XVII.

Liszt's Orgelwerke.

Liszt's Orgelmusik im Gegensatz zu Joh. Seb. Bach's. Ihr Stylprincip. Liszt's Fugensatz. Die leitenden Ideen der Fuge: »Ad nos, ad salutarem« und der B-A-C-H-Fuge. Originalwerke. Die Variationen über Bach's »Weinen, klagen, sorgen, zagen.« Die Orgel-Messe. Kleinere Werke. Uebertragungen eigener Kompositionen und Stücke anderer Meister. Ungedruckte Orgelstimmen Liszt's.


Für Klaviermusik Liszt's trat seine der Orgel gewidmete Literatur, die, wenn auch klein im Vergleich mit jener, dennoch nicht allein den allgemeinen Orgelschatz mit eigenartigen Meisterwerken bereichert hat, sondern auch der Fortentwickelung der Orgelmusik als Gattung einen nicht unerheblichen Anstoß gab.1Dr. H. Reimann2 bezeichnet Liszt als den ersten Künstler und Meister, der seit Bach der Orgel wieder vollstes Verständnis und begeisterungsvolle Hingabe entgegen gebracht habe. »Seinem über alle Begriffe feinen Tonsinn« – sagt er – »konnte der in der Orgel verborgene Schatz lauteren und reinen Wohlklangs, ihre Macht und majestätische Fülle, die hinreißende Gewalt ihrer Tonsprache und der ästhetische Zauber ihres zarten Gesanges nicht entgehen. In diesem Sinne hat er Werke geschaffen – nicht viele zwar –, aber unvergängliche, so lange es noch einen denkenden und fühlenden Organisten giebt.«

Die charakteristischen Grundzüge der Orgelwerke Liszt's werden sich nur im Hinweis auf den größten Orgelmeister aller Zeiten, auf J. Seb. Bach, feststellen lassen. Der neue Schritt, den [349] Liszt für die Weiterentwickelung der Orgelmusik gethan, liegt in einer jenem entgegengesetzten Richtung. Das zeigt sich vor allem in den andern tonalen Verhältnissen: Bach's Werke haben die alt-kirchliche Diatonik zu ihrer Voraussetzung, in ihr leben und weben sie – die Werke Liszt's wurzeln in der modernen Diatonik, ihr engstverbunden die Chromatik und Enharmonik. Bei Bach sind sie formell objektiv-gehalten, bei Liszt subjektiv-frei; dort wurzeln sie in der Polyphonie, hier in der Homophonie, die zur Polyphonie vorgeht. Liszt hat den Akkord mit allen seinen Beziehungen moderner Errungenschaft dem Orgelgebiet übergeben und ihm damit einen Keim erneuter Fruchtbarkeit eingepflanzt, und durch ihn der Polyphonie selbst ein mächtiges Ausdrucksmittel geschaffen. Die Technik des Orgelspiels erhielt hiermit im Zusammenhang neue Wendungen, gewissermaßen erweiterte Ausgangspunkte, neue Klangweisen, sowie eine eminente Steigerung virtuoser Aufgaben.

Der Orgel-Originalwerke des Meisters sind nur wenige. Da er jedoch auch eine gute Anzahl Kompositionen der Orgel übertrug und er dabei – wie gegenüber dem Klavier – sie gleichsam aus dem Wesen des Instruments heraus neu schuf, so mehrt sich der ihm zu dankende Orgelschatz nicht unerheblich einerseits, und anderseits repräsentiren die Transskriptionen im Zusammenschluß mit jenen den specifisch Liszt'schen Orgelsatz in seiner polyphonen, wie homophonen Gestaltung. Er steht unter demselben Stylgesetz wie seine symphonischen und alle seine Werke.

Seine Fuge bewegt sich frei. Trotz der Freiheit aber, mit welcher sein Genius die klassischen Formsatzungen überfliegt, bleibt das eiserne Festhalten der Themen, die thematische Logik die Grundlage, das Gesetz seiner Fugensätze. Er stellt die Fuge in dichterische Regionen. Sie ist ihm Ausdrucksmittel des Gefühls und des Gedankens, deren Lebensquelle einer bestimmten Idee entfließt, wie wir es gelegentlich der Beleuchtung der Epimetheus-Fuge (»Prometheus«) darzulegen versucht3, und wie die Sandkorn- (»Ideale«), die Mephisto- (»Faust«), die Purgatorium-Fuge (Dante-Symphonie) u.a. es belegt haben. Selbst da spricht sich dasselbe Princip aus, wo die Fuge als Selbstzweck aufzutreten scheint, wie bei seiner Orgelfuge über den Choral: »Ad nos, ad salutarem undam« und bei der B-A-C-H-Fuge. Bei dem[350] ersteren Werk ist der Inhalt des Chorals – sein Text – die leitende Idee; bei dem zweiten: »Bach«. Hätte Liszt nie ein Wort weder der Verehrung noch des Verständnisses über diese Meister-Größe geäußert, die B-A-C-H-Fuge würde verrathen, wie sein Auge ihn erschaut. Hier ist der Genius selbst das Thema –: das Geheimnisvolle seiner Art, seine überwältigende Kraft und Ausdehnung zum Unfaßlichen, und das noch größere Geheimnis eines inneren Gesetzes, das seine Bewegungen, so sanft wie bestimmt, in seine Formen gießt. Ähnlich, wie Liszt's »Fest-Vorspiel« zur Enthüllung des Göthe-Schiller-Monumentes den Weimaraner Dichtergeistern sein »Salve« zuruft, so ist diese Fuge seine Erkennungsformel für den Genius Joh. Seb. Bach.

Die Orgelkompositionen Liszt's theilen sich – gleich denen für Klavier – in Originalschöpfungen und in Bearbeitungen und Übertragungen. Erstere gipfeln in vier Werken: in den soeben genannten, welchen sich noch zwei, ein der römischen Periode angehörendes Variationenwerk und eine Orgelmesse, beigesellen. Die Phantasie und Fuge über den Choral »Ad nos, ad salutarem undam«4 (Meyerbeer gewidmet, und die IV. der Propheten-Illustrationen) entstand 1850/515 –, dieB-A-C-H-Fuge6 (Alex. Winterberger gewidmet) 1854/55 –, die Variationen7 über denBasso continuo des ersten Satzes der Kantate: »Weinen, klagen, sorgen, zagen« und das Crucifixus der H moll-Messe von J.S. Bach (A.W. Gottschalg dedicirt) 1863 –, die Missa pro Organo8 1878/79.

Bei dem dritten Hauptwerk, den Variationen über den chromatischen Basso continuo der Kantate:


»Weinen, klagen –

sorgen – zagen –

sind der Christen Thränenbrod,«[351]


ergreift der Meister sein Thema ebenfalls dichterisch. Die Komposition, von tiefsinniger, kontrapunktischer Arbeit, ergeht sich anscheinend in freier Phantasie – keine der Variationen ist als solche bezeichnet oder formell abgeschlossen. Bald aber lassen sich, verwoben im Ganzen, vier Variationen unterscheiden, deren eine »Weinen«, die andere »Klagen«, die dritte »Sorgen«, die vierte »Zagen« zu ihrem Text genommen. Übergangssätze lösen die eine in psychologischem Fluß in die andere. Die hier ertönenden Seelenzustände sind von einem Ausdruck, als sei er in unmittelbarer Wahrheit Thränen und Schmerzen entrungen. »Plus que serieuse« bezeichnete sie einstmals der Meister, und als man ihm gegenüber die Dissonanzen des Satzes erwähnte, entgegnete er: »noch viel zu süßlich und zahm.« – Ergreifend ist der Schlußsatz mit dem Choral:


»Was Gott thut, das ist wohlgethan,

Dabei will ich verbleiben –.«


In ihm beugt sich das Gemüth, um, Gott gestählt, aus der Demuth sich empor zu richten.

