298.

[296] Leiptzig den 16t May

1789.


Allerliebstes, bestes Herzensweibchen! –


Wie? – noch in Leiptzig! – Mein lezter vom 8t oder 9ten sagte Dir zwar daß ich in der Nacht um 2 uhr schon wieder abreisen würde, [296] allein, das viele bitten meiner Freunde bewog mich Leiptzig (wegen des Fehlers einer oder zweyen Personen) nicht zu affrontiren, sondern Dienstags den 12ten eine Academie zu geben. – Diese war von Seiten des Beyfalls und der Ehre glänzend genug, desto mägerer aber die Einnahme betreffend; Duscheck welche Sich hier befindet sang darinn; – die Neumanschen aus Dresden sind auch alle hier; – das Vergnügen so lange wie möglich in gesellschaft dieser lieben braven Leute (die sich dir alle bestens empfehlen) zu seyn, verzögerte bisher noch meine Abreise; – gestern wollte ich weg, konnte aber keine Pferde kriegen – heute eben so; – denn alles will nun eben izt abreisen, und die anzahl der Reisenden ist außerordentlich gros; – Morgen aber früh 5 uhr geht es los; – Meine liebe! – mir ist sehr leid, und halb und halb doch fast lieb, daß du Dich in dem nemlichen Falle befindest, in welchem ich mich befand; doch Nein! – ich wünschte daß du Dich in dieser Lage nie befunden hättest, und hoffe Sicher daß, da ich Dieses schreibe, du gewis wenigstens einen von meinen Briefen in Händen haben wirst, – wo das herkommen mag, das weis Gott! – ich habe Deinen Brief vom 13t April, den 21t in Leiptzig erhalten; – dann ohne Briefe 17 Tage in Potsdam zugebracht; – den 81 May erhielt ich erst Dein schreiben vom 24t April, und sonst gar keines, ausgenommen gestern eines vom 5t May; – ich meinerseits schrieb Dir den 22t April von Leipzig, den 28t von Potsdam, den 5t May, wieder von Potsdam, den 9t von Leipzig, und nun den 16t – das sonderbarste ist daß wir uns eben zur nemlichen Zeit in der nemlichen trauerigen Lage befanden; ich angstigte mich vom 24t April bis 8t May, und nach Deinem Brief zu urteilen war eben dies auch die Zeit Deiner Bekümmernuß; – Nun hoffe ich aber wirst Du es schon überstanden haben, und überhaupt ist mein Trost, daß wir bald nicht mehr der Briefe werden benöthiget seyn, sondern uns bald mündlich Sprechen und küssen, und an unsere Herzen werden drucken können – ich schrieb Dir in meinem letzten daß du mir nicht mehr schreiben sollst; – es ist auch das sicherste; Nun bitte ich Dich aber mir auf diesen Brief zu antworten, aber ihn nach Prag an Duscheck[297] zu adressirn; Du must ein förmliches Couvert dar über machen, und ihn darin ersuchen den Brief bis auf meine Ankunft dahin aufzubewahren; – ich werde wohl wenigstens 8 Täge müssen in Berlin zubringen; – auf diese art werde wohl vor 5t oder 6t Juny nicht in Wien seyn können; – also in 10 oder 12 Tagen nach empfang dieses Briefes; – noch eines wegen ausbleibung der Briefe; ich habe auch am 28t Aprill an unsern lieben Freund Puchberg geschrieben – ich bitte Dich mache ihm 1000 Empfehlungen und Danksagungen in meinem Namen. – Daß Schmidt1 krank war wußte ich gar nicht; Dies wird vermuthlich in dem Briefe gestanden haben, den ich nicht erhalten habe. – Ich danke Dir recht sehr für den Bericht von der – 2 Oper; – freylich wäre es besser wenn er Maasmann hieße; wenn Du ihn aber von Person kenntest, wie ich, so würdest Du ihn wo-nicht Bluzer-Mann doch wenigstens Zimment Mann heißen; – lebe wohl, liebes Weibchen, erfülle alle meine Bitten so ich in meinen Briefen an Dich that, denn liebe, wahre, ächte Liebe war der Bewegrund hiezu – und liebe mich so wie ich Dich liebe; – ich bin Ewig

Dein einzig wahrer Freund und getreuer Gatte

W: A: Mozart

Fußnoten

1 Wohl der Wiener Bassist.


2 Das von Nissen unkenntlich gemachte Wort lautete: Seidelmannschen; Seydelmanns »Il Turco in Italia« war im April 1789 in Wien gespielt worden.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 296-298.
Lizenz:
Kategorien: