138.

[271] Mannheim den 3ten Decber

1778


Monsieur

mon trés cher Pére!


Ich habe sie wegen zwey sachen, um verzeihung zu bitten; Erstens, daß ich ihnen so lange nicht geschrieben, und zweytens, daß ich für diesmal kurz seyn muß; – daß ich ihnen so lange nicht geantwortet, ist kein Mensch ursach als sie selbst – durch ihren ersten brief nach Mannheim1; – ich hätte mir wahrhaftig niemalen vorgestellt, daß – doch stille, ich will nichts mehr davon sagen; – denn es ist nun alles schon vorbey; künftigen Mittwoch, als den 9ten reise ich ab – ehender konnte ich nicht, denn, weil ich noch ein paar Monathe hier zu verbleiben glaubte, übernahm ichscolaren – und da wollte ich doch meine 12 lectionen ausmachen; – ich versichere sie, sie [271] können sich gar nicht vorstellen, was für gute und wahre freünde ich hier habe – mit der zeit wird es sich gewis zeigen; – warum ich kurz seyn mus? – weil ich die hände voll zu thun habe; – ich schreibe nun dem hl: v: gemmingen, und mir selbst zu liebe den Ersten act der Deklamierten opera (die ich hätte schreiben sollen)2 um sonst; – nehme es mit mir, und mache es dann zu hause aus; – sehen sie, so gros ist meine begierde zu dieser art Composition; – der hl: v: gemmingen ist der Poet, versteht sich, – und das Duodrame heißt semiramis;

Ich habe ihr letztes vom 23ten Novbre auch richtig erhalten; – künftigen Mittwoch reise ich ab, wissen sie wohl mit was für gelegenheit? – mit den hl: Reichsprälaten von kaysersheim; – als ihn ein guter freünd von mir gesprochen – so kennte er mich gleich vom Namen aus; – und zeigte viell vergnügen mich zum Reise-compagnon zu haben; er ist (obwohlen er ein Pfaff und Prälat ist) ein recht liebenswürdiger Mann; ich gehe also über kaysersheim und nicht stuttgard – da liegt mir aber gar nichts daran, denn es ist gar zu gut wenn man auf der Reise den beutl (der ohnehin gering ist) ein wenig sparen kann; – geben sie mir doch einmal antwort auf folgende fragen: wie gefallen die Comödianten zu Salzburg? heißt das mädl welche singt, nicht Keiserin?3

Spiellt hl: feiner4 auch das Englische horn? – ach, wenn wir nur auch clarinetti hätten! – sie glauben nicht was eine sinfonie mit flauten, oboen und clarinetten einen herrlichen Effect macht; – ich werde dem Erzbischof bey der ersten audienz viell neues erzehlen, und vielleicht auch einige vorschläge machen; – ach; die Musique könnte bey uns viell schöner und besser seyn, wenn der Erzbischof nur wollte; – die hauptursach warum sie es nicht ist, ist wohl weil gar zu vielle Musicken sind; – ich habe gegen die cabinetts-Musick nichts einzuwenden, – nur gegen die grossen; – apropos, sie schreiben gar nichts, aber ohne zweifel werden sie wohl den kuffer [272] Erhalten haben? – denn sonst müßte es wohl der hl: v: grimm verantworten; – da werden sie die aria, die ich derMadmle Weber geschrieben, gefunden haben; sie können sich nicht vorstellen was die aria für einenEffect mit den instrumenten macht; man siehts ihr nicht so an; – es muß sie aber währlich eine weberin singen; – ich bitte sie, geben sie selbe keinem menschen; – denn das wäre die gröste unbilligkeit die man begehen könnte, indemm sie ganz für sie geschrieben, und ihr so past wie ein kleid auf den leib; – Nun leben sie recht wohl, liebster, bester vatter; – meine liebe schwester umarme ich von ganzen herzen – und an unsern lieben freünd Bullinger bitte alles erdenckliche auszurichten; – an ceccarelli, hl:fiala, seine frau, und hl: seiner meine Empfehlung, und an alle Salzburger die ein bischen wissen wie es ausser den Salzburgerland aus-sieht; – Adieu, ich küsse ihnen tausendmal die hände und bin Dero gehorsamster Sohn

Wolfgang Amadè Mozart5

Fußnoten

1 Vom: 19. November.


2 S. den Brief vom 12. November.


3 S. die Briefe des Vaters vom 10. und 17. September.


4 Ludwig Feiner, der für den Salzburger Hof neuengagierte Oboist (s. den Brief des Vaters vom 10. September).


5 Antwort des Vaters: 10. Dezember.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 273.
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