Data zur Biographie des verstorbenen Tonkünstlers Wolfgang Mozart.

[95] 1) Johannes Chrisostomus Wolfgang Gottlieb Mozart ist den 27. Januar 1756 in Salzburg gebohren.

2) Sein Vater, Leopold Mozart, Buchbinderssohn von Augsburg, wurde daselbst den 14ten Novbr. 1719 gebohren. Er kam um zu studieren auf die hohe Schule nach Salzburg, wurde dann Kammerdiener bei Herrn Grafen von Thurn, Domherr daselbst, kam dann als Hofmusicus in die hochfürstlichen Dienste im Jahr 1743. Er verehelichte sich im Jahr 17431 den 21ten Novbr. mit Maria Anna Pertlin, des im Leben gewesenen hochfürstlich Salzburgischen Pflegs-Commissarii zu Hüttenstein2 hinterlassenen Tochter, welche im Jahr 1720 den 25. Decbr. in dem Salzburgischen Markt St. Gilgen gebohren war.

Er beschäftigte sich immer neben seinem Dienst bey Hofe und in der Metropolitan-Kirche mit Unterweisung auf der Violin und mit Componiren. Er gab 1756 ein Buch im Druck heraus: Versuch einer gründlichen Violin-Schule, welche im Jahr 1770 das 2te mal aufgelegt wurde.[95]

(Im Anfange des Jahrs 1762 wurde der Vater Vice-Capellmeister am Hofe des fürstl. Erzbischoffen zu Salzburg.)

Da ihm von 7 Kindern nur eine Tochter Maria Anna und dieser Sohn Wolfgang Gottlieb beym Leben blieben, so gab er sowohl die Unterweisungen auf der Violin als auch das Componiren ganz auf, um außer seinem hochfürstlichen Dienste die übrige Zeit auf die Erziehung seiner 2 Kinder zu wenden.

Der Sohn war damals 3 Jahr alt, als der Vater seine 7jährige Tochter anfieng auf dem Clavier zu unterweisen. Der Knabe zeigte gleich sein von Gott ihm zugeworfenes außerordentliches Talent. Er unterhielte sich oft lange Zeit bei dem Clavier mit Zusammensuchen der Terzen, welche er immer anstimmte, und sein Wohlgefallen verrieth, daß es wohl klang. Im 4ten Jahr seines Alters fieng sein Vater so zu sagen spielend an ihm auf dem Clavier einige Menuetten und Stücke zu lehren. Es kostete sowohl seinem Vater als diesem Kinde so wenig Mühe, daß es in einer Stunde ein Stück und in einer halben Stunde eine Menuet so leicht lernte, daß es solches dann ohne Fehler, mit der vollkommensten Nettigkeit und auf das genaueste nach dem Tact spielte. Es machte solche Fortschritte, daß es mit 5 Jahren schon kleine Stückchen componirte, welche es seinem Vater vorspielte, der es dann zu Papier setzte.

3) Im 6ten Jahr seines Alters machte der Vater mit ihm3 die erste Reise nach München, wo sich beide Rinder beim Churfürsten hören ließen. Nachdem sie sich 3 Wochen alda aufgehalten, kamen sie wieder nach Salzburg zurück.

4) Da sich die Kinder immer mehr auf dem Clavierperfectionirten, so machte die Mozart'sche Familie (die[96] Mozart'sche Familie bestand in dem Vater, Mutter, Sohn und Tochter) den 18. Septbr. 1762 eine Reise über Passau, Linz nach Wien, wo die Kinder sich in wenig Tagen nach ihrer Ankunft bey dem kaiserlichen Hofe producirten; machten auch eine kleine Reise nach Preßburg und kamen im Jan. 1763 nach Salzburg zurück. Es dauerte über 3 Stunden, daß sie sich bey den kaiserlichen Majestäten aufhielten, wo sich nur die großen Erzherzoge und Erzherzoginnen befanden. Der Kaiser Franz sagte unter anderm zu dem Sohn: es wäre keine Kunst, mit allen Fingern zu spielen, aber dieß wäre erst künstlich, wenn man das Clavier bedeckte. Darauf spielte das Kind gleich mit einem Finger mit der größten Fertigkeit, ließ sich auch die Claves bedecken und spielte darauf, als wenn er es schon oft genug geübet hätte.

