Den 12ten Jul. 1789

[12] Den 12ten Jul. 1789.


Liebster, bester Freund!


und Verehrungswürdiger O.B. (Ordensbruder).1


Gott! ich bin in einer Lage, die ich meinem ärgsten Feinde nicht wünsche; und wenn Sie bester Freund und Bruder mich verlassen, so bin ich unglücklicher und unschuldigerweise sammt meiner armen kranken Frau und Kind verlohren. – Schon letztens als ich bei Ihnen war wollte ich mein Herz ausleeren – allein ich hatte das Herz nicht! – und hätte es noch nicht – nur zitternd wage ich es schrifftlich – würde es auch schrifftlich nicht wagen – wenn ich nicht wüßte, daß Sie mich kennen, meine Umstände wissen und von meiner Unschuld, meine unglückseelige, höchsttraurige Laage betreffend, gänzlich überzeugt sind. O Gott! anstatt Danksagungen komme ich mit neuen Bitten! – anstatt Berichtigung mit neuem Begehren. Wenn Sie mein Herz ganz kennen, so müssen Sie meinen Schmerz hierüber[12] ganz fühlen; daß ich durch diese unglückseelige Krankheit in allem Verdienste gehemmt werde, brauche ich Ihnen wohl nicht zu wiederholen; nur das muß ich Ihnen sagen, daß ich ohngeachtet meiner elenden Laage, mich doch entschloß bei mir Subscriptions-Academien zu geben, um doch wenigstens die dermalen so großen und häufigen Ausgaben bestreiten zu können, denn von Ihrer freundschafftlichen Zuwartung war ich ganz überzeugt; aber auch dies gelinget mir nicht; – mein Schicksal ist leider, aber nur in Wien, mir so widrig, daß ich auch nichts verdienen kann, wenn ich auch will; ich habe 14 Tage eine Liste herumgeschickt, und da steht der einzige Name Swieten! – Da es ietzt doch scheint, daß es mit meinem lieben (den 15ten) Weibchen von Tag zu Tage besser geht, so würde ich doch wieder arbeiten können, wenn nicht dieser Schlag, dieser harte Schlag dazu käme; – man tröstet uns wenigstens, daß es besser gehe – obwohl sie mich gestern Abends wieder ganz bestürzt und verzweifelnd machte, so sehr litte sie wieder und ich – mit ihr (den 14ten) aber heute Nacht hat sie so gut geschlafen und befindet sich den ganzen Morgen so leicht, daß ich die beste Hoffnung habe; nun fange ich an wieder zur Arbeit aufgelegt zu seyn – aber ich sehe mich wieder auf einer andern Seite unglücklich – freylich nur für den Augenblick! – Liebster, bester Freund und Bruder – Sie kennen meine dermaligen Umstände, Sie wissen aber auch meine Aussichten; bey diesem, was wir gesprochen, bleibt es; so oder so, Sie verstehen mich; – unterdessen schreibe ich 6 leichte Klavier-Sonaten für die Prinzessin Friederika und 6 Quartetten für den König, welches ich alles bey Kozeluch auf meine Unkosten stechen lasse;2[13] nebstbei tragen mir die 2 Dedicationen auch etwas ein; in ein paar Monathen muß mein Schicksal in der geringsten Sache auch entschieden sein, folglich können Sie, bester Freund, bey mir nichts riskiren; nun kömmt es blos auf Sie an, einziger Freund, ob Sie mir noch 500 fl. leihen wollen oder können? – ich bitte, bis meine Sache entschieden ist, Ihnen alle Monath 10 fl. zurückzuzahlen; dann (welches längstens in einigen Monathen vorbey seyn muß) Ihnen die ganze Summe mit beliebigen Interessen zurückzuzahlen, und mich anbey noch auf Lebenslang für Ihren Schuldner erklären, welches ich auch leider ewig werde bleiben müssen, indem ich nie im Stande seyn werde, Ihnen für Ihre Freundschafft und Liebe genug danken zu können; – Gottlob; es ist geschehen; Sie wissen nun alles, nehmen Sie nur mein Zutrauen zu Ihnen nicht übel und bedenken Sie, daß ohne Ihre Unterstützung die Ehre, die Ruhe und vielleicht das Leben Ihres Freundes und Bruders zu Grunde geht; ewig Ihr verbundenster Diener, wahrer Freund und Bruder

W.A. Mozart.

Fußnoten

1 Der Brief ist an Puchberg gerichtet.


2 Die Prinzessin Friederike war die älteste Tochter des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen. Von den für sie zu componirenden Sonaten scheint nur eine fertig geworden zu sein, nämlich die in D-dur, 6/8-Takt (Köchel's Verz. Nr. 576). Sie erschien, ohne Widmung, erst nach dem Tode Mozart's. Von den für den König von Preußen zu schreibenden Quartetten sind drei fertig geworden (Köchel's Verz. Nr. 575, 589, 590.)


Quelle:
Mozartiana. Nach aufgefundenen Handschriften herausgegeben von Gustav Nottebohm, Leipzig 1880, S. 14.
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