Harmonisch liegen Schätze in diesem Werk. Hier sei nur auf den merkwürdigen Harmoniegang der Ganzton-Leiter mit dem chromatischen Thema in der Oberstimme (Orgelausgabe, Seite 11) hingewiesen.

Die Orgel-Variationen besitzen einen kleinen Klavier-Vorläufer in dem »Weinen, Klagen« etc. Präludium nach J.S. Bach9 – ein Albumblatt aus der Weimarzeit für Anton Rubinstein. Die Bearbeitung der Orgel-Variationen für Klavier10 aber – für den Virtuosen eine Aufgabe ersten Rangs – gehört dem Jahr 1870 (Rom) an und ist gleichfalls Rubinstein zugeeignet. Im selben Jahr übertrug der Meister dem Klavier die B-A-C-H-Fuge11, die wie die Variationen, eine pianistische Riesenaufgabe ist.

Das Thema: »Sorgen, Weinen« etc. wurde von Liszt auch orchestrirt, blieb aber unveröffentlicht.

Die Missa pro Organo lecturam celebrationi Missarum adjumento inserviens12 endlich (A son Altesse Mme. la[352] Princesse Carolyne Wittgenstein) ist ein liturgisches Werk. Dem praktischen Gottesdienst, der Begleitung der stillen Messe, gewidmet, bewegt es sich formell in den hier vorgeschriebenen Normen des römisch-katholischen Kultus. Andacht inspirirt, dem Charakter des gottesdienstlichen Vorgangs hingegeben, ist das Werk von größter Einfachheit – seine Form: Gebet. Die Einzelsätze (Kyrie, Gloria, Graduale [ad libitum], Credo, Offertorium, Sanctus, Benedictus, Agnus dei) sind kurz, in sich abgeschlossen, aber thematisch verbunden, die Harmonien in altkirchlicher Weise konsonirend.

Einige kleine Orgel-Original-Kompositionen bleiben noch zu nennen: die Litanei »Ora pro nobis«13 nach einem Jerusalem'schen Motiv (dem Fürsten Gust. Hohenlohe-Schillingsfürst dedicirt), komponirt 1864 (Rom), und zwei Vortragsstücke14 (Introitus und Trauerode), von denen der Introitus, mit einem harmonisch merkwürdigen Orgelpunkt-Schluß von 26 Takten, 1884 (Weimar) am Tage nach dem Bach-Fest (Oktober) zu Arnstadt entstand, aber die »Trauerode« die Orgelübertragung einer früheren Orchester-Komposition ist.

Die Übertragungen und Bearbeitungen Liszt's für die Orgel betreffen theils seine eigenen Kompositionen, theils solche an derer Meister. An der Spitze der ersteren steht die: Einleitung, Fuge und Magnificat aus der Divina commedia15. Von Gottschalg übertragen, revidirte sie der Meister und komponirte speciell zu dieser Ausgabe den mächtigen Schluß – 18 Takte auf den Bässen: H-A-G-F-Es-Des (Cis) 17. Liszt's Orgelwerke. Neben diesem Werk steht das zu Anfang der 1880ger Jahre für die Orgel eingerichtete Requiem16 für Männerstimmen. Die Orgelübertragung ist zum Gebrauch beim Gottesdienst bestimmt und bringt die Hauptsätze der Todtenmesse in möglichst gedrängter Fassung. Dann übergab er der Orgel die symph. Dichtung »Orpheus«,17 die, anfänglich von R. Schaab übertragen, einer vollständigen[353] Umarbeitung seitens Liszt's unterzogen wurde; – das Andante religioso aus der Berg-Symphonie18; – die unter der Bezeichnung Adagio19 dem Töpfer-Album eingereihte »Consolation« in Des (Nr. 4). Die genannten Orgelbearbeitungen fallen in die Weimarperiode 1857–1861. Folgende entstanden in Rom: 1863 Der Papst-Hymnus20, welcher die mit einigen Einleitungstakten versehene zweite Hälfte (Simon Joannis diligesme?) der »Gründung der Kirche« des dazumal noch nicht beendeten »Christus«-Oratoriums, und nicht zu verwechseln ist mit der Übertragung: »Tu es Petrus«,21 welche zum Theil eine freie Bearbeitung des Satzes: »Gründung der Kirche« ist (das letztgenannte Orgelstück wurde in Rom zur 1800. Geburtstagsfeier des St. Petrus exekutirt); – 1865 Weimar's Volkslied22; – 1868 Offertorium aus der ungarischen Krönungsmesse23 (dem Kardinal und Fürsten Gustav v. Hohenlohe gewidmet); – 1875 (?) Zwei Kirchenhymnen, Salve Regina und Ave maris stella,24 wovon die erstere der Hymnen eine Übertragung des gregorianischen Kirchengesangs, die zweite eine Übertragung des gleichnamigen Kirchenchors25 ist; – 1875 (?) Preludio zu den »Glocken von Straßburg«,26 dessen Hauptmotiv:


17. Liszt's Orgelwerke

R. Wagner bekanntlich seinem »Parsifal« einverleibt hat;27 – 1880 »Ungarns Gott«;28[354] 1879 (?) die schon erwähnte »Trauerode«29, die Übertragung einer noch unedirten Orchesterkomposition »Les Morts«, die mit dem nach R. Pohl's Verzeichnis im Jahr 1860 entworfenen »Les Morts«(Oraison) identisch sein dürfte; – und endlich eine kleine Arbeit des Meisters, von der sich noch nicht feststellen läßt, wann und zu welcher Gelegenheit sie entstanden ist, deren Revision aber in das Jahr 1885 fällt.30 Sie ist betitelt: »Zur Trauung« mit dem Zusatz: »Geistliche Vermählungsmusik für Orgel oder Harmonium (mit Gesang nach Belieben) zum kirchlichen oder Koncertgebrauch«.31 Dieser Vermählungsmusik liegt das zur Zeit seiner italienischen Reiseperiode nach Rafael's Bild komponirte »Il Sposaligio«32 zu Grunde, und läßt sich im Vergleich mit diesem Klavierpoëm eben sowohl als Entwurf sowie auch als ein verklärter Nachhall desselben auffassen. Letztere Annahme will aber der hier waltenden durch- und vergeistigten Stimmung wegen näher liegen als die erstere. Der Orgelbearbeitung unterbreitete der Meister dem zweiten Hauptmotiv Worte in zweifacher Version: den Anruf: »Ave Maria, ave Maria!« und: »Geist der Liebe, segne uns, segne uns!«, die erst ein Altsolo singt, dann ein Frauenchorunisono wiederholt. Das Ganze besteht aus nur wenigen Noten; es ist mehr hehrer Hauch der Stimmung, als Komposition im Sinne des Sprachgebrauchs. Die zweite Hälfte – da, wo das »Geist der Liebe, segne uns!« eintritt, ruht auf einem Orgelpunkt: E, dann Eis, dann Gis, alsdann der Schlußbaß: Cis (Cisdur). Die Komposition selbst schwebt zwischen E- und Cisdur. Ihre Bestimmung »zum Kirchengebrauch« ist sehr zu betonen für alle Konfessionen.

Liszt's Orgelübertragungen von Kompositionen anderer Meister kulminiren in Joh. Seb. Bach's Einleitung und Fuge[355] der Cantate: »Ich hatte viel Bekümmernis« und dem Andante »Aus tiefer Noth« (Professor Töpfer gewidmet).33 Die Umbildung der Gesangsfuge in einen Orgelsatz gehört dem Ende der Weimarzeit (1860) an. Bach's hochschwellendes Loblied in Fugenform – »Lob und Ehre und Preis und Gewalt sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit!« – hat in seiner Übertragung auf die Orgel – wohl das einzige Instrument, das eine solche duldet – nichts von seiner wunderbaren Herrlichkeit eingebüßt. Sie ist ein Prachtwerk, würdig neben dem Original. Liszt's mächtig aus dem Fugenthema herausgewachsener Schluß (S. 8) ist im Bachschen Geist erfunden. Mit Vorliebe – ich hörte ihn nie diese Fuge erwähnen, ohne den Beisatz: »ein herrliches Werk« –, aber nicht ohne Mühe entstand diese Orgel-Fuge. Der Meister revidirte und änderte immer wieder von neuem, bis zu des Verlegers Händen.

Auf der Altenburg entstanden ferner: 1852 die »Kirchliche Fest-Ouverture über den Choral »Ein feste Burg ist unser Gott« von O. Nicolai34; – 1858 (2. Bearbeitung für Orgel oder Harmonium35: Rom 1863) Chor der jüngern Pilger »Der Gnade Heil« aus R. Wagner's »Tannhäuser«36; – in Rom: 1862/63 Evocation à la Chapelle Sixtine: Miserere von Allegri und Ave verum corpus von Mozart37;Ave Maria von Arcadelt38 (A.W. Gottschalg gewidmet); – Chopin's Präludien opus 28 Nr. 4 und 939; – 1864 Orlando di Lasso's:Regina coeli laetare40; – in Weimar: 1879 Agnus Dei aus dem Requiem von Verdi41; – und endlich 1883 im Dezember als Schlußwerk: die Bearbeitung des Chorals von Bach: »Nun danket alle Gott« (Chor und Begleitung der Trompeten, Posaunen und Pauken ad lib.)42, geschrieben zur Eröffnung der großen Orgel in Riga und dem derzeitigen Nestor der theol. Fakultät zu Jena, Geheimrath Dr. Karl Hase gewidmet.[356]

Bei einigen seiner Orgel-Kompositionen und Bearbeitungen faßte Liszt zwei verschiedene Stücke zusammen, wie auch bei manchen seiner Liedübertragungen für Klavier (z.B. bei Rob. Franz' »Schilfliedern«, den »Chants Polonais« nach Chopin, Schumann's »Sonnenschein« und »Röslein roth«), denen er damit einen Kontrast, eine poetische Beleuchtung, auch eine erweiterte Stimmung schuf. Derselbe Grundzug herrscht auch hier, aber auf religiösem Boden. Der Schluß seiner großen Orgel-Variationen »Was Gott thut, das ist wohl gethan«, giebt dem »Sorgen, Klagen« die Antwort, – in der »Evocation« folgt dem Klagelaut des Bußpsalms das erbarmungsvolle »Ave verum«.

Außer dem schon oben genannten Klag'- und Sorgenthema instrumentirte der Meister noch die »Evocation«, die, gleich jenem, noch Manuskript ist43.

Den Arbeiten für die Orgel schließt sich noch an: (Rom) 1869: das »Offertorium und Benedictus« aus der ungar. Krönungsmesse für Violine und Orgel44 und 1862 ein »Hosannah!« für Baß-Posaune und Orgel45, sowie eine ebenfalls 1862 entstandene Posaunen- und Orgelübertragung der Arie des »Stabat mater« von Rossini46. Der Meister komponirte und setzte beide speciell für den Posaunenvirtuosen Große zu Weimar.

Dem »Hosannah!« gegenüber bleibt ein Irrthum zu berichtigen. – Durch ein Mißverständnis, herbeigeführt durch die gleichzeitig mit dem »Hosannah« zum Stich übergebene Orgelübertragung »Ave Maria« von Arcadelt, wurden beide Stücke unter dessen Namen zusammengezogen resp. edirt. Das Stück aber ist eine Original-Komposition Liszt's – ein Nachklang des zur selben Zeit entstandenen »Sonnen-Hymnus« des h. Franc. von Assisi. Die Einleitung beider stimmt überein:


17. Liszt's Orgelwerke

[357] Das Lobpreisungsmotiv des »Sonnen-Hymnus« ist im »Hosannah« das Hauptthema.


