VII.

Aus den Jahren 1715 und 1716 ist irgend eine Reise Bachs mit Bestimmtheit zwar nicht überliefert, doch läßt sich kaum zweifeln, daß er unterdessen einmal Meiningen und den dort residirenden sächsischen Hof besucht hat1. Hier war, wie man sich von früher [565] erinnern wird, Johann Ludwig Bach Capell-Director, ein Sproß jener zweiten von Veit Bach ausgehenden Linie, deren musikalische Befähigung in dem Meininger Bach zur höchsten Entwicklung gelangte. Bis dahin sind von einem Verkehr der beiden Linien keine Spuren vorhanden, werden aber sogleich sichtbar, nachdem Sebastian ihn hergestellt. Denn schon im Jahre 1717 wurde der älteste Sohn seines Bruders in Ohrdruf »auf Empfehlung« als Hof-Cantor an das Stift zu Gandersheim berufen, wo auch Johann Ludwigs Bruder angestellt, und die Schwester des Herzogs von Sachsen-Meiningen Aebtissin war2. Daß die bedeutendsten Repräsentanten der zwei Linien sich zu einander hinneigten, ist ein neues erfreuliches Zeichen der brüderlichen Gesinnung, welche alle Glieder des großen Geschlechtes umschloß. Wichtiger noch ist es, aus dem nachweislich warmen und andauernden Interesse, das Sebastian an Johann Ludwigs Compositionen nahm, zu erkennen, wie auch von die ser Seite her die Summe dessen, was im allmähligen Aufsteigen des Geschlechts geleistet war, zu Sebastian Bach hinüberfloß. Einen maßgebenden Einfluß auf dessen Ausbildung konnte jener freilich nicht mehr gewinnen, da die Berührung erst zur Zeit von Sebastians voller Selbständigkeit stattfand, aber Raum und Neigung für des anderen Weise waren in diesem immer noch reichlich vorhanden, reichlicher, wie es scheint, als für irgend einen zweiten Componisten. Von keinem hat er sich durch selbstgemachte Abschrift noch in späteren Jahren eine solche Menge von Compositionen angeeignet. Es ist in diesem Verhältnisse etwas ähnliches, wie wenn er eine Tochter seines eignen Stammes zur Gattin nahm: da in ihm die Gaben und Eigenthümlichkeiten desselben zur vollkommensten Erscheinung kamen und ein Ueberbieten durch Fortpflanzung nicht mehr möglich war, so zog er instinctiv zur weiteren Nährung der eignen Persönlichkeit Angehörige des Geschlechts theils zur innigsten Lebensgemeinschaft theils zum theilnehmenden künstlerischen Verkehr an sich heran.

[566] Johann Ludwigs Talent ist freilich mit dem Sebastians nicht zu vergleichen. Auch der Eisenacher Johann Christoph steht höher an Erfindungskraft und Tiefe. Aber als einen originell begabten und allseitig durchgebildeten Künstler muß man ihn dennoch ansehen. Zunächst fällt auf, daß ein völlig andrer Geist in ihm lebt, als in den hervorragenden Individuen der Hauptlinie. Schon seine Gesichtszüge enthalten kaum einen leisen Anklang an das, was wir durch die Abbildungen Sebastians, seines Vaters und seiner Söhne als das Bachsche Familiengesicht uns vorzustellen gewohnt sind. Ein Pastellbild, das ihn als hohen Dreißiger aufweist, zeigt ein rundliches glattes Gesicht in hübschen weichen Linien und mit schön geschwungenen Augenbrauen. Auf einem Miniatur-Bildchen in Oel, wo er als Jüngling oder junger Mann gemalt ist, sind die Züge sogar von einer auffallenden, fast weiblich zu nennenden Schönheit3. Auch seinen Compositionen fehlt das Großartige, Tiefsinnige und Phantastische. Mit der Orgel scheint er sich nichts zu schaffen gemacht zu haben, und das ist jedenfalls bedeutsam. Seinen Charakter bestimmt das Wohlthuende in Erfindung, Klangwirkung und technischer Ausführung, dabei eine natürliche Gewandtheit in allen Gattungen der Kunst. Doch scheint er sich der Instrumentalmusik weniger beflissen zu haben. Es giebt eine Orchestersuite von ihm aus dem Jahre 1715, bestehend in Ouverture, Air, Menuet, Gavotte, Air, Bourrée4. Die Ouverture ist wohl das beste Stück, kräftig im ersten Theil, flüssig und strömend im zweiten und mit den beliebten effectvollen Orgelpunkten geziert. Das erste Air ist eigenthümlich, fast beständig in Sechzehntel-Bewegung und so anfangend:


7.

[567] Die eingeklammerte zirpende Stelle, mit der vielfach Solo-Oboe und Tutti alterniren, spielt darin eine bedeutende Rolle. Die übrigen Tanzstücke sind mehr derbkräftig, als leichtanmuthig. An Motetten und Kirchencantaten hat sich aber eine reiche Auswahl erhalten; Sebastian Bach selbst schrieb allein von achtzehn der letzteren sich die Partitur ab5. Diese Werke stehen zwischen der älteren und neuern Kirchencantate ungefähr in der Mitte. Die Texte enthalten madrigalische Formen zu Recitativen, daneben aber auch Bibelsprüche für Sologesang und umgekehrt freie Dichtung für den Chor. Zum Bibelwort ist das Arioso beibehalten mit den von Seb. Bach abgestreiften älteren Eigenthümlichkeiten, daß z.B. der Solo-Bass in den Schluß-Cadenzen gern mit der Bass-Stimme der Instrumente geht. Die wirklichen Recitative heben sich noch nicht genug durch leichte und freie Declamation als selbständige Form heraus. Die Arien haben meistens Da capo-Anlage, aber kleine Dimensionen. Zuweilen ist die Gestaltung unsicher: eine Alt-Arie der Cantate »Ja mir hast du Arbeit gemacht« (zum Sonntage Quinquagesimae) beginnt im 3/2 Takt mit ganz breiter Melodie, verläuft aber nach zwanzig Takten ohne erkennbaren Grund ins reine Recitativ. Die Chöre sind imitirend, aber gewöhnlich nicht sehr weit ausgeführt. Für die Choralbehandlung endlich liebt er den homophonen Vocalsatz, begleitet vom Geigenchor mit repetirten Achteln, zuweilen aber ergehen sich auch die Geigen über dem Gesange in freien und lebhaften Figurationen. Der Gefühls-Ausdruck hält sich meistens in einer mittleren Höhe, von der Empfindsamkeit der älteren Kirchencantate, wie von der Flachheit eines Telemann, Stölzel und Genossen gleichmäßig entfernt. Eine selbständige Erfindungskraft, die oft durch sinnige Züge überrascht, tritt überall zu Tage. In der genannten Cantate wird das beginnende Bass-Arioso durch dieses Instrumental-Gebilde eingeleitet:


7.

[568] welches Jesu bange Vorempfindungen seiner herannahenden Leiden vortrefflich ausdrückt, das ganze Arioso beherrscht und mit geschickter Verwendung und derselben Bedeutung im Schlußchore wiederkehrt6. Wir wissen, daß am Meininger Hofe italiänische Gesangsmusik getrieben wurde, es liegt daher nahe genug, daß Johann Ludwig die sangbare Schreibart seiner Vocalmusik zum guten Theil dem Studium der Italiäner verdankte. Sie tritt ganz besonders in den Motetten hervor. Die Originalität und überragende Bedeutung dieser Arbeiten wird erst völlig klar, wenn man sie mit den zwitterhaften und flauen Motetten andrer damaliger Componisten vergleicht; ich wüßte nach Sebastian Bach Niemanden zu nennen, der hierin dem Meininger an die Seite zu setzen wäre. Eine nothwendige Fortentwicklung der Gattung darf man freilich in ihnen nicht suchen wollen, nach wie vor bezeichnet in der neueren Motette [569] Johann Christoph Bach den Gipfelpunkt. Aber es zeigt sich häufig in der Kunstgeschichte, daß wenn auch überragende Geister ein für die Zeit Höchsterreichbares geleistet haben, es schwächeren Talenten trotzdem gelingt, sich neben ihnen noch zur Geltung zu bringen. Sie heben dann gewisse Dinge, die im Uebergang zu andren Kunstidealen anfangen vernachlässigt zu werden, noch einmal mit großer Entschiedenheit hervor und wissen sie doch mit jungen Elementen anziehend zu mischen. Johann Ludwig Bach stand in einem viel intimeren Verhältnisse zu dem italiänischen Vocalstile jener Zeit als seine Zeitgenossen, die auch beim Motettencomponiren immer nur an concertirende Musik dachten. Das Wesen des Chorgesanges hatte sich ihm in vorzüglichem Maße erschlossen, er besaß, was den meisten nord- und mitteldeutschen Componisten fehlte, den vollen Sinn für die warme, gesättigte Schönheit des reinen Vocalklanges. Da er zuvor das Hofcantor-Amt bekleidet hatte, mag er selbst ein guter Sänger gewesen sein. Außerdem war er ein höchst gewiegter Contrapunctist, man darf wohl behaupten, daß er alles konnte, was damals in Italien auf diesem Gebiete geleistet wurde. Da er nun eine erfindungskräftige Persönlichkeit hinzu brachte, so ist das Resultat einigermaßen begreiflich. Ein äußeres Zeichen für seine Neigung, im reinen Chorklange zu schwelgen, ist schon der ungeheure Umfang der Motetten. Eine doppelchörige über Jes. 9, 6 und 7: »Uns ist ein Kind geboren« u.s.w. zählt nicht weniger als 346 Viervierteltakte, ohne doch wie die Motetten Sebastian Bachs in verschiedene Sätze zu zerfallen; nur im 63., 133., 164., 228. und 275. Takte werden durch Fermaten kurze Ruhepunkte gewährt7. Das riesige Werk beginnt einfach und gemächlich, aber schon mit dem 64. Takte entwickelt sich ein Gebilde von überraschender Originalität: alle Bässe und Tenöre heben, wie psalmodirend, im Einklange an:


7.

[570] dann setzen die vier andern Stimmen canonisch imitirend darüber ein:


7.

wiederholen dies Motiv in D dur, dann in A moll, dann zweistimmig wieder in G dur und schließen auf der Dominante. Höchst merkwürdig berührt es, wenn während der nach den Cadenzen eintretenden Pausen der Oberstimmen in den Bässen und Tenören der Gesang mit seiner pastosen Fülle und langsamen Bewegung weiterdröhnt, der ganze Satz hat etwas so entschieden katholisches, daß man ihn bei einem protestantischen Tonsetzer fast mit Befremden bemerkt. Nachher übernehmen beide Soprane die langen Töne, dann die Bässe allein, dann die Tenöre, dann wieder die Bässe, wozu nun das obere Stimmengewebe immer reicher wird. Vom 228. Takte beginnt eine achtstimmige Fuge »Solches wird thun der Eifer des Herrn Zebaoth«:


7.

Man wird lange suchen, um ein Stück von gleicher Bedeutsamkeit, vergeblich wohl, um eins zu finden, das in seiner Art vortrefflicher wäre. Da ist ganz jene spielende Leichtigkeit, jener feurige Fluß der Stimmen, da jener üppige Wohlklang, der nur dann entsteht, wenn sich alles wie von selbst singt. Die Fuge könnte mit anderm Text versehen für das Werk eines italiänischen Meisters gelten, man würde etwa auf Leonardo Leo rathen. Eine andre Motette: »Gott sei uns gnädig und segne uns« (Ps. 67) hat fast noch höhere Bedeutung8. [571] Sie ist in der Weise dreichörig, daß zwei Chöre mit je vier Stimmen ausgestattet sind, der dritte Chor aber nur von einem Bass repräsentirt wird. Dieser wandelt zwischen den zwei andern Vocalmassen, die in Viertel- und Achtel-Bewegung alterniren, wohlhervortretend hin mit einem vom B in halben Noten durch die Tonleiter bis zum / aufsteigenden und dann ebenso wieder bis zum F absinkenden Gange. Darauf folgt eine Partie, wo der Bass-Chor zu den Worten: »daß wir auf Erden erkennen seinen Weg, unter allen Heiden sein Heil« immer auf f verharrt. Dann wiederholt sich der Anfang zu dem Satze »Es danken dir, Gott, die Völker, es danken dir alle Völker«. Und im schärfsten Contrast ergießt sich nun der Bass-Chor in fluthenden Sechzehnteln:


7.

und die andern Chöre tanzen in Achteln herum. Gegen den Schluß vereinigen sich alle drei Bässe in ganzen und halben Tönen gegenüber den Vierteln und Achteln der übrigen Stimmen zu der Melodie des Magnificat, gesungen auf die Worte: »Es segne uns Gott, unser Gott; es segne uns Gott und alle Welt fürchte ihn«, worauf dann die Motette in reicher Polyphonie zu Ende geht. – Diese kurzen Andeutungen müssen hier genügen. In der Geschichte der reinen Vocal-Musik wird Johann Ludwig Bach immer einen hervorragenden Platz einnehmen.

Der Herzog Ernst Ludwig von Sachsen-Meiningen hat wegen seiner selbstsüchtigen Regierung, verschwenderischen Hofhaltung und der von ihm beförderten Günstlingswirthschaft im Allgemeinen kein sonderliches Andenken hinterlassen. Er war aber ein warmer Freund der Künste, die seinen Hof verherrlichten, und vor allem der Musik. Schon im Jahre 1713 hatte Ludwig Bach eine Passion in der Schloßkirche aufgeführt, zu derselben Zeit erschien ein Jahrgang von Kirchen-cantaten nach der neuen Form, die von ihm sämmtlich oder doch größtentheils componirt sein werden und 1719 schon eine dritte Auflage [572] erlebten9. Es lohnt sich darauf zu achten, wie das verschiedene Wesen des weimarischen und meiningischen Hofes in den Kirchencompositionen der beiden Bachs widergespiegelt wird: dort Ernst und Strenge, hier Glanz und Wohllaut; beide Male kam der Charakter der regierenden Häupter den Anlagen ihrer Musiker aufmunternd entgegen. Concertmusik wurde bei Hofe sowohl des Mittags zur Tafel gemacht, als des Abends, dies vorzugsweise wenn andre Fürstlichkeiten zum Besuch gekommen waren. Der Herzog liebte es auch fremde Künstler in seinen Soiréen auftreten zu sehen10. Er war selbst productiv in der geistlichen Poesie, besonders als nach einem bewegten Leben sich ernste Gedanken bei ihm zu regen anfingen; eine seiner Schwestern war Aebtissin zu Gandersheim, eine andre Canonissin daselbst, und wenn man sich vergegenwärtigt, daß der vorigen Aebtissin nebst deren Decanissin und Canonissin das Freylinghausensche Gesangbuch gewidmet war, also der Pietismus in das Stift Eingang gefunden hatte, so hängen die poetischen Versuche des Herzogs vielleicht mit einer pietistischen Neigung zusammen. Er hatte zu seinem Leichentexte Ps. 116, 16 bis 19 ausgesucht und darüber ein geistliches Lied gedichtet, dessen erste Strophe lautet:


Ich suche nur das Himmelleben,

Weil ich dein Knecht und Diener bin,

Der Sohn von deiner Magd ergeben,

Und auch verpflicht't mit Herz und Sinn,

Der suchet nur dein Himmelreich;

Mach, Jesu, mich zum Himmelszweig.


Als im Jahre 1724 sein Tod eintrat, bediente sich Johann Ludwig Bach sowohl der Psalmverse als des Liedes zu einer großen dreitheiligen Trauer-Musik. Es scheint, als habe er auch eine vom Herzog selbst componirte Melodie benutzt, denn der Musik des zweiten Theils liegen etwa folgende Tonreihen zu Grunde:


7.

[573] 11


Hiernach ist es klar, daß Sebastian Bach auf eine sehr wohlwollende Aufnahme bei Hofe und einen sehr anregenden Kunstverkehr mit seinem Vetter rechnen konnte, als er sich nach Meiningen begab. Seine Erwartungen erfüllten sich nach beiden Seiten. Mit Johann Ludwig wurde eine dauernde Verbindung angeknüpft: die Cantaten-Abschriften, welche oben erwähnt wurden, sind in Leipzig gefertigt. Ein Reflex des Eindrucks aber, welchen seine Künstlerschaft im herzoglichen Hause machte, ist es wohl, wenn wir ihn wenige Jahre darauf zu dem Markgrafen Christian Ludwig von Brandenburg in Beziehung treten sehen. Dessen Schwester Elisabeth Sophia war die zweite Gattin des meiningischen Herzogs.

Bei weitem ruhmvoller noch gestaltete sich die Herbstreise des Jahres 1717. Dresden war dieses Mal das Ziel, wo unter dem verschwenderischen Friedrich August I. Musik und Theater in hoher Blüthe standen. Bach hatte unter den Musikern der Capelle einige Bekannte, zu ihnen gehörte der Concertmeister Jean Baptiste Volumier, der bis 1709 in gleicher Eigenschaft am Berliner Hofe gestanden hatte12, vermuthlich auch Pantaleon Hebestreit, welcher 1714 berufen und zuvor mit Telemann zusammen in Eisenach gewesen war. Dieser zeichnete sich vor allem durch große Virtuosität auf einem selbsterfundenen hackebrettartigen Instrumente aus, war aber auch ein tüchtiger Geiger und mit dem Stile der französischen Musik wohl vertraut. Volumier war Franzose von Geburt oder wenigstens durch Erziehung und hochgeschätzt in der Executirung nationaler Tonstücke. Außerdem wirkten dort vortreffliche andre Künstler, wie der Organist Petzold, der Kirchencomponist Zelenka, der Geiger Pisendel, so daß für jeden Musiker ein Aufenthalt daselbst von großem [574] Interesse sein und in diesen Kreisen sich bekannt zu machen höchst wünschenswerth erscheinen mußte. Es geschah nun zufällig, daß Bach mit dem französischen Clavier- und Orgelspieler Jean Louis Marchand dort zusammentraf. Marchand, geboren 1671 zu Lyon, also 14 Jahre älter als Bach, war königlicher Kammerorganist und Organist an der Kirche des heil. Benedict zu Paris. Die Vorzüge sowohl wie die Fehler seines Volkes hafteten ihm in hohem Grade an. Reich begabt für alles technische und elegante seiner Kunst wußte er diese Gaben vollauf zu verwerthen und zur Geltung zu bringen, verband aber damit eben so viel Eitelkeit, Arroganz und Launenhaftigkeit. Die Gesellschaft in Paris riß sich um ihn, die Schüler drängten sich von allen Seiten heran. Doch trieb ihn die Ungnade des Königs zeitweilig von dort hinweg nach Deutschland, wohin ihm der Ruhm aus seinem Vaterlande folgte13. Auch am Hofe zu Dresden gefiel sein Spiel sehr, und trug ihm ein Geschenk von zwei Medaillen im Werthe von 100 Ducaten und, wie es heißt, das Anerbieten einer dauernden Anstellung ein. Bach spielte in Gegenwart des Königs zwar nicht, hatte aber anderweitige Gelegen heit, vor Kunstfreunden und Künstlern sich hören zu lassen. Nun entspann sich ein lebhafter Streit, welcher von beiden der größere sei. Eine starke Partei aus den Hofkreisen stand, da der König französische Kunst sehr liebte, auf Marchands Seite, für Bach werden vorzugsweise die deutschen Künstler der Capelle eingetreten sein. Die Sache gestaltete sich endlich zu einem Meinungskampf über den größeren und geringeren Werth deutscher oder französischer Musik im Allgemeinen und Bach wurde durch seine Freunde angegangen, Marchand zu einem Wettstreite herauszufordern. Er that dies, nachdem ihm Gelegenheit verschafft war, seinen bei Hofe spielenden Gegner aus einem Versteck zu belauschen, auf schriftlichem Wege, indem er sich bereit erklärte, auf jede ihm von Marchand gestellte musikalische Aufgabe einzugehen, vorausgesetzt, [575] daß dieser seinerseits ein Gleiches verspreche. Marchand nahm den Handschuh auf. Ein musikalisches Richtercollegium wurde gewählt, der Schauplatz des Turniers sollten die Salons eines mächtigen Ministers sein, höchst wahrscheinlich des Grafen Flemming, Premierministers seit 1712, der viel Verständniß für Kunst besaß und aus besonderer Neigung zur Musik sich sogar eine eigne Capelle hielt14. Die Neugierde und Spannung war groß, zur bestimmten Stunde versammelte sich eine zahlreiche und glänzende Gesellschaft beiderlei Geschlechts, Bach und die Schiedsrichter fanden sich pünktlich ein. Aber Marchand kam nicht. Man wartete eine Weile, dann schickte der Graf in sein Quartier, um ihn an die gegebene Zusage zu erinnern, empfing aber dort nur die Nachricht, daß der Gesuchte schon am Morgen desselben Tages mittelst der Schnellpost aus Dresden verschwunden sei. Er hatte im sichern Vorgefühl seiner Niederlage ohne Kampf das Feld geräumt; Bach spielte nunmehr allein. Es versteht sich, daß Marchand irgendwo zuvor bei dessen Spiel anwesend gewesen sein und sich überzeugt haben muß, daß der Deutsche ihm nicht nur im Orgelspiel unendlich überlegen sei, wo er vermuthlich auf einen Wettkampf von vornherein nicht eingegangen wäre, sondern auch in der Clavierkunst, welche doch nach der allgemeinen Ansicht damals die Franzosen vorzugsweise beherrschten. Für Bach war der Ruhm um so größer, als er den Gegner auf dessen eigenstem Felde geschlagen hatte. Wie mit den Werken der übrigen bedeutendsten französischen Claviermeister, so war er auch mit denen Marchands längst vertraut, und wußte ihre Vorzüge jetzt wie später voll anzuerkennen15. Was mir davon zu Gesichte kam, verdient auch diese Anerkennung durchaus und steht den Couperinschen Clavierstücken an Grazie und Mannigfaltigkeit nicht nach. Für den soliden deutschen Sinn bieten sie freilich zu wenig consistente Nahrung und sind überdies, wie alles französische, äußerst häklich zu spielen. Adlung, der die Einzelheiten des Wettstreits von Bach weitläufig erfragt hatte, sagt über Marchands Suiten: »Nur einmal haben sie mir gefallen; nämlich als ich mit dem [576] Capellmeister Bach bei seinem Hiersein [in Erfurt] von dem Streit redete und ihm sagte, daß ich diese Suiten hätte, so spielte er sie mir vor nach seiner Art, das ist, sehr flüchtig und künstlich«16. Es konnte grade von Dresden aus nicht fehlen, daß die Kunde von einem für die deutsche Kunst so glorreichen Ereignisse sich rasch nach allen Richtungen hin verbreitete, den Glauben an das Uebergewicht der französischen Claviermusik mehr und mehr schwächte und Bachs Berühmtheit mächtig steigerte. Nach einem solchen Erfolge konnte er es leicht verschmerzen, daß ihm von Seiten des Hofes keine Auszeichnung zu Theil geworden war. Wie das gekommen ist, bleibt unklar. Vielleicht wurde das Interesse alsbald auf die neuengagirte italiänische Operngesellschaft ausschließlich gerichtet, welche in ebendemselben Monate, in welchem Bach Dresden besucht haben wird, nämlich im September, dort aus Venedig anlangte. Ihr Dirigent war kein geringerer als Antonio Lotti. Gleichwohl ist es unwahrscheinlich, daß er Bach noch dort getroffen oder in dem bunten Treiben neugestalteter Verhältnisse Gelegenheit gefunden haben sollte, ihn kennen zu lernen, so interessant der Gedanke auch wäre, daß sich der größte deutsche und der größte italiänische Kirchencomponist jener Zeit einmal im Leben gegenüber gestanden hätten17.

Länger als bis zum Anfang des October kann Bach nicht von Weimar entfernt gewesen sein, denn es wurden dort umfassende Vorbereitungen zur zweihundertjährigen Jubelfeier der Reformation getroffen, für welche die herzoglichen Componisten ihr Theil zu thun bekamen. Das Fest dauerte drei Tage (vom 31. Oct. bis 2. Nov.) und einen Vorabend, am zweiten Tage stiftete der Herzog feierlich ein Capital, dessen Zinsen alljährlich auf seinen Geburtstag zur Vertheilung gelangen sollten18. Hierzu wie zum ersten Festtage wurden neue Cantaten componirt und aufgeführt; Franck dichtete wahrscheinlich die Texte19, Bach wird zuverlässig mindestens eine derselben componirt [577] haben. Mitten in dieser Beschäftigung muß ihn das Ereigniß getroffen haben, das seinem Leben eine neue Wendung geben sollte. Der Prinz Ernst August hatte sich am 24. Jan. 1716 mit Eleonore Wilhelmine, einer Schwester des regierenden Fürsten Leopold von Anhalt-Cöthen, vermählt. Dieser junge äußerst musikalische Fürst war so auf Bach aufmerksam gemacht worden, und da sein früherer Capellmeister kürzlich davon gegangen, berief er ihn. Wir wagen nichts mit der Annahme, daß Bach sich augenblicklich in Weimar nicht mehr behaglich fühlte. Nach dem Tode Samuel Dreses hatte wohl keiner ein größeres Recht auf dessen Stelle, als er. Aber zuerst ging man mit dem Project um, den vielgewandten und entsprechend gefeierten Telemann zum allgemeinen sächsisch-ernestinischen Capellmeister zu machen20, und als daraus nichts wurde, erhielt Dreses Sohn den Posten und Bach wurde ungeachtet allseitiger, durch eine eminente Kunstthätigkeit bewiesener Leistungsfähigkeit einfach übergangen. Trotzdem daß das in Aussicht gestellte Amt ihn von seiner bisherigen Kunstbahn ablenkte, säumte er doch nicht es zu übernehmen. Seine Uebersiedlung nach Cöthen fand noch im November statt, denn in der Adventszeit fungirte schon in wohlverdienter Nachfolge auf der Orgelbank der Schloßkirche sein treuer Schüler Schubart21.

Mit dem Abschiede von Weimar schließt für immer Bachs officielle Organistenthätigkeit. Es muß daher an dieser Stelle besonders noch eine Seite derselben in Betracht gezogen werden, seine Art den Gemeindegesang zu begleiten und seine freikünstlerische Behandlung des Chorals auf der Orgel. Die letztere bildet nahezu das bedeutsamste und folgenreichste Element seines gesammten Kunstschaffens und mit dem größten Eifer hat er ihr grade in Weimar obgelegen. Aber auch die Fülle seiner übrigen Orgelcompositionen ist mit den früher besprochenen durchaus nicht erschöpft. Rüstig producirte er in der Fuge und den verwandten Gattungen weiter, faßte höhere Ziele ins Auge und erreichte sie. Eine Gruppe [578] solcher Compositionen hat ein so gemeinsames und von den früheren unterschiedenes Gepräge, daß man hier eine zweite weimarische Periode der ersten gegenüberstellen muß. Vor allem tritt das Streben nach Zurückdrängung äußerlicher Virtuosität und nach ruhiger Vertiefung hervor. Es sei erlaubt, diese Compositionen vorweg zu betrachten.

Man erinnert sich, daß wir die Ciaconen und den Passacaglio Buxtehudes als Muster ihrer Art hinstellen mußten, die auch Bach nicht wesentlich mehr überboten habe, weshalb er im allgemeinen der Gattung fern geblieben sei. Das einzige hierher gehörige Stück ist ein Passacaglio in C moll22. Wenn dieser als ein Product aus Bachs späterer Zeit angesehen wurde, so geschah es, weil man sein eigenthümliches Verhältniß zu Buxtehude nicht kannte, an den die Composition im Einzelnen wie im Ganzen deutlich erinnert, auch die Beschaffenheit einer gewissen Quelle nicht richtig würdigte und endlich die Höhe von Bachs weimarischen Leistungen grade in der Orgelkunst unterschätzte23. Für die früheren Jahre dieser Periode ist das ausgezeichnete, mit Recht allgemein bewunderte Stück freilich zu reif, und kann den Fortschritt, den Bach von dort ab bis in die spätere weimarische Zeit machte, recht verdeutlichen. Es scheint, als habe er Buxtehudes Errungenschaften mit einem Griffe zusammenfassen wollen. Nach dessen Praxis ist es kein vollständiger Passacaglio, sondern, indem das Thema auch in der Ober- und Mittelstimme, und nicht immer unverändert, sondern auch umspielt oder nur angedeutet erscheint, zugleich eine Ciacona. Doch wird wiederum das Thema zeitweilig mit solcher Consequenz in der Basslage festgehalten, daß man darin nicht nur eine Ciacona erkennen darf; es sind vielmehr beide Formen vereinigt. Wie Buxtehude eine Fuge am Schlusse sich zu einer Ciacona consolidiren ließ, so löst umgekehrt [579] Bach hier die Unbeweglichkeit dieser Form in den freien Fluß der Fuge auf. Beides hat einen ästhetischen Sinn, zeigt aber auch, auf welche von beiden Formen jeder von ihnen das größere Gewicht legte. Auch die Ausdehnung verräth das Streben nach erschöpfender Zusammenfassung: das Stück zählt 293 Takte, wovon 168 Takte auf den eigentlichen Passacaglio kommen. Unter den Einzelheiten, die an Buxtehude erinnern, fallen die aufgelösten Harmonien T. 113–128 und die in Sechzehntelpassagen hineinfallenden Accordschläge T. 80–88 auf, dann vor allem der wunderschöne, in schmerzlicher Sehnsucht schwelgende Anfang bis T. 32. Hier tritt die echt Buxtehudesche, in ihrer jugendlichen Ueberschwänglichkeit der Bachschen theilweise entgegengesetzte Empfindungsweise allzu deutlich hervor, als daß an einer bewußten Anknüpfung zu zweifeln wäre. Aber eben so entschieden arbeitet sich im Verlaufe Bachs strengere Ausdrucksart durch, und wenn man bei der Fuge angelangt ist, in der dem Passacaglio-Thema ein originelles zweites gegenüber gestellt wird, sind alle Anklänge verweht24.

Nicht nur durch ihre eigne Kunstschönheit, sondern auch für den Schöpfer psychologisch merkwürdig ist eine Orgelfuge mit Praeludium aus A dur. Ihr Thema:


7.

ist gleichsam der Doppelgänger zu dem Thema, auf welches die Instrumentalfuge vor der Cantate »Tritt auf die Glaubensbahn« gebaut ist. Sie sind verschieden in Tongeschlecht und Tonart, auch in einzelnen Tonfolgen, aber man sieht, wie wenig das zu Zeiten ausmachen und der Gedanke dennoch ganz derselbe bleiben kann. Daß beide Compositionen kurz, vielleicht unmittelbar hinter einander entstanden sind, ist schon deshalb anzunehmen, weil von dem Orgelstücke noch eine spätere vervollkommnete Bearbeitung vorliegt, die erste also jedenfalls in eine frühere Periode fällt, denn Orgelstücke [580] der Leipziger Zeit pflegte Bach nicht mehr umzuarbeiten25. Die Aenderungen in der Fuge erstrecken sich übrigens nur darauf, daß der Fülle des Instrumentes angemessen der 3/8 Takt in den 3/4 Takt verwandelt wurde, die drei Schlußtakte fortfielen und an zwei Stellen eine hohe Lage des Pedals vorgeschrieben wurde, die der weimarischen Orgel vermuthlich fehlte. Mit ihrem Charakter steht die Fuge ganz allein unter Bachs Orgelstücken; scheinbar dem Wesen des Instruments entgegen hat er ihr etwas durchaus weibliches gegeben, was mit holder Innigkeit durch alle Fasern des Organismus dringt. Gebrochene Harmonien als Contrapuncte, weiche Sexten – und Terzengänge athmen etwas von der Stimmung der G dur-Arie in der oben genannten Cantate. Reizend sind die spielenden Ansätze zu Engführungen, bis sich endlich eine solche wirklich in voller Grazie entwickelt. Vom 153. Takte nimmt die Stimmung eine wunderbare Intensität an, die Contrapuncte umschlingen wie liebende Arme das Thema, das in lächelnder Schönheit von Takt 161 an noch einmal vorübergeht. Bedeutender waren die Aenderungen im Praeludium, das nicht nur reicher im Klange sondern auch belebter im Organismus gestaltet wurde. Seine Form ist noch die Buxtehudesche, die der Componist nunmehr bald verließ. In den andren hierher gehörigen Werken zeigt er sich schon auf neuen Bahnen. Es sind zwei Fugen in C moll, eine F moll, und eine in F dur, welche in ihrem Aeußern und Innern so viel Verwandtes haben, daß sie nach dem Bachschen Grundsatze, gewisse einmal producirte Formeigenthümlichkeiten hinter einander in mehren Werken zu erschöpfen, gleichzeitig entstanden sein werden. Die Praeludien, mit denen verbunden zwei von ihnen (aus F dur und C moll) jetzt vorliegen26, sind zuversichtlich nicht ursprünglich dazu geschrieben, sondern erst später anstatt der Original-Praeludien eingesetzt; ihr riesenhafter Aufbau steht zu den Fugen im allzu großen Contrast und verräth die Zeit von Bachs allerhöchster Meisterschaft. Die andern aber27 bilden mit ihren Fugen offenbar ein zusammengedachtes Ganzes, auch [581] scheint sich das verdrängte Praeludium der C moll-Fuge erhalten zu haben28. Der Fortschritt derselben besteht in möglichstem Ausscheiden alles unorganischen Passagenwerks, möglichst stetigem Festhalten einer bestimmten Vielstimmigkeit und vor allem darin, daß an die Stelle des Motivs jetzt ein wirkliches Thema zu treten pflegt. Die Behandlung des Themas ist imitatorisch, wobei die freie Einführung der übrigen Stimmen den wesentlichen Unterschied vom strengen Fugenstile ausmacht, und eine buntere Mannigfaltigkeit in der Entwicklung gestattet29. Indessen zeigt das F moll-Praeludium diese Form noch nicht rein: es enthält wohl scharf ausgeprägte Gedanken, entfaltet sich aber vorwiegend motivisch. Die C moll-Praeludien lassen dagegen keinen Zweifel mehr zu über das, was der Componist will. Sie sind auch in Einzelheiten des Aufbaues und in der edlen elegischen Stimmung einander ähnlich wie zwei Zwillingsschwestern, nur blickt das Auge der einen noch umschleierter, noch tiefer in sich zurückgezogen, ein Einziges ist es, was ihr Inneres ganz erfüllt und über der stillen Unbeweglichkeit dunkler Orgelpunkte kaum merklich sich regend und doch ruhelos auf und nieder zieht; die andre verräth reicheres Leben, das auf dem Grunde zweier Hauptgedanken zu intensiver Harmonienfülle erblüht. An den Fugen fällt zuerst das gegen früher ganz verschiedene Gepräge der Themen auf; die Beweglichkeit und Unruhe der nordländischen Meister, welche nicht ohne Einfluß auf Bach blieb, ist überwunden und hat einer in bedeutsamen Intervallen schreitenden Gemessenheit Platz gemacht. Deutlich tritt hier wieder das Element in sein Recht, was auch auf Pachelbels Fugenthemen eingewirkt hat, aber erst durch Verbindung mit den Vorzügen der Nordländer in Bachs Musik die schönstmöglichen Fugengedanken erzeugen sollte: die ruhige Melodiebildung des Chorals, in dessen Wesen der Meister nicht umsonst so lange schon sich vertieft hatte. Gemeinsam ist allen die Entwicklung vom breiten Anfang zu immer größerer Erregtheit, nur die eine C moll-Fuge30 hebt schon ziemlich belebt an und bringt die[582] Steigerung mehr nur durch innere Mittel zu Wege. Gemeinsam ist ihnen ferner die Einführung eines Seitengedankens in der Mitte, meistens nach vollständiger Cadenz, der dann entweder zum Gegenthema wird, oder vor dem Eintritte des Hauptthemas zurückweicht. Nachstehend an Werth ist unter ihnen nur die F moll-Fuge, bei welcher auch der Seitengedanke keine ordentliche Gestalt gewinnt. Sie hat, soweit das bei Bach überhaupt möglich ist, ein etwas ungeordnetes Wesen, viel neue Contrapuncte kommen zu Tage, denen aber in kurzer Zeit die Lebenskraft ausgeht, so daß das Thema sich immer nach Hülfe umsehen muß. Deshalb fehlt trotz hoher Schönheiten doch etwas zum vollkommenen Genusse. In der andern C moll-Fuge taucht mit Takt 121 bis Takt 140 eine merkwürdig homophone und mit dem Uebrigen höchstens durch die fortfließenden Achtel äußerlich verbundene, aber inhaltlich ganz fremde Stelle auf, wie sie derartig in keinem Bachschen Orgelstücke wieder zu finden ist. Ein objectiver Grund läßt sich nicht erkennen. Breiteste Entwicklung in regelrechter Doppeldurchführung erfährt die Fuge in F dur, den größten Schwung aber besitzt die erstgenannte in C moll, aus deren Thema:


7.

schon jene dämonisch fortreißende Kraft hervorbricht, die nur Bach zu eigen hatte und in seinen Instrumentalfugen am liebsten wirken ließ.

Daß wir mit einem Genie höchster Gattung zu thun haben, mit einer Productionskraft, die auf dem Gebiete der Instrumentalmusik von Niemandem überboten, in der Orgelkunst aber niemals auch nur von ferne wieder erreicht ist, daran vor allem sich zu erinnern wird nöthig sein, um auch Bachs Verhalten zum gottesdienstlichen Gemeindegesange zu würdigen. In der Idee des protestantischen Cultus bildet die Orgelmusik keinen integrirenden Bestandtheil. Sie dient zur Unterstützung des Gemeindegesanges und ist allerdings in demselben Verhältnisse wesentlicher als in der katholischen Kirche, wie die Theilnahme der protestantischen Gemeinde am Cultus eine regere ist. Allein wir haben nachzuweisen versucht, zu welch ungeahnter [583] Bedeutung die Orgelkunst gelangte, nachdem die volksthümliche Frische des frühesten evangelischen Kirchengesanges welk geworden und die Gemüther unfähig zu kräftigem religiösen Gemeinempfinden auf eine subjective Frömmigkeit sich zurückzogen, die ja dem Wesen des Protestantismus nicht widerstritt. Hier fanden sie in der begrifflosen Instrumentalmusik die geeignetesten Ausdrucksmittel für ihr inneres Leben und im Orgelchoral die Form, welche ihnen Persönliches und Kirchliches vereinigte. Ein Ueberwiegen der Orgel über den Gesang war die natürliche Folge. Jene suchte alle ihre reichen Kräfte zu entwickeln, während dieser mehr und mehr verstummte. So konnte es kommen, daß die Organisten auch da, wo sie bescheiden hätten begleiten sollen, nicht abließen in willkürlichem Spiel die Melodie zu verbrämen und zu ändern, den einheitlichen Organismus derselben durch zwischengeschobene Phantasien zu zerstücken. Die Gemeinde ließ es sich gefallen, denn ihr war die Werthschätzung des einfachen Chorals verloren gegangen. Bach erfaßte ihn wieder in seiner ganzen Fülle und Tiefe, aber er erkannte auch, daß eine kirchliche Tonkunst, wenn sie überhaupt noch möglich sei, aus der Orgelmusik und vornehmlich aus dem Orgelchoral hervorblühen müsse. Deshalb grade und weil er mit unglaublicher Kraft diesen Boden nach allen Richtungen hin durchackerte, konnte er unmöglich dem Gemeindegesange mit seinem Spiel nur eine dienstfertige Stütze sein wollen, er der aus dem Urquell damaliger Kirchenmusik schöpfte, wenn er vor seinem Orgelwerke saß. Nein, auch hier blieb er, wenngleich auf unendlich verengertem Gebiet, der lebendig schaffende Künstler. In Arnstadt hatte er die Gränzen des Gebiets kennen gelernt und wird die dort gemachten Erfahrungen benutzt haben. Von dem maßlosen Coloriren und allzu phantastischen Herumschweifen brachte ihn schon sein allgemeiner Entwicklungsgang bald zurück, im übrigen hatte er in dem kirchlich gesinnten Weimar sicherlich eine choralkundige Gemeinde, einen tüchtigen Cantor und einen gesangfesten Knabenchor. Zur Entscheidung der Frage, wie ein Organist den Gesang zu begleiten habe, darf man sich auf Bachs Beispiel nicht berufen. In unserer Zeit ist ihre Lösung einfach, weil wir über jede genetische Entwicklung der protestantischen Kirchenmusik – leider – hinweg sind; den Schatz der Choralmelodien unverfälscht lebendig zu erhalten, kann die einzige Aufgabe sein. [584] Von diesem Standpunkte aus ist auch über Zulässigkeit von Zwischenspielen nicht zu streiten, obgleich es trotzdem in unseren Tagen noch geschieht; sie sind sinnlose Vehikel der Unkunst und Barbarei und höchstens zwischen den verschiedenen Strophen zu gestatten. Viel anders lag die Sache damals, obgleich offne Köpfe sich der Einsicht nicht verschließen konnten, daß ein geschmackloses Ueberwuchern der Orgelmusik den Gemeindegesang vollends zu Grunde richte. Adlung meinte: »Wenn manche so vollstimmig arbeiten, ganze Gänge mit ordentlichen Schlüssen vermengt mit anbringen, und bald [d.h. schnell] anfangen, langsam aber wieder aufhören, daß entweder die Gemeinde unordentlich fort singt, oder über Gebühr warten muß, so kann es fürwahr nicht für das schönste Stück bei dieser besten Welt gehalten werden«31. Nikolaus Bach in Jena wollte von Zwischenspielen garnichts wissen, »weil er glaubte, ein anhaltender Griff könnte die Gemeinde besser zwingen ohne solch Laufwerk«, und in der Weißenfelser Schloßkirche waren sie sogar verboten.

Um von Sebastian Bachs Praxis ein Bild zu entwerfen, sind wir nicht bloß auf Speculation angewiesen. In den Choralsammlungen seiner Schüler und Walthers haben sich einige Tonsätze vorgefunden, die zu dem worauf wir eben hindeuteten die Belege liefern. Es sind die für die Orgel gesetzten Choräle »Gelobet seist du, Jesu Christ«, »In dulci jubilo«, »Lobt Gott, ihr Christen allzugleich« und »Vom Himmel hoch da komm ich her«32. Jeder, der sich mit den Typen des eigentlichen Orgelchorals vertraut gemacht hat, sieht, daß zu ihm diese Sätze nicht gehören. Sie tragen die Melodie zeilenweise in breiten Harmonien vor, beobachten die Fermate und fügen zwischen die Zeilen Passagen ein, alles mit einzelnen Ausnahmen,[585] welche aber den Grundcharakter nicht anfechten. Die Absicht liegt klar am Tage, die einzelnen Glieder der Melodie sich verständlich und scharf hervorheben zu lassen; das Bestreben aber, den Choral als Gesammttonstück auf das rein musikalische Gebiet hinüber zu ziehen, was doch Aufgabe des Orgelchorals ist, tritt zurück. Damit hängt die Ungebundenheit des mehrstimmigen Baues zusammen, zu welchem bald vier, bald fünf, bald mehr Töne verwendet werden, um recht wuchtige Zusammenklänge zu erfassen, und ohne sich um die Fortführung dieser oder jener Stimme sonderlich zu kümmern. Am deutlichsten aber reden jene mit dem harmonischen Gewebe in keinem Zusammenhange stehenden Passagen, die man damals unter Zwischenspielen verstand33. Es ist kein Zweifel, daß wir hier Proben davon haben, wie Bach den Gemeindegesang begleitete, und von seinen Schülern begleitet wissen wollte, denen er deshalb diese Sätze aufgezeichnet haben wird. Vergleicht man sie mit dem früher einmal zur Erläuterung seiner Arnstädter Gewohnheiten angeführten Orgelsatze zu »Wer nur den lieben Gott läßt walten«, so bemerkt man, daß fast alle Colorirung der Oberstimme fehlt, dieselbe in ihren einzelnen Schritten immer ruhig und groß hervortritt, und auch einmal nur durch eine sich überwegschwingende Stimme augenblicklich gedeckt wird (»Lobt Gott, ihr Christen« Takt 6 und 7). Die Zwischensätze sind nicht melodisch oder in einer andern Weise selbständig, sondern nur ganghaft. In diesen Gränzen aber, die er sich aus pietätvoller Rücksicht auf den Gemeindegesang zog, zeigt er seinen kunstschöpferischen Genius in ganz wunderbarer Freiheit und Größe. Mit diesem gewaltigen Harmonienbau, dieser glänzenden Tonfülle, dieser kühnen Bewegung der Stimmen wob er den Schein künstlerischer Verklärung um den einfachen Volksgesang, mit dem tiefsinnigen Eingehen auf seine poetische Bedeutung verlieh er ihm etwas von der individuellen Tendenz, welche dem Protestantismus gegenüber der katholischen Kirche eigen ist. In der schon erwähnten Zeile »Lobt Gott, ihr Christen allzugleich« wird Gott gepriesen, »der heut schleußt auf sein Himmelreich«: eine Stimme überklimmt die Melodie und strebt jubelnd himmelan. Bei der Harmonisirung der Melodie »Vom Himmel hoch da komm ich her« wird durch die [586] auf-und absteigenden Sechzehntelgänge das Hin- und Wiederschweben der Engelschaaren mystisch versinnlicht34. Auch im Allgemeinen ist den Choralsätzen – es sind merkwürdigerweise sämmtlich Weihnachtslieder – der Charakter ihrer kirchlichen Bestimmung scharf aufgeprägt. Den genialsten und großartigsten Bau hat der Christgesang »In dulci jubilo«, der in dieser Form etwa einmal als Accompagnement der letzten Strophe gedient haben mag. Die ersten Zeilen erklingen in majestätischen fünfstimmigen Harmonien Accord gegen Melodienote. Aber von der dritten Zeile an läßt sich die zwischenhineingegossene Fluth der Passagen nicht mehr zurückdämmen, sie strömt unter der Decke der Oberstimme weiter, wird während der Einschnittspausen sichtbar, dringt zuweilen auch in die Höhe und überspült kleine Strecken der Melodie, braust dann immer gewaltiger zu Triolen beschleunigt aus der Tiefe empor und beruhigt sich erst zu der vorletzten Zeile, wo der Meister in die majestätische Ruhe des Anfangs zurücklenkt und über dem viele Takte hindurch ausgehaltenen Schlußtone endlich einen siebenstimmigen Harmonienbau aufthürmt. Beim Betrachten eines solchen Stückes überkommt uns wohl die Ahnung, welche Gebilde unter Bachs Fingern entstanden sein mögen, wenn der Schwung religiöser Begeisterung ihn fortriß, märchenhafte Zauberpaläste, die der Augenblick gebar und vernichtete, goldne Wolkenschlösser, den geheiligten Tonwesen, den Kirchenmelodien, zur erhabenen Wohnung bestimmt.

Manche solcher Choralbegleitungen konnten den wirklichen Orgelchorälen wohl äußerlich ähneln. Aber es herrschte auf beiden Seiten ein ganz verschiedenes Gestaltungsprincip, das endlich doch immer erkennbar sein mußte; bei der Choralbegleitung lag der Schwerpunkt außerhalb des Instrumentalsatzes, beim Orgelchoral innerhalb desselben, wenngleich dieser außermusikalische Factoren mit zur Wirkung herbeizog. Im Orgelchoral ist die gespielte Melodie lebenspendender Mittelpunkt des Ganzen, in der Choralbegleitung tritt sie nur als ein Element der harmonischen Gebilde auf, welche den Gemeindegesang umstrahlen sollen, und denen darum der Tonsetzer sein Hauptinteresse zuwendet. So ist denn auch nicht zu [587] zweifeln, daß ein anderer Tonsatz, der mit den oben angeführten aus derselben Quelle stammt, »Liebster Jesu, wir sind hier«, eine bloße Choralbegleitung ist, ungeachtet alle Zwischenspiele fehlen35. Die Harmonien sind so schwer und wuchtig, daß sie zum Gegengewichte nothwendigerweise eines massenhaften einstimmigen Gesanges bedürfen, um einen proportionirten Eindruck hervorzurufen. Und wollte man dennoch Bedenken tragen, so ist ein Orgelsatz zu dem Ambrosianischen Lobgesange zu vergleichen, bei dessen 258 Takte betragender Länge jeder Gedanke an ein freies Orgelstück von vorn herein ausgeschlossen ist36. Er wurde jedenfalls niedergeschrieben, um durch sorgfältig abgewogene Mannigfaltigkeit der Harmonie den eintönigen Wiederholungen der Melodie zu größerem Reize zu verhelfen. Die Factur stimmt aber mit der des ersteren Choralsatzes völlig überein. Um sich des Unterschiedes von einem Orgelchoral deutlich bewußt zu werden, braucht man nur eine beliebige durchgehend contrapunctirte Melodie aus dem »Orgelbüchlein« daneben zu halten.

Das eigenthümliche Werk dieses Namens wird unsern Ausgangspunkt bilden müssen, um Bachs Leistungen als Componist von Orgelchorälen für Weimar abzuschätzen. Es ist eine Sammlung von 45 Bearbeitungen, die er anlegte, um Anfängern im Orgelspiel, und zunächst wohl seinem allmählig heranwachsenden ältesten Sohne Wilhelm Friedemann zur Durchführung eines Chorals mit guten Mustern an die Hand zu gehen37. Ob er einmal an eine Veröffentlichung[588] gedacht hat, ist ungewiß, sicher nur daß er das Werk nicht, wie er sich vorgenommen, vollendete. Die Mehrzahl der Blätter und Seiten des Büchleins ist unbeschrieben geblieben und trägt nur über dem obersten Liniensystem den Anfang des Liedes, von dessen Melodie eine Bearbeitung auf der betreffenden Seite Platz finden sollte. Die bescheidene und zunächst nur auf Lehrzwecke gerichtete Bestimmung läßt die Bedeutsamkeit des Inhalts kaum ahnen. Aber Bach wurde um so tiefsinniger, je kleiner der Kreis war, an den er sich wendete; und daß er sich gern grade an junge Künstler wendete, von denen er ein liebevolles Eingehen auf seine geheimsten Intentionen erwarten konnte, zeigen zwei seiner bedeutendsten Clavierwerke, die demselben Zwecke gewidmet sind, die Inventionen und das wohltemperirte Clavier.

Ziegler bezeichnete es als eine Tendenz der Bachschen Unterweisung, die Orgelchoräle »nicht nur so obenhin, sondern nach dem Affect der Worte« zu setzen. Mit dieser Anschauung hatte Bach die Erbschaft Pachelbels angetreten. Eben so sehr aber hatte er auch die Leistungen aller übrigen im Orgelchorale bedeutenden Künstler, insbesondere Buxtehudes, für sich auszunutzen gewußt. Jener war ihm mehr in idealer, dieser in formaler Hinsicht gewinnbringend gewesen. Auf einer allesbeherrschenden Höhe stehend versenkte er sich in diese eigenthümliche Kunstform nun mit der ganzen Kraft und Ursprünglichkeit seines Talentes. Unerschöpflich ist seine combinatorische Erfindungskraft, wunderbar das Vermögen, den poetischen Empfindungen auf instrumentalem Wege nachzufolgen, sie bis zur größten Zartheit zu verfeinern und bis ins Unergründliche zu vertiefen.

In dem Orgelbüchlein setzte er sich durch den instructiven Zweck gewisse Schranken, und wenn darin einem »anfahenden« Organisten Gelegenheit gegeben werden soll, »auf allerhand Art« einen Choral durchzuführen, so ist die in Aussicht gestellte Mannigfaltigkeit mehr im Besonderen als im Allgemeinen zu verstehen. Kein einziger der Choräle hat jene große Form, in der die Choralzeilen durch motivische Zwischenstücke vorbereitet werden, und [589] die wir speciell die Pachelbelsche nannten. Bei allen mit einer Ausnahme wird die Melodie im fortlaufenden Zuge contrapunctirt und zwar geschieht dies, wiederum mit nur drei Ausnahmen, ohne durch Colorirung die Melodie erheblich anzutasten. Durchgehend spinnt sich die Contrapunctirung aus einem Motive heraus, in dessen silbernem Gewebe die goldne Frucht der Choralmelodie hängt. Die consequente Verfolgung dieses Grundsatzes ist ein Fortschritt Bachs gegenüber seinen Vorläufern; so wird jedesmal das Gefühl von etwas großem und einheitlichem erweckt. Dabei aber sind die Contrapuncte immer von einer so hervorragenden musikalischen Bedeutsamkeit, daß sie sofort ein ganz eignes Stimmungsgebiet erschließen, ein Stimmungsgebiet, das freilich in der Melodie selbst schon enthalten war, es ist nur, als sei plötzlich ein Schleier fortgezogen und wir sähen in eine geheimnißvolle Tiefe hinab. Welch eine milde Wehmuth liegt in dem Chorale: »Alle Menschen müssen sterben«, welch ein unbeschreiblicher Ausdruck namentlich in dem letzten Takte durch den Querstand zwischen cis und / und die kleine fast unmerkliche Ausschmückung der Melodie! Es wäre ganz verkehrt, in solchen Zügen jedesmal Nachbildungen bestimmter, in der einzelnen Zeile gegebener poetischer Vorstellungen suchen zu wollen: immer ist es zuerst das musikalische Bild, dem Bach durch solche Mittel höheren Reiz verleihen will38. Frohbeschwingte Rhythmen heben die Weihnachtsmelodie »Der Tag der ist so freudenreich«, ein kräftiges, morgenfrisches Leben strömt mit stets wachsender Energie durch die drei Strophen des alten Osterliedes »Christ ist erstanden«, sehnsuchtsvolle Innigkeit blüht aus dem köstlichen Gewinde hervor, mit welchem der Meister eine seiner Lieblingsmelodien, »Jesu, meine Freude«, umgab. Wenn meistens die Motive der Contrapuncte frei erfunden sind, so werden sie bei drei Chorälen aus der ersten Melodiezeile selbst entwickelt und auf diese Weise mit dem Chorale in einen noch innigeren formalen Zusammenhang gesetzt. Es sind: »Dies sind die heilgen zehn Gebot«, »Helft mir Gott's Güte preisen«, »Wenn wir in höchsten Nöthen sein«; bei den letzten beiden hält sich der Contrapunct nur an die [590] vier Anfangstöne, die dann entweder frei fortgesetzt oder motivisch und durch Umkehrung weiter entwickelt werden. Besonders gern aber führt Bach die Melodie canonisch, eine Liebhaberei, in deren geschickter Lösung sein weimarischer Kunstgenosse Walther mit ihm wetteiferte. Nicht weniger als neun Melodien sind in dieser Weise behandelt, darunter vier in der Quinte oder Duodecime, ohne daß übrigens in der Strenge der andern Contrapuncte etwas nachgelassen wäre. Und grade diesen Stücken ist neben größter harmonischer Kunst oft der ergreifendste Gesammtausdruck eigen. Da treffen wir einen sechzehntaktigen Satz über »Christe, du Lamm Gottes«; in den drei Anfangstakten wird der dreistimmige Contrapunct exponirt, dann setzt der Tenor die Melodie ein, der Sopran folgt einen Takt später in der Quinte, nun entspinnt sich eine Kette eigenthümlichster, wehklagender Harmonien, deren Fremdartigkeit zuerst frappirt, vielleicht gar abstößt, aber mit wiederholtem Hören gewinnt man sie lieber und lieber, um sie endlich unvergeßlich in sich aufzunehmen – die tiefsinnigste musikalische Ausdeutung, die dem Choral gegeben werden konnte! Dieselbe Canonik ist bei dem andern Passionschorale: »O Lamm Gottes, unschuldig« angewendet. Hier ist der Ausdruck nicht so herb und starr, der in einen Nothschrei zusammengepreßte Schmerz löst sich und wird weich und lind, wie auch das Gedicht sich tiefer auf seinen Gegenstand einläßt; der Satz ist nur vierstimmig, die schwebenden Gänge der contrapunctirenden Stimmen weisen hinaus auf die Begleitung des Choralchors, welcher am Schlusse des ersten Theils der Matthäuspassion steht. In der Bearbeitung »Hilf, Gott, daß mirs gelinge« wird wiederum ein Canon in der Quinte, und zwar zwischen Sopran und Alt eingeführt. Dazu bringt die linke Hand auf einem zweiten Manual unablässig strömende Sechzehntel-Triolen, die bald unter dem Canon weggleiten, bald ihn umspielen, bald hoch übersteigen. Hier tritt es schon zu Tage, wie Bach die Eigenthümlichkeiten der nordischen Schule mit Pachelbels Errungenschaften zu vereinigen verstand. Auch ist es lehrreich, Walthers Bearbeitung zu vergleichen, der ebenfalls einen Canon in der Quinte anbringt, aber so, daß wir schon früher seine Geschmacklosigkeit deshalb tadeln mußten. Indem Bach die Melodie in gleichen Notenwerthen nur im Abstande von einem halben Takte nachahmt, zwingt er die nachahmende Stimme [591] in den Harmoniengang der Hauptstimme hinein und macht sie ganz von jener abhängig. Nur ihre melodischen Umrisse fallen ins Bewußtsein, sie ist wie der Schatten, den ein Körper hinter sich wirft. Bei fünf Bearbeitungen hat sich Bach auf den einfacheren Canon in der Octave beschränkt und ihn jedesmal der obersten Manualstimme und dem Pedale zugetheilt. Letzteres übersteigt oftmals die Manual-Bassstimme, ein Klangeffect, den auch Buxtehude und seines gleichen liebten. Z.B. bei »Gottes Sohn ist kommen« und »In dulci jubilo«, wo die Pedalstimme bis zum 7. ja zum 7. emporgeführt wird; man kann daraus schließen, daß Bach hier mit dem vierfüßigen Cornettbass registrirt hat, welchen die weimarische Schloßorgel besaß, denn Pedale von so großem natürlichen Umfange wird es damals kaum irgendwo gegeben haben39. Einmal, in dem Choral »Herr Jesu Christ, dich zu uns wend«, stoßen wir auch auf Spuren des Böhmschen Typus, dessen Behandlung desselben Chorals an einer früheren Stelle analysirt ist; hier spinnt der canonische Bass die Melodie in der Verkleinerung motivisch aus. Dagegen wird eine andre Eigenthümlichkeit nicht auf das Vorbild des Lüneburger Meisters, sondern auf die Einwirkung der Ciaconen-Form zurückzuführen sein: in zwei Stücken (»Heut triumphiret Gottes Sohn« und »In dir ist Freude«) kehrt nach kurzen Pausen immer ein gewisses Bassthema wieder.

Einen weiteren Schritt zur Vervollkommnung der Form that Bach, indem er gewisse Bewegungsvorstellungen der Dichtung in den contrapunctirenden Tonreihen abspiegelte. Pachelbel hatte sich dessen enthalten, ihm fehlte die Innigkeit, sich dergestalt in seinen Gegenstand zu versenken. Und eine Versenkung ist es, nicht etwa eine äußerliche Malerei. Denn, es sei nochmals gesagt, in jeder Bewegung der äußeren Welt erkennen wir das Bild einer bestimmten innern Regung, und jede Vorstellung der Bewegung reproducirt auch das analoge Gefühl in der empfindenden Phantasie. Bachs Verfahren ist also nur ein tieferes Eingehen auf den Stimmungsgehalt der Dichtung. »Ach wie flüchtig, ach wie nichtig ist der Menschen Leben!« singt Michael Franck; Bach begleitet die Melodie durch ruhelos gleitende Sechzehntel, die gespenstisch wie Nebelgestalten [592] vorbeihuschen. »Vom Himmel kam der Engel Schaar«, beginnt Luther sein bekanntes Weihnachtslied; abwärts rauschen und wieder nach oben, wie sich senkende und emporschwebende Himmelsboten, bei Bach die Tonreihen der linken Hand, denen das Pedal in zweifacher Vergrößerung folgt. »Durch Adams Fall ist ganz verderbt menschlich Natur und Wesen«, lautet der Anfang eines Rechtfertigungsliedes; mittelst eines motivisch durchgeführten Septimensprunges zeichnet das Pedal den »Fall«. Man tadle das nicht als eine kurzsichtige Illustration der ersten Zeile, die in ihr liegende Vorstellung vom Sturze aus dem Zustande der Unschuld in das Gebiet der Sünde beherrscht das ganze Gedicht. Nur solche Vorstellungen pflegt Bach überhaupt tonbildlich zu gestalten. Das beweist z.B. der Satz über das Sterbelied: »Herr Gott, nun schleuß den Himmel auf«, dessen krausbewegte Contrapunctirung so lange befremdet, bis man in der Mitte der ersten Strophe an die Zeilen kommt: »Hab gnug gelitten Müh und gestritten«, dann öffnet sich der Sinn für ein Bild des wirren, ermüdenden Menschenlebens. Oder man sehe den Orgelchoral »Da Jesus an dem Kreuze stund«; das Gedicht paraphrasirt die sieben Worte, welche Jesus von dort sprach, die schwer nach unten ziehenden Synkopen versinnlichen den Zustand des Hängens – ein Zeugniß von wunderbar sicherem ästhetischen Gefühle, denn jene erzwungene, verrenkte Ruhe war keine Ruhe.

Verhältnißmäßig selten bringt Bach die Melodie colorirt, nur drei Beispiele bietet das Orgelbüchlein. Aber dann versteht er seine geistreiche Colorirung durch motivisch erwachsende, kühne und tiefe Harmonien auch über die schönsten Leistungen seiner Vorgänger hoch hinauszuheben. In dem Choral »Das alte Jahr vergangen ist« mit seiner chromatischen Contrapunctirung ist der schwermüthige Ernst von Lied und Melodie zur größten Intensität gesteigert. Phantastisch und in schwelgerischem Reichthum ergeht sich »O Mensch, bewein dein Sünde groß«; es ist das Wunder von Christi Erscheinung auf Erden, was den Tonsetzer inspirirte.

Einmal kommt auch eine ganz freie Behandlungsform in der Weise Böhms und der Nordländer vor, die mit ihrem virtuosischen Wesen nicht recht in die Sammlung paßt und sicherlich aus ganz früher Zeit stammt; sie betrifft den Choral »In dir ist Freude«.

Von den kleinen aber inhaltstiefen Formen des »Orgelbüchleins« [593] richten wir unsern Blick auf Breiteres. Hier liegt ein so reiches Material vor, daß eine Zerlegung in Gruppen nöthig ist. Hinsichtlich der Unterscheidung nach größerer und geringerer Güte der Compositionen hat Bach seihst den Weg gewiesen, indem er in Leipzig eine Reihe seiner vorzüglichsten Orgelchoräle aus früherer Zeit eigenhändig zusammenschrieb und bei dieser Gelegenheit, wo es noth that, überarbeitete. Einiges gleich bedeutende, aber auf andre Weise überlieferte, werden wir diesen anschließen. Es bleibt außerdem noch immer ein reicher Schatz von andern Chorälen, der zunächst dazu dienen soll, uns in der Bachschen Formenwelt weiter zu orientiren, und, wenn auch von einer detaillirten chronologischen Entwicklung seines Orgelchorals Abstand genommen werden mußte, doch Gelegenheit geben kann, wenigstens in allgemeineren Umrissen das Früher und Später zu constatiren.

Die frühesten von uns betrachteten Choralarbeiten Bachs waren zwei Variationenreihen gewesen. Zu ihnen gesellt sich jetzt eine dritte über »Sei gegrüßet, Jesu gütig« in elf Partiten. Sie sind, wie man sofort erkennt, verschiedenen Alters: die ersten vier und die siebente stimmen nicht nur in der Beschränkung auf das Manual, sondern auch in ihrem gesammten Gebahren, namentlich der Anlehnung an Böhm mit jenen frühesten Arbeiten ziemlich überein, und zeigen in der vollständigen oder theilweisen Auflösung der Melodie in Figurenwerk und deren motivischer Ausspinnung (erste Variat.) den wirklichen Variationencharakter. Die Stücke 5. 6. 9. 10. 11 dagegen sind ordentliche Orgelchoräle und benutzen mit einer Ausnahme das obligate Pedal; ihre Form ist die im Orgelbüchlein durchgängig herrschende, nur die zehnte Variation mit ihren vollstimmigen Zwischensätzen, die jede Zeile colorirt und zerdehnt vorspielen, lehnt sich an Buxtehudes Weise, über deren Hervortreten in Bachs weimarischen Compositionen unten ausführlicheres zu lesen ist. Nr. 8 steht gesondert da, die erste Gruppe etwas überragend, die zweite nicht erreichend. Der die Reihe eröffnende einfache Choral hat nicht die plumpe, claviermäßige Harmonisirung wie bei den früheren Partiten mehr, sondern eine musterhaft vierstimmige. Man gelangt leicht zu dem Schlusse, daß Bach drei Male an dem Werke gearbeitet hat. Seine erste Gestalt mag es zu gleicher Zeit mit den beiden andern gewonnen und ihnen auch im Anfangschorale geglichen [594] haben. Später setzte er an dessen Stelle den schönen vierstimmigen Tonsatz, überarbeitete besonders die erste Variation, die im Vergleich zu den entsprechenden Stücken der andern Reihen bei ganz gleicher Anlage doch viel geordneter erscheint und schloß mit der vierten Veränderung ab. Wiederum später schrieb er die Nummern der zweiten Gruppe dazu, suchte für den siebenten und achten Platz alte Variationen wieder hervor, nicht ohne die letzte zu überarbeiten und vermuthlich mit den kurzen Pedaltönen zu versehen. Auf diese Weise ist ein Werk entstanden, in dem Reifes und Ursprüngliches mit Unreifem und mehr oder weniger Unselbständigem in merkwürdigster Mischung sich befindet40.

Die primitivste Form des Orgelchorals: Contrapunctirung ohne festgehaltenes Motiv und ohne thematische Zwischenspiele findet sich nur zweimal; beide Male gehen ein paar einleitende Takte mit Imitationen über die erste Zeile voraus. Als frühe Werke verräth sie auch zum Theil ihre Quelle. Aber so einfach sie sind, so viel harmonische Schönheit enthalten sie41.

Zu der Pachelbelschen Form ist eine Anzahl von Beispielen vorhanden vom engsten Anschlusse an durch alle Stufen selbständiger Fortentwicklung bis zur höchsten Veredlung. Den ausgedrückten Stempel der Jugendarbeit trägt ein Choral »Durch Adams Fall ist ganz verderbt«42: sorgsam wird jede Zeile durch ein fugirtes Zwischenspiel eingeleitet, aber die Melodie hebt sich nicht genügend als Hauptsache hervor, der Contrapunct ist natürlich unmotivisch. Gleich gestaltet, aber im plastischen Hervortreten der Melodie den Forderungen des Ideals vollentsprechend, ist eine Bearbeitung von »Gelobet seist du, Jesu Christ«43. Große Dimensionen zeigt ein »Vom Himmel hoch«, wo die Melodie im Pedale liegt, nur sind dafür, daß sie ohne Vergrößerung auftritt, die Zwischensätze viel zu lang, [595] und wenn auch die Melodie sich durch die Klangfarbe scharf abhebt (das Pedal pausirt außerdem consequent), so ist damit doch der Idee nicht genug gethan. Ohne Vergrößerung tritt der Cantus firmus auch in »Valet will ich dir geben« im Pedale auf, aber die Ausdehnung der Zwischensätze ist maßvoll, die Contrapuncte sind mit reizender Anmuth geschlungen und geschürzt. Walther liebte das Stück und schrieb es sich mehre Male ab, auch der Componist war ihm so hold, daß er es später noch einmal unter die Feile nahm44. Den vollendetesten Ausdruck gab Pachelbel seinem Ideal dadurch, daß er dem glänzend contrapunctirten Chorale eine Fuge über die erste Zeile vorausgehen ließ. Bach griff die Form auf, fugirte nach einander die beiden Anfangszeilen von »Allein Gott in der Höh« und ließ sie zum Schluß als Cantus firmus im Pedal das Ganze krönen45. Und war dies nur eine fragmentarische Durchführung des Princips, so hat er ein wahres Musterstück geliefert an einer großartigen Bearbeitung des Magnificat46, die mit einer 97 taktigen vierstimmigen Manualfuge beginnt, unter deren kühn aufstrebendes Gebäude sich dann mit mächtigem Schall die gewaltigen Quadersteine des Cantus firmus legen. Einfache Choralfugen dagegen kommen bei ihm kaum vor, hierin machte er es wie Buxtehude, der, wenn er Fugen schreiben wollte, sich auch seine Themen lieber selber erfand. »Vom Himmel hoch« ist in dieser Weise allerdings einmal benutzt, aber vielleicht nur weil Bach die verkleinerten beiden mittleren Zeilen kunstvoll als Gegenmelodien einführen wollte, mindestens wird dadurch die Form wesentlich verändert47.

Es lag in Bachs künstlerischer Natur, die überall auf eine möglichst organische Durchbildung des Tonmaterials hinstrebte, daß ihm die bisherige Art der unmotivischen Contrapunctirung bald nicht mehr genügte. Wie er in den Chorälen des Orgelbüchleins das Ganze der begleitenden Stimmen aus einem oder wenigen klar vorgelegten Keimen entstehen ließ, so sollte es nun auch in der Pachelbelschen [596] Choralform werden. Dies sah schwierig aus, weil die Form Zwischenspiele verlangte, die jedesmal aus dem Stoff der folgenden Zeile gebildet waren. Aber Bach scheint ohne viel Grübeln sofort den richtigen Weg gefunden zu haben: das eine Mal ersann er figurirte Motive von solcher Biegsamkeit, daß es ihm leicht wurde, damit jedesmal die Spitzen des motivischen Grundstoffes zu streifen, das andre Mal führte er mit dem figurirten Motiv die thematische Vorbereitung des Cantus firmus gleich zusammen ein, daß beide wie eine Einheit erschienen. Wie er es in Anwendung dieser Kunstmittel zu immer größerer Gewandtheit brachte, läßt sich an verschiedenen Arbeiten erkennen. Eine dreistimmige sogenannte Fantasia über »Christ lag in Todesbanden« bleibt noch halb bei der alten Weise, bildet aber für Aufgesang und Abgesang nur je ein Motiv aus ihren ersten Zeilen zum Einleitungssatz derselben und weiß dieses so einzurichten, daß es auch als Contrapunct vielfältig verwerthbar ist48. Uneingeschränkt waltet aber das neue Verfahren schon in einer Bearbeitung von »In dich hab ich gehoffet, Herr«49, nur greift hier das motivische Spiel zu weit um sich, und erfaßt auch den Cantus firmus, zu dessen Hervorhebung übrigens nichts weiter gethan ist; außerdem kommt die Bewegung nach jeder Zeile ins Stocken, und das Stück fällt in eben so viele Stückchen aus einander. Einzig der Schluß ist ganz befriedigend: angemessen steigert sich hier die Lebhaftigkeit der Contrapunctirung und nachdem schon der Cantus firmus in der Oberstimme sein letztes Wort gesprochen, er greift – Ende gut, alles gut – das Pedal noch einmal die einfache Melodiezeile, zu der die Oberstimmen eine sehr gelungene Begleitung ausführen. Mit vollendeter Erreichung der Intention stellt sich dagegen ein dreistimmiger Manualsatz über »Allein Gott in der Höh« dar; in diesem Anfangsmotiv:


7.

erklingt sowohl die Melodie der ersten Zeile, und wird jede folgende [597] mehr oder minder deutlich widergespiegelt, als darin auch die Substanz für die gesammte Contrapunctirung enthalten ist, die durch Umkehrungen, Weiterbildungen, Umgestaltungen sich unaufhörlich aus sich selbst erneuert50. Der Cantus firmus zieht ruhig in halben Takten darüber her. Zuweilen war auch eine Choralmelodie in ihren einzelnen Abschnitten so beschaffen, daß das aus der ersten Zeile gebildete Motiv mit geringen Abänderungen für alle paßte, z.B. »Ach Gott und Herr«, bei der man fast alles mit diesem Motive:


7.

bestreiten kann, wie Bach denn auch durch die That bewiesen hat51.

Von den Leistungen Buxtehudes und seiner Kunstverwandten konnten mehr die feinen Klangwirkungen und geistreichen Einfälle, als die ganzen Typen gebraucht werden. Doch ist Bach grade in Weimar nicht selten auch auf den Pfaden des kleinen Buxtehudeschen Orgelchorals weitergegangen, wobei denn freilich immer etwas ganz andres heraus kam, als jener Meister zu schaffen vermocht hatte, aber der Ausgangspunkt ist doch unverkennbar. In späteren Jahren kam er aus dieser Richtung, auf der ihn vielleicht auch äußere Anlässe weiter lockten, ganz zurück. Das einzige Beispiel, das wir vorläufig zu nennen haben, ist eine Bearbeitung der Melodie des Clausnitzerschen Liedes »Wir glauben all an einen Gott«52. Die Merkmale des kleinen Buxtehudeschen Chorals waren rein musikalische: elegante Verzierung der Melodie, reizvolle harmonische und klangliche Ausstattung; für letztere stand die Benutzung zweier Manuale fest, deren einem die Melodie zugewiesen wurde, auch Doppelpedal wandte er und mit ihm gern die ganze Schule an. Negative Merkmale waren die Gleichgültigkeit gegen eine zusammenhängende Contrapunctirung, gegen jedes andre als durch die Tonqualität erzeugte Hervortreten des Cantus firmus, und die Unregelmäßigkeit [598] in Bildung der Zwischensätze, in denen bald die folgende Zeile benutzt wurde, bald nicht. Bachs Choral läßt alle diese Eigenschaften erkennen, nur hat er nicht umhin gekonnt, die Mängel so viel es anging auszugleichen. Die erste Melodiezeile tritt in der Tenorlage vollständig auf, dann wird aber bis zum Einsatze des Cantus firmus noch vier Takte frei weiter praeludirt, der zweiten Zeile geht keine zwischenspielende Andeutung vorher, der ersten des Abgesanges dagegen gar eine unter mehrstimmiger Begleitung fugirte, der letzten wieder eine einfache. In denselben Notenwerthen ertönt der Cantus firmus auf seinem Manuale, ohne erhebliche Verzierungen, aber mit einem echt Buxtehudeschen Passagenschwanze am Schlusse. Die contrapunctirende Masse jedoch ist weit mehr zusammengehalten, nicht durch imitatorische und motivische Künste, sondern indem sie, immer vollstimmig, ungebunden phantasirend und auf melodische Führung ihrer einzelnen Stimmen bedacht vorwärts schreitet. Buxtehudes fugirte Ansätze, die es zu nichts brachten und den Fluß nur hemmten, hat Bach mit Recht beseitigt, um den größten Nachdruck auf das zu legen, was dieser Form auch das Wesentlichste war, den Klangcontrast, die Farbe und die saftige Harmonik. Zu dem Zwecke hat er auch durch das ganze Stück Doppelpedal verwendet, das mit den zweistimmigen Gängen des begleitenden Manuals die merkwürdigsten Combinationen eingeht. Bei gewählter Registrirung muß die Wirkung eine bezaubernde sein.

Strebte Bach durch Verschmelzung der Pachelbelschen Form mit der motivisch contrapunctirten ein höheres neues Ideal an, so wird man nun erwarten, daß er auch aus dieser letzteren, die speciell die seinige genannt werden könnte, wenn er nicht eben allen den Stempel seines Geistes aufgedrückt hätte, noch mehr zu machen versuchte, als die Stücke des Orgelbüchleins dargethan haben. Der nächstliegende Schritt war, mit selbständigen Gedanken ein freies Stück auszuführen, das den Stimmungsgehalt des betreffenden Chorals zur musikalischen Erscheinung brachte und dasselbe durch die hineingewobene Choralmelodie von einer helleren poetischen Empfindung durchleuchten zu lassen. Bach hat keinen Anstand genommen auch diesen Schritt zu thun und damit die bewunderungswürdige Consequenz seiner Entwicklung und den untrennbaren innern Zusammenhang seiner schöpferischen Aeußerungen auf den verschiedenen [599] Kunstgebieten von neuem kundgegeben. Pachelbel hatte den Choral in seinen kirchlichen Beziehungen als instrumentales Kunstobject aufgefaßt, Bach gab in der neuen Form, welche wir »Choralfantasie« nennen wollen, fast nur denjenigen Gefühlen Ausdruck, die seine Person beim Vernehmen einer Choralmelodie erfüllten. Der folgende Schritt auf diesem Wege wäre entweder gewesen, den Cantus firmus ganz fortzulassen und nur zur poetischen Erläuterung den Anfang des Chorals über das Stück zu schreiben. Oder man mußte sich nach einem Mittel umsehen, das Uebergewicht des Chorals wieder herzustellen, ohne jenen großartigen Errungenschaften auf instrumentalem Gebiete Abbruch zu thun. Das zweite hat Bach gethan. Unmittelbar aus dieser letzten Form sind jene überherrlichen Choralchöre hervorgegangen, in der die Instrumente ihr eignes Stimmungsbild weben, in welches der Chor der Menschenstimmen mit dem Kirchenliede hineintritt, durch seine sittlich höhere Bedeutung alles übrige beherrschend und in seine Sphäre zwingend. Bach ging in der Vertiefung und Subjectivirung des Orgelchorals bis an die äußerste Gränze fort, aber keinen Fuß setzte er darüber hinaus ins Bodenlose; ein erhabener Priester seiner Kunst strebte er, was er in tiefer Einsamkeit Göttliches geschaut, dem gesammten Volke mitzutheilen und klar zu machen. Gegen die Choralchöre, welche er in dieser Weise anlegte, ist die Zahl der Choralfantasien verschwindend klein. So freilich darf man den Entwicklungsprocess nicht auffassen, als ob Bach, nachdem ihm der Durchgang durch die instrumentale Form zur vocalen klar geworden, jene als werthlos bei Seite geworfen hätte. Vielmehr schrieb er bis in sein spätes Alter Orgelchoräle nicht nur im allgemeinen, sondern speciell auch dieser Art. Denn die Form hatte ihre Berechtigung wie alle, die regelrecht historisch geworden sind, und reichte in Tiefen des Lebens hinab, die keiner andren, auch der ästhetisch höheren nicht zugänglich waren. So schließen in der Kunstentwicklung stets die aus einander hervorgehenden Gattungen sich theilweise aus, und wer mit allen Lebensfasern sich in der früheren festgesogen hat, dessen Wachsthum will meistens in der späteren nicht wohl gedeihen. Nur wenige auserlesene Genien giebt es, deren Geist umfassend genug ist, in sich selbst eine solche Entwicklung zu vollziehen und, leidenschaftslos auch über den Gegensätzen schwebend, das eine zu thun, [600] ohne das andre zu lassen. Zu den früheren Werken der eben beschriebenen Weise gehört wohl die dreistimmige Fantasia über »Jesu, meine Freude« für Manual53, ein fugirter Satz über das Thema:


7.

dem der Choral in der Ober-, Mittel- oder Unterstimme eingeflochten wird, meisterwürdig geschickt, doch nur am Aufgesange durchgeführt, während der Abgesang frei in Böhms Weise variirt wird und dadurch an Eindringlichkeit verliert. Ferner ist eine Bearbeitung von »Nun freut euch, lieben Christen g'mein« zu nennen, wo im Manual ein laufendes Sechzehntelmotiv sich zu einem vollständigen Stücke ausspinnt, zu dem der Cantus firmus vom Pedal in der Tenorlage ausgeführt wird54. –

Es folgen nun schließlich jene von Bach später gesammelten Orgelchoräle, in denen wir die Quintessenz seiner weimarischen Erzeugnisse auf diesem Felde werden erkennen dürfen. Bei einer Musterung nach Maßgabe der Typen mögen zugleich zwei andere ebenbürtige Arbeiten hinzugezogen werden. Einfache Choräle mit motivischer Contrapunctirung sind zwei vorhanden, von denen der eine zur leichteren Hälfte auch in das Orgelbüchlein eingetragen ist: »Komm, Gott Schöpfer, heiliger Geist«55. Die Melodie wird zweimal durchgeführt, zuerst in der Oberstimme mit Vierteln (oder punktirten Achteln), wozu vorherrschende Achtelcontrapunctirung, dann mit grandioser Wirkung vergrößert im Pedal, nachdem sich die Begleitung zu Sechzehnteln gesteigert hat. Die doppelte Durchführung steht hier nicht, wie sonst wohl, zu eben so viel Strophen der Dichtung in Beziehung; dies ist dagegen bei dem [601] zweiten Stücke der Fall: »O Lamm Gottes, unschuldig«56. Meisterhaft ist diese erhabene Composition aufgebaut; das erste Mal trägt die Oberstimme den Cantus firmus, das zweite Mal die mittlere, zuletzt das Pedal, welches bis dahin geschwiegen hatte. Zu jeder Strophe wandelt sich der Contrapunct und jedesmal wird er bedeutungsvoller. Vor dem Schlusse tritt eine Unterbrechung ein, der Einsatz der Zeile »All Sünd hast du getragen« steht bevor, ein Motiv zur Versinnlichung des Tragens wird eingeführt, lang streckt sich der Cantus firmus darunter hin; dann über den Tönen der Worte »sonst müßten wir verzagen« vier 3/2 Takte hindurch jammernde chromatische Gänge und ein spannender Halbschluß – »gieb uns deinen Frieden, o Jesu!« da rollen die mächtigen Tonwogen herein, eine nach der andern, und fluthen auf und nieder, um sich erst zu beruhigen, nachdem die Melodie längst geendigt und nur ihr letzter Ton noch weiter hallt, das bewegte Leben über sich tragend und feierlich durchklingend. Wahrlich, ein Wunderwerk tief inniger religiöser Kunst!

Streng nach Pachelbels Muster und spiegelblank und sauber bis auf die letzte Note ist »Nun danket alle Gott« gearbeitet57. Jenen bis an die Wolken dringenden Jubelschall, den Bach sonst ertönen lassen konnte, bleibt er hier freilich schuldig. Zahlreicher sind die Fälle, in denen er den Werth der Form durch motivische Contrapunctirung erhöht. Von den beiden Behandlungen des Abendmahlsliedes »Jesus Christus, unser Heiland« verräth sich der Manualsatz durch die endlich eintretende Pedalnote als ein Werk, das höchstens noch in den ersten weimarischen Jahren verfaßt sein kann58. Ein geistreicher Einfall ist es, aus der hingeworfenen Passage im 10. Takte, die sich anhört wie ein Zwischenspiel beim Gemeindegesange, für die zweite Hälfte des Chorals ein neues Contrapunct-Motiv entstehen zu lassen. Der zweite Satz gehört wieder unter die großartigsten und tiefsinnigsten Schöpfungen des bewundernswerthen Meisters. Folgend dem Gedankengange der ersten Strophe:


[602] Jesus Christus, unser Heiland,

Der von uns den Zorn Gottes wandt,

Durch das bitter Leiden sein

Half er uns aus der Höllenpein –


gestaltet er drei Theile. Mit feierlicher Erregung, wie sie der Gedanke an die Abendmahlshandlung hervorruft, und noch unbeeinflußt durch specielle Erwägungen, werden die ersten beiden Zeilen durchgeführt. Aus einem charakteristischen Motive:


7.

entwickelt sich in rechter und umgekehrter Bewegung der Begleitungsapparat. Zur dritten Zeile erwecken chromatische Sechzehntel, in kühner Bewegung gegen einander strömend (man vergl. Takt 37) die Empfindung des »bittren Leidens«. Daraus reißt zur letzten Zeile das contrapunctirende Motiv:


7.

uns mächtig und siegreich empor, um in einem Schlusse voll ernster Pracht zu gipfeln. Das Beachtenswertheste ist hier wie anderswo immer, mit welcher Genauigkeit die von dem poetischen Inhalte ausgehenden Impulse mit den constructiven Bedürfnissen des Musikstücks zusammentreffen. Nur da giebt eben Bach solchen Impulsen nach, wo sie im Organismus des Tonwerks ihre Berechtigung haben, und deshalb wirken sie dann auch um so nachdrücklicher. Durch kleinliche Detailschilderungen das Ganze zu zerfetzen, war ihm unmöglich. Darum ist in den knappen Chorälen des Orgelbüchleins von einem Eingehen auf die verschiedenen Zeilen nichts zu merken. Allein wenn bei großen Verhältnissen das Kunstgebot der Mannigfaltigkeit in der Einheit an ihn herantrat, ließ er sich in der Erfindung durch die poetischen Vorstellungen der einzelnen Zeilen leiten. Solche Verhältnisse herrschen hier: ein Schwall der Empfindung fluthet hindurch, wie kaum anderswo stärker. Welch einen Eindruck macht es, wenn nach dem Erscheinen des Cantus firmus jedesmal [603] dessen Melodie in der Oberstimme nachhallt! – Ergreifende Innigkeit, eine unaussprechlich tiefe, vertrauensvolle Ergebung durchdringt den Choral »Von Gott will ich nicht lassen«59. Der Cantus firmus liegt wieder fest im Pedal, wie üppiges Immergrün umrankt ihn das Stimmengeflecht. Man sagt nicht zu viel damit, daß jedes dieser Meisterwerke ein in seiner Gattung Unvergleichliches sei. Eine zweite Bearbeitung des Sterbeliedes »Valet will ich dir geben« gehört ebenfalls hierher60, aber wie ganz anders ist der dieses Mal hineingelegte Ausdruck! Ein erhabener Seelenfrieden, der mit majestätischem Flügelschlag hoch über das Treiben der »argen, falschen Welt« emporschwebt, ein Stimmungsbild zu den Worten:


Im Himmel ist gut wohnen,

Hinauf steht mein' Begier. –


In erfinderischer Weise hat auch Bach den Pachelbelschen Choral mit der Form des freien Orgeltrios zu combiniren gewußt. Wie der ältere Meister die erste Zeile zu fugiren und dann die ganze Melodie in glänzender Contrapunctirung nachfolgen zu lassen pflegt, so bildet der jüngere die Anfangsabschnitte der Melodie zum Thema eines Trios um, das in angemessener und ausführlicher Weise entwickelt wird und zum Schlusse unmerklich den Cantus firmus im Pedal eintreten läßt. Die Melodien »Allein Gott in der Höh« und »Herr Jesu Christ, dich zu uns wend« sind es, welche diese Behandlung erfahren haben61.

Der Typus Buxtehudes zog Bach nicht nur durch die Gelegenheit an, welche er zur Erprobung einer gewissen Art der Fertigkeit und eines wählerischen Klangsinnes bot, Dinge denen Bach in Weimar noch größere Bedeutung beilegte, als später, sondern offenbar hatte auch die Schwierigkeit Reiz für ihn, etwas daraus zu machen, [604] was seinen strengen Ansprüchen genügte. Eine bestimmte Methode wendete er hier nicht an, sondern verfuhr nach den Beschaffenheiten der einzelnen Melodien und seinen eignen augenblicklichen Stimmungen. Deshalb sind diese Orgelchoräle unter einander so unähnlich wie möglich, ebendeshalb aber auch wieder aufs höchste eigenthümlich bis zum Seltsamen. Am nächsten der Originalform hält sich noch »Komm, heiliger Geist, Herre Gott«, obwohl die Zeilen viel breiter durchgearbeitet und die contrapunctirenden Stimmen in größerer Ordnung gehalten werden62. Wie wenig die Form in dieser Weise Bach befriedigte, geht wohl zur Genüge daraus hervor, daß er sie ein zweites Mal nicht wieder benutzt hat. Von origineller Mischgestalt ist eine Bearbeitung von »Allein Gott in der Höh«; breite sorgfältig imitirte Zwischensätze und motivische Contrapunctirung einerseits, und ein auf eignem Manuale in der Tenorlage reich colorirter, ja periodisch erweiterter Cantus firmus andrerseits; eine tropisch wuchernde Pracht an Blättern und buntschimmernden Blumen. Die Kunst der Klangmischung ist hier auf eine unerreichte Höhe gesteigert und wird doch überall von gesunder Erfindung getragen. Nur in der ungemeinen Complicirtheit übereinstimmend, sonst ganz anders ist eine nochmalige Behandlung derselben beliebten Melodie beschaffen63. Vom Typus hat sie den gesammten coloristischen Flimmer und die Sonderung in verschiedene Klangmassen. Außerdem aber ereignet sich folgendes. Alles was der Melodie gegenüber tritt, wächst aus einem Thema hervor, das von der ersten Melodiezeile abgeleitet ist:


7.

64


Der in drei Terz-Stufen abwärts schreitende Gang wird zudem noch motivisch benutzt. Es würde das nun der Choralfantasie, jener letzten Consequenz des Bachschen Orgelchorals, sehr nahe kommen. Aber nach Maßgabe des grundlegenden Typus wird immer vollstimmig [605] gearbeitet, der Klang- und Harmoniefülle halber. Endlich tritt, um den Beginn des Abgesanges zu markiren, dessen volle erste Zeile im Pedale vorbereitend auf. Ein geschlossener Organismus entsteht mit triumphirender Meisterschaft, aber auch ein ganz incommensurables Musikstück. Gleich merkwürdig und nicht nur vorwiegend formell, sondern ganz besonders auch in der ergreifenden Gesammtstimmung von Buxtehudes Geiste getragen ist »An Wasserflüssen Babylon«. Die Melodie liegt im Tenor, der compacte contrapunctirende Tonkörper verarbeitet unablässig die ersten beiden Zeilen, was wohl nicht nur musikalisch sondern auch poetisch zu verstehen ist. Unter den fein empfundenen Auszierungen ist vor allem die der ersten Zeile wichtig:


7.

die uns beweist, wie viel auch diese Mittel zur Feststellung der Stimmung beitragen können. Ich zweifle, daß die Composition später als bis zum Jahre 1712 entstanden ist. Nachher hat Bach eine Umgestaltung mit ihr vollzogen, indem er zur Begleitung durch constante Anwendung des Doppelpedals mit hohem Kunstgeschick eine vierte Stimme hinzufügte und in Folge davon den Cantus firmus in die Oberstimme legte. In der harmonischen Combination ist das Stück nun ganz der oben genannten Bearbeitung von »Wir glauben all« gleich geworden. Es ist in Bachs Leben ein Ereigniß vorhanden, mit dem sich die Umarbeitung ungesucht verbinden läßt: seine im Jahre 1720 ausgeführte Reise nach Hamburg, wo er sich mit einer Durcharbeitung des Liedes »An Wasserflüssen Babylon« das hohe Lob des alten Reinken erwarb. Die Annahme liegt sehr nahe, daß er dem fast hundertjährigen Meister, der für Bachs neue Bahnen kaum ein Verständniß haben konnte, auf seinem eignen Gebiete entgegen kommen wollte, das ja mit dem Buxtehudes wesentlich zusammenfiel, und aus diesem Grunde ein früheres Werk nach der Richtung hin weiter ausgestaltete, für welche Reinken besonders empfänglich war, der Klangcombination und der Pedaltechnik65.[606] Wiederum nur in der allgemeinen Anlage ähnlich, im übrigen unter Bachs Werken eben so einzig, wie die vorigen, ist »Schmücke dich, o liebe Seele«. Das dreistimmige Accompagnement fantasirt über die erste Zeile des Aufgesanges, nachher des Abgesanges und kehrt am Schlusse cyklisch in die Tongänge des Anfangs zurück, die Melodie wird mit höchst ausdrucksvollen Verzierungen von der Oberstimme vorgetragen. Der fremdartige, räthselhafte Zauber dieses Stückes hat feine Bachkenner längst beschäftigt; einen Schritt wenigstens zu seiner Erklärung zu thun ist uns durch Aufzeigung der historischen Grundelemente gestattet. Das Hauptsächliche bleibt freilich auch so noch in den schaffenden Tiefen des Bachschen Genius verborgen, der die musikalischen Besonderheiten einer äußerlich spielenden Form nur als Farben benutzte, um mit ihnen ein Seelengemälde feierlich gedämpfter himmlischer Wonne vor uns auszuführen. Wer diesen Orgelchoral mit dem zuvor besprochenen »Jesus Christus, unser Heiland« vergleicht, wird der gänzlich verschiedenen Gefühlssphären, in denen beide schweben, lebendig inne werden66. Dem alten Adventschoral »Nun komm, der Heiden Heiland« hat Bach drei Behandlungen angedeihen lassen, die offenbar als ein zusammengehöriges Ganzes gedacht sind67. Die erste beruht auf Buxtehudes Form, hat dieses Mal aber, von der kleinen [607] imitatorischen Einleitung abgesehen, gar keine thematische Begleitung und spinnt, als zweite Abweichung vom Typus, die stark colorirte Melodie weit über ihre periodischen Gränzen hinaus, ist aber von seltsam phantastischer Schönheit. Die zweite giebt sich als Trio, indem ein Manual und der Pedal-Bass die Contrapunctirung, der Discant des andern Manuals die Melodie, oder in einer Conversion die Manuale die Begleitung und das Pedal den Cantus firmus ausführen. Thematischen Stoff für das Ganze bietet die erste Zeile mit angehängter Sechzehntelfigur, in canonischer Führung treiben die Stimmen einander fort. So entwickelt sich ein Stück, dem zur vollen Losgelöstheit vom Chorale nur ein frei erfundenes Thema fehlt; solche Gebilde stehen auf der Brücke, die von der Pachelbelschen Form zur Choralfantasie hinüberführt, sind aber nicht wohl als Verschmelzungen jener mit dem freien Orgeltrio anzusehen, da der Cantus firmus mit seinem baldigen Eintritt keine Zeit zu selbständiger Entfaltung läßt. Die in Rede stehende Composition ist von einer fast unnahbaren Sprödigkeit des Charakters und von erschreckender Rücksichtslosigkeit hinsichtlich des Klanges, besonders in der erstgenannten Gestalt. Es giebt noch einige solcher Arbeiten von Bach, in denen mit völliger Gleichgültigkeit gegen die äußere Erscheinung nur der Beschaffung eines geistigen Gehalts nachgegangen wird. Reine Kunstwerke entstehen auf diesem Wege nicht, denn das Sinnlich-Angenehme ist, wenn auch kein vornehmer, doch ein unentbehrlicher Bestandtheil der Form. Nur nach völligem Eingelebtsein in Idee und Plan des Tonstücks fügt sich auch das Ohr widerwillig und allmählig solchen Zumuthungen. Aber in dem Gesammtbilde von Bachs Kunstcharakter dürfte doch dieser Zug nicht fehlen. Es ist der übertriebene Idealismus eines deutschen Geistes, der immer nur in die Wolken sieht, unbekümmert darum, ob sein Fuß sich in irdische Dornen verwickelt.

In der dritten Bearbeitung desselben Chorals kommt die Form der Choralfantasie voll zur Erscheinung. Wir fügen diesem gewaltigen Werke sogleich das noch gewaltigere über »Komm, heiliger Geist, Herre Gott« hinzu und haben damit die ganze Zahl der für diese Periode vorliegenden Choralfantasien genannt. Die Form ist von Bach in späteren Jahren erst mit Vorliebe gepflegt, da hat er auch die zweite der genannten um ein Bedeutendes erweitert, ja [608] man kann sagen, daß er sie da erst vollendet hat, denn die erste Gestalt bringt nur die vier Anfangszeilen des Chorals68. Ueber den allgemeinen Inhalt bleibt kaum etwas zu bemerken, er ist königlich, wie das Instrument, dem er zur Geltendmachung seiner Majestät verhelfen soll. Die Themen sind beide Male sehr bewegt und rauschend und bilden zu der großartigen Ruhe des vom Pedal geführten Cantus firmus einen imposanten Gegensatz.

Hiermit endigen wir die Betrachtungen über Bachs Orgelchoräle, wenn auch nicht für immer. Bis zum Niedergange seines Lebens schuf der Meister in dieser Gattung weiter, und die letzten und kostbarsten Blüthen derselben bleiben uns noch aufgespart. Aber neue Formen werden wir nicht mehr zu verzeichnen haben; schon jetzt war das Gebiet vollständig durchmessen und mußte es sein, denn auf den unumschränkten Besitz desselben gründete sich die weitere Entwicklung seines Künstlerthums. Um diesem Verhältnisse auch in der Darstellung gerecht zu werden, beschließen wir mit der Zergliederung der Bachschen Thätigkeit im Orgelchoral zugleich die ganze hochwichtige Periode seines Lebens, in der die Schlüssel zum Verständnisse alles weiteren liegen: das erste Jahrzehnt der Meisterschaft. Bachs Natur war es nicht, im Rückblicke auf das Geleistete sinnend inne zuhalten, er hätte sonst mit sich zufrieden sein können. Als Orgel- und Clavierspieler stand er auf überragender Höhe und hatte die schneller als Geistessaaten reifenden Früchte der Virtuosität bereits in solchem Maße geerntet, daß er weithin durch Mittel- und Norddeutschland gekannt und als siegreicher Vorkämpfer deutscher gegen ausländische Kunst allgemein gerühmt wurde. Und was mehr ist: in stetigem Fortschritt, in unermüdlicher Ausnutzung aller ihm von außen nahe tretenden Kunstelemente, in unablässiger Pflege seiner eignen staunenswerthen Gaben war eine Fülle von herrlichen Werken entstanden, Werken verschiedenartigster Gattung, aber mehr oder weniger auf einen Mittelpunkt bezogen. Deutsche, italiänische, französische Instrumentalmusik früherer und zeitgenössischer Künstler für Orgel, Clavier und Violine in den mannigfaltigsten [609] Formen dargestellt, ältere und neuere Gebilde der geistlichen und weltlichen Vocalmusik, alles sahen wir herankommen und sofort in den mächtigen Strudel der eignen Orgelkunst hinabgezogen werden, aus dem es in verjüngter Gestalt und glänzend in neugewonnener Frische und Lebensfülle wieder emportauchte – ein Bild größter Vielseitigkeit in strengster Begränzung.

Fußnoten

1 Ließe sich eine Copie der E moll-Messe von Nikolaus Bach, welche die Herren Breitkopf und Härtel besitzen, als Sebastians Handschrift anerkennen, so wäre damit bewiesen, daß dieser sich im September 1716 in Meiningen befunden. Denn sie trägt am Schlusse die Notiz: »Meiningen d. 16 7br 1716.« Aber Seb. Bach hat nur später einiges hineingeschrieben, im Uebrigen ist es nicht seine Hand. Auch den Namenszug unter der Notiz vermag ich nicht J.S. sondern nur J.L. Bach zu lesen. Vermuthlich liegt ein Autograph Johann Ludwigs vor.


2 Brückner, Kirchen- und Schulenstaat im Herzogthum Gotha, Th. III, St. 9, S. 35.


3 Das Pastellbild hängt auf der königl. Bibl. zu Berlin im ersten Zimmer der musikalischen Abtheilung. Das Oelbildchen, auf ein Kupferblatt gemalt, besitzt Herr Postdirector Dreysigacker in Meiningen, der mir die Kenntnißnahme in entgegenkommender Weise ermöglichte. In Folge einer unklaren Tradition galt es dort als Portrait Sebastian Bachs, was sich sogleich als Irrthum erwies. Dafür daß es Johann Ludwig vorstelle, sprechen sowohl äußerliche wie im Bilde selbst liegende Gründe.


4 Auf der königl. Bibl. zu Berlin, folgenden Titels: »Ouverture à 4. | en G.h. | del | Joh. Ludwig Baach. | [unten in der linken Ecke:] Mens: Febr. 1715.«


5 Zwölf davon sind in einen Band zusammengeheftet auf der königl. Bibl. zu Berlin. Ein von Phil. Em. Bach beschriebenes Blatt ist vorgebunden. Außerdem sah ich dort zu vier andern die von Seb. Bach geschriebenen Stimmen.


6 Dessen Ritornell und den darauf folgenden Choral hat Mosewius durch ein unerklärliches Versehen als Composition Sebastians aufgeführt in Beilage 2, 7 seiner Schrift über dessen Kirchencantaten und Choralgesänge. Man hat da nun eine Probe, wie die Schlußchoräle Joh. Ludwig Bachs zu sein pflegen.


7 Handschriftlich auf der Amalien-Bibliothek des Joachimsthals zu Berlin, Bd. Nr. 90, Stück 4.


8 Amalien-Bibliothek, Bd. Nr. 90, Stück 2. Daselbst befinden sich noch mehre andre hervorragende Motetten desselben Meisters.


9 Brückner, Landeskunde des Herzogthums Meiningen I, 65 f. und Privatmittheilungen desselben.


10 Ergebnisse eines Actenstückes des herzogl. Hofmarschallamts vom 12. Mai 1721, in dem sich ein Capellmusiker über Zurücksetzung durch den Capellmeister beklagt.


11 Die Partitur der Trauermusik ist auf der königl. Bibl. zu Berlin.


12 Wenigstens war er nach einem Actenstücke aus dem kurfürstl. hessischen Archive zu Marburg 1708 noch dort; sein Anstellungsdecret für Dresden datirt vom 28. Juni 1709 (Fürstenau II, S. 65).


13 Ein in Kupfer gestochenes Portrait Marchands aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, das ich besitze, trägt die Unterschrift: Organiste du Roy, né à Lion, mort à Paris le 17 Février 1732. Agé de 61 ans. Näheres über seine Lebensereignisse und Bizarrerien bei Gerber L.I. Sp. 870 f., und Hilgenfeldt S. 23 f. Eine weniger bekannte Anekdote steht Caecilia II (Mainz, Schott. 1825), S. 85.


14 Fürstenau, a.a.O. S. 7.


15 Eine Suite von ihm steht im Buche des Andreas Bach, eine andre mit der Jahreszahl 1714 versehene in einem der Ludw. Krebs'schen Sammelbände.


16 Adlung, Anleit. zur mus. Gel. S. 719, Anmerk. g.


17 S. Anhang A. Nr. 33.


18 Der Hoforganist erhielt jährlich 3 Gülden aus dieser Stiftung. Gottschalg S. 270, Anm.


19 Die gedruckte Fest-Information (auf dem Archive zu Weimar) redet nur allgemein von den aufzuführenden beiden Cantaten ohne Erwähnung des Dichters und der Componisten. Außerdem erkennt man aus einer handschriftlichen Notiz, daß Franck den Druck der Fest-Programme überwachte. Die Texte selbst habe ich nirgends gefunden.


20 Mattheson, Ehrenpforte S. 364. Dort wird der Herzog von Weimar Ernst August genannt, was ein Gedächtnißfehler Telemanns ist.


21 Walther, Lexicon S. 557.


22 B.-G. XV, S. 289. – P.S. V, C. 1, Nr. 2. Ein Autograph, das früher Capellmeister Guhr in Frankfurt a.M. besaß, ist vorläufig verschwunden. Der Passacaglio findet sich aber auch, vorzüglich schön geschrieben, bei Andreas Bach, wodurch seine Entstehungszeit verrathen wird. Es ist merkwürdig, daß keiner der Herausgeber auf diese Handschrift Rücksicht genommen hat.


23 W. Rust hat sein feines Gefühl für die Stilunterschiede in Bachs Werken auch hier wieder bewiesen, indem er den Passacaglio wenigstens in die Cöthener Periode verlegte.


24 In neuer Zeit hat H. Esser den Passacaglio mit sehr geschickter Imitation des Orgelklanges für Orchester umgesetzt, wodurch vielleicht die Schönheiten desselben auch dem großen Publicum wieder näher gebracht werden.


25 B.-G. XV, S. 120. – P.S. V, C. 2, Nr. 3. In der ersten Gestalt findet sie sich daselbst als Variante.


26 B.-G. XV, S. 155 und S. 218. – P.S. V, C. 3, Nr. 2, und C. 2, Nr. 6.


27 B.-G. XV, S. 104 und S. 129. – P.S. V, C. 2, Nr. 5 und C. 3, Nr. 6.


28 P.S. V, C. 4, Nr. 12. S. dazu die Bemerkung Griepenkerls in der Vorrede.


29 Die beiden C moll-Praeludien führen in den Handschriften den Titel Fantasia. Man vergleiche, was ich darüber S. 432 gesagt habe.


30 B.-G. XV, 129. – P.S. V, C. 3, Nr. 6.


31 Anleit. zur musik. Gelahrth. S. 683 f.


32 Veröffentlicht P.S. V, C. 5, Anhang. Nr. 2 und 5 dieses Anhanges kommen hier nicht in Betracht. Erstere, »Jesus, meine Zuversicht«, ist ein dreistimmiger Claviersatz mit sehr reich ausgeschmückter Melodie. Als solchen verräth ihn schon seine Quelle, das von Bach für seine zweite Gattin im Jahre 1722 angelegte »Clavier-Büchlein«. Zuverlässig sollte er zugleich zur Uebung in Ausführung der Fiorituren dienen, die beiläufig bemerkt in Griepenkerls Ausgabe nicht genau wiedergegeben sind. Nr. 5, »Liebster Jesu, wir sind hier«, kennzeichnet sich schon durch die Behandlung für zwei Manuale als selbständigen Orgelchoral. Ueber Nr. 4, dieselbe Choralmelodie, s. weiter unten.


33 Adlung, a.a.O.


34 Die Absicht ist unverkennbar, besonders wenn man den Orgelchoral »Vom Himmel kam der Engel Schaar« aus dem »Orgelbüchlein« vergleicht.


35 P.S. V, C. 5, Anhang Nr. 4. Vielleicht auch der aus J.L. Krebs' Nachlasse stammende Satz, P.S. V, C. 5, Nr. 36, doch ist hier eine besondere Bestimmung immerhin schwierig zu erkennen. Den unmittelbar folgenden simplen Choral halte ich für un-Bachisch.


36 P.S. V, C. 6, Nr. 26.


37 Der vollständige Titel des auf der königl. Bibl. zu Berlin befindlichen Autographs ist: »Orgel-Büchlein | Worinne einem anfahenden Organisten | Anleitung gegeben wird, auff allerhand | Arth einem Choral durchzuführen, an- | bey auch sich im Pedal studio zu habi- | litiren, indem in solchen darinne | befindlichen Choralen das Pedal | gantz obligat tractiret wird. | Dem Höchsten Gott allein zu Ehren, | Dem Nechsten, draus sich zu belehren. | Autore | Ioanne Sebast. Bach | p.t. Capellae Magistro | S.P.R. Anhaltini- | Cotheniensis. |« 92 Blätter; klein Quart in Pappe, mit Lederrücken und Spitzen. Auf der ersten Seite oben rechts steht: ex collectione G. Pölchau. Veröffentlicht P.S. V, C. 5, Abtheil. 1, wozu jedoch die Vorrede Griepenkerls zu vergleichen. S. Anhang A. Nr. 34.


38 Die Fermaten sollen in diesen Chorälen nur das Ende der Zeile und keinen wirklichen Halt andeuten; man sieht dies klar aus den canonischen Bearbeitungen, wo ein Ruhepunkt unmöglich ist.


39 An dem Chorale »In dulci jubilo« fällt die Notirungsweise auf, indem die Achteltriole der halben Note gleich gesetzt ist.


40 P.S. V, C. 5, Abth. II, 3. Die Darstellung der verschiedenen Bearbeitungsstufen findet zum Theil auch eine äußere Bestätigung darin, daß in einem Buche von J.L. Krebs nur der vierstimmige Choral mit den vier ersten Partiten steht.


41 »Gottes Sohn ist kommen« (P.S. V, C. 6, Nr. 25) und »Vater unser im Himmelreich« (ebend. C. 7, Nr. 53).


42 P.S. V, C. 6, Nr. 21.


43 P.S. V, C. 6, Nr. 23.


44 In dieser verbesserten Gestalt P.S. V, C. 7, Nr. 50; in der ursprünglichen ebendaselbst als Variante.


45 P.S. V, C. 6, Nr. 11.


46 P.S. V, C. 7, Nr. 41.


47 P.S. V, C. 7, Nr. 54.


48 P.S. V, C. 6, Nr. 16.


49 P.S. V, C. 6, Nr. 34, fälschlich Fughetta genannt.


50 P.S. V, C. 6, Nr. 4.


51 P.S. V, C. 6, Nr. 1.


52 P.S. V, C. 7, Nr. 62.


53 P.S. V, C. 6, Nr. 29.


54 P.S. V, C. 7, Nr. 44.


55 Die kurze Gestalt des Chorals für die ursprüngliche ansehen kann man schon deshalb nicht, weil das Pedal dabei kaum etwas zu thun hat, er also eigentlich dem Zwecke des Orgelbüchleins nicht entspricht. Das vollständige Stück ist in der Sammlung von Bachs Schüler Altnikol geschrieben. P.S. V, C. 7, Nr. 35; die Verkürzung aus dem Orgelbüchlein ebenda unter den Varianten.


56 P.S. V, C. 7, Nr. 48 in überarbeiteter Gestalt; die frühere, auf welche es hier zunächst ankäme, ebenda unter den Varianten. Doch sind die Abweichungen für den an dieser Stelle verfolgten Zweck unwesentlich. Dasselbe gilt von den folgenden Chorälen, wenn nichts besonderes bemerkt ist.


57 P.S. V, C. 7, Nr. 43.


58 P.S. V, C. 6, Nr. 32. Die andre Bearbeitung Nr. 31.


59 P.S. V, C. 7, Nr. 56.


60 P.S. V, C. 7, Nr. 51. Steht nicht in der handschriftlichen Sammlung, ist aber sicher echt.


61 P.S. V, C. 6, Nr. 7 und 27. Zu letzterem existiren zwei Varianten, deren eine nur unerhebliche Abweichungen zeigt, während die andre um mehr als die Hälfte kürzer und nicht viel mehr, als eine zweistimmige Contrapunctirung der Melodie ist, wozu das Motiv aus der ersten Zeile genommen. Der Typus wird dadurch eigentlich ein ganz andrer, vrgl. das unten zu »Nun komm, der Heiden Heiland« gesagte.


62 P.S. V, C. 7, Nr. 37.


63 P.S. V, C. 6, Nr. 9; die vorige Nr. 8.


64 Die Accentzeichen lasse ich unausgeschrieben, weil sie nicht thematisch sein sollen, wie aus den Nachahmungen des Pedals ersichtlich.


65 P.S. V, C. 6, Nr. 12. Die erste Gestalt findet sich im Anhang als Variante, die durch Doppelpedal erweiterte unter 12a, die jedenfalls noch später, vermuthlich beim Eintragen in das große Manuscript vorgenommene zweite Bearbeitung der Originalgestalt mit einfachem Pedal ebenda unter 12b.


66 P.S. V, C. 7, Nr. 49. An die schönen Worte Schumanns über diesen Choral, der, wenn einer der Neuzeit, befähigt war, grade solchen Flügen Bachs nachzukommen, wird man sich hier gern erinnern. Er sagt (Schriften I, S. 219 [erste Aufl.]): »Da spieltest du, Felix Meritis [Mendelssohn], Mensch von gleich hoher Stirn wie Brust, kurz darauf einen seiner variirten Choräle vor: der Text hieß ›schmücke dich, o meine Seele‹, um den Cantus firmus hingen vergoldete Blättergewinde und eine Seligkeit war darein gegossen, daß du mir selbst gestandest: ›wenn das Leben dir Hoffnung und Glauben genommen, so würde dir dieser einzige Choral Alles von neuem bringen‹. Ich schwieg dazu und ging wiederum, beinahe mechanisch, auf den Gottesacker und da fühlte ich einen stechenden Schmerz, daß ich keine Blume auf seine Urne legen konnte.«


67 Schon Walther hat sie in einem der Berliner Autographe als Einheit zusammengeschrieben. P.S. V, C. 7, Nr. 45–47. Den mittleren überliefert Walther mit Cantus firmus im Pedal (s. Variante II), weshalb er in dieser Gestalt ebenfalls von Bach herrühren wird, was man sonst des 33. Taktes wegen nicht glauben möchte.


68 P.S. V, C. 7, Nr. 36. Die Variante im Anhang. Mit ihr, die aus dem Nachlasse von Krebs stammt, kommt eine alte Abschrift im Besitze des Herrn Dr. Rust bis auf Kleinigkeiten ganz überein.

Quelle:
Spitta, Philipp: Johann Sebastian Bach. Band 1, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1873.
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