III.

Zwei Jahre emsiger, zurückgezogener Kunstthätigkeit waren hingegangen. Wenn Bach schon anfangs durch sein bedeutendes Können den Respect der Arnstädter sich erwarb, so besaß er jetzt wohl das Zeug, sie zeitweilig zur Bewunderung hinzureißen. Ob das wirklich geschah, ist eine andre Frage. Ganz gewiß waren nur wenige, die den Genius in ihm ahnten; die Mehrzahl verlangte nichts weiter, als die genügende Erfüllung seiner Obliegenheiten, wozu ja am Ende nicht allzuviel gehörte. Der Künstler selbst war der entgegengesetzten Ansicht: ihm galt als Hauptzweck seines Amtes die gewährte Möglichkeit zur eignen ungestörten Ausbildung. Durchdrungen von dem, was er seiner Begabung schuldig sei, empfand er gewisse Seiten seiner Berufspflicht unangenehm und zerstreuend. Auch die Fülle von künstlerischen Erfahrungen und Anregungen, welche er aus den norddeutschen Städten heimgebracht hatte, war allmählig aufgezehrt. Er verlangte darnach, einmal ganz frei zu sein und den belebenden und nutzenbringenden Verkehr mit bedeutenden [251] Künstlern nach mehrjähriger Unterbrechung zu genießen. Die Mittel zu einer größeren Reise hatte er sich von seinem Gehalte erübrigen können: er bat sich also nach Beschaffung eines genügenden Stellvertreters etwa gegen Ende des October-Monats 1705 einen vierwöchentlichen Urlaub aus1.

Sein Ziel war wiederum der Norden und dieses Mal geradezu Lübeck, der Wohnort Buxtehudes. Auch Pachelbel lebte noch, und zwar um ein bedeutendes näher nach Süden, in Nürnberg, er war außerdem 16 Jahre jünger und um so viel frischer als Buxtehude. Aber Bach wird die ganz richtige Einsicht gehabt haben, daß er in Nürnberg nichts mehr würde gewinnen können, was nicht in Thüringen längst Gemeingut geworden und auch ihm in Fleisch und Blut übergegangen war, während die Kunst des Lübecker Meisters neue und eigenthümliche Seiten bot, aber in Mitteldeutschland wenig Geltung erlangt hatte. Wenn er sich den Spätherbst zur Reisezeit erwählte, so fand dies seinen Grund darin, daß zwischen Martini und Weihnachten die berühmten »Abendmusiken« in der Marienkirche zu Lübeck veranstaltet wurden, die er anzuhören wünschen mußte. Er kann sich also unterwegs auch weder in Lüneburg, noch Hamburg, noch sonst irgendwo länger aufgehalten haben, wenn er zur rechten Zeit eintreffen wollte. Und er machte den ganzen etwa 50 Meilen langen Weg zu Fuße!

Dietrich Buxtehude war ein Nordländer im engern Wortverstande, ein Däne. Sein Vater, Johann Buxtehude, bekleidete die Organistenstelle an der Olai-Kirche zu Helsingör auf Seeland, wo im Jahre 1637 der Sohn geboren wurde. Ueber die Art seiner Ausbildung ist nichts näheres bekannt2, zuverlässig geschah sie aber in der Richtung der Sweelinckschen Schule. In den sechziger Jahren des Jahrhunderts kam er nach Lübeck herüber, und erregte dort [252] durch sein Spiel und seine hervorragende musikalische Begabung bald allgemeine Aufmerksamkeit. Vermuthlich hat ihn die Aussicht hergelockt, Nachfolger des Organisten Tunder an der Marienkirche zu werden, der am 5. Nov. 1667 gestorben war. In der That wurde er am 11. April 1668 hierzu erwählt3. Einige Monate darauf verehelichte er sich (am 3. Aug.) mit Anna Margaretha, der Tochter des Verstorbenen; es scheint, daß nach einer damaligen Sitte diese Heirath für ihn zur Bedingung gemacht ist4. Die Organistenstelle zu St. Marien gehörte zu den vorzüglichsten in ganz Deutschland. Im Anfange des 18. Jahrhunderts trug sie 709 Mark, das damit verbundene Werkmeister-Amt brachte 226 Mark ein, dazu kamen viele Sporteln und Accidentien. Das Orgelwerk war von bedeutendem Umfange und, wie es scheint, im ganzen geschmackvoll disponirt, es hatte für drei Manuale und Pedal 54 klingende Register5. Außerdem fand ein genialer und thatkräftiger Mann dort den günstigsten Boden für ein gedeihliches Wirken. Buxtehude war noch nicht lange im Amte, so werden die Spuren davon schon sichtbar. Sein Streben richtete sich nicht nur auf die Orgelkunst, sondern auf große musikalische Aufführungen, welche mit dem Gottesdienste in nur losem Zusammenhange standen. Im Jahre 1670 werden für die Sängerschaaren eigne Chöre neben der Orgel in der Marienkirche ausgebaut, und vom Jahre 1673 an finden sich zuerst jene »Abendmusiken« erwähnt, deren sich damals Lübeck als einer ganz eigenartigen Einrichtung rühmen durfte. Sie fanden jedes Jahr an fünf Sonntagen vor Weihnachten statt, nämlich des Nachmittags nach dem Gottesdienste von vier bis fünf Uhr, und brachten [253] natürlich vorzugsweise concertirende geistliche Musik, aber jedenfalls auch Orgelvorträge Buxtehudes selber. Sein Schwager Samuel Frank, aus Stettin gebürtig, Cantor und vierter Lehrer am Catharineum, ging ihm dabei hülfreich zur Hand, starb aber schon 1679. Nicht minder willig zeigte sich die Bürgerschaft, den Meister in seinen Bestrebungen zu unterstützen, Musikalien wie Instrumente wurden in entgegenkommender Weise angeschafft6. Auf einen vollständigen Instrumentalchor legte Buxtehude großes Gewicht: gleich in der ersten Zeit (1673) ließ er »zwei auf sonderbare Art eingerichtete Trompeten« kaufen, »wie bisher in keiner fürstlichen Capelle« zu finden gewesen waren. Im Jahre 1680 veranstaltete er eine große Aufführung, an der nebst den Sängern und der Orgel ein Instrumentalchor von fast 40 Personen thätig war; hierzu hatte der unermüdlich eifrige Mann selber an vierhundert Bogen geschrieben, und da die Einnahme nicht den aufgewendeten Kosten entsprach, so ließ ihm die Kirche einen Zuschuß von 100 Mark zukommen. Damit ist zugleich gesagt, daß die Abendmusiken nicht unentgeltlich stattfanden, sondern gegen Eintrittsgeld, also vollständige Kirchenconcerte waren. Buxtehude hatte mit dieser Einrichtung etwas geschaffen, was im Wesen der lübeckischen Bürgerschaft tiefe Wurzeln schlug, sich das ganze 18. Jahrhundert hindurch erhielt, ja selbst im 19. noch theilweise fortgesetzt wurde7. Schnell und allgemein breitete sich nun sein Ruhm aus; für die nördlichen Länder wurde er ein Mittelpunkt, um den sich jüngere Talente sammelten. Der bedeutendste unter diesen war Nikolaus Bruhns, geb. 1665 zu Schwabstädt im [254] Schleswigschen, welchem hernach Buxtehude einen mehrjährigen Aufenthalt in Kopenhagen verschaffte, bis er als Organist nach Husum kam, wo er leider schon 1697 im besten Alter starb. Dieser war außerdem ein sehr bedeutender Violinvirtuos, und konnte durch doppelgriffiges Spiel solche Wirkungen hervorbringen, daß man drei oder vier Geiger zu hören glaubte8. Weiter ist zu nennen Daniel Erich, später Organist in Güstrow; sodann Georg Dietrich Leiding, geb. 1664 zu Bücken bei Hoya, welcher ähnlich, wie jetzt Bach, im Jahre 1684 von Braunschweig nach Hamburg und Lübeck pilgerte, um von Reinkens und Buxtehudes Spiel Vortheil zu ziehen9. Auch bei dem früher genannten Vincentius Lübeck könnte man Buxtehudes directe Einwirkung vermuthen. Näher befreundet war er unter andern mit dem Halberstädter Organisten und tüchtigen Theoretiker Andreas Werkmeister, und gab gelegentlich dieser Freundschaft dadurch Ausdruck, daß er nach damaliger Sitte vor dessen Harmonologia musica (1702) zwei Lobgedichte einrücken ließ, deren eines sogar ein Akrostichon auf den Namen des Verfassers ist, und eine mehr als gewöhnliche Sprachgewandtheit bekundet. Eine jüngere Generation ist gleichfalls einstimmig in seinem Lobe, voran Mattheson, der ihn neben Werkmeister, Froberger und Pachelbel zu den wenigen zählt, welche, »obgleich nur Organisten«, doch gewußt hätten, verständigen Leuten zu zeigen, daß noch mehr hinter ihnen stecke »als die Cymbel-Schellen anzuziehen«10.

Mattheson, 1681 in Hamburg geboren und dort zeitlebens wohnhaft, hatte die Gelegenheit nahe, Buxtehude kennen zu lernen und zu hören. Es geschah dies auch im Jahre 1703, doch war die nächste Veranlassung für das Mal die Aussicht auf ein mögliches Ableben des damals schon bejahrten Meisters. Dieser hatte nicht vergessen, unter welchen Verhältnissen er selbst ins Amt gelangt war, und wie sein Vorgänger die Zusicherung erreicht, daß nur demjenigen die Stelle übertragen werden sollte, der eine seiner Töchter zur Gattin nahm. Da eine solche Zugabe, obgleich damals nichts ungewöhnliches, doch nicht jedermanns Geschmacke entsprach, so war es [255] nöthig, sich zeitig um einen Nachfolger zu bekümmern. Mattheson genoß schon damals einen Ruf als tüchtiger Musiker, Sänger und gewandter Spieler, deshalb lud ihn der Rathspräsident von Wedderkopp nach Lübeck ein, sich die Verhältnisse aus der Nähe anzusehen. In demselben Jahre war auch Händel nach Hamburg gekommen und hatte sich eng an Mattheson angeschlossen; auf des Freundes Einladung machte er die Reise mit, welche für die jungen Leute allerhand Kunst- wie Lebensfreuden versprach, und als eine angenehme Erinnerung noch 37 Jahre später in Matthesons Gedächtniß lebte, wo er sie aufzeichnete11. Buxtehude ließ sich vor ihnen hören, dann versuchten sie selber »fast alle Orgeln und Clavicimbel«, und da Händel auf der Orgel seinem Gefährten trotz der jüngern Jahre überlegen war, so behandelte letzterer die Cembalos, ersterer die Orgelwerke. Die Heiraths-Bedingung jedoch schreckte Mattheson ab, und konnte es leicht, denn die ihm bestimmte Jungfrau Anna Margaretha Buxtehude war schon 1669 geboren, also zwölf Jahre älter als er selbst12. Sein achtzehnjähriger Begleiter, der sich nach seiner bisherigen Entwicklung für die Stelle wohl besonders geeignet zeigte, mußte doch unter diesen Umständen noch weniger Verlangen danach spüren, selbst wenn er nicht ganz andre Ziele im Auge gehabt hätte. So blieb es denn beim Musiciren und den Annehmlichkeiten, welche den geladenen Gästen und tüchtigen Künstlern zu bereiten man sich verpflichtet fühlte; »nach vielen empfangenen Ehrenerweisungen und genossenen Lustbarkeiten« zogen sie wieder davon.

Zwei Jahre darauf trat Bach vor dieselbe Orgel, auf welcher Händel gespielt hatte. Aber die ganz andern Verhältnisse, unter denen es geschah, lassen ein helles Licht auf die Verschiedenheit des Entwicklungsganges beider fallen. Händel kam nach Lübeck, um zu sehen, ob der Dienst für ihn passe, falls Mattheson ihn nicht selbst begehrte; die Einrichtung der Abendmusiken, die vortreffliche [256] Orgel, der hohe Gehalt konnte etwas vorübergehend lockendes für ihn haben. Er war ein ausgezeichneter Orgelspieler, aber es ist kein Grund anzunehmen, daß er seinem Altersgenossen Bach voraus gewesen wäre. Trotzdem lag diesem noch nach zwei Jahren eifrigster Weiterbildung der Gedanke gänzlich fern, sich in Lübeck eine vorteilhafte Stelle gewinnen zu können. Ausschließlich das Verlangen, neue und bedeutsame Kunstelemente in sich aufzunehmen, trieb ihn in die Nähe des großen Meisters im Orgelspiel, denn dieses bildete ja den Ausgangspunkt seiner eignen Entwicklung, und den Keim, aus welchem die eignen Tonschöpfungen größtentheils emporwuchsen. Händel mit seinem universaleren, aber weniger in die Tiefe arbeitenden Geiste stand zur Orgelkunst seiner Zeit, diesem vorzugsweise deutschen Kunstgewächse, in keinem so intimen Verhältnisse, und die Art, wie er sie späterhin seinem umfassenden Kunstideale, dem Oratorium, dienstbar machte, verlangte nicht sowohl tiefsinnige, als macht-und glanzvolle Behandlung. Entsprechend ist die äußere Seite. Händel kommt im hellen Mittsommer auf eine Einladung des Rathspräsidenten in Matthesons heiterer Gesellschaft von Hamburg herüber gefahren, genießt entgegenkommende Aufnahme und ehrende Festlichkeiten. Bach wandert einsam im Spätherbst zu Fuß aus dem entfernten Thüringen heran, nur dem innern Drange folgend, vielleicht ohne auch nur Einen zu wissen, der ihn dort erwartete13. Aber sein Talent war der beste Empfehlungsbrief. Es ist außer allem Zweifel, daß der greise Buxtehude merkte, welch eine Kraft hier im Aufblühen begriffen war, und daß ein Verwandtes in beider Kunstempfindung die Alterskluft von fast einem halben Jahrhundert überbrückend sie einander annäherte. [257] Einmal ganz hineingezogen in eine neue Kunstwelt, dachte nun Bach bald nichts anderes mehr. Sein Urlaub lief ab, ohne daß es ihn kümmerte; das Organistenamt an der Neuen Kirche in Arnstadt war ihm gleichgültig geworden: Woche nach Woche verging, er überschritt die zugestandene Frist um das doppelte, um das dreifache.

Von Buxtehudes Compositionen wurde zu seinen Lebzeiten eine ziemliche Anzahl in Lübeck selbst veröffentlicht. Hauptsächlich waren es kirchliche concertirende Werke, darunter die von ihm in den Jahren 1678–1687 gesetzten Abendmusiken, dann auch Gelegenheitscompositionen größerer und geringerer Art. Hiervon sind nur fünf Hochzeitsarien erhalten geblieben. Von gedruckten Instrumentalcompositionen ist mir garnichts zu Gesichte gekommen; vielleicht ist ein Werk von sieben Sonaten für Violine und Viola da gamba mit Cembalo (Lübeck, 1696) das Einzige, was auf diesem Wege in die Oeffentlichkeit gelangte14. Mattheson wollte wissen, daß in Buxtehudes Claviersachen dessen Hauptstärke gelegen habe, und bedauerte, daß davon »wenig oder nichts« gedruckt sei. Er selbst kannte also keine gedruckten. So ist es denn auch zweifelhaft, ob eine Sammlung von sieben Claviersuiten, deren Existenz gemeldet wird, je anders als in Abschriften verbreitet wurde. Diese seitdem völlig [258] verschollenen Suiten sind gleichwohl fast das Einzige, dem es Buxtehude verdankt, wenn er in neuerer Zeit noch hier und da als Componist genannt wurde. Er soll nämlich in ihnen »die Natur und Eigenschaft der Planeten artig abgebildet« haben15, worin man ein Muster geschmackloser Programm- Musik zu sehen glaubte. Dagegen ist zu erinnern, daß den sieben Planeten – mehr kannte man damals nicht, und rechnete Sonne und Mond mit hinzu – bestimmte Charakter-Eigenschaften beigemessen wurden, nach denen die Astrologen ihren Einfluß auf das Leben und die Geschicke der Menschen berechneten. Offenbar hat Buxtehude diese in den Suiten wiederspiegeln und so sieben Charakterstücke schaffen wollen, was nach Matthesons Urtheil ihm durchaus gelungen ist. Daß dies unmusikalischer sein sollte, als wenn Couperin seine Sarabanden und Allemanden »La Majestueuse, La Ténébreuse« u.s.w. nennt, ist nicht einzusehen. Im Gegentheil verräth der Einfall ein viel tieferes Verständniß für das Wesen der reinen Instrumentalmusik, als es die Franzosen je besaßen. Daß die musikalische Kunst ein Spiegelbild des harmonisch geordneten Universums sei, und ein geheimnißvoller Zusammenhang bestehe zwischen dem Leben und Weben der reinen Töne und der ewigen Bewegtheit des Weltalls mit all seinen kreisenden Himmelskörpern in den lebendurchgossenen unendlichen Räumen, dieser Gedanke hat von Alters her bis in die neueste Zeit die tiefsinnigsten Geister erfüllt. Ganz gewiß leitete den Componisten bei seinem auf den ersten Blick freilich befremdlichen Unterfangen in jener Zeit, wo man gerne der Musik bestimmte Gegenstände zur Darstellung gab, das richtige Gefühl für das, was dieselbe eigentlich allein darstellen könne. Zwischen Froberger, Kuhnau und den Franzosen einerseits und Sebastian Bach, dessen Compositionen, von den Orgelchorälen abgesehen, völlig im reinen Tonleben aufgehen, andrerseits steht Buxtehude wie ausgleichend, aber doch merklich näher zu letzterem hingeneigt. Unsere Vermuthung würde sich noch befestigen, wenn jene sieben Suiten auf die sieben verschiedenen Stufen der Tonleiter gegründet wären, wie ja auch Kuhnau in seiner »Clavierübung« die Dur- und Moll-Tonleiter mit je sieben [259] Suiten durchnahm16. Dann möchte eine directe Reminiscenz an das griechische Alterthum vorliegen: die Pythagoreer lehrten, daß die Abstände der sieben Planetenbahnen den Verhältnissen der Töne der siebensaitigen Lyra gleich seien. Leider ist wenig Aussicht vorhanden, daß das interessante Werk noch wieder zum Vorschein kommt. Was an Instrumentalcompositionen handschriftlich sonst erhalten blieb, läßt sich größtentheils auf zwei gleichzeitige Gewährsmänner zurückführen, den fleißigen Sammler Johann Gottfried Walther und Sebastian Bach selbst17. Von ersterem sind nur Orgelchoräle aufbewahrt; was auf Bach zurückzuführen ist, besteht, man bemerke es wohl, fast ausschließlich aus freien Orgelcompositionen. Er hatte Buxtehude verstanden.

In der That, so interessant und geistreich seine Choralbearbeitungen sind, so erträgt er auf diesem Gebiete doch keinen Vergleich mit Pachelbel und seiner Schule. Es war deshalb sehr gegen den Vortheil des Meisters, daß von den wenigen seiner Compositionen, die in neuester Zeit durch Stich allgemein zugänglich wurden, die meisten grade Choräle sind18. Hierdurch bekommt man von seiner Bedeutung eine ganz schiefe, oft ungünstige Vorstellung. Seine Stärke ruht – wir müssen Matthesons Urtheil etwas erweitern – vor allem in der reinen, durch keine poetische Idee beeinflußten Instrumentalmusik. Hier bildet er Pachelbels musikalischen Gegenpol. Dieser wurde epochemachend durch seinen Orgelchoral und das, was sich aus der eindringenden Beschäftigung mit den volksthümlichen Melodien ergab, namentlich die ausdrucksvolle Bildung [260] musikalischer Themen. Jener hat durch seine großen, von einem reichen Geiste erfüllten unabhängigen Tonstücke wenigstens von Bachs Talent eine Hauptseite mächtig gefördert, eine Seite, die man jetzt fast als die unvergänglichere ansehen möchte, weil sie ausschließlich auf das Wesen der Musik gegründet ist. Daß er sonst auf Mitteldeutschland wenig einwirkte, ist erklärlich, da dort auf den Choral beinahe das gesammte Streben sich concentrirte, während man im Norden nicht sehr geneigt war, diesen zum subjectiven Stimmungsbilde zu durchglühen. Zwischen den Süddeutschen aber, denen der protestantische Choral ganz fehlte, und Buxtehude nebst Richtungsgenossen besteht eine innere Verwandtschaft, wie sie unter den ähnlichen Verhältnissen natürlich ist, und an manchen Stileigenthümlichkeiten, namentlich in der Melodiebildung zu Tage tritt; in andern Dingen freilich, in der Harmonik, der Klangverwendung, der Stimmung ist ein Unterschied, wie zwischen Mittagssonne und Abendroth.

Noch achtzehn selbständige und eben so inhalt-wie umfangreiche Orgelcompositionen sind es, auf die wir ein genaueres Urtheil über Buxtehudes hohe Bedeutung in diesem Kunstzweige gründen können. Darunter sind zwei Ciaconen, eine Passecaille, eine große Toccate, eine einzelne Fuge, das Uebrige besteht aus Praeludien mit Fugen, und auf sie wollen wir zunächst den Blick richten. Die Praeludien führen meistens ein gangartiges Motiv imitatorisch durch alle Stimmen in strömendem Flusse durch, und zwar mit reichlicher Betheiligung des Pedals, welches auch häufig in glänzenden Solopassagen hervortritt. Dieser Umstand bildet ein wesentliches Unterscheidungs-Merkmal von so manchen, im übrigen ähnlich construirten Toccaten-Abschnitten der süddeutschen Orgelmeister; überhaupt lehrt die Vergleichung, um wie viel an Virtuosität diese hinter Buxtehude und seiner Schule, welchen durch Sweelinck eine solche Richtung gegeben war, zurückstanden. Ihr Pedalgebrauch beschränkte sich meistens auf gehaltene Tieftöne oder langsam fortschreitende Noten; auch bei Pachelbel ist es durchweg kaum anders. Georg Muffat setzte unter die achte Toccate seines Apparatus musico-organisticus die Worte: Dii laboribus omnia vendunt; dieses Stück, mit dem er etwas besonders schweres geliefert zu haben glaubte, hätten zweifelsohne Männer wie Buxtehude und Bruhns unbesehen heruntergespielt.[261] Wie im Praeludium, so hatte natürlich auch in der Fuge das Pedal ein entscheidendes Wort mit zu reden, welcher überdies Buxtehude durch eine eben so eigenthümliche, wie bedeutsame Anlage zu reicher Entwicklung Raum verschafft. Gewöhnlich nämlich wird das Fugenthema im Verlaufe einmal oder mehrfach umgebildet, und so immer neuen Durchführungen zu Grunde gelegt; eine Gesammtfuge besteht in solchen Fällen aus mehren Einzelfugirungen, welche als selbständige Sätze durch kleinere Zwischenstücke verbunden zu werden pflegen, in denen es hauptsächlich auf Entfaltung von Bravour abgesehen ist. Diese Neugestaltungen, in denen das erste Thema nur als Motiv eines andern gilt, sind eine höchst bemerkenswerthe Erscheinung der damaligen Instrumentalmusik; sie zeigen, daß man das Wesen der reinen Tonkunst an der Wurzel erfaßte, und deuten auf eins der ersten Formprincipe der modernen Sonate hinüber, ohne doch sich von dem natürlichen Boden der Fugenform zu entfernen. Der bergende Schooß, in dem sich die Form entwickelte, war die Toccate, man kann ihren Aufriß in den Frobergerschen Toccaten schon ganz deutlich wahrnehmen. Auch in seiner Zeit steht Buxtehude selbstverständlich mit ihr nicht allein; ein ähnlich angelegtes Werk Reinkens wurde oben schon genannt, auch von Bruhns hat sich eins erhalten, und Böhm wird dadurch zu seinen Orgelchorälen angeregt sein, die ja auf das Princip motivischer Erschöpfung der einzelnen Choralzeilen gegründet sind. Buxtehude muß aber trotzdem als Hauptvertreter und Vollender dieser Richtung gelten, schon weil er uns die meisten Proben davon giebt, aber auch eine Erfindungskraft beweist, die den genialen Kopf kennzeichnet. Er ersetzt hierdurch, was seinen Grund-Themen oft an schöner, belebter Gestaltung fehlt. So stellt er in einer seiner größten Orgelcompositionen, nachdem ein sehr schönes Praeludium von sechzehn Viervierteltakten in E moll eingeleitet hat, folgendes Fugenthema hin:


3.

führt es durch und setzt mit diesem Thema:


3.

[262] von neuem ein; nach reicher Ausarbeitung und freiem Zwischensatze tritt endlich der Fugengedanke so auf:


3.

Man sieht, nach welcher Norm der Componist bei Bildung des zweiten und dritten Themas verfuhr: er griff die charakteristischen Schritte des Hauptthemas heraus, zuerst die Schritte von der Quinte Q in die Tonika ē, von dort in die Octave 3. und abwärts nach ā, zu zweit die Schritte von Q nach ē und ohne in die Octave zu treten gleich nach ā. Der Quartensprung des zweiten Themas 3. (oder /) – gis ist nur scheinbar unorganisch, da Buxtehude im Grundthema das vorletzte Sechzehntel des ersten Taktes 3. und nicht etwa das folgende 3. als melodietragend aufgefaßt hat; dieses ist nur als harmonische Nebennote, und die Melodie von 3. nach ā gehend gedacht, was sich etwas hart ausnimmt, aber Buxtehudes Wesen nicht fremd ist. Durch die ganze 137 breite Takte zählende Fugencomposition hindurch waltet nun eine und dieselbe musikalische Hauptperson, aber mannigfach wechselnd in Stellung, Miene und Gewandung, wozu auch die Taktwechsel ein bedeutendes beitragen. Aus der Stetigkeit, mit der auch bei Reinken und Bruhns der dreitheilige Takt auf den zweitheiligen folgt, sieht man, daß darin wiederum ein bewußtes Formprincip sich äußert: es soll der Organismus aus dem Ernst und der Schwere des Anfangs zur leichtschwebenden Freudigkeit erblühen. Und darauf hin sind auch die drei Durchführungen angelegt. Der ersten, welche, wenngleich innerlich erregt, doch in würdiger, äußerer Ruhe einherschreitet, folgt die zweite mit labyrinthischen Irrgängen und tiefsinnigen Verschlingungen; es treten neben dem hauptsächlichen noch zwei Gegenthemen auf, von denen das zweite mit seinen Achtelgängen alles zu größerer Belebtheit fortreißt, daneben erscheint auch das erste Thema in der Umkehrung. Nur ein in der Harmonie höchst erfinderischer Geist konnte ein solches Netz von Tönen weben, in dem bei aller Verwickeltheit doch jede Masche klar und regelrecht vorliegt. Zwischen der zweiten und dritten Durchführung steht einer jener Zwischensätze ohne festen thematischen Kern und bestimmte Entwicklung, die den Zweck von Ruhepunkten haben, nach[263] der strengen Gesetzmäßigkeit des Vorangegangenen durch ungebundenes Tonspiel einen erleichternden Gegensatz hervorrufen und den Hörer für das Nachfolgende auffrischen sollen. Ihre Bestandtheile sind Laufwerk und breite Accordmassen, in beiden zeigt Buxtehude eine so ausgeprägte Eigenthümlichkeit, daß man ihn fast am leichtesten an diesen Zwischensätzen erkennt. Er ist es, der die frei außer dem Takt(a discrezione) zu spielenden Gänge aufgebracht und ausgebildet hat, die man Orgel-Recitative nennen kann, er, der die mehrstimmigen und Pedaltriller zuerst mit Vorliebe verwendet und gewisse zwischen beiden Händen abwechselnde Passagen. In den ruhigen Accordfolgen aber zeigt sich am sprechendsten seine eigenthümliche Harmonik, wenn ein überraschender Accord aus dem andern entsteht, eine wahre Fata Morgana von stets neuen und wieder zerfließenden Zauberbildern. Nach einem solchen Intermezzo folgt nun im letzten Fugensatze der Ausgang des Tondramas: in stolzem Glanze wiegt sich das Thema durch die Stimmen, unter den Tönen des Pedals nimmt es einen Ausdruck von großartiger Anmuth an, und scheint grade für diese Lage recht erfunden zu sein, wie man überhaupt bemerken kann, daß der Orgelcharakter aus jeder Note des großen und hervorragenden Tonstückes spricht.

Eine Fuge in G moll weist ebenfalls drei Gestalten des Themas auf, ist aber trotz gleicher Anlage innerlich ganz verschieden. Schon das Praeludium ist anders gebaut, indem es kein ganghaftes Motiv, sondern ein ordentliches Fugenthema durch zwölf Sechsvierteltakte durchführt, fast ganz über dem Orgelpunkt G, aus dessen Ruhe sich das Pedal nur zum Schluß erhebt, um selbst das Thema mit großer Wucht unter den Accordschlägen des Manuals einmal zu übernehmen19. Das Thema der ersten Fuge, die ein nach einmaliger Durchführung hinzutretender zweiter Gedanke zur Doppelfuge macht, ist dieses:


3.

dessen harmonische Vieldeutigkeit man als einen Hinweis auf Bach [264] nicht übersehen wolle. Hieraus wird wieder ein Meisterstück an harmonischem Scharf- und Tiefsinn gewoben, an dem höchstens auszusetzen wäre, daß es eine zu große Fülle von Combinationen in zu rascher Folge entfaltet und so dem Wesen der Orgel nicht ganz gerecht wird, deren großartiger Charakter bis zu einem gewissen Grade stets Einfachheit erheischt. Jedenfalls erfordert die Klarlegung dieses genialen Gewebes einen sehr ruhigen Vortrag. Einmal durchbricht die Neigung zu motivischen Um- und Fortbildungen in geistreichster Erfindung den ruhigen Fluß der Polyphonie: aus dem Quartenschritt des zweiten und dritten Thematones bildet sich ein vier Takte fortgesetztes Wechselspiel zwischen der Ober- und den beiden Mittelstimmen, dazu ergreift das Pedal das Thema und bringt es mit Selbstbeantwortung gleich zweimal hinter einander; dann lenkt alles in den früheren Stil wieder zurück. Der melancholisch sinnenden Haltung des Ganzen entspricht der sich anschließende Zwischensatz, der träumend und schwermüthig immer tiefer in sich selbst versinkt – da weckt ihn die in Sechzehnteln aufrauschende erste Umbildung des Fugenthemas (auf der Quinte von D):


3.

die sich mehre Male aus der Tiefe rüstig und rücksichtslos heraufarbeitet, ohne Bedacht auf die Eintritte der verschiedenen Stimmen immer nur höher und höher steigend, wie in der früher erwähnten Bachschen C moll-Fuge, rücksichtslos auch in harmonischer Hinsicht, da ein Querstand sich mit Hartnäckigkeit wiederholt. Dann ein jähes Abbrechen und nun hinein in den Dreizweiteltakt mit der zweiten Thema-Umbildung:


3.

und kräftiger Schlußsatz!

Aus derselben Tonart ein anderes Werk nach gleichem Principe und doch in der Ausführung wieder ganz abweichend! Ungestüm wie ein Wellensturz bricht das Praeludium herein und schäumt in Terzen-und Sexten-Gängen wild umher; nach sechs Zwölfachteltakten [265] steigt im Pedal wie aus der Meerestiefe hervor ein drohendes Bassthema:


3.

und wiederholt sich fünfmal, unterdessen stürmt es oben weiter: die Wellen wandern und überschlagen sich, schießen einander nach und hüpfen empor – eine phantastisch-düstre Conception! Aus dem Bass bildet sich sofort das Thema:


3.

ernst und gewichtig, wie es selbst, ist auch die ganze Fuge. Im Zwischensatze wandelt ein Manual-Bass in Achteln dahin, darüber lassen sich abgerissene Accorde hören, die aber bei genauem Aufmerken periodisch wie melodisch sich zu festen Gedanken zusammenschließen, es lautet, wie verwehte Klänge eines fernen Gesangs. Dann fällt machtvoll das Pedal ein in springenden Octaven und mit untermischten Sechzehnteln, die Gänge wiederholen sich in der rechten Hand und leiten hinüber in den letzten Satz: Largo 3/2:


3.

Dieses Mal bringt der ungerade Takt keinen heitern Ausgang – wie hätte der hier passen können! – wohl aber im Gegensatz zu der düstern Starrheit des Vorangegangenen eine tiefe, nachgebende Wehmuth. Den Componisten jener Zeit stand vielfach ein warmer, ja überquellender Gefühlsausdruck zu Gebote, man kann von Jünglingsjahren der Kunst reden, gegen welche Bach und Händel das Mannesalter darstellen. Johann Christoph Bachs Motetten sind ganz in diesen Duft getaucht; viele Sachen von Kuhnau, in hohem Grade auch manche Arien und Lieder von Erlebach offenbaren eine Innigkeit, die noch heute so unmittelbar zu Herzen geht, wie vor zweihundert Jahren. Wenn nun Buxtehude gleichfalls durch und durch mit diesem Elemente getränkt ist, so ist seine Art, es zum Ausdruck zu bringen, doch eine andre, wiederum aber nicht so verschiedene, daß er nicht gleich verständlich würde. So wenig sich dies klar beschreiben [266] läßt, man müßte denn alle Stileigenthümlichkeiten bis ins Kleinste durchgehen, so deutlich fühlt es sich heraus, und scheint kaum anders, als durch seine dänische Herkunft erklärbar. Es läge nahe, zur Vergleichung auf einen hervorragenden Künstler der Gegenwart als Landsmann hinzuweisen, wenn nicht Beziehungen zu Lebenden allzuleicht die ruhige Anschauung des historischen Bildes trübten. Sicher ist, daß des Meisters fremd und doch verwandt, fern und doch nah anmuthende Weise grade seiner Kunst einen erhöhten Reiz verleiht. Die vor-Bachische Epoche ist in ihrer Jugendlichkeit auch eine Zeit musikalischer Romantik, und Buxtehude ist nach der instrumentalen Seite der größte Romantiker. Von seinen Chorälen einmal abgesehen, giebt es sehr wenige Stücke von ihm, in welchen dieser Zug garnicht hervorträte; ganz erfüllt davon ist die in Rede stehende Orgelcomposition. Den Satz, dessen Thema zuletzt mitgetheilt wurde, insbesondere durchdringt ein Sehnen, ein Hinausstreben ins Unendliche, das um so ergreifender ist, da es mit dem spröden Orgelmateriale ringt, wie Pygmalion mit dem kalten Marmor. Um wenigstens etwas mehr, als bloße Beschreibung zu geben, möge hier ein Bruchstück der Fuge Platz finden:


3.

3.

[268] Schon aus diesem Stückchen kann man sehen, mit welcher Meisterschaft und Freiheit die Fugenform behandelt ist, wie alle Stimmen melodisch erblühen, wie groß die Originalität der Harmonien ist. Es schließt sich daran gleich ein neuer Thema-Eintritt des Pedals in C moll, und in diese Tonart wie verloren bleibt der ganze Rest des Stücks, bis drei Takte vor dem Ende sich der Componist zur Rückkehr nach G entschließt, die aber nun wie ein Halbschluß klingt, und in dieser schwebenden Stimmung den Hörer entläßt. Bewundernswerth ist wieder die in der Gegensätzlichkeit der einzelnen Abtheilungen heraustretende Kunstweisheit; das Ganze ist ein klar durchdachtes, warm belebtes Bild.

In dem Praeludium mit Fuge aus E dur wird das Hauptthema sogar noch dreimal in veränderter Gestalt gebracht, die Neubildungen aber sind alle abgekürzt und nur auf die ersten beiden Töne des Themas gebaut, auch schließt hier nicht der dreitheilige Takt, sondern eine kurz angebundene Fugirung im Viervierteltakt. Das Tonleben soll gegen den Schluß hin immer energischer, zusammengefaßter werden; nach dieser leitenden Idee ist die erste Fuge von sehr gemäßigter Haltung und wirkt vollständig nur in der Gesammtcomposition, womit jedoch einige Steifheiten derselben nicht bemäntelt werden sollen20. Im allgemeinen begnügte man sich mit einmaliger Umgestaltung des Themas, und dies muß als die Grundform angesehen werden, über welche nur Buxtehudes reicher Geist zuweilen hinausschritt. Die Mehrzahl seiner Compositionen hält sich in diesen Gränzen, entfaltet aber darin die größte Mannigfaltigkeit. Eine andre, wieder in E moll stehende Fuge mit vorangehendem stolzen Praeludium hat dieses Thema:


3.

was an sich betrachtet jedenfalls halb nichtssagend, halb sonderbar ist. Spielt man weiter, so stellt sich bald heraus, daß dabei zum [269] Theil wenigstens Berechnung gewaltet hat. Das Thema reizt durch eignen Gehalt wenig, spannt aber durch seine harmonische Unbestimmtheit, die denn auch geistvoll genug in der Entwicklung ausgebeutet wird. Nach einem kurzen Zwischenspiele, was mit seinen Sechzehnteln das Praeludium in Erinnerung ruft, folgt nun im Dreivierteltakt die Umbildung:


3.

der Contrapunct des zweiten Taktes wird später das Motiv zu anmuthigen Ausspinnungen, die immer mehr Raum gewinnen, schließlich das Terrain ganz beherrschen, und in den Viervierteltakt zurückführen. Nun treten die Sechzehntelpassagen des Praeludiums wieder auf, zu denen sich, erwachsen aus einer zuvor wie nebensächlich hingeworfenen Pedalfigur


3.

die reizendsten motivischen Gebilde fügen, die allmählig alles in den Hintergrund drängen und das letzte Wort behalten. Beethoven hätte dies kaum anders machen können!

Solche Nachspiele liebt Buxtehude und wendet sie öfter an, wodurch das Totalbild einen glänzenden Abschluß erhält. Das Verfahren läßt sich jedenfalls auf denselben Grundsatz zurückführen, nach welchem die rhythmische Gestaltung meistens in den dreitheiligen Takt ausläuft, und der es auf eine endliche Erheiterung und Ausgleichung abgesehen hat. Wir sollen nicht auf die Höhen der Kunst geführt und dort allein gelassen, sondern auch wieder zu den Menschen zurückgebracht werden. Da die höchsten Formen der Instrumentalmusik zugleich einen hohen Grad von subjectiver Isolirtheit beanspruchen, so spricht sich darin ein gesundes, nicht ganz unberechtigtes Gemeingefühl aus. Aehnlich macht es Mozart, der den Hörer auch gern mit freundlichen Eindrücken entläßt, mochte er vorher auch alle Tiefen des Gefühlslebens entschleiert haben. Ja, in gewisser Hinsicht soll jede mehr als zweisätzige Instrumentalform diese Richtung nehmen, denn nicht der Einzelne darf am Ende Recht behalten, sondern die Gesammtheit; so verlangt es die Sittlichkeit in der Kunst, wie im Leben. Und das hat Beethoven nicht minder, als [270] Mozart, zu beachten gewußt; die Suitencomponisten, die der fröhlichen Gigue den letzten Platz anwiesen, nicht weniger, als Alessandro Scarlatti in seiner dreitheiligen Ouverturen-Form. Aber allerdings liegt in dem Aufgeben einer einmal gewonnenen, ganz geläuterten Form und in dem Zurücksinken zum willkürlicheren Tonspiel doch eine Art von Verflachung; hier tritt es zu Tage, daß Buxtehude trotz allem Genie die Anschauungen der Virtuosenschule, aus der er hervorging, nicht ganz los werden konnte. Daß seine Nachspiele höchst geistreich und interessant sein können, davon hat schon die eben besprochene Composition Zeugniß gegeben. Hier hält er sich übrigens noch in mäßigen Gränzen und deutet so vernehmlich auf das Praeludium zurück, daß man das wohlthuende Gefühl cyklischer Abrundung erhält. Ebenso ist es in Praeludium und Fuge aus D moll, wo das prägnante Thema:


3.

was nachher in dieser Gestalt auftritt:


3.

schon im Vorspiel erkennbar angekündigt, im Zwischenspiel durch ein imitatorisches Sätzchen wach gehalten wird, und im Rhythmus des brillanten Nachspieles noch immer ganz deutlich anklingt. Eine so große Einheit des Stoffes ist nicht vorhanden in dem Praeludium mit Fuge aus A moll, einem Stücke, das uns wegen der merkwürdigen Beziehungen, in denen es zu einer Fuge aus Bachs wohltemperirtem Claviere zu stehen scheint, noch weiter beschäftigen wird. Doch ist auch hier das Nachspiel nicht so lang, daß es dadurch den Eindruck der vorhergehenden edleren Formen wesentlich abschwächte. Anders ist das Verhältniß in einem Tonstück gleicher Gattung aus Fis moll. Das Praeludium beginnt mit größtentheils harmonischen Sechzehntelfiguren, an die sich eine Reihe von echt Buxtehudeschen Accordfolgen schließt; dann tritt im Grave die Doppelfuge auf, an thematischer Erfindung eine der schönsten des Meisters:


3.

[271] und in ihrem Verlaufe von tiefem, direct auf Bach hinweisendem Ausdrucke. Nach diesem herrlichen Satze meldet sich im Vivace zuerst das Gegenthema in dieser Verkleidung:


3.

treibt sein Wesen durch alle vier Stimmen hindurch und zieht auch das Hauptthema:


3.

zu sich heran, bald wird in die Dur-Parallele modulirt, was das schwermüthige Grave sich nicht gestattet hatte, jene drei Sechzehntel beginnen mehr und mehr motivische Keimkraft zu entwickeln – ein frisches, geistfunkelndes Stück rauscht vorüber. Mit seinem Abschlusse läßt der Componist der Phantasie die Zügel schießen. Ein fesselloses Orgel-Recitativ ertönt, mit der endlichen Wendung auf die Dominante der Grundtonart beginnt nun mit den Motiven


3.

und


3.

das reizendste Spielen und Weben, unerschöpflich und unersättlich und mit immer größerem Glanze und Tonreichthum. Die völlige Einheitlichkeit des Gedanken-Materials, der wohlüberlegte Wechsel und Fortschritt in den Stimmungen, die hohe contrapunctische Kunst, die strahlende, alle Mittel der Orgel entfesselnde Technik machen diese Composition zu einem wahren Meisterwerke deutscher Orgelmusik. Es ist gar keine Frage, daß wir uns hier auf einer beträchtlichen Höhe befinden; wer weiter [272] klimmen wollte, mußte eben die Kraft und den Athem eines Sebastian Bach besitzen. Der ästhetische Mangel, welcher aus der Form des Nachspiels und gar eines so langen Nachspiels entspringt, wird freilich auch durch die geistvollste Behandlung nicht ganz gehoben, aber doch gemildert; man fühlt ja, wie der Stoff der Fuge lebenspendend hindurchdringt, und wenn der Kometenschweif auch matter glänzt, als der Kern, so muthet dafür sein phantastisch dämmriger Zug uns geheimnißvoll an.

Von geringerem Werthe ist ein Stück aus D dur, was wegen seines gleichfalls langen Nachspiels zum Vergleiche mit dem vorigen herausfordert. Ein motivischer Zusammenhang ist freilich vorhanden, aber da er sich auf die unbedeutendste Seite des schon im Ganzen wenig gehaltvollen Themas gründet, hat er nicht Kraft genug, uns das Gefühl von einheitlichem Organismus zu erwecken. Die Entwicklung der Fuge ist auch mehr motivisch homophon als thematisch polyphon, leicht skizzirt und äußerlich; eine Durchführung des umgebildeten Themas findet nicht statt, an deren Stelle eben das gesetzt zu sein scheint, was Nachspiel genannt wurde, was aber noch einmal durch einen Zwischensatz unterbrochen wird und dann in feuriges Passagenwerk ausläuft.

Orgelfugen, die ohne Themaveränderung in einem Zuge fortströmen, giebt es von Buxtehude nicht viele. Eine solche steht in F dur und wird durch ein schönes Praeludium eingeleitet, in welchem ausnahmsweise einmal Taktwechsel eintritt: Viervierteltakt am Anfang und Ende, in der Mitte Zwölfachteltakt; da aber letzterem auch die Viertheiligkeit zu Grunde liegt, so ist der Uebergang fast unmerklich und stört den Fluß nicht. Das Thema ist lang und charakteristisch:


3.

der frohe Schwung desselben belebt das ganze Stück, ohne sich in [273] harmonische Tiefen zu verlieren, die Sechzehntelfigur der ersten Takte giebt zu anmuthigen Wechselspielen zwischen höheren und tieferen Lagen häufige Veranlassung, auch hier tritt die Neigung zum motivischen Fortspinnen heraus. Der Einfluß, welchen Buxtehude mit dieser Composition auf eine große Concertfuge Bachs ausgeübt hat, ist unverkennbar. Daneben nennen wir gleich noch eine Fuge aus C dur:


3.

wenn es auch nicht ganz klar wird, ob sie nicht vielleicht das Schlußstück eines größeren Werkes ist, oder etwa nur für Clavier geschrieben wurde; sie gehört ebenfalls zu den vortrefflichen Werken des Meisters21. Niedriger steht eine Toccata nebst Fuge aus F dur, und grade diese hat das blinde Ungefähr an die Oeffentlichkeit unserer Zeit gelangen lassen. Wer Buxtehude kennt, wird ihn auch hier wiederfinden; einige weniger lobenswerthe Eigenschaften seines Stils, z.B. das allzuhäufige Wiederholen desselben Tons oder Accords auf der Orgel treten aber unbequem heraus, so daß der Gesammteindruck mehr absonderlich als schön und bedeutend ist22. Die Toccate hängt mit der Fuge motivisch zusammen, und vermuthlich soll der erstere Name dem ganzen Stücke gelten. Daß die Kunstgebilde, deren Betrachtung uns hier beschäftigt, sich aus der [274] Toccate entwickelt haben, wurde schon gesagt. Daher erklärt sich, daß Reinken ein oben erwähntes Werk so bezeichnen konnte, was mit ihnen völlig an Form übereinstimmt. Buxtehude deutet den Zusammenhang selbst an, indem er sich auch in dieser Gattung versuchte, welche embryoartig alle Keime der Formen des freien Orgelspiels enthielt. Abgesehen von dem genannten Stücke existirt noch eine andre Toccate ebenfalls in F dur, die dritte Composition dieser Tonart. Ihr Aussehen ist bunt, doch bildet eine regelrechte Fuge den Kern, die dann auch ziemlich den Stoff für die folgenden Gebilde hergiebt, sofern sie sich zu greifbaren Formen verdichten und nicht im phantastischen Spiele zerflattern. Mehr darf man von einer Gattung nicht verlangen, die nur leicht und angenehm anregen will, und überall in der Kunst ihre Berechtigung hat, wenn darüber die höhern Aufgaben derselben nicht versäumt werden. Toccaten älterer Meister, wie Frobergers, überfliegt natürlich die Buxtehudesche um ein bedeutendes an Mannigfaltigkeit, Geist und Bravour, vorzugsweise im Pedalgebrauch, wie schon vorher im allgemeinen bemerkt wurde.

Aber unser Meister kannte auch sehr wohl den Werth eines sich bis zum Schlusse an innerm Gehalte steigernden Tonstücks. Den Beweis liefert eine große Orgelcomposition in G moll, ein wahres Muster planvoller, weitschauender Anlage23. Ein kurzes, belebtes Praeludium hebt an und gelangt zum Stehen auf der Dominante. Es folgt im Allegro ein Fugato von wenigen Takten über diesen Gedanken:


3.

hängt sich eine aufwärts fliegende Passage an und schließt in G, worauf das Thema der Hauptfuge einsetzt. Was jenes Fugato will, bleibt vorläufig unklar, mit dem Fugenthema hat es gar keine Verwandtschaft. Dieses ist übrigens das späterhin vielbenutzte und zum Gemeingut gewordene:


3.

[275] es findet sich wieder im zweiten Theile des wohltemperirten Claviers, in einem Streich-Quartett von Haydn, einem Requiem von Lotti, in Händels Joseph und Messias, in Mozarts Requiem. Nachdem die Fuge vorübergezogen, die neben Interessantem auch manches Ungelenke enthält, tritt im Dreizweiteltakt das Thema zu einer neuen ein, was sich schon bemerkbar an das erste Fugato anlehnt:


3.

im Verlauf wird die Verwandtschaft immer klarer, endlich entscheidet unter liegendem G moll-Accord das Pedal:


3.

die Fuge schließt, und wie herausgeboren aus der ganzen Entwicklung tritt als zwölfmal zu wiederholendes Ciacona-Thema dieser Gang ans Licht:


3.

den alsbald eine reiche Contrapunctirung umschlingt, in der das Ganze beendigt wird. Die durch den hineingeworfenen Fugato-Satz bewirkte Spannung ist vollständig gelöst.

Den guten Einfall, einen Fugengedanken nach reichlicher dialektischer Erörterung in der Durchführung endlich zum unwandelbaren Axiom herauszuarbeiten und seine Stichhaltigkeit in den stets neuen Verhältnissen wechselnder Contrapuncte zu erproben, hat Buxtehude noch einmal in einer mit Praeludium versehenen C dur-Fuge gehabt; die Ciacona im 3/2 Takt vertritt dort die sonst gewöhnlich erfolgende Umbildung des Themas. In dem G moll-Stücke steht dieser Name nicht dabei; nach Buxtehudes Praxis ist er aber der allein angemessene, und nicht die Benennung Passacaglio. Beides sind ursprünglich Tanzformen, in denen ein kurzes, zwei-, vier-, höchstens achttaktiges Bassthema sich unablässig wiederholt; die gute Gelegenheit, darüber stets neue contrapunctische Combinationen [276] aufzuführen, machte sie zu beliebten Aufgaben für Orgel- und Claviercomponisten. Was uns über ihre Unterscheidungsmerkmale von Schriftstellern damaliger Zeit gesagt wird, ist voller Widersprüche und nirgend durchgreifend24; die Componisten müssen selbst der verschiedensten Ansichten gewesen sein. Buxtehude hat aber für sich einen Unterschied zwischen Passacaglio und Ciacona gewahrt, der sich auch an einer Ciacone Böhms bemerkbar macht, daß nämlich bei ersterem das Thema stets in der wirklichen Basslage und stets unverändert bleibt, bei letzterer aber in allen Stimmen auftreten und die mannigfachsten Umspielungen und Variationen erleiden kann, so lange es überhaupt nur erkennbar ist. Danach mußte der Schlußsatz der G moll-Fuge eine Ciacona sein, denn das Thema wandert frei in den Stimmen umher und wird auch einmal ganz in Figurationen aufgelöst. Wir besitzen noch zwei Ciaconen und einen Passacaglio als selbständige Stücke, die in ihrer Schönheit und Bedeutendheit alles gleichartige jener Zeit überragen und auch unter Buxtehudes Compositionen in erster Reihe stehen. Seine so eigenthümliche Harmonik entfaltet sich hier in aller Fülle, schwärmerische Innigkeit und der süßeste Schmelz der Wehmuth treten mit herzbezwingender Kraft dem Hörer nahe. Alle drei Werke durchklingt derselbe Grundton, doch sind sie trotzdem verschieden im Ausdruck. Gleich die Anfangstakte stellen ihn fest. Von den beiden Ciaconen ist die in C moll gesetzte die tiefer erregte.


3.

3.

3.

[277] Welch herrlicher Eingang! Wie hier alles in schwermuthsvoller Melodik aufblüht, wie überschwänglich das Hinübergreifen durch Bindungen in den folgenden Takt, das Absetzen oft mitten im Melodiezuge, als versage der übervollen Brust die Rede! Und die Harmonien – man beachte das 3. im letzten Achtel des dritten Takts, und im folgenden das ā der Oberstimme, im zehnten den schmerzlich klagenden Zusammenklang 3. auf dem betonten Takttheile, und die herbsüßen, wie Seufzer klingenden Vorhalte, welche sich anschließen! Nun belebt es sich immer mehr; Sechzehntelbewegung tritt ein, zuerst noch mit Achteln versetzt, hernach gleichmäßig fortwallend, und auch das Thema ergreifend, was aber immer hindurchblinkt, wie ein Stern durch Wolkenzüge. Dann wieder kurze Ruhe, und neues Anschwellen bis zum Brausen, und harfenartige Accorde umwehen das Ohr; es war ein Windstoß, der in die Saiten der Aeolsharfe fuhr! Geschickt eingefügte Zwischenspiele lassen den Grundgedanken frischer wieder hervortreten. Durch hundert und vierundfünfzig Takte zieht sich der Tonsatz und schließt mit noch reicherer Harmonie und voll von klagender Sehnsucht, wie er begonnen. – Die zweite Ciacone in E moll ist wie eine Ballade, in der sich die Erregtheit des Vortragenden über einen traurigen oder unheimlichen Inhalt hinter der scheinbaren Objectivität der erzählenden Form verbirgt, aber doch überall hindurchgefühlt wird. Namentlich trägt die Modulation nach G dur im zweiten Takte das Gepräge äußern Gleichmuths, und auch im Verlaufe scheint die steigende [278] Bewegung mehr eine äußerliche, referirende. Daß es jedoch nur Schein ist, dafür ist ebenfalls gleich der Anfang Bürge, mit seiner schön geschwungenen, rhythmisch wie harmonisch so gewählt ausgestatteten Obermelodie, die des tiefsten Ausdrucks fähig ist, wenn sie ihn gleich zurückdrängt:


3.

3.

Vortrefflich ist nach der Exposition der ersten acht Takte die Entwicklung eingeleitet; das strebt vom neunten Takte an gar muthig in die Welt hinaus und aufwärts, in so freiem Schwunge, daß man ganz die unlösbare Fessel des Bassmotivs vergißt. Erst später wird es der Empfindung deutlicher wie ein unabänderliches Verhängniß, aus dessen Zauberkreise kein Entrinnen ist. Mag es sich auch zuweilen verstecken, oder halb verflüchtigen, im entscheidenden Augenblicke ist es stets zur Stelle. Von dem Erfindungsreichthum, den der Componist in immer neuen Ueberbauungen zeigt, kann durch Beschreibung keine Vorstellung gegeben werden; in der Mitte entwickelt sich einmal durch chromatische Gegenbewegung der Ober-[279] und Unterstimme eine Reihe von Harmonien, an deren Möglichkeit vor Buxtehude schwerlich jemand geglaubt hat. Die in dieser Ciacone zurückgehaltene Gefühlswärme bricht im Passacaglio aus D moll mit doppelter Stärke hervor25. Schon die breite Taktart deutet es an, und die Gestalt des Bassthemas:


3.

welches sich so nachdrücklich auf die Dominante hinüberzieht. Der Passacaglio besteht aus vier fast genau an Länge gleichen Abschnitten, wovon der erste in D moll, der zweite in F dur, der dritte in A moll und der letzte wieder in D moll steht. Hiermit hängt die einzige Ausstellung zusammen, die man etwa an ihm machen kann: die Theile hätten durch glattere Modulation unmerklicher verschmolzen werden können, während sie nur durch überleitende ganz kurze Zwischenspiele verknüpft neben einander stehen. Im Uebrigen ist die Composition über allen Tadel, man wäre versucht zu sagen auch über alles Lob erhaben. Nicht nur, daß die strenge Form mit der größten Meisterschaft gehandhabt wird, daß, wohin man blickt, eine melodische Belebtheit sich aufthut, wie sie größer und wie sie eigenthümlicher nicht gedacht werden kann; mir ist auch kein Musikstück jener Zeit bekannt, das es an rührender, bis tief in die Seele dringender Innigkeit diesem zuvorthäte, ja ihm nur gleich käme. Von ganz zauberischer Wirkung ist es, wenn nach dem schwermüthigen D moll mit dem einunddreißigsten Takte die F dur-Tonart eintritt:


3.

3.

[280] So blickt das thränenvolle Auge aus frisch erlittenem, tiefem Leid zurück in glücklichere Zeiten, und holde Erinnerungen tauchen auf und weben mit Goldfäden eine mystische Glorie für das, was einstmals war! Späterhin klingt die Figur


3.

in der Oberstimme ununterbrochen und kaum verändert durch viele Takte fort, indem die andern Stimmen im ruhigen Melodienstrom darunter hin gleiten; es ist, als sähe man stille, weiße Segel im Abendgold durch blauende Meeresbuchten ziehen. Mit dem dritten Theile verdüstert sich wieder das Bild, die obern Stimmen lassen sich erst nur in abgebrochenen, schluchzenden Lauten hören – eine Stelle von hoher Phantastik und Originalität – bis sich der Tonkörper neu belebt; dann erscheint eine Stelle, die mit ihrer verwandten Behandlung auf die letzterwähnte in F dur zurückdeutet, auch in dem letzten Theile kommt eine solche zweimal vor, natürlich in immer trüberer Beleuchtung, so daß selbst in dieser Hinsicht die inneren Beziehungen der Abschnitte unter einander nicht fehlen. Nach dem Lichtpunkte des zweiten Theils gelang es nicht, auch nur die Anfangsstimmung wieder zu gewinnen, mit dem 122. Takte schließt das Stück trostlos und schmerzzerwühlt, nur äußerlich glänzend. Vielleicht erwuchs es aus persönlichen Erlebnissen, und hat [281] sich von seinem Boden nicht ganz losgelöst, doch möchte es, wer seinen Gehalt tief in sich empfunden hat, kaum anders verlangen.

Der gewährte Ueberblick über die selbständigen Orgelcompositionen Buxtehudes wird ihre Bedeutsamkeit klar gemacht haben. Sie sind, wie es bei einer durch lauter Zufälligkeiten bedingten Ansammlung nicht anders zu erwarten steht, von ungleichem Kunstwerth, und einzelne von ihnen mögen jetzt nicht viel mehr als historisches Interesse bieten. Im ganzen aber brauchen sie selbst den höchsten, d.h. den von Bachs Meisterwerken hergenommenen Maßstab nicht zu fürchten. Keine Frage, daß dieser weit über Buxtehude hinauskam, aber sein Fortschritt war zugleich ein Schritt in andrer Richtung, so sehr er des ältern Künstlers Errungenschaften benutzte und sich aneignete. Eine gerechte Würdigung verlangt, daß, wie sich Mozarts Symphonien neben den Beethovenschen behaupten, auch Buxtehude mit seinen Praeludien und Fugen, mit seinen Ciaconen und Passacaglios einen Platz neben Bach erhalte. Wenn eine Kunst ihrer höchsten Entwicklung nahe gekommen ist, kann das Verhältniß ihrer Träger zu einander nicht mehr so aufgefaßt werden, daß einer den andern in sich aufzehre und seine Sonderbedeutung aufhebe. Nur die Fundamente eines Schlosses sind unsichtbar, ist der Bau aber in die Lüfte gestiegen, dann schmückt er sich mit zahlreichen Giebeln und Thürmen. Einer pflegt alle andern zu überragen, aber, verstand anders der Baumeister sein Werk, so macht er seine volle Wirkung nur mit und theilweise durch die übrigen. Die Technik der Orgelkunst war zu Buxtehudes Meisterzeit und großentheils durch sein eignes Verdienst so sehr schon ausgebildet, daß man durchaus nicht sagen kann, Bach habe hier noch ganz neue Bahnen zu brechen gehabt. Er hat das Ueberkommene bis zur höchsten Vollendung durchgebildet, hauptsächlich aber in ihm das kostbare Gefäß für seine erhabenen Ideen gefunden. Buxtehudes Gesichtskreis mag enger, sein Talent weniger ausgiebig gewesen sein. Er konnte aber das Bedeutende und Ureigenthümliche, was er zu sagen hatte, schon in ganz vollendeter Form sagen, und so das Ideal eines Kunstwerks, soweit es überhaupt möglich ist, erreichen. Es wird sich herausstellen, daß Bach, in richtiger Erkenntniß der Sachlage, in den von Buxtehude mit Meisterschaft cultivirten speciellen Formen sich nur ganz vorübergehend versuchte, wo er [282] dann auch diesen noch den Stempel seines Genius aufzudrücken wußte, ohne jedoch wesentlich seinen Vorgänger zu überragen. Vorzugsweise darf man dies von der Ciacone und dem Passacaglio sagen. Was er in seinem berühmten Stücke letzteren Namens tiefsinniger und concentrirter ist, bringt jener durch Innigkeit und jugendliche Wärme ein. Freilich besitzt ja auch Bach diese Wärme und Innigkeit im höchsten Grade, nur tritt sie schwerer über die Lippen und liegt meistens tief im Grunde, von dort aus alles durchdringend und belebend. Diese künstlerische Beschaffenheit ist aber ebenfalls ein Zeichen, daß beide auf der höchsten Stufe der Orgelkunst stehen. In der Geschichte ist es eine überall wiederkehrende Erscheinung, daß die Leistungen des menschlichen Geistes, wenn sie in einer bestimmten Richtung zur möglichsten Vollkommenheit entwickelt sind, dann einen Widerspruch in ihrem Wesen zu zeigen beginnen, welcher über sie hinausdrängt, sie zu sprengen sucht und den Keim bildet für neue und anders geartete Entwicklungen. Nicht immer, aber doch manchmal treffen wir bei Buxtehude Gestalten, welche nach Tonbeseelung ordentlich zu dürsten scheinen, obgleich es ganz unzweifelhaft ist, daß sie für das mechanische, todte Orgelmaterial bestimmt waren. Die mitgetheilten vier längeren Stellen sind der Art: schon die Melodienbildungen beweisen es. Im zweiten Takte der E moll-Ciacone ist gar kein Grund zu finden, weshalb der Componist die Oberstimme auf dem dritten Viertel nicht mit der ersten Mittelstimme auf ḡ zusammentreffen ließ – denn es würde dem Hörer nicht anders klingen, als wie es jetzt geschrieben ist – wenn er nicht dadurch, so gut es anging, hätte andeuten wollen, wie ihm die Melodie im Innern ertönte, und daß er mehr noch zu sagen habe, als er könne. Die Hinüberdeutungen auf ein ausdrucksfähigeres Instrument sind in diesen Stellen so stark, daß sie, auf unserm Pianoforte gespielt, wie für dasselbe geschrieben scheinen; man versuche es nur und wird sich überzeugen, daß es ganz unmöglich ist, den tiefen Gefühlsausdruck, der überall entgegenquillt, nicht durch Schattirungen des Vortrags wieder zu geben, es wird einem selbst das kaum genügen und man wird den Gesang zu Hülfe nehmen mögen. Pachelbel steht in Folge seines Anschlusses an die Richtung der südlichen Kunst dem naiven Leben im Reiche des Orgelklanges noch viel näher, obgleich grade er der eigentliche Begründer [283] des Orgelchorals ist, welcher doch seinem Wesen nach eben auf den subjectivsten Ausdruck hinarbeitet. Er steht ihm näher, obwohl er jünger ist, als Buxtehude: der Altersunterschied wird durch die Entkräftung, in welcher Deutschland nach dem großen Kriege lag, wieder ausgeglichen; hätte es selber einen Buxtehude hervorbringen sollen, so würde dies kaum vor der Zeit möglich gewesen sein, in welcher auch Pachelbel geboren wurde. So bleiben nur die Gegensätze von Süd und Nord, und man sieht ohne weiteres, wie sie einander entgegenstreben: Buxtehudes unruhige Innigkeit zu Pachelbels Choral, Pachelbels schöne Ruhe zu Buxtehudes freiem Orgelstück. Bach vereinigte in sich diese Gegensätze. Aber er empfing Pachelbels Einfluß durch die Vermittlung der thüringischen Künstler, die ihn mit eignem Geiste bereits versetzt hatten; er war außerdem eine kerndeutsche Natur und dem Romantischen mehr zugethan, als dem Classischen. Darum steht er nicht ganz in der Mitte über beiden, sondern etwas näher zu dem Lübecker Meister hin, und eben darum dieser nicht ganz unter, sondern theilweise, und zwar mehr als Pachelbel, neben ihm. Jene subjective Wärme, welche hundert Jahre später gegenüber dieser ersten Blüthezeit deutscher Instrumentalmusik eine zweite hervorrufen sollte, lebte auch in Bach und unendlich viel stärker, als je in einem seiner Vorgänger und Zeitgenossen; sie quoll nur nicht so heftig empor, wie bei Buxtehude, sondern durchdrang in großartigster Weise gezügelt alles und jedes, was er schrieb.

Mehr als doppelt so stark ist die Zahl der erhaltenen Orgelchoräle Buxtehudes, deren größten Theil, nämlich 37, wir dem Sammelfleiße Walthers verdanken. Auf Bachs Musikaliensammlung sind höchstens jene drei zurückzuführen, die sich sein Schüler Joh. Ludwig Krebs in zwei Orgel- und Clavier-Büchern aufbewahrt hat. Doch versteht es sich bei einem so großen Meister von selbst, daß auch seine Schöpfungen in dieser Gattung nicht ohne weiteres gering zu schätzen sind. Sein auf das rein Musikalische gerichteter Sinn ließ ihn freilich, wie alle der nordländischen Schule angehörigen Orgelkünstler, von einer poetischen Vertiefung des Orgelchorals absehen; was sich an solchen Andeutungen findet, ist mehr beiläufig und auf kein bestimmtes Princip gegründet. Nun ist und bleibt aber diese musikalische Form zu sehr mit dem Kirchenliede [284] verwachsen, als daß ein Verfahren nur nach musikalischen Grundsätzen durchzuführen wäre. Sie ist eben doch auf die Voraussetzung gegründet, daß dem Hörer wenigstens die Melodie des Chorals in ihrer ursprünglichen Gestalt deutlich vorschwebe, damit er sich an ihr in den ausgeführteren Formen des Orgelchorals zurecht finde, und was demselben an organischer Entwicklung aus eignen Mitteln fehlt, durch Beziehung auf sein Urbild sich ergänze. Es war also nur eine naturgemäße Ausbildung innewohnender Keime, wenn Pachelbel diese doch einmal nicht abzustreifende Voraussetzung auch auf den poetischen Gehalt der Choralmelodie ausdehnte, und sich dadurch für die musikalische Gestaltung neue Gebiete eroberte. Buxtehude blieb auf halbem Wege stehen, und deshalb mußte, was sein erfinderischer Geist in dieser Form neues leistete, nothwendigerweise mehr äußerlich bleiben. Geistreich, glänzend, virtuosenhaft im guten Sinne sind daher die richtigsten Bezeichnungen für seine Choralbearbeitungen. Diese Eigenschaften treten am meisten dort hervor, wo die Choralzeilen motettenhaft, wie wir es zu nennen uns erlaubten, durchgearbeitet werden, ein Ausdruck, der das Vorwalten der Polyphonie andeuten soll im Gegensatz zu Böhms motivisch-melodischer Manier. Dahin gehören die drei Stücke bei Krebs: »Nun freut euch, lieben Christen g'mein«, »Gelobet seist du, Jesu Christ«, »Herr Gott, dich loben wir«26, Stücke von den größten Dimensionen, ähnlich den früher erwähnten von Reinken und Lübeck. So hat das erstgenannte zu Anfang 110 Takte 3., dann 22 Takte 3/2 dann 18 Takte 12/8, endlich 107 Takte 3. in reicher Sechzehntelfiguration. Zusammen 257 Takte! – gewiß eine der längsten Orgelcompositionen, die es giebt. Die gleichzeitige Verwendung von zwei an Tonstärke und Klangfarbe verschiedenen Manualen ist wie hier, so überhaupt bei Buxtehude sehr beliebt. Auf eigenthümliche Klangwirkungen legte er auch sonst viel Gewicht, es ist dies ein Merkzeichen der Schule. So findet sich bei ihm der auch von Bach glücklich verwendete Effect, das Pedal mit achtfüßigen oder acht-und vierfüßigen Registern in der Tenorlage die [285] Melodie führen zu lassen. Mit Reinken gemeinsam hat er den Gebrauch des doppelten Pedals; ihn verwerthete Bach später zu den großartigsten Orgelgebilden, worin ihm jedoch Bruhns in kaum weniger bewundernswerther Weise vorangegangen war, von dem eine vollständige Fuge mit obligatem zweistimmigen Pedale erhalten ist27. Wie Buxtehude bei Fugirungen die Doppelfugenform liebt, so pflegt er den Choralzeilen selbständige Themen gegenüberzustellen und sie mit diesen durchzuarbeiten28. Besonders reich bedacht ist in dieser Art eine Arbeit über »Ich dank dir schon durch deinen Sohn«, die aus dem kurzen Choral von vier Zeilen ein Tonstück von 154 breiten Takten entwickelt. Die erste und dritte Zeile werden mit Engführungen in alterthümlicher Weise fugirt, diese im doppelten Contrapunct, jene giebt durch eine kleine chromatische Abänderung Veranlassung zu echt Buxtehudeschen Harmonien überraschendster Art. Die zweite und vierte Zeile werden ebenfalls fugirt, aber mit je zwei selbständigen Gegenthemen, mit welchen sie alle nur erdenklichen Combinationen im doppelten Contrapunct der Octave eingehen, und die sehr charakteristisch erfunden sind, aber auch Härten herbeiführen, an welche das Ohr sich widerwillig gewöhnt. Mit theilweise noch größerer Künstlichkeit, theilweise aber auch einfacher ist der Choral »Ich dank dir, lieber Herre« bearbeitet. Die erste Zeile wird im ruhigen vierstimmigen Satze, wie beim Gottesdienste, vorgetragen; die zweite folgt allegro, motivisch umgebildet und in Engführung zwischen zwei Stimmen erst zwei- dann dreistimmig fugirt. Dann wird die erste Zeile in der Verkleinerung zum Fugenthema gestaltet und gehörig durchgeführt, zum Schluß läßt das Pedal sie in der Vergrößerung zwischen das Fugengewebe hineintönen; dann folgt, wie oben, wieder die Fugirung der zweiten Zeile, nur reicher. Darnach werden die übrigen Zeilen mit ihren Gegenthemen durchgearbeitet, die beiden letzten im 6/4 Takt. Man [286] sieht, daß es dem Componisten darum zu thun war, für jede Zeile möglichst etwas äußerlich neues zu erfinden, und er mehr Gewicht auf bunte Mannigfaltigkeit, als auf einheitliche Stimmung gelegt hat. Daher gelingen ihm die Stücke am besten, wo er zugleich den vollen Glanz seiner Technik entfaltet, welcher den Sinn mehr auf der Oberfläche festhält, während er dort leicht beunruhigt und ermüdet, wo er nur durch contrapunctische Vertiefung wirken will. Sehr schön versteht es Buxtehude, den einfachen langgezogenen Choral ununterbrochen zu contrapunctiren, und wenn er es auch kaum über sich gewinnt, wie Pachelbel eine und dieselbe Figur durchweg festzuhalten, so weiß er doch schon dafür zu sorgen, daß der Strom nirgends zu sehr ins Stocken geräth29. Stets auf Neues sinnend, verbindet er dann wohl diese Form mit jener, so z.B. in einer Bearbeitung von »Nun lob mein Seel den Herren«, wo zuerst der Choral, in der Oberstimme liegend, fortlaufend contrapunctirt, dann zeilenweis durchgenommen, und endlich ins Pedal gelegt und dort ohne Unterbrechung gegen reich bewegte Oberstimmen fortgeführt wird. Dieselbe Anlage hat einmal der Choral »Wie schön leucht't uns der Morgenstern«30, nur daß die Melodie, welche anfänglich im Pedale liegt, bei Wiederholung des Aufgesanges in die Oberstimme kommt und zwischen den kurzen Zeilen des Abgesanges zweimal aufwirbelnde Triolenketten in die Höhe fliegen. Die absteigende Tonleiter der letzten Zeile wird dann im Sechsachteltakt – Taktwechsel fehlen in seinen großen Orgelchorälen selten – gründlich durchgearbeitet, darauf im Zwölfachteltakt der ganze Choral noch einmal durchgenommen, indem meistens aus den Zeilen belebte Fugenthemen gebildet und in ihren Durchführungen ununterbrochen an einander gehängt werden. Eigentlich sogenannte Choralfugen scheint er wenig gemacht, sondern es dann vorgezogen zu haben, sich sein Thema frei zu erfinden31. Aber einen besondern Typus hat er noch in den kürzeren zweiclavierigen Chorälen herausgebildet, die nicht, gleich den oben beschriebenen, auf breite Durchführungen [287] ausgingen, sondern auf einmaligen Vortrag der Melodie. Auf dem einen der verschiedenartig registrirten Manuale wird die Melodie gespielt und zwar colorirt, d.h. mit Verzierungen und Umspielungen ausgestattet, aber nicht, wie bei Böhm, motivisch ausgedehnt. Dazu contrapunctiren das zweite Manual und das Pedal in ganz freier Weise, ohne sich an irgend ein festes Durchführungsmotiv zu binden, und fügen zwischen den Zeilen kurze Zwischenspiele ein, die nach Belieben bald aus freien Imitationen bestehen, bald den Stoff aus dem Anfang der folgenden Zeile nehmen, wobei besonders das Pedal thätig vorzugehen pflegt. Zwischensätze aus Motiven der folgenden Choralzeilen sind auch ein Merkmal des Pachelbelschen Chorals, trotzdem haben beide Formen nichts mit einander zu thun, sind sich vielmehr entgegengesetzt. Von der idealen einheitlichen Anschauung, welche Pachelbel leitete, ist hier keine Rede, und von einer gleichmäßigen Durchbildung des Ganzen keine Spur. Buxtehude geht nur dar auf aus, jede einzelne Zeile für sich anmuthvoll auszuzieren, geistreich zu harmonisiren und durch erfinderische Kreuzung der beiden Manuale, zuweilen auch durch Anwendung von Doppelpedal besonders zu färben. Derselbe Künstler, welcher so groß war im organischen Gestalten reiner Musikstücke, büßte diese Eigenschaft ganz ein, sowie er sich auf den Boden des poetisirenden Orgelchorals begab. Denn wenn man die Melodie, welche er in dieser Weise behandelt, nicht kennt, ist es bei mehr als vierzeiligen Chorälen oft ganz unmöglich, auch nur irgend einen Plan zu entdecken. Nur auf das Einzelne richtete Buxtehude hier sein Augenmerk; einen Mittelweg zu finden und auch die Gesammtgestalt des Chorals aus all den Blumengewinden, mit denen er jeden einzelnen Theil desselben schmückte, hervortreten zu lassen, war ihm nicht gegeben. Man muß ja beim Orgelchoral ein Stück der innern Einheit vom Hörer stets ergänzen lassen, aber es giebt doch auch musikalische Mittel, dieselbe fühlbar zu machen. Darum ist es klar, daß er eine Reflectirung des vollen Choralorganismus im subjectiven Empfinden garnicht anstrebte, und nur eine äußere Einheit sich zu Nutze machte, um seiner Erfindungskraft im Einzelnen die Zügel schießen zu lassen. Es ist im Grunde dasselbe, wie bei seinen großen Arbeiten, nur daß dort aus jeder Zeile doch selbständige große Tonbilder geschaffen werden, die sich[288] als solche auch leichter musikalisch unter einander verknüpfen, hier aber die musikalischen Beziehungen der Melodiezeilen zu einander unterbrochen werden, ohne daß etwas anderes, als geistreiches Spiel dafür Ersatz böte. Wie sehr in der That das Grundprincip hier wie dort dasselbe ist, erkennt man am leichtesten, wo einmal etwas ausgeführtere motivische Zwischensätze eintreten; dann entstehen wie von selbst kleine fugirte Durchführungen der einzelnen Zeilen, bei denen die endlich auftretende Oberstimme, welcher immer der Vortrag der Choralmelodie zugetheilt ist, nur als die letzte unter ihres gleichen erscheint, nicht aber als das Resultat der Entwicklung, welches groß und alles beherrschend herausträte32. Vermag man, hiervon absehend, sich auf den Standpunkt des Componisten zu versetzen, so gewähren auch diese Arbeiten manch feinen künstlerischen Genuß. Selbst in Mitteldeutschland wurde dies von Sachverständigen, wie Adlung und Walther, später anerkannt; Adlung trifft ihr Wesen ganz richtig, wenn er sagt: »Buxtehude hat die Choräle sehr schön ausgeführt«33. Walther hat seinen Beifall dadurch zu erkennen gegeben, daß er mehr als dreißig derselben abschrieb. Sein Interesse für Buxtehude hat aber zum Theil wohl auch einen persönlichen Grund in dem Verkehr, welchen er als junger Künstler mit dessen Freunde Andreas Werkmeister unterhielt. Dieser theilte ihm auch »manches schöne Clavier-Stück von des kunstreichen Buxtehudes Arbeit« mit34, um die wir ihn sehr beneiden und beklagen, daß er uns keines davon hinterlassen hat; man müßte denn die Suite über den Choral »Auf meinen lieben Gott« dahin rechnen, welche schon früher einmal erwähnt wurde, die aber unsere Wünsche nur noch mehr erregt. –

Wenden wir uns nunmehr zu Buxtehudes Vocalcompositionen, so ist jenen schon genannten fünf Hochzeitsarien nur flüchtige Betrachtung zu schenken35. Es sind Strophenlieder mit Ritornellen nach Weise der Zeit, zum Accompagnement dient nur [289] das Cembalo, ausgenommen die früheste Arie, wo mit der Singstimme und dem Spinett-Bass zwei Viole da gamba einen vierstimmigen Satz bilden. Der dritten und vierten liegen italiänische Texte zu Grunde, und man sieht, wie der fremdländische Kunstgesang damals auch diese Formen zu beeinflussen anfing. Die Melodien sind sehr lieblich, zu den italiänischen Worten besonders geschmeidig; es läßt sich wohl ein Fortschritt in den fünf Stücken bemerken, von denen das zweite am reinsten die alte deutsche Arie repräsentirt, das letzte die 68 Jahre seines Schöpfers verräth. Auch den Ritornellen merkt man etwas an, zu den ersten beiden Arien sind es nur fugirte, fünfstimmige Sätze (am Schluß des zweiten macht sich ein decrescendo vom forte durchs piano zum pianissimo sehr gut), bei den andern sind sie kurz und dreistimmig und Nr. 3 und 4 hängen sich, wie es später beliebt war, ein Tanzstückchen, nämlich einen Menuett und eine Gigue an.

Besondere Aufmerksamkeit aber verdienen seine concertirenden kirchlichen Musikwerke, schon weil wir wissen, wie in der Leitung der lübeckischen Abendmusiken eine hauptsächliche Kunstaufgabe für ihn lag, und diese nicht zum geringsten Theile ihm zur Berühmtheit verhalfen. Die gedruckten Originalien sind vorläufig verloren gegangen, aber einigen Ersatz bietet ein kostbarer handschriftlicher Foliant, der unter des Meisters wenigstens theilweiser Aufsicht geschrieben worden ist, auch größere und geringere Spuren einer eigenhändigen Revision zeigt und jedenfalls einige Abendmusiken, vielleicht gar einige der gedruckten enthält36. Es war bis jetzt noch keine Gelegenheit, auf den Stand der damaligen Kirchenmusik näher einzugehen: Joh. Christoph Bachs großes Chorwerk »Es erhob sich ein Streit« wies nach einer andern Richtung hin, und Michael Bachs »Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ« erschien als halb in der Motette stecken geblieben. Was bei Sebastian Bachs erstem Versuche andeutungsweise gesagt war, kann hier um so besser ausgeführt werden, als Buxtehudes Kirchencompositionen nicht nur an sich interessant, sondern auch vortreffliche Vertreter ihrer Gattung sind. Bachs Werk wird dadurch nachträglich den gebührenden Hintergrund erhalten. Die Form der durch Instrumente begleiteten [290] Kirchenmusik, oder, wie wir dafür von jetzt an sagen wollen, der älteren Kirchencantate, welche zwischen den Jahren 1670 und 1700 die herrschende war, beruhte auf einer Zusammenfassung vorher im einzelnen cultivirter Formen kirchlicher Tonkunst. Wie man die Texte dazu einzurichten pflegte, ist schon früher angegeben; die gebräuchlichsten musikalischen Formen waren: die ein- und mehrstimmige Arie, das Arioso (d.h. das ältere Recitativ, wie es von Schütz eingeführt und dann ziemlich unverändert beibehalten war), der mehrstimmige concertirende Chorgesang; dazu kamen als schüchterne Versuche einige der Orgelkunst entlehnte Gestaltungen. Man reihte sie in Abwechslung an einander, und schickte nach Belieben ein einleitendes Instrumentalstück voran. Viel polyphoner Aufwand wurde nicht gemacht; diese Kunst war mit dem Absterben der alten Richtung und Anschauung in Deutschland ziemlich verloren gegangen und mußte erst durch neue Zugänge wieder gewonnen werden. Die weiche, jugendliche Melodik der Zeit in vorwiegend homophoner Behandlung, die Formen von geringer Ausdehnung, und, wo die Abschnitte sich länger hinziehen, die häufigen Taktwechsel, endlich das formlose und stückweise sich weiter schiebende Arioso geben der ältern Cantate einen empfindsamen, persönlichen Charakter, und an sie, nicht an die Bachsche Cantate muß sich wenden, wer das Gegenstück zum Pietismus in der damaligen Musik aufsuchen will.

Die erste Cantate der Buxtehudeschen Sammlung ist auf folgende Textzusammenstellung gegründet:

(Col. 3, 17) »Alles, was ihr thut, mit Worten oder mit Werken, das thut alles im Namen Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihn.«


»Dir, dir, Höchster, dir alleine,

Alles, Allerhöchster dir,

Sinne, Kräfte und Begier

Ich nur aufzuopfern meine.

Alles sei, nach aller Pflicht,

Nur zu deinem Preis gericht't.


Helft mir spielen, jauchzen, singen,

Hebt die Herzen himmelan,

Jubele, was jubeln kann,

Laßt all Instrumente klingen.

Alles sei u.s.w.


[291] Vater, hilf um Jesu willen,

Laß dies Loben löblich sein

Und zum Himmel dringen ein,

Unser Wünschen zu erfüllen,

Daß dein Herz nach Vaterspflicht

Sei zu unserm Heil gericht't.«


(Ps. 37, 4) »Habe deine Lust am Herrn, der wird dir geben, was dein Herz wünscht«. Darauf folgen die beiden letzten Strophen des Kirchenlieds »Aus meines Herzens Grunde«, und zum Schluß wird der Bibelspruch des Anfangs wiederholt.

Eine Bestimmung für irgend einen Sonn- oder Festtag ist bei keiner der Cantaten gegeben, die vorliegende scheint gar nicht auf einen solchen, sondern für eine gelegentliche Festlichkeit, etwa eine Trauung gemacht zu sein. Die Instrumentalbegleitung besteht aus zwei Violinen, zwei Violen, Bass und Orgel, denn fünfstimmiger Satz war gebräuchlicher, als vierstimmiger, und wo der Chor vierstimmig war, machte die erste Geige eine darüber liegende fünfte Stimme hinzu. Die Cantate steht in G dur und wird durch eine Sonata eingeleitet, welche aus neun langsamen Viervierteltakten mit sehr schönen, weichen und eigenthümlichen Harmonien und einem imitatorisch fortarbeitenden Presto im Dreivierteltakt besteht. Sonata und Sinfonia als eröffnende Instrumentalstücke bedeuteten anfänglich dasselbe. Später trat die erstere Benennung mehr zurück, da man sie auf andre Instrumentalstücke anzuwenden anfing. Man behielt sie jedoch zuweilen bei, wenn das Vorspiel den harmonisch-massigen Charakter tragen sollte, der Gabrielis Sonaten ursprünglich kennzeichnete, während wie im Allgemeinen, so besonders dort, wo den Fortschritten der Zeit gemäß mehr polyphone Belebtheit eintrat, der Name Sinfonia herrschend wurde. Vielleicht wirkte die Grundbedeutung der Wörter dabei mit, indem beiSonata das Hauptgewicht auf die Klangeinheit, beiSinfonia auf die Stimmen gelegt wird, die durch Zusammenwirken die Harmonie erzeugen. Wenn auch jene zweitheilige Form des kirchlichen Vorspiels, welche eine Einwirkung der französischen Ouverture verräth, oftmals Sonate genannt wird, so erklärt sich dies wohl am leichtesten so, daß man die Benennung vom Anfange hernahm, der ja breit und klangreich auftreten mußte. Aber selbst der zweite Theil wahrt sich häufig diese Haltung, so daß nur die Oberstimmen ein nachahmendes Spiel mit einander treiben und die andern [292] harmonisch ausfüllen. So war die Einleitungs-Sonate zu Johann Christoph Bachs »Es erhob sich ein Streit«, so ist auch die vorliegende von Buxtehude beschaffen. Daß Seb. Bach in der Ostercantate von 1704 ebenfalls eine Sonata anbrachte, wird man in Erinnerung haben. Der erste Bibelspruch wird nun vom vierstimmigen Chore ausgeführt, fast durchweg homophon und anfangs gar immer Silbe gegen Note, später treten einige Figurationen und unschuldige Imitationen auf. Die etwas wohlfeile Art, den melodischen Faden durch Wiederholung derselben Tonphrase auf einer höhern, zuweilen auch tiefern Stufe fortzuspinnen, ist leider dem Vocalcomponisten Buxtehude eigen. Ueberhaupt kann man sich hier wieder über zeugen, in wie hohem Grade das Tonmaterial für die Gestaltung maßgebend ist: derselbe Meister, den wir in den Orgelfugen zuweilen die verschlungensten contrapunctischen Pfade wandeln sahen, wagt sich hier nicht über die einfachsten Combinationen hinaus. Wenn man diese schüchternen Formen betrachtet, wird es klar, was ein Genius wie Bach grade auf diesem Gebiete noch zu thun finden mußte, und warum der größte Orgelspieler der Welt seine compositorische Thätigkeit doch noch mehr der Vocalmusik zuwenden konnte. Das dreistrophige Lied wird zu einer vierstimmigen Arie mit Ritornellen zweier Violinen nebst Bass verwendet; die Melodie ist sehr liebenswürdig, aber tändelnd und ohne Tiefe, wie das Gedicht. Dann kommt ein Arioso des Basses in E moll über die Bibelworte: »Habe deine Lust am Herrn«, wobei gleich zu bemerken ist, daß Sprüche der heiligen Schrift, wenn sie einer Solostimme zugetheilt waren, so behandelt werden mußten, da es noch keine andre Form dafür gab. Wenn also Bach in seiner Ostercantate gleichermaßen verfuhr, so ist das nichts besonderes; aber in dem stufenweisen Wiederholen eines melodischen Gedankens, wie es z.B. im Tenor-Arioso »Entsetzet euch nicht« vorkommt und in den Terzen-Parallelen zwischen Singbass und Continuo, welche sich im ersten Satze und sonst finden, und die einer mehrstimmigen Harmonie so hinderlich sind, wird man eine Anlehnung erkennen dürfen. Zu beiden bietet Buxtehudes Arioso Analogien, das im übrigen von wirklich trostreichem Ausdrucke ist und durch sein schlichtes Auftreten – nur die Orgel begleitet – die Folie für einen Talentblitz von intensivem Glanze wird. Denn nachdem es auf dem e abgeschlossen hat, setzt [293] der Geigenchor ganz in der Höhe ein und senkt sich langsam und breit in berauschenden Harmonien herab, wie himmlischer Thau auf die dürstende Erde, und kommt endlich in G dur unten an, worauf sofort der hoffnungerfüllte Choral anhebt: »Gott will ich lassen rathen, der alle Ding vermag«:


3.

(Die Orgel denke man sich leise mitgehend, und namentlich den Bass durch ein sechzehnfüßiges Register vertieft.) Eine Strophe wird vom Sopran allein vorgetragen, die zweite vierstimmig in sehr eigenthümlicher weicher Harmonisirung; lange Zeit begleitet nur die Orgel, und die Instrumente fallen mit Zwischenspielen zwischen den Zeilen ein, bis sie zuletzt ganz mitgehen, den Satz klanglich wie harmonisch bereichernd; im drittletzten Takte schwingt sich die erste Geige ekstatisch aufwärts und senkt sich wieder. Zum Schluß wird der erste Chor wiederholt, doch geht ihm ein langsames Vorspiel schwärmerischen Ausdrucks voran, mit dessen Anfang:


3.

[294] man Takt 4 bis 6 des Eingangs der Bachschen Ostercantate vergleichen wolle; auch zu den vereinzelten Accorden und stockenden Harmonien desselben findet man hier, wie an andern Stellen das Vorbild. Es giebt noch eine kirchliche Sinfonia Bachs, welche ganz in Buxtehudes Stil gehalten ist: sie leitet die gewaltige Choralcantate »Christ lag in Todesbanden« ein37, zu der sie aber schwerlich componirt ist, sondern wohl aus einem unbekannten Jugendwerke herübergenommen. Der Schlußchor gestaltet sich dieses Mal etwas reicher und entfaltet bei durchaus freundlichem Charakter eine angenehm beschäftigende Polyphonie.

Die zweite Cantate ist sicherlich eine Abendmusik zum zweiten Adventssonntage. Sie handelt von der Wiederkunft Christi zum Gericht und hat einen großartigen und mystischen Zug. Die aufgewendeten Mittel sind bedeutend und bestehen aus fünfstimmigem Chor, drei Violinen, zwei Bratschen, drei Zinken, drei Posaunen, zwei Trompeten, Fagott, Contrabass und Orgel. Mit diesem Tonkörper hat Buxtehude eine seiner Massen-Aufführungen hergestellt. Eine Symphonie (D dur) beginnt, deren Thema vom Trompetengeschmetter hergenommen ist: Geigen und Trompeten stehen sich chorisch gegenüber, aber die letzteren blasen mit Dämpfern, ein Klangeffect, der die geheimnißvolle Stimmung erhöhen soll38. Darauf stimmt, wohlüberlegt nur vom Saitenquartett und der Orgel mit Fagott begleitet, der Sopran in derselben Tonart das Kirchenlied an: »Ihr lieben Christen, freut euch nun, Bald wird erscheinen Gottes Sohn«, aber zu der Melodie »Nun laßt uns den Leib begraben« – ein tiefsinniger, durch die Pforten des Todes führender Gedanke, der ähnliche bedeutungsreiche Wahlen Bachs vorandeutet. Dieser [295] Choral ist nun eine genaue Uebertragung des Buxtehudeschen zweiclavierigen kleinen Orgelchorals auf Sopran und Streichinstrumente, und in der Anwendung des durch die Orgel Gewonnenen auf die Vocalmusik begründet sich der größte Theil seiner Bedeutung. Denn hier tritt das Princip zu Tage, was der protestantischen deutschen Kirchenmusik neue Gestalt und neuen Inhalt verleihen sollte. An Stelle des ersten Manuals, welches die Melodie vorträgt, ist die Singstimme gesetzt, an die Stelle des zweiten Manuals und des Pedals die Vereinigung der Instrumente. Was jene Orgelchoräle lobenswerthes haben, tritt auch hier vortheilhaft hervor: schöne Klangwirkung, indem der Sopran hoch und leuchtend über den unsichern Verschlingungen der Instrumente, wie die Morgensonne über dem Wiesennebel dahinwandelt, geistvolle reiche Harmonisirung. Auch hebt sich natürlich mittelst des Gesanges und der Worte die Choralmelodie viel entschiedener als die Hauptsache heraus, als es auf der Orgel geschah, wo ihr zudem die bedeutungsvolle Einfachheit durch Colorirung verkümmert wurde, und jene zuweilen auftauchenden canonischen Bewegungen des Basses, welche dort nur verwirrten, erscheinen hier als reizende Nebensache. Aber die Planlosigkeit der Contrapunctirung und das Mißverhältniß, in dem die Sorge für die Erscheinung des Zusammenklangs zum Interesse für das Leben der Einzelstimme steht, sind auch hier dieselben geblieben. Anfänglich spielt noch der Rhythmus des Themas der Symphonie geistreich in die Bewegung der Instrumente hinüber, wird aber schnell blässer und schattenhafter und verschwindet bald ganz, um unsicherer Willkür Platz zu machen. Für das Auge macht eine solche Contrapunctirung sofort den Eindruck des Unordentlichen, gesungen und gespielt klingt freilich alles gut und besticht, aber es fehlt die tiefe Begründung des Wohlgefallens. Pachelbel, der auch seinen Orgelchoral auf die Vocalmusik zu verpflanzen den Versuch machte, mußte natürlich seiner Richtung gemäß Idealeres und Tieferes produciren, die fünfte Strophe der Cantate über »Was Gott thut, das ist wohlgethan« kann meisterhaft genannt werden. Im wohlabgemessenen Contraste zu dem eben beschriebenen Tonbilde steht der folgende Chor, der im höchsten Glanze aller Mittel mit dem erschütternden Weckrufe hineinfährt: »Siehe! der Herr kommt mit viel tausend Heiligen, Gericht zu halten über Alle.« Er legt sich in majestätischen [296] Dreiklängen aus und geht dann in ein Fugato über, was mehr durch die plastische Art, wie es gedacht ist, und durch die Klangmischungen, als durch polyphone Kunst bedeutend ist. Dieses Thema nämlich:


3.

wird in unablässiger Abwechslung von den Singstimmen, den Geigen, den Trompeten, erst einstimmig, bald auch zwei- und dreistimmig zu Gehör gebracht, und dabei immer nur von der Tonika auf die Dominante und wieder zurück gegangen. Der Phantasie drängt sich ein Bild auf, als zögen die »vieltausend Heiligen« hinter Christus her aus allen Himmelsräumen heran, immer neue und neue, weithin schon über den Häuptern der voranziehenden sichtbar und eine Schaar leuchtender als die andre. Eine große Wirkung wird auch dadurch erzielt, wenn der Chor die Worte »Gericht zu halten« nur mit Orgel und abwechselnder Betheiligung der Stimmen singt und darnach die ganze Tonmasse mit aller Wucht hineinschlägt. Hier sind wieder einmal Händelsche Züge vorgebildet. Eine schmetternde Instrumental-Symphonie von elf Takten schließt sich an, dann ertönt ein mysteriöses Bass-Arioso: »Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir«, nur von der Orgel und zwei gedämpften Trompeten begleitet, welche mitten in den Schlußgängen aufhören, so daß das Tonbild zerrinnt, wie eine Vision. Bis jetzt war die Grundtonart nicht verlassen, das folgende Stück für Alt, Tenor, Bass, drei Geigen, zwei Bratschen und Continuo steht in A dur, ist aber das schwächste der Cantate. Es zeigt, wie wenig man noch fähig war, große Formen mit entsprechendem Inhalte zu füllen. Zeile für Zeile des zu Grunde liegenden Gesangverses wird mit kleinen Imitationen heruntergesungen, dann tritt jedes Mal ein Instrumental-Ri tornell ein, dem aber seine Sechsstimmigkeit sehr unbequem vorkommt. Das Beste daran ist, daß es wieder einen merkwürdigen Klangcontrast herstellen hilft: auf die Verbindung der dunklen Vocalstimmen mit dem schwebenden Geigenchore folgt der feierliche Klang gedämpfter Posaunen, über denen zwei goldhelle Soprane ein fugirtes »Amen« ausführen. Wie Buxtehude [297] stets abzurunden versteht, so kehrt er zum Schluß in den Choral des Anfangs zurück:


Ei, lieber Herr, eil zum Gericht,

Laß sehn dein herrlich Angesicht,

Das Wesen der Dreifaltigkeit!

Das hilf uns, Gott, in Ewigkeit!


Er schreitet im Dreizweiteltakt und im vollen Glanze einher, hoch über dem Chor führt die erste Violine eine sechste Stimme aus, und zwischen jedem Melodieabschnitte fallen die Trompeten fanfarenartig hinein. An den Choral hängt sich ein bewegter Amensatz, der im leichten imitirenden Wechselspiel zwischen Chor und Instrumenten zu Ende geht. Der Leser wird hier das genaue Vorbild des Schlußchorals der Bachschen Ostercantate erkennen.

Die dritte, auch auf Massenwirkung berechnete Cantate ist nur auf drei Verse des Buches Sirach, Cap. 50, v. 24–26 gestellt. Sologesang fehlt darin, und die Chorbilder zeigen wieder die ganze damalige Hülflosigkeit solchen Aufgaben gegenüber. Man wagte die musikalischen Geister noch nicht zu entfesseln, daß sie sich brausend in ein weites Bette ergössen, obgleich sie in Buxtehudes Orgelwerken schon ungeduldig an den Thoren ihres Verließes rüttelten. Statt dessen treten kleine Motive auf, die sich einzeln nie zu widersprechen oder in die Rede zu fallen wagen, aber großen Muth zeigen, wenn alles zusammen geht, und nach jeder kleinen Anstrengung sich durch ein Ritornell erholen müssen. In der Mitte steht ein fünfstimmiges Arioso mit Orgel: »der uns vom Mutterleibe an lebendig erhält und thut uns alles guts«, der Typus des dreistimmigen in Bachs Cantate. Im dritten Theile wird der Takt sehr viel gewechselt, es folgen einander 3/2, 3., 3/4, 3., 3/4, 3/2, 3/4) worauf Anfangs-Ritornell und -Chor wiederholt werden. Diese Unruhe hat etwas sehr subjectives, sie erinnert an Christian Flors »musikalisches Seelenparadies«39, und, wäre nicht Buxtehude der Componist, so möchte man sie dilettantisch nennen.

Wie der dritten Cantate nur ein Bibelspruch, so liegen der fünften und sechsten nur geistliche Lieder zu Grunde. Jene schildert die jenseitige Wonne der Seligen im Ton des Hohenliedes und in der [298] poetisch angeregten aber weichsinnlichen Sprache und Bewegung pietistischer Gesänge; so lautet die fünfte Strophe:


Die Rosen neigen

Sich von den Zweigen

Ins güldne Haar

Der Auserwählten

Und Gottvermählten;

Seht, nehmet wahr!

Sie kommt die Schöne,

Daß man sie kröne,

Ihr Heiland ist,

Den sie zum Lohne,

Zum Lohn, zur Krone

Hat auserkiest.


Der Tonsetzer hat alle neun Strophen durchcomponirt, aber nur für die erste und letzte, wo sehr große Tonmassen bei geringer Polyphonie aufgeboten werden, in den kleinen Rhythmen des Gedichts mit einiger Freiheit geschaltet. Ein tieferer Ton wird nirgends angeschlagen, heitere Melodien, leichtfüßige Rhythmen und sinnlich bestrickende Klänge sind das Ganze. Zu den Instrumenten, nämlich drei Violinen, zwei Violen, drei Zinken, drei Trompeten, drei Posaunen, Bass und Orgel, tritt – ein wohl einziger Fall – das Hackbrett (Cymbalo); der Chor ist sechsstimmig. Man sieht, wie die Anlage des Orchesters noch auf chorische Wechselwirkungen abgesehen ist. Nach dem ersten Abschnitte werden die folgenden Strophen von je einer, oder je drei Stimmen in wechselnder Besetzung vorgetragen, arienhaft und mit munteren Ritornellen; glücklicherweise wird nicht immer dieselbe Melodie festgehalten, denn der unentrinnbare Rhythmus des halbaufgelösten Dreivierteltakts wirkt schon ermüdend genug. Viel würdiger und ernster ist die sechste Cantate: »Bedenke, Mensch, das Ende, bedenke deinen Tod«, die Construction ist aber auch hier sehr einfach. Fünf Strophen des Gedichts sind der gleichen Musik angepaßt, nur die letzte tritt reicher auf und wird durch einen Amensatz ausgeschmückt. Voran geht eine Sonate, die im kleinen ganz die Form der französischen Ouverture hat. Dann tragen drei Singstimmen homophon die Strophen vor, und ein Ritornell der Geigen schließt jedesmal ab. Das »Amen« besteht aus kleinen fugirten Sätzchen, die von den Instrumenten aufgefangen werden; eine Combination mit ihnen wagt nur hie und da die erste Violine.

[299] Die vierte Cantate stimmt in der Mischung von Bibelwort, Kirchenlied und freier Dichtung mit der zweiten und ersten überein, unterscheidet sich aber musikalisch so, daß sie keinen freien Chor, dafür zwei verschiedene Choräle einführt. Nach einer kurzen, aber in Schmerz schwelgenden Symphonie in G moll ertönt unter ganz gleicher Behandlung wie in der zweiten Cantate die Choral-Strophe:


Wo soll ich fliehen hin,

Weil ich beschweret bin

Mit viel und großen Sünden,

Wo soll ich Rettung finden?

Wenn alle Welt herkäme,

Mein Angst sie nicht wegnähme.


Was oben unterlassen war, nämlich Auszierungen mit der Melodie vorzunehmen, ist hier in einer der Singstimme angemessenen Weise geschehen. Trotzdem hat der allein vortragende Sopran nicht, wie dort, nur musikalische, er hat auch dramatisirende Bedeutung, und die kleinen Abweichungen in der Melodie sollen das geängstete Herz nur noch deutlicher vor die Seele führen. Denn auf die Frage antwortet ein Bass-Arioso: »Kommt her zu mir, alle die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken« u.s.w. Es ist also eine Wechselrede, als deren Personen wir die schon längst in der protestantischen Kirchenmusik bekannte allegorische Figur der »gläubigen Seele« und Christus anzusehen haben. Der Titel der Cantate ist auch ausdrücklich Dialogus. Hammerschmidt, der in so vieler Hinsicht der kirchlichen Tonkunst neue Bahnen eröffnete, gab schon 1645 »Dialogi oder Gespräche zwischen Gott und einer gläubigen Seele« heraus und verfolgte diese Bahn in seinem »Vierten Theil musikalischer Andachten« und den »Musikalischen Gesprächen über die Evangelia« auch dahin, daß er Kirchenlied und Bibelwort einander gegenüberstellte. Darin aber liegt das Charakteristische für die Componisten am Ausgange des 17. Jahrhunderts, daß sie den Choral von nur einer Stimme mit Begleitung vortragen lassen und ihn hierdurch, wie durch leidenschaftathmende Umbildungen der Melodie und ungewöhnliche Harmonien zum Mittel des subjectivsten Empfindungsausdrucks machen konnten, ohne ihn doch so streng polyphon auszugestalten, daß dadurch dem Subjectivismus das Gleichgewicht gehalten wäre. Sie eigentlich sind es, in denen, wie schon einmal gesagt, das [300] musikalische Gegenbild der geistlichen pietistischen Dichtung zu erkennen ist. Freilich nicht so, daß durch diese ihre Compositionsart angeregt und bestimmt sei. Der directe Einfluß des Pietismus auf die kirchliche Musik und ihre Entwicklung ist ein ganz unbedeutender gewesen, schon deshalb, weil er eigentlich den Reichthum der Kunst von sich ausschloß. Beide Richtungen entstanden neben einander her, wenngleich aus derselben Gemüthsquelle, und die Musik gelangte thatsächlich um mehre Jahrzehnte früher in die Entwicklungsphase der Empfindsamkeit und jugendlichen Schwärmerei, die sich jedesmal bei dem Neuaufblühen des Lebens einer Nation einstellt und die in der Musik am frühesten sich zeigen mußte, da sie, der Anlage des deutschen Volkes zufolge, die erste Geistesthätigkeit war, in der nach dem Unglück des großen Krieges das neue Leben kräftige Knospen ansetzte. Die Anfänge pietistischer Dichtung greifen allerdings noch in jene musikalische Periode hinein, und Buxtehude konnte ihr seine Töne noch einige Male gesellen, aber als sie recht in Blüthe stand, hatte die Kirchenmusik jenes Stadium lange überwunden und sich theils der religiösen Ideale in ihrer Erhabenheit wieder bemächtigt, theils sich nach einer Richtung hingewendet, die garnichts mehr mit ihnen zu thun hatte. Das Bass-Arioso, welches der »gläubigen Seele« antwortet, und dem es an Wärme und Herzlichkeit nicht fehlt, ist sehr ausgedehnt und zerfällt in zwei Theile. Der erste schließt auf der Dominante von G moll, der zweite setzt darauf in B dur ein (»So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele«) und leitet nur in den letzten Takten zur Haupttonart zurück. Von einer formellen Abrundung ist nicht die Rede, aber es stecken Elemente darin, die für die spätere, nach italiänischem Muster gebildete geistliche Arie, wie sie Bach ausbildete, von wesentlicher, wenn auch mehr innerlicher Bedeutung wurden. Einiges äußerliche ist auch vorhanden, da zuweilen die begleitenden Geigen kleine polyphone Combinationen mit der Bassstimme eingehen. Die richtige Behandlung derselben ist aber ein noch fast unentdecktes Land: sie geht meistens mit dem Instrumentalbass zusammen. Ueber Händel, der zur Zeit, wo er nach Hamburg kam, auch noch ganz in der Manier der ältern Cantate steckte, urtheilte später Mattheson: »Er setzte zu der Zeit sehr lange, lange Arien, und schier unendliche Cantaten, die doch nicht das rechte Geschicke oder den rechten Geschmack,[301] obwohl eine vollkommene Harmonie hatten; wurde aber bald, durch die hohe Schule der Oper, ganz anders zugestutzet«40. Einiger Einfluß der dramatischen Musik war der Kirchencantate allerdings nothwendig. – Die gläubige Seele folgt nun der trostverheißenden Aufforderung mit der zweiten Strophe des Chorals:


O Jesu voller Gnad,

Auf dein Gebot und Rath

Kommt mein betrübt Gemüthe

Zu deiner großen Güte.

Laß du auf mein Gewissen

Ein Gnadentröpflein fließen.


Und in erneutem, kräftigerem Zuspruche hebt der Bass in Es dur ein zweites Arioso an: »So wahr ich lebe, ich will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. Bittet, so werdet ihr nehmen, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgethan.« Nun folgt einer jener schönen langsamen Instrumentalsätze, deren wir schon mehre kennen lernten, