*296.

[291] Dresden, den 13. Aprill 1789.

Um 7 Uhr früh


Liebstes bestes Weibchen!


Wir glaubten Samstags nach Tisch in Dresden zu seyn, kamen aber erst gestern Sonntags um 6 Uhr Abends an; – so schlecht sind die Wege. – Ich ging gestern noch zu Neumanns1, wo Madme Duschek wohnt, um ihr den Brief von ihren Mann zu geben. – es ist im 3ten Stock auf dem Gange, und man sieht vom Zimmer jeden der kommt; – als ich an die Türe kam, war schon H: Neumann da und fragte mich mit wem er die Ehre hätte zu sprechen. ich antwortete gleich werde ich sagen wer ich bin, nur haben Sie die Güte Mme Duschek herausrufen zu lassen, damit mein Spaß nicht verdorben wird. in diesem Augenblicke stand aber schon Mdme Duschek vor meiner, denn sie erkannte mich vom fenster aus und sagte gleich Da kommt jemand der aussieht wie Mozart. – nun war alles voller freude. – Die Gesellschaft war groß und bestand aus lauter häßlichen frauenzimmern, aber hier ersetzten den Mangel der Schönheit durch Artigkeit, heut geht der fürst und ich zum frühstück hin, dann zu Neumann2, dann in die Kapelle. – wir werden morgen oder übermorgen von hier nach Leibzig gehen. Nach Empfang dieses Briefes mußt Du schon nach Berlin posterestante schreiben. Ich hoffe Du wirst mein Schreiben von Prag richtig erhalten haben. Neumanns lassen sich alle Dir sammt Duscheks empfehlen – wie auch dem H und fr: Schwägerin Langens. –

Liebstes Weibchen, hätte ich doch auch schon einen Brief von dir! – wenn ich dir alles erzählen wollte, was ich mit deinem lieben Portrait anfange, würdest du wohl oft lachen – zum Beyspiel wenn ich es aus seinem Arrest herausnehme so sage grüß dich Gott Stanzerl! – grüß dich Gott Spitzbub – Krallerballer – Spitzignas – [292] Bagatellerl – schluck und druck! und wenn ich es wieder hineinthue, so lasse ich es nach und nach hineinrutschen, und sage immer Nu – Nu – Nu – Nu! aber mit dem gewissen Nachdruck den dieses so viel bedeutende Wort erfordert und bey dem letzten schnell, gute Nacht. Mauserl, schlaf gesund; – Nun glaube ich so ziemlich was Dummes (für die Welt wenigstens) hingeschrieben zu haben, für uns aber die wir uns so innig lieben ist es gerade nicht dumm. heute ist der 6te Tag daß ich von dir weg bin, und bey Gott mir scheint es schon ein Jahr zu seyn. – Du wirst wohl oft Mühe haben meinen Brief zu lesen, weil ich in Eile und folglich etwas schlecht schreibe; – adieu liebe einzige – der Wagen ist da – da heißt es nicht bravo und der Wagen ist auch schon da – sondern – male – lebe wohl und liebe mich ewig so wie ich Dich, ich küsse dich millionenmahl auf das zärtlichste und bin ewig

dein dich zärtlich liebender

Gatte W.A. Mozart


P.S. Wie führt sich unser Carl auf? – Ich hoffe gut – küsse ihn statt meiner. an H: und Fr. v. Puchberg alles Schöne. NB. Du mußt in deinen Briefen nicht das Maaß nach den meinigen nehmen; bey mir fallen sie nur deswegen etwas kurz aus, weil ich pressirt bin, sonst würde ich einen ganzen Bogen überschreiben – du hast aber mehr Musse. – adieu

Fußnoten

1 J. Leop. Neumann, Sekretär am geh. Kriegsratskollegium und Librettist.


2 Wohl der bekannte Hofkapellmeister und Komponist J.G. Naumann (1741–1801).

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 291-293.
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