71. [an den Erzbischof Hieronymus von Salzburg; Salzburg, 1. August 1777]

[53] Ihro Hochfürstl. Gnaden

Hochwürdigster des Heil. Röm. Reichs

Fürst,

Gnädigster Landes Fürst

und

Herr Herr!


Euer Hochfürstl. Gnaden etc. darf ich mit der umständlichen Beschreibung unserer traurigen Umstände nicht beschwerlich fallen: mein Vater hat solche in der den 14. Merz dieses Jahres eingereichten unterthänigsten Bittschrift Euer Hochfürstl. Gnaden etc. bey seiner Ehre und Gewissen mit allem Grund der Wahrheit demütigst zu erkennen gegeben. Da nun aber hierauf der gehofte gnädigst günstige Hochfürstl. Entschluß nicht erfolget; so würde mein Vatter schon im Brachmonat Euer Hochfürstl. Gnaden etc. unterthänigst gebethen haben, uns Gnädigst eine Reise von etlichen Monaten zu erlauben, um dadurch uns wieder in etwas aufzuhelfen, wen Höchstdieselben nicht gnädigst befohlen hätten, daß die Musik für die bevorstehende Durchreise Sr. May. des Kaisers sich mit ein und anderm bereit halten solle. Mein Vatter bath hiñach demütigst um diese Erlaubniß: allein Euer Hochfürstl. Gnaden schlugen ihm solche ab, und äuserten sich gnädigst, daß allenfahls ich (der ich ohnehin nur halb in Diensten wäre) alleine reisen könnte. Unsere Umstände sind dringend: mein Vatter entchloß sich mich allein fortzuschicken. Aber auch hiebey machten Euer Hochfürstl. Gnaden etc. einige gnädigste Einwendungen. Gnädigster Lands Fürst und Herr Herr! Die Eltern bemühen sich, ihre Kinder in den Stand zu setzen, ihr Brod für sich selbst gewinnen zu können: und das sind sie ihrem eigenen und dem Nutzen des Staats schuldig. Je mehr die Kinder von Gott Talente erhalten haben; ie mehr sind sie verbunden Gebrauch davon zu machen um ihre eigene und ihrer Eltern Umstände zu verbessern, ihren Eltern beyzustehen, und für ihr eigenes Fortkommen und für die Zukunft zu sorgen. [54] Diesen Talentenwucher lehrt uns das Evangelium. Ich bin demnach vor Gott in meinem Gewissen schuldig meinem Vatter, der alle seine Stunden ohnermüdet auf meine Erziehung verwendet, nach meinen Kräften dankbar zu seyn, ihm die Bürde zu erleichtern, und nun für mich, und dann auch für meine Schwester zu sorgen, für die es mir leid wäre, daß sie so viele Stunden beym Flügl sollte zugebracht haben, ohne nützlichen Gebrauch davon zu machen.

Euer Hochfürstl. Gnaden etc. erlauben wir demnach gnädigst, daß ich Höchstdieselben unterthänigst um meine Dienstentlassung bitte, da ich noch von dem eingehenden Herbstmonat Gebrauch zu machen gezwungen bin, um nicht durch die bald nachfolgenden kalten Monate der übeln Witterung ausgesetzt zu sein. Euer Hochfl. Gnaden etc. werden mir diese unterthänigste Bitte nicht ungnädig nehmen, da Höchstdieselben schon vor drey Jahren, da ich um die Erlaubniß nach Wieñ zu reisen bath, sich gnädigst gegen mich erklärten, daß ich nichts zu hoffen hätte und besser thun würde mein Glück andern Orts zu suchen. Ich danke Euer Hochfürstl. Gnaden in tiefester Unterthänigkeit für alle empfangene Höchste Gnaden, und mit der schmeichelhaften Hofnung Euer Hochfl. Gnaden in meinen mannbarn Jahren mit mehrerm Beyfahl dienen zu können empfehle ich mich zu fürwehrenden Höchsten Hulden und Gnaden


Euer Hochfürstl. Gnaden

meines gnädigsten Lands Fürsten

und Herrn Herrn unterthänigster

und gehorsammster

Wolfgang Amade Mozart

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 53-56.
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