114. [Mannheim, 28. Februar 1778]

[170] Monsieur

mon trés cher pére!


wir haben ihren brief von 23ten richtig erhalten; ich hoffe daß ich künftigen freytag oder Samstag diearien bekommen werde, obwohl sie in ihrem lezten keine meldung mehr davon gemacht haben, und ich mithin nicht weis ob sie selbe gewis den 22ten mit den Postwagen weg-geschickt haben, – – ich wünsche es; denn ich möchte sie der Madselle weber hier noch vorspiellen und vorsingen. gestern war ich beym Raff, und bracht ihm eine aria die ich diese täge für ihn geschrieben habe. Die wörter sind: se al labro mio non credi, bella nemica mia etce: ich glaub nicht das der tert vom Metastasio ist. Die aria hat ihm überaus gefallen. mit so einem Mann mus man ganz besonders umgehen. ich habe mit fleis diesen text gewählet, weil ich gewust habe, daß er schon eine aria auf diese wörter hat; mithin wird er sie leichter und lieber singen. ich habe ihm gesagt, er soll mir aufrichtig sagen, wenn sie ihm nicht taugt, oder nicht gefällt; ich will ihm die aria ändern wie er will, oder auch eine andere machen. behüte gott, hat er gesagt, die aria muß bleiben, denn sie ist sehr schön, nur ein wenig bitte ich sie, kürzen sie sie mirs ab, denn [170] ich bin izt nimmer so im stande zu souteniren. von herzen gern, to viell sie wollen, habe ich geantwortet; ich habe sie mit fleis etwas länger gemacht, denn wegschneiden kann man allzeit, aber dazusezen nicht so leicht. nachdemm er den andern theil gesungen hat, so that er seine brülle herab, sah mich gross an, und sagte – – schön, schön! das ist eine schöne seconda parte; und sange es 3 mahl. als ich weggieng, so bedanckte er sich sehr höflich bey mir; und ich versicherte ihn im gegentheil, daß ich ihm die aria so arangiren werde, daß er sie gewis gerne singen wird; denn ich liebe daß die aria einem sänger so accurat angemessen sey, wie ein gutgemächts kleid. ich habe auch zu einer übung, diearia, non sò d'onde viene etc: die so schön vomBach1 componirt ist, gemacht, aus der ursach, weil ich die vom Bach so gut kenne, weil sie mir so gefällt, und immer in ohren ist; denn ich hab versuchen wollen, ob ich nicht ungeacht diesen allen im stande bin, eine Aria zu machen, die derselben vom Bach gar nicht gleicht? – – sie sieht ihr auch gar nicht, gar nicht gleich. Diese aria habe ich anfangs dem Raf zugedacht, aber der anfang gleich schien mir für denRaff zu hoch, und um ihn zu ändern gefiel er mir zu sehr, und wegen sezung der instrumenten schien er mir auch für einen sopran besser, mithin entschloss ich mich diese aria für die weberin zu machen; ich legte sie beyseit, und nahm die wörter se al labro etc: für den Raff vor. ja, da war es umsonst; ich hätte ohnmöglich schreiben können, die erste aria kamm mir immer in kopf. mithin schrieb ich sie, und nahm mir vor, sie accurat für die weberin zu machen. es ist einAndante sostenuto (vorher ein kleins Recitativ), in der mitte der anderte theil, nel seno à destarmi, dann wieder das sostenuto. als ich sie fertig hatte, so sagte ich zur Madelle weber; lernen sie die aria von sich selbst; singen sie sie nach ihrem gusto; dann lassen sie mir sie hören, und ich will ihnen hernach aufrichtig sagen, was mir gefällt, und was mir nicht gefällt. nach 2 tägen kamm ich hin, und da sang sie mirs, und accompagnirte sich selbst. Da habe ich aber gestehen müssen, daß sies accurat so gesungen hat, wie ich es gewunschen habe, und wie ich ihr es lerñen hab wollen. [171] Das ist nun ihre beste aria die sie hat; mit dieser macht sie sich gewis überall Ehre, wo sie hinkommt. gestern habe ich beym wendling die aria die ich ihr versprochen scizirt; mit einem kurzen Recitativ. Die wörter hat sie selbst verlangt, aus der Didone. ah non lasciarmi nò. sie und ihre tochter ist ganz närrisch auf diese aria. Der tochter habe ich noch einige französische ariettes versprochen, wovon ich heut eins angefangen habe. wenn sie fertig sind, so werde ich sie, wie die erste, auf klein Papiere schicken. von die 6clavier sonaten habe ich noch 2 zu machen, ich habe aber keine Eile damit, denn ich kann sie hier nicht stechen lassen; mit suscription ist hier nichts zu machen, es ist eine bettlerey, und der kupferstecher will sie auf seine unkösten nicht stechen; er will mit mir moitiè von verkauf seyn. Da lass ich sie lieber zu Paris stechen, da sind die stecher froh wenn sie was neues bekommen, und Zahlen braf; und mit suscription kann man auch eher etwas machen. ich hätte ihnen schon längst nach und nach die sonaten abschreiben lassen, und geschickt; ich dachte aber, ich will sie ihm lieber schicken wenn sie gestochen sind. ich freye mich auf nichts als auf das Concert spirituelle zu Paris, dann da werde ich vermuthlich etwas Componiren müssen; das orchestre seye so gut und starck; und meine haupt-favorit-composition kann man dort gut auführen, nemlich Chöre; und da bin ich recht froh das die franzosen viell darauf halten. Das ist auch das einzige was man im Piccini seiner neuen opera Roland2 ausgestellt hat, das nemlich die Chöre zu nackend und schwach seyen, und überhaupt die Musique ein wenig zu einförmig. sonst hat sie aber allen beyfall gefunden. zu Paris war man izt halt die Chöre von gluck gewohnt. verlassen sie sich nur auf mich; ich werde mich nach allen kräften bemühen dem Namen Mozart Ehre zu machen. ich hab auch gar nicht sorg darauf. aus den vorigen briefen werden sie alles ersehen haben, wie es ist, und wie es gemeint war; ich bitte sie, lassen sie sich nicht öfter den gedancken in kopf kommen, daß ich auf sie vergessen werde! – – denn ich kan ihn nicht vertragen. meine hauptabsicht, war, ist, und wird immer seyn, mich zu bestreben daß wir bald zusammen [172] kommen, und glücklich – – aber da heist es gedult; sie wissen selbst besser als ich, wie die sachen oft querre gehen – – doch wird es schon noch gerade gehen. Nur gedult. hoffen wir auf gott, der wird uns nicht verlassen. an mir wird es nicht fehlen. wie können sie doch an mir zweifeln? – – – liegt denn mir nicht selbst daran, daß ich nach allen kräften arbeite, damit ich je eher je lieber das glück und vergnügen habe, meinen besten und liebsten vatter von ganzem herzen zu umarmen? – – Da sehen sie! – es ist doch nichts auf der welt ohne interesse! – wenn Krieg etwa in bmylrn3 werden soll, so kommen sie doch gleich nach, ich bitte sie. ich habe auf 3 freunde mein vertrauen, und das sind starcke und unüberwindliche freunde, nemlich auf gott, auf ihren kopf, und auf meinen kopf. unsere köpfe sind freylich unterschieden, doch jeder in seinem sach sehr gut, brauchbar und nützlich; und mit der zeit hoffe ich wird mein kopf dem ihrigen in dem sach wo er izt den meinigen überwieget, doch auch nach und nach beykommen. Nun leben sie recht wohl! seyen sie lustig und aufgeräumt. Dencken sie daß sie einen sohn haben der seine kindliche Pflicht gegen sie, wissentlich, gewis nie vergessen hat, und der sich bemühen wird eines so guten vatters immer würdiger zu werden, und der unveränderlich bleiben wird dero gehorsamster

Wolfgang Mozart


meine schwester umarme ich vom ganzen herzen!

an alle gute freünd und freündinen meine Empfehlung, besonders an h: bullinger.

wenn sie etwa die arien noch nicht weg-geschickt hätten, so bitte ich sie, so bald als möglich. sie machen mir dadurch ein wahres vergnügen. ach, wenn nur dir Cuhrihrot mho bmylrn nfcut glotsrbln4 wäre, so hätte ich die Messe ausgemacht, und sie Producirt, das hätte ein grosses aufsehen hier gemacht. ich war just recht aufgelegt dazu, und da führt der Plunder den verfluchten Doctor sanftl daher! –5

Fußnoten

1 Joh. Christian Bach.


2 Aufgeführt am 27. Januar 1778.


3 Auflösung der Chiffren: bayern


4 der Churfürst aus bayern nicht gestorben


5 Folgt eine Nachschrift der Mutter.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 173.
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