Den 9ten Juni 1763 machte die Mozart'sche Familie eine Reise nach München, Augsburg, Ulm, Ludwigsburg, Bruchsal, Schwetzingen, Heidelberg, Mannheim, Worms, Mainz, Frankfurt am Mayn, Mainz, Coblenz, Bonn, Brühl, Cölln, Aachen, Lüttich, Tirlemont, Löwen, Brüssel, Mons, Paris, wo sie den 18. Novbr. 1763 ankamen.

(In München ließen sich die Kinder wieder beym Churfürsten hören. Der Knabe spielte auch da ein Concert auf der Violin und praeambulirte schon aus dem Kopf. Auch bey Herzog Clemens spielten sie. In Augsburg gaben sie 2 Academien. In Heidelberg spielte der Sohn die Orgel in der heil. Geist-Kirche. In Mannheim ließen sie sich beym Churfürsten von der Pfalz hören. In Frankfurt gaben sie 4 Academien. In Mainz gaben sie 2 Academien; der Churfürst war krank, konnten sich also bei ihm nicht hören lassen. In Coblenz spielten sie beim Churfürsten. Cöln: der Churfürst war in Westphalen, konnten sich also nicht hören lassen. In Aachen gaben sie eine Academie. In[97] Bruxelles gaben sie eine Academie. In den übrigen Orten hielten sie sich nur so lange auf, bis sie die Merkwürdigkeiten gesehen hatten.)

Sie ließen sich in Versailles bey der königl. Familie hören; auch spielte der Sohn in der Hof-Capelle inVersailles vor dem ganzen Hof mit allem Beyfall die Orgel.

Sie gaben auch 2 große Academien in einem Privat-Saal, nachdem sie sich in Paris 21 Wochen aufhielten. In Paris machte der Sohn seine 2 ersten Werke auf das Clavier. Das erste dedicirte er der Madame Victoire, der 2ten Tochter des Königs. Das 2tededicirte er der Mad: La Comtesse de Tesse; er war damals 7 Jahr alt. Beyde Werke sind in Paris gestochen.

Gleich nach ihrer Ankunft in Paris wurden die Kinder und der Vater in Kupfer gestochen.

Dann reiste die Mozart'sche Familie den 10. April 1764 über Calais nach England, wo sie den 22ten April in London ankamen. Den 27ten April ließen sich die Kinder bey beyden königl. Majestäten hören. Den 19. May waren sie wieder bey dem König und der Königin. Der Sohn spielte auch auf der Orgel des Königs, und alle schätzten sein Orgelspielen weit höher als sein Clavierspielen. Sie gaben den 5ten Juni ein Benefit oder große Academie zu ihrem Vortheile. Den 5ten August mußten sie außer der Stadt London in Chelsea ein Landhaus miethen, damit sich der Vater von einem gefährlichen Halswehe erholen konnte, welches ihn fast am Rande des Todes brachte. Wäre der Vater nicht krank geworden, würden sie nach Tunbridge gereist seyn, wo die größte Noblesse sich da im Baade versammelte. Da sich der Vater endlich in 2 Monaten vollkommen erholte, kehrten sie wieder nach London zurück. Der Sohn componirte hier 6 Sonaten fürs Clavier, ließ[98] solche stechen unddedicirte sie der Königin; er war 8 Jahr alt.

Sowohl in Paris als in London legte man dem Sohne verschiedene schwere Stücke von Bach, Händel, Paradies und andern Meistern vor, und alles spielte er nicht nur allein vom Blatte weg, sondern auch mit dem angemessensten Tempo und Nettigkeit.

Da er beym Könige von England spielte, so nahm er eine glatte Baßstimme und spielte die schönste Melodie darüber. Der Sohn sang auch Arien mit der größten Empfindung. Die Kinder spielten nun auch überall Concert auf 2 Claviere. Bey voriger großen Academie4 wurden alle Symphonien von der Composition des Sohnes gemacht. Den 29. Juni war das Benefit zum Nutzen des Hospitals des femmes en couches.5 Der Vater ließ seinen Sohn auch da ein Concert auf der Orgel gratis spielen. Herr Johann Christian Bach, Lehrmeister der Königin, nahm den Sohn zwischen die Füße; jener spielte etliche Tacte, dann fuhr der andere fort, und so spielten sie eine ganze Sonate, und wer solches nicht sahe, glaubte, es würde diese von einem allein gespielt. Den 25. October spielten sie wieder beym König und der Königin. Den 21ten Febr. 1765 gaben sie wieder zu ihrem Vortheile ein Benefit.

Nachdem sie sich nun bey der größten Noblesse hatten hören lassen, reisten sie den 24. Juli 1765 von London ab nach Canterbury, Dover, wo sie einen so guten Wind hatten, daß sie die Ueberfahrt nach Calais in 31/2 Stunden machten. Von da giengen sie nach Dünkirchen, wo sie alles[99] Merkwürdige besahen; in Lille mußten sie sich wegen einer Unpäßlichkeit des Vaters und Sohnes einige Zeit aufhalten. Hierauf reisten sie nach Gent, wo der Sohn bey den Bernardinern die Orgel spielte; alsdann nach Antwerpen; hier spielte der Sohn die große Orgel in der Cathedral-Kirche. In Moerdyk ließen sie sich über einen kleinen Arm des Meeres überfahren. Von der andern Seite fuhren sie in der Rutsche nach Rotterdam, von da auf einem Schiffe nach Haag, wo sie im Septbr. 1765 anlangten. Da die Tochter gleich nach ihrer Ankunft erkrankte, so war der Vater mit seinem Sohne 2mal allein bey dem Prinzen von Oranien und einmal bey der Prinzessin, seiner Schwester.

Da sich die Tochter endlich wieder von ihrer gefährlichen Krankheit ein wenig erholte, so verfiel der Sohn den 15. Novbr. in eine gefährliche Krankheit, welche ihn 4 Wochen im Bette hielte. Wie sich der Sohn von seiner Krankheit gebessert hatte, componirte er 6 Sonaten fürs Clavier, ließ sie stechen und dedicirte solche der Prinzessin von Nassau-Weilburg; er war damals 9 Jahre alt.

Nachdem sich die beiden Kinder nach 4 Monaten erst ganz vollkommen erholt hatten, reisten sie zu Ende des Monats Januar 1766 nach Amsterdam, blieben da einen Monat, reisten wieder nach Haag zu dem Institutions-Feste des Prinzen von Oranien, welches den 11. März gehalten wurde. In Haag componirte der Sohn zu dieser Festlichkeit ein Quodlibet auf alle Instrumente6, zweierley Variationes für das Clavier7 und einige Arien für die Prinzessin8. Sie spielten öfters bey dem Prinzen, und nachdem sie sich wieder 5 Wochen in Haag aufgehalten, reisten sie wieder über Harlem[100] (in Harlem spielte der Sohn die große Orgel) nach Amsterdam, Utrecht, Rotterdam, Moerdyk, Antwerpen, Mecheln, Brüssel, Valenciennes und nach Paris, wo sie zu Ende April 1766 ankamen. Seit ihrem Aufenthalt aber in Paris waren sie 2mal in Versailles. Sie hielten sich in Paris 2 Monate auf. Den 9ten Juli 1766 verließen sie Paris, begaben sich nach Dijon; in Dijon blieben sie 14 Tage; alsdenn nach Lyon, Genève, Lausanne und Bern. (In Lyon 4 Wochen, in Genève 3 Wochen, in Lausanne hielten sie sich wegen dem Prinzen Louis von Würtemberg 8 Tage9 auf.) Von Bern nach Zürich und über Winterthur nach Schaffhausen. In Zürich blieben sie 14 Tage10. Von Schaffhausen nach Donaueschingen, wo sie 14 Tage lang und zwar täglich bei dem Fürsten von Fürstenberg Musik machten. Von Donaueschingen nach Ulm, Dillingen (in Dillingen ließen sich die Kinder beym Fürsten hören), Augsburg, München, wo sich die Kinder wieder beym Churfürsten hören ließen. Der Sohn mußte beym Churfürsten ein Thema zu Papier setzen und solches ausführen, welches ihm der Churfürst vorsang. Er that solches in Gegenwart des Churfürsten, ohne ein Clavier oder Violine zu gebrauchen; wie er damit fertig war, spielte er es; so wohl der Churfürst als die andern, die solches hörten, waren voll Erstaunen. Endlich kamen sie wieder nach einer Reise von 31/2 Jahren zu Ende des Monats Novbr. 1766 glücklich in Salzburg an.

Den 11. September 1767 reiste die Mozart'sche Familie nach Wien zu denen Festivitäten, welche in Wien wegen[101] der Vermählung der Erzherzogin Josepha mit dem König von Neapel veranstaltet wurden. Sie waren kaum angekommen, so starb die Erzherzogin. Da alles wegen diesem Todesfall in Trauer war, wollten sie gleich wieder fortreisen, aber da der Kaiser öfters von ihnen sprach, so ließ man sie nicht fortreisen, weil man nicht sicher war, ob er sie nicht rufen ließ. Da aber auch die Erzherzogin Elisabeth krank wurde, ließen sie sich nicht mehr aufhalten und reisten nach Brünn und Olmütz. (Der Vater eilte auch deswegen von Wien fort, da die Blattern in Wien so stark grassirten und seine Kinder solche noch nicht gehabt hatten.) Da sich der Sohn bey ihrer Ankunft in Olmütz nicht wohl befand, so machte der Vater allein einen Besuch bey dem Grafen von Podstatsky, Domdechant alda, welcher auch zugleich Domherr in Salzburg war. Nun bekam der Sohn die Blattern und auch hernach die Tochter. Da der Graf Podstatsky von dem Vater erfuhr, daß er fürchte, der Sohn möchte die Blattern bekommen, gab er der ganzen Familie in der Domdechantey, wo er selbst wohnte, eine schöne Wohnung und Tafel, wo die Kinder auch glücklich die Blattern überstanden haben. Nachdem sie vollkommen hergestellt waren, reisten sie den 23ten December 1767 nach Brünn und dann wieder nach Wien, wo sie den 10. Jan. 1768 ankamen. Den 19. Jan. ließen sich die Kinder beym Kaiser Joseph hören; es war niemand dabei als die Kaiserin Maria Theresia, Prinz Albert von Sachsen und die Erzherzoginnen. Es wurde auch wegen den Kindern eine große Academie beym Prinz Gallitzin, dem russischen Gesandten, gegeben.

Der Vater ließ beym Hasse, Poeten Metastasio, duc de Braganza und Fürsten Kaunitz an jedem Ort die erste beste welsche Arie aufschlagen, und der Sohn componirte in Gegenwart dieser Personen die Musik mit allen Instrumenten dazu.[102]

Der Kaiser sagte dem Sohne, er möchte eine Opera schreiben. Der Kaiser ließ es auch dem Impresario, welcher das Theater in Verpacht hatte, wissen. DerImpresario machte auch mit dem Vater alles richtig. Der Sohn componirte die Opera. Sie wurde aber nicht aufgeführt – – – obwohl der Capellmeister Hasse, der Poet Metastasio solche ungemein lobten. Die Opera hieß: La finta semplice.11[103]

Bei der Benedicirung der Waisenhaus-Kirche auf der Landstrasse tactirte dieser 12jährige Knabe das Amt in Gegenwart des kaiserlichen Hofes. (Der Sohn componirte das Amt, das Offertorium12 und ein Trompeten-Concert dazu.) Im Decbr. 1768 kamen sie wieder zurück nach Salzburg.

Den 12. Decbr. 1769 reiste der Vater mit dem Sohne allein nach Italien über Inspruck, Bozen, Roveredo, Verona, Mantua, Mayland, wo sie den 25. Jan. 1770 anlangten. (Ehe sie die Reise nach Italien 1769 machten, wurde der Sohn Concert-Meister bey dem hochfürstl. Salzburg. Hof-Orchester.)

In Inspruck beym Grafen N.N. wurde eine Academie gegeben, wo der Sohn ein Concert prima vista spielte. In Roveredo spielte der Sohn die Orgel in der Hauptkirche, wo eine erstaunliche Menge Volks versammelt war. In Verona wurde eine Academie veranstaltet. Der Sohn spielte auch auf der Orgel in der Kirche St. Tomaso, wo sie vor der Menge des Volks nicht durch die Kirche zur Orgel kommen konnten; sie mußten durch das Kloster gehen. In Mantua wurden sie zu dem wöchentlichen Concert in dem Saal der Accademia filarmonica eingeladen. In Mayland machte er zwei lateinische Motetten für 2 Kastraten; er componirte auch verschiedene italiänische Arien und Symphonien. Der Sohn zeichnete sich besonders hier in Gegenwart des Maestro Sammartino und einer Menge der geschicktesten Leute in verschiedenen Proben seiner Wissenschaft aus. Es waren mehrere Academien in dem gräflichen Firmiani'schen Hause, wo sich der Herzog und die Prinzessin von Modena auch einfanden. Nachdem der Sohn die Scrittura zu der ersten Oper für den Carnaval 1771 bekommen[104] hatte, reisten sie den 15. März 1770 nach Parma, Bologna, Florenz, nach Rom, wo sie in der Charwoche ankamen. Mittwoch Nachmittags verfügten sie sich alsogleich in die Capellam Sixtinam, um das so berufene Miserere zu hören, und da der Sage nach solches abcopieren zu lassen unter der Excommunication der päbstl. Musik solle verboten seyn, so nahm sich der Sohn vor, solches wohl zu hören, und dann aufzuschreiben. Das geschahe auch; wie er nach Hause kam, schrieb er es auf; den folgenden Tag gieng er wieder hin, hielt seinen Aufsatz in dem Hut, um zu bemerken, ob er es getroffen oder nicht. Allein es wurde ein anderes Miserere gesungen. Am Charfreytag hingegen wurde das erstere abermahl wiederholt. Nachdem er nach Hause kam, machte er da und dort eine Ausbesserung, dann war es fertig. Das wurde nun bald in Rom bekannt; er mußte es in einer Academie beim Clavier singen. Der Castrat Christophori, der es in der Capelle sang, war zugegen.

Zu Bologna13 war der Lärm am größten, denn derPater Maestro Martini, jener starke Contrapunctist, war sammt allen übrigen Capellmeistern ganz außer sich, als ihm der Sohn über jedes Fugen-Thema, das ihm der Padre Martini hinschrieb, die dazu gehörige Risposta nach dem rigore modi angab und die Fuga augenblicklich auf dem Clavier ausführte.

In Florenz wurden sie sogleich zum Großherzog gerufen, bey dem sie sich 5 Stunden aufhielten. Die Verwunderung war hier um so größer, da der Marchese Lignivilie, Musikdirektor,[105] ein starker Contrapunctist, dem Sohn die schwersten Fugen vorlegte und die schwersten Themata aufgab, welche er gleich vom Blatte wegspielte und ausführte.

In Fiorenza machte der Sohn Bekanntschaft mit einem Engländer Tomaso Linley, ein Knab von 14 Jahren im nehmlichen Alter wie der junge Mozart, ein Schüler des berühmten Violinspielers Nardini. Dieser Knabe spielte recht bezaubernd die Violin. Dieser Engländer und der junge Mozart producirten sich abwechselnd, nicht wie Knaben, sondern als Männer.Linley kam noch den Tag ihrer Abreise zu ihnen, gab dem jungen Mozart unter vielen Umarmungen und Thränen eine Poesie, welche er von der Sigra. Corilla hatte verfertigen lassen, und begleitete ihren Wagen bis zum Stadtthor.

Neapel im Conservatorio alla pietà: da der Sohn spielte, verfielen sie alle auf den Gedanken, in seinem Ringe stecke die Zauberey; er zog den Ring ab, und dann war erst alles voll Verwunderung. In Neapel gaben sie eine große Academie bey dem kaiserl. Gesandten Gr. Kaunitz.

Zu Bologna wurde der Sohn den 9. Octobr. 1770 mit einhelliger Stimme als Mitglied und Maestro della Accademia filarmonica aufgenommen. Er wurde ganz allein eingesperrt, mußte eine vorgegebene Antiphona vierstimmig setzen, mit welcher er in einer halben Stunde fertig war. Da wurde ihm das Diploma überreicht. Wenn der Sohn nicht schon dieScrittura zu der ersten Carnaval-Opera 1771 nach Mayland gehabt hätte, so würde er solche zu Bologna, Rom oder zu Neapel bekommen haben.

Von Neapel reisten sie nach Rom wieder zurück. Der Pabst wollte den Sohn sehen und gab ihm das Kreutz und Breve als militiae auratae eques.

Den 10ten Juli reisten sie nach Civita castellana, wo[106] der Sohn in der Domkirche die Orgel spielte, Loretto, Sinigaglia, Bologna. Hier mußten sie sich länger aufhalten, weil sie auf der Reise umgeworfen wurden und der Vater sich am Fuß beschädiget hatte. Sie giengen dann mit dem Feldmarschall Grafen Pallavicini auf sein Landgut, bis der Fuß völlig wieder geheilet war; wäre dieser Zufall nicht gewesen, würden sie wieder nach Florenz, Pisa, Livorno und über Genua nach Mayland gegangen sein; so mußten sie schnurgerade nach Mayland gehen, wo sie zu Ende October ankamen. Hier componirte der Sohn dieOpera seria Mitridate, welche den 26. Decembr. 1770 das erstemal aufgeführet wurde. Diese Opera wurde etliche 20mal nacheinander aufgeführt. Daß die Opera Beyfall erhielt, kann man daraus schließen, weil die Impresa ihm alsogleich den schriftlichen Accord auf das Jahr 1773 gab. Da er die Opera schrieb, war er 14 Jahre alt.

Nachdem der Sohn die drey ersten Vorstellungen seiner Opera beim Clavier, wie es in Italien der Gebrauch ist, dirigirte, reisten sie nach Turin, die Opera zu sehen, kamen nach Mayland zurück, die 2te Opera zu sehen, dann gleich nach Venedig, um die letzten Tage des Carnavals alda zuzubringen. Da hielten sie sich bis den 12. März 1771 auf und giengen dann über Padua, Vicenza, Verona – in Verona bekam er auch das Diploma als Mitglied und Maestro di capella della Accademia filarmonica – nach Padua. Daselbst mußte er ein Oratorium Betulia liberata componiren14. Von Verona nach Roveredo, Trient, Inspruck nach Salzburg zurück. Der Sohn bekam in Italien den Namen: il cavaliere filarmonico.)[107]

Bey ihrer Ankunft fanden sie ein Schreiben von dem Grafen Firmian, Minister in Mayland, daß der Sohn von Ihrer Majestät der Kaiserin berufen sey, bey den im October dies Jahr in Mayland vorfallenden Hochzeitsfeyerlichkeiten des Erzherzogs Ferdinand die große theatralische Serenata zu schreiben. Da Se. Majestät den Herrn Hasse, als den ältesten Capellmeister, zur Composition der Opera bestimmt, so hatte sie den jüngsten zur Serenata gewählet. Die Serenata hieß Ascanio in Alba. Den 13. August 1771 reisten sie nun wieder nach Mayland, wo sie den 21ten Aug. anlangten. Den 17ten Octbr: wurde dieSerenata das erstemal aufgeführet. Mit der Opera und Serenata wurde, so lange die Feyerlichkeit dauerte, immer abgewechselt. Den 13. Decbr. 1771 kamen sie wieder nach Salzburg zurück.

Im Jahr 1772 machte der Sohn zur Wahl des Erzbischofs zu Salzburg eine Serenata: IL sogno di Scipione.

Den 24ten Octbr. 1772 reiste der Vater das 3temal mit dem Sohn nach Italien, wo der Sohn in Mayland die Opera seria Lucio Silla für den Carnaval 1773 schrieb. Die Opera wurde 26mal aufgeführt. Den 13. März 1773 kamen sie wieder zurück.

Im Monat Juli 1773 machte der Vater eine kleine Reise nach Wien mit dem Sohne; im Octobr. kamen sie wieder zurück.

Den 9. Decbr. 1774 machte der Vater mit dem Sohne eine Reise nach München. In München componirte der Sohn eine Opera buffa La fintagiardiniera. Es wurden auch 2 große Messen von der Composition des Sohnes in der Hof-Capelle gemacht. Den 7. März 1775 kamen sie wieder zurück.

Im Monat April 1775 machte der Sohn eine Serenata [108] Il re pastore bei dem Aufenthalt des Erzherzogs Maximilian in Salzburg.

Den 23. September 1777 reiste der Sohn mit seiner Mutter nach Paris. Es würde zu seinem Vortheile gewesen sein, wenn er in Paris geblieben wäre, allein er fand so wenig Geschmack an der französischen Musik, daß er mit Freuden nach Deutschland zurück kehrte. Er componirte in Paris eine Sinfonie für dasConcert Spirituel, eine Sinfonie concertante, ein Concert für die Flöte, ein Concert für die Harfe, ließ auch 6 Sonaten in Paris stechen, welche er der Churfürstin in der Pfalz dedicirte. Den 3ten Juli 1778 starb die Mutter in Paris im 58ten Jahre ihres Alters. Im Monat Jan. 1779 langte er wieder bey seinem Vater in Salzburg an.

Den 8ten Novbr. 1780 reiste der Sohn nach München, wo er eine Opera seria Idomeneo für den Carnaval 1781 schrieb. Da Seine Hochfürstl. Gnaden der Erzbischof von Salzburg nach dem Carnaval nach Wien reiste, wurde er zu ihm nach Wien berufen; er reiste also gleich von München aus nach Wien.

(Der Vater starb in Salzburg den 28. May 1787.)

5) Was nun seinen weiteren Lebenslauf betrifft, müssen Sie sich in Wien darnach erkundigen.

6) Nach erhaltener Nachricht aus Wien ist er den 5ten Decbr. 55 Minuten nach Mitternacht 1791 in einem hitzigen Frieselfieber gestorben. Im Jahr 1788 bekam ich die Nachricht von Wien, daß er wirklich in die kaiserlichen Dienste getreten ist; das Uebrige ist wieder in Wien zu erfahren, so auch wer seine Frau war, wie viel Kinder er mit ihr erzeuget habe, wie viele davon noch leben etc.

7) Er kam in seinem 24. Jahr nach Wien, wo er nun schon bereits 10 Jahr war. Er wird sich wohl in dieser[109] Zeit in der Composition um vieles gebessert haben, da schon 1785 der berühmte Herr Joseph Haydn zu seinem Vater, der damals in Wien war, sagte: »Ich sage Ihnen vor Gott als ein ehrlicher Mann, ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von Person und dem Namen nach kenne; er hat Geschmack und über das die größte Compositions-Wissenschaft«.

Er war, so bald er beym Clavier saß, ganz Meister; er bemerkte bey der vollständigsten Musik den kleinsten Mißton und sagte gleich, auf welchem Instrumente der Fehler geschah, ja sogar welcher Ton es hätte seyn sollen. Ueber das kleinste Geräusch bey einer Musik wurde er aufgebracht. Kurz, so lange die Musik dauerte, war er ganz Musik; sobald sie geendet, sahe man wieder das Kind.

8) Er wurde weder zum Componiren noch zum Spielen gar niemals gezwungen, im Gegentheil mußte man ihn immer davon abhalten, er würde sonst Tag und Nacht beym Clavier oder beym Componiren sitzen geblieben seyn.

9) Ist No. 2 beantwortet worden.

10) Aus einem Brief gezogen aus London. Daß Herr Baron von Grimm dem Vater Vorschläge machte wegen Rußland und wegen dem Erbprinzen von Braunschweig. Wir sind respective nach Hamburg verschrieben, wir könnten nach Koppenhagen reisen, da sowohl der königl. dänische Gesandte in Paris, als auch der von hier eine gewisse Summe im Voraus garantiren wollten. Der Prinz Gallizin wollte mich auch bereden, nach Rußland zu gehen.

11) Als Kind schon hatte er Begierde, alles zu lernen, was er nur sahe; im Zeichnen, Rechnen zeigte er viele Geschicklichkeit; doch da er mit der Musik zu viel beschäftiget war, so konnte er in keinem andern Fach seine Talente zeigen.

Fußnoten

1 Wohl ein Schreibfehler. O. Jahn giebt in seiner Biographie Mozart's (1. Ausgabe I. 24, 2. Ausg. II. 589) 1747 als das Jahr der Verheirathung an. Nissen hat (Biogr. S. 12) auch 1743.


2 Im Salzburger Kirchenbuche ist nach O. Jahn (a.a.O.) »Hildenstein« angegeben. Ein Ort dieses Namens bei St. Gilgen ist nicht bekannt, wohl aber das Schloß »Hüttenstein«.


3 Soll wohl heißen: mit ihnen, mit den Kindern.


4 Nämlich bei der am 5. Juni 1764 stattgefundenen Akademie.


5 Nach Leopold Mozart's Brief vom 28. Juni 1764 fand das Benefiz in Kanelagh (im Saale des Kanelagh-Gartens) statt. – Vgl. C.F. Pohl's »Mozart in London« S. 105.


6 S. Köchel's Verz. Nr. 32.


7 Ebenda Nr. 24 und 25.


8 Darunter die Arie bei Köchel Nr. 23.


9 Nach Nissen (S. 117) nur 5 Tage. Vgl. auch O. Jahn, 2. Ausg., I. 46.


10 Daß Mozart in Zürich »Concert« gegeben habe, wird in der Leipziger Allg. Musik. Zeitung vom 3. Juli 1816 (S. 458) erwähnt.


11 Später kam die Oper in Salzburg zur Aufführung. Eine uns von anderer Seite zugekommene Abschrift des Salzburger Theaterzettels lautet:


La Finta Semplice Dramma Giocoso per Musica

Da rappresentarsi in corte per ordine di S.A. Reverendissima

Monsignor

Sigismondo Arcivescovo

e Prencipe

di Salisburgo.

Prencipe del S.R.I.

Legato Nato della S.S.A.

Primate della Germania e dell antichissima famiglia

dei conti di SCHRATTENBACH. etc. etc.

Salisburgo Nella Stamparia di Corte 1769.


Personaggi.


Fracasso Capitano UngareseNinetta Cameriera

Il Sig. Giuseppe Meisner.La Sig. Maria Anna Fösomair.

Rosina Baronessa Sorella diDon Polidoro Gentiluomo

Fracasso, la quale si fingesciocco Fratello di Cassandro

SempliceIl Sig. Francesco Antonio

La Sig. Maria MadalenaSpizeder.

Haydn.Don Cassandro Gentiluomo

Giacinta, sorella di Donsciocco ed Avaro Fratello

Cassandrodi Polidoro

e Don PolidoroIl Sig. Giuseppe Hornung.

La Sig. Maria AnnaSimone Tenente del Capitano

Braunhofer.Il Sig. Felice Winter.


Tutti in attual servizio di S.A. Reverendissima etc.La Musica è del Signor Wolfgango Mozart in Età die Anni dodici.


12 Köchel's Verz. Nr. 49 und 47.


13 Die Erzählung ist von hier an nicht ganz chronologisch. Der Aufenthalt in Bologna und Florenz fand vor dem ersten Aufenthalt in Rom statt; von Rom wurde nach Neapel gereist; von hier ging es wieder nach Rom und dann wieder nach Bologna, wo Mozart zum Maestro der Accademia filarmoninca ernannt wurde.


14 Bei O. Jahn (a.a.O., 2. Ausg. I. 196) ist das nur Vermuthung. Vgl. auch Köchel's Verz. Nr. 118. Möglich, daß die Composition in Padua nur begonnen wurde.


Quelle:
Mozartiana. Nach aufgefundenen Handschriften herausgegeben von Gustav Nottebohm, Leipzig 1880, S. 110.
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