgang Mozart.


Es hatte die Natur der alten Dichter Träume

Mit Ekel lang' genug geduldig angehört:

Bald wenn ein Orpheus die Thiere, Felsen, Bäume,

Auf seiner Lauten Schall, entzückt zu tanzen lehrt;

Bald lässt sich ein Apoll dort auf die Erde nieder,

Wenn von dem Göttersitz' ihn seine Schuld verbannt,

Und als verstellter Hirt macht er die ersten Lieder

Bey seiner Lämmer Schaar den Sterblichen bekannt;

Bald muss Mercur's Gesang den Argus schläfrig machen

Der für die schöne Kuh mit hundert Augen wacht.

Gedichte, Fabelwerk, ein Chaos selt'ner Sachen,

Ein eitles Hirngespinst der schlafelosen Nacht,

Gelehrte Missgeburt, die oft bey freyen Stunden

Des Dichters leichter Geist in seiner Hitz' gebar,

Zum Trotze der Natur, zum Scherze nur erfunden,

Womit das dumme Volk selbst gern geäffet war.[153]

So überstieg der Mensch durch frevelndes Erfrechen

Die Ordnung der Natur, die dieser Schimpf verdross,

Und um den kühnen Stolz mit gleicher Art zu rächen,

Ein neues Wunderwerk zu schaffen sich entschloss.

Da, wo der Salzastrom aus finstern Klippen eilet,

Wo er das flache Land mit reiner Fluth begrüsst,

Und dem beglückten Ort die schöne Stadt vertheilet,

Die sich jetzt eine Burg von dessen Namen heisst,

Liess die Natur ein Kind des Tages Licht betreten,

Ein Kunststück ihrer Hand, ein wundervolles Kind,

Durch dessen Fähigkeit die Fabeln der Poeten,

Die man mit Recht verlacht, Geschichten worden sind.

O Knab'! Dein edler Geist hat Dich so weit erhoben,

Dass mein zu schwacher Kiel von Dir nur niedrig spricht,

Ja! soll man Deinen Werth, wie Du verdienest, loben,

So hält die Nachwelt doch den Ruhm für ein Gedicht.

Wer glaubte, dass ein Kind sogar mit sieben Jahren

Schon in der Musik-Kunst den ersten Meistern gleicht?

Dass, was kaum Wenige durch langen Fleiss erfahren,

Statt eitlen Kinderspiel Dein früher Trieb erreicht?

Doch nein! der schnelle Ruf, der Lohn so selt'ner Gaben

Hat Deinen Namen schon der ganzen Welt geweiht,

Die Proben Deiner Kunst, so ferne Völker haben,

Verkünden Deinen Ruhm der späten Ewigkeit.

Mit Dir hat die Natur die Gränzen überschritten,

Die Häupter dieser Welt erkennen Deinen Werth:

Der Deutsche, der Franzos, der tiefe Sinn der Britten

Sind stolz auf den Besuch, mit dem Du sie beehrt;

Sie preisen jenes Land, so Dich der Welt geboren,

Und Deiner Vaterstadt beneiden sie das Glück;

Sie klagen, dass sie Dich bald wiederum verloren,

Und denken noch entzückt auf Deine Kunst zurück.

Der Zufall gönnte mir die Ehre, Dich zu kennen,

Und Dein belebter Geist nahm mich gleich Andern ein:

Du würdigtest Dich gar, mich Deinen Freund zu nennen.

Mein Wolfgang, könnt' ich doch bey Dir noch länger seyn!

Ich wünsche Dir (darf ich noch meinen Wunsch beyfügen)

Nur die Unsterblichkeit, sie ist Dein Eigenthum.

Ja! wär'st Du doch, mein Freund, den Eltern zum Vergnügen,

Die Deiner würdig sind, unsterblich, wie Dein Ruhm!


Ergebener Diener und Freund

Christoph von Zabuesing,

von Augsburg,

als Durchreisender.

Salzburg,

den 2. März.
[154]

Das Jahr 1769 brachte Wolfgang mit seinem Vater in Salzburg zu, theils mit dem Studium der italienischen Sprache und theils mit der Fortsetzung des tiefern Eindringens in die Tiefen der Composition. In demselben Jahre wurde unser Mozart zum Concertmeister bey dem Salzburgischen Hofe ernannt und ist in den Salzburgischen Hofkalendern von den Jahren 1770 bis 1777 als fürstlicher Concertmeister angeführt. Mozart hatte nun die ansehnlichsten Länder Europa's gesehen, der Ruhm seines grossen, früh gereiften Künstlertalents blühte bereits von den Ufern der Donau bis zur Seine und Themse hin; aber er war noch nicht in dem Vaterlande der Musik gewesen. Die Tiber sollte nun das Diplom seines Verdienstes besiegeln; oder vielmehr zu voller Ausbildung seiner Kenntnisse und seines Geschmacks war diese Reise nöthig, wesswegen er auch seine Stelle niederlegte.

Mozarts frühere Arbeiten aus seiner Lehrlings-Periode sind noch immer Nachahmungen von vorhandenen Formen und nichts weniger als classisch. Da, wo die beginnende Reife allmählig eintritt, erscheint auch seine Originalität kräftiger, und wenn man seinem Geiste vom ersten bis zum letzten Producte chronologisch nachschleicht, so wird die allmählige Ausbildung und Progression seines Genie's erst klar, wie selbst seine Form sich nach und nach in sich selbst reinigt und sich der innern Vollendung nähert, woraus die späteren Producte natürlich immer reiner, reifer und vollendeter hervorgehen müssen.

Auch war es ja seinem nach Vollkommenheit strebenden Geiste daran gelegen, die Blüthe der Tonkunst[155] – den Gesang – auf seinem natürlichen Boden zu beobachten, und die vielen grossen Männer, die damals Italiens Ruhm in der Musik stützten, zu kennen – und von ihnen zu lernen.

Quelle:
Nissen, Georg Nikolaus von: Biographie W.A. Mozart's. Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1828 [Nachdruck Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms, 1991], S. 121-156.
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