17. Liszt's Orgelwerke

Bezüglich eines Klavierstücks läßt sich derselbe Irrthum nachweisen. Das mit der Übertragung »Ave Maria« von Arcadelt gleichzeitig in einem Heft erschienene »Alleluja« ist nicht von dem altrömischen Meister, auch nicht von Liszt »transkribirt«, sondern von ihm komponirt. Abgesehen davon, daß er diese Verwechslung gegenüber seinen Schülern mehrmals richtig gestellt hat, so ergiebt sich der Beweis aus dem Stücke selbst, indem es ebenfalls Themen mit seinem »Sonnen-Hymnus« gemein hat, hier aber mit den mehr doxologischen Partien desselben.

Als Revident war Liszt ebenfalls auf dem Gebiet der Orgelmusik thätig. Gottschalg's Repertorium für Orgel, Harmonium oder Pedalflügel47 hat nicht nur durch seine Beiträge an Kunst- und Fachwerth gewonnen: der ganzen Sammlung verlieh seine Revision, die sich auf manchen künstlerischen Rathschlag und insbesondere bei Übertragungen auf manchen thatsächlichen Eingriff bezüglich des Orgelsatzes ausdehnte, noch jenen Prestige, der allem haften bleibt, was das Genie berührt.


Von noch unedirten Orgelstimmen – soweit mir solche bekannt – sind zu nennen: eine solche zu der Männergesang-Ausgabe von »Weimars Volkslied«. Sodann: eine Orgelstimme zum XIII. Psalm. Ihr Manuskr. trägt das Datum: Rome 24. Mai 65, Vatican. Die erstere besitzt Gottschalg, die zweite – mit der handschriftlichen Widmung des Meisters: »H.J.J. van Bree avec mille affectueux remerciment pour le Direction de ce Psaume, 25. Avril 66 à Amsterdam« ist gegenwärtig im Besitz des damaligen Tenorsängers Mynheer P.A.L. van Ogtrop. Bei der Amsterdamer Aufführung wurde die Orgelstimme mit benutzt. Und endlich: die Rosenkranz-Andachten »Rosario«, skzzirt Monte Mario 1863/66, komponirt 1879 Villa d'Este, welche das Liszt-Museum zu Weimar besitzt.

Fußnoten

1 Siehe Seite 109 u.f.


2 In der Besprechung von Ph. Spitta's »Zur Musik.« – »Allg. Musik Ztg.« 1992 Nr. 40.


3 X. Kapitel.


4 Edirt 1852 –: Breitkopf & Härtel.


5 Ihre erste öffentliche Vorführung erfolgte durch Alex. Winterberger bei Einweihung der Merseburger Domorgel 1854.


6 Edirt erste Ausgabe 1855 –: de Bletter, Rotterdam. Edirt zweite Ausgabe 1859 –: Schuberth & Co. (Gottschalg's Orgel-Repertorium Nr. 24).


7 Edirt 1864 –: G.W. Körner (Erfurt) Leipzig, jetzt im Besitz von C.F. Peters in Leipzig.


8 Edirt: 1880 –: C.F. Kahnt.


9 Edirt 1863 –: M. Schlesinger.


10 Edirt 1875 –: ebendaselbst.


11 Edirt 1871 –: C.F.W. Siegel, Leipzig.


12 Autographirte Ausgabe 1879 –: P. Manganelli, Roma.


13 Edirt 1864 –: C.W. Körner, jetzt C.F. Peter's Verlag.


14 Edirt 1887? –: C.W. Körner nach des Meisters Tod von A.W. Gottschalg in seinem: »Der wohlgeübte Organist«, II. Theil herausgegeben. 1890 –: Seperatausgabe: C.F.W. Siegel (R. Linnemann).


15 Edirt 1869 –: Schuberth & Co. (Gottschalg-Repertorium 1. Heft).


16 Edirt 1885 –: C.F. Kahnt.


17 Edirt 1871 –: Schuberth & Co. (Gottschalg-Repertorium 2. Heft).


18 Edirt 1869 –: Rieter-Biedermann, (Leipzig u. Winterthur) 8. H.


19 Edirt 1867 –: Rieter-Biedermann, (Leipzig u. Winterthur) 8. H.


20 Edirt 1864 –: C.W. Körner.


21 Die im »Themat. Verzeichnis der Werke Liszt's« (1876) daselbst aufgenommene Übertr. ist vom Meister selbst und nicht von B. Sulze. Dagegen ist die Nummer »Einleitung zur St. Elisabeth« von Müller-Hartung übertragen, doch ist sie von Liszt revidirt.


22 Edirt 1873 –: T.E.A. Kühn, Weimar (2. Auflage 1874 für Orgel oder Harmonium).


23 Edirt 1871 –: Schuberth & Co. (Gottschalg-Repert. 22. Heft).


24 Edirt 1880: – C.F. Kahnt.


25 Zwölf Kirchen-Chorgesänge Nr. VII.


26 Noch MS.; in den Händen der Firma: Schuberth & Co.


27 Im »Parsifal«:


17. Liszt's Orgelwerke

und:

17. Liszt's Orgelwerke

28 Edirt 1881 –: Taborszky & Parsch.


29 Edirt 1886 –: G.W. Körner (1890: C.F.W. Siegel). Nach des Meisters Tod von A.W. Gottschalg herausgegeben.


30 – nach einer mir von seinem Schüler Aug. Göllerich gemachten Mittheilung, welcher in diesem Jahr (1885) und in den nächsten Monaten häufig um den Meister weilte und eine Reinschrift besorgte. Er veranlaßte auch die erste und bis jetzt einzige Vorführung dieser Musik, gelegentlich der 25jährigen Bestehungsfeier der Musikschule Ramann-Volkmann zu Nürnberg im Oktober 1890.


31 Edirt 1890 –: Breitkopf & Härtel. Herausgegeben von? nach des Meisters Tod.


32 Siehe I. Bd. S. 527 u.f.


33 Edirt 1869 –: Schuberth & Co. (Gottschalg-Repert. 1. Heft).


34 Edirt 1852 –: Fr. Hofmeister.


35 Edirt 1863 u. 1864 –: C.F. Meser, jetzt: Ad. Fürstner, Berlin.


36 Edirt 1863 u. 1864 –: C.F. Meser, jetzt: Ad. Fürstner, Berlin.


37 Edirt 1864 –: G.W. Körner, jetzt: C.F. Peters.


38 Edirt 1864 –: G.W. Körner, jetzt: C.F. Peters.


39 Edirt 1869 –: Schuberth & Co. (Gottschalg-Repertor. 5. Heft).


40 Edirt 1869 –: Schuberth & Co. (Gottschalg-Repertor. 2. Heft).


41 Edirt 1879 –: Schuberth & Co. (Gottschalg-Repertor. 2. Heft).


42 Edirt 1884 –: Breitkopf & Härtel.


43 Vermuthlich im »Nachlasse« des Meisters zu finden.


44 Edirt 1871 –: Schuberth & Co. (Gottschalg-Repert. 23. Heft).


45 Edirt? –: T.F.A. Kühn, jetzt: Verlagseigenthum von R. Sulzer, Berlin.


46 Edirt 1870 –: Schott's Söhne.


47 Edirt I. Serie 1.–12. Heft 1869 –: Schuberth & Co.

Edirt II. Serie 13.–24. Heft 1871 –: Schuberth & Co.

Quelle:
Ramann, Lina: Franz Liszt. Als Künstler und Mensch, Band 2.2, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1892.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Klopstock, Friedrich Gottlieb

Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne

Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne

Von einem Felsgipfel im Teutoburger Wald im Jahre 9 n.Chr. beobachten Barden die entscheidende Schlacht, in der Arminius der Cheruskerfürst das römische Heer vernichtet. Klopstock schrieb dieses - für ihn bezeichnende - vaterländische Weihespiel in den Jahren 1766 und 1767 in Kopenhagen, wo ihm der dänische König eine Pension gewährt hatte.

76 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon