239.

[199] vienne ce 21 de decembre

1782


Mon trés cher Pére!


So groß meine Sehnsucht war nach 3 wochen Stillschweigen endlich wieder einen brief von ihnen zu lesen, so sehr betroffen war ich über den iñhalt als ich ihn las; – kur zum; wir haben uns beyde in gleicher ängstlicher lage befunden! – Sie müssen wissen daß ich auf ihr leztes schreiben den 4t Dezembre geantwortet habe; folglich in 8 tägen antwort erwartet habe – es kamm nichts; – gut; ich glaubte sie hätten vielleicht eben nicht zeit gehabt; – und weil ich so ein wenig etwas – angenehmes für uns – in ihren brief las – so dachten wir fast sie kämmen schon! – Den folgenden Postag war wieder nichts für mich da – ich wollte ohngeacht dessen schreiben, wurde aber unvermuthet zur gräfin thun geruffen, und folglich verhindert; – nun fienge unsere angst an! – wir trösteten uns aber mit diesem, daß doch Jemand von ihnen wenigstens geschrieben haben würde; – nun endlich kamm heute ihr brief, woraus ich sehe daß sie mein leztes schreiben nicht erhalten haben; – auf der Post ist es mir nicht glaublich daß er kann verloren gegangen seyn; es muß also die Magd das geld in Sack gesteckt haben! – aber bey gott! ich [199] wollte lieber einer solchen Canallie 6 kreuzer schenken, als so malàpropos einen brief zu verlieren; – und allzeit ist es doch nicht möglich daß man selbst gehen kann; – wir haben nun aber eine andere Magd, und dieser habe ich schon eine ganze Predigt deswegen gemacht; – was mich am meisten dabey ärgert, ist, daß sie beyde so viel dabey ausgestanden, und daß ich mich nicht alles mehr so genau errinere, was ich geschrieben; – Daß weis ich daß ich denselben abend zum gallinin in die accademie gegangen; – daß ich ihnen unter andern geschrieben, daß mein armes Weiberl sich unterdessen mit einem kleinen silouten Portrait von ihnen begnügen muß, welches sie immer bey sich im Sack trägt, und des tages wohl 20mal küsst; – und daß wenn sie eine gelegenheit finden, Sie die güte haben möchten mir die Neue Sinfonie die ich ihnen für den Hafner geschrieben, zu schicken; wenn ich sie nur bis die fasten gewis habe, denn ich möchte sie gerne in meineraccademie machen. – Daß sie vielleicht begierig zu wissen wären, was denn das für ein kleines silouten Portrait seye? – Ja? – und daß ich aber auch gerne wissen möchte was sie denn so nothwendiges mit mir sprechen wollten? – und wegen dem früh Jahr! – Das ist alles was ich mich errinere; – verdammt seye das Mensch! denn ich kann nicht wissen ob nicht doch etwas dariñ gestanden, welches mir eben nicht lieb wäre, wenn es in andere hände kämme; – ich glaube aber nicht, und hoffe es nicht, und bin nur vergnügt und zufrieden, daß sie sich beyde gesund befinden; – Meine frau und ich befinden uns gott lob und Dank recht gut.

ist es wahr daß der Erzbischof nach dem Neuen Jahr nach Wieñ kömmt? – Die gräfin Litzow ist schon 3 Wochen hier, und ich hab es erst gestern erfahren; – Prinz gallizin hat es mir gesagt; – ich bin auf alle seine Concert Engagirt; werde allzeit mit seinerEquipage abgeholt, und nach haus geführt, und dort auf die Nobelste art von der Welt tractirt; – den 10 ist meine opera1 wieder mit allem beyfall und zwar zum 14t male aufgeführt worden, und war so voll wie das erstemal – oder vielmehr wie[200] – allzeit. graf Rosenberg hat mich beym gallizin selbst angeredet, ich möchte doch eine welsche opera schreiben; – ich habe schonCommission gegeben um von italien die neuesteopere buffe Bücheln zur Wahl zu bekommen, habe aber noch nichts erhalten. an ignaz hagenauer habe deßwegen selbst geschrieben; – auf ostern kommen welsche sänger und Sängerinen hierher. – ich bitte sie schicken sie mir doch die adreße an lugiati nach verona; – ich möchte es auf dieser Seite auch Probieren.

lezthin ist eine Neue opera oder vielmehr eine Comödie mit arietten vom umlauff aufgeführt worden, betittelt. welche ist die beste Nation?2 – ein Elendes Stück, welches ich hätte schreiben, aber nicht angenommen habe, mit dem zusatze; daß wer es schreibt ohne es ganz abändern zu lassen, gefahr lauft, ausgepfiffen zu werden; – und wäre es nicht umlauff gewesen, so wäre es gewis ausgepfiffen worden, so ist es aber nur ausgezischt worden; – es war aber kein Wunder, denn auch mit der schönstenMusique würde man es nicht aushalten können; so ist aber zum überfluß die Musique auch dabey so schlecht, daß ich nicht weis ob der Poet oder Componist den Preis des Elends davon tragen wird; – es ist schandenhalber das 2te mal noch gegeben worden, glaube aber es wird nun Punctum satis seyn. –

Nun muß ich schlüssen sonst versäume ich die Post. meine liebe frau und ich küssen ihn: 1000mal die hände, und umarmen unsre liebe schwester von herzen und sind Ewig

Dero gehorsamste kinder

W. et C: Mozart

Fußnoten

1 »Die Entführung aus dem Serail«.


2 Am 13. Dezember zum erstenmal gegeben; s. hierzu den Brief vom 6. Oktober 1781.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 199-201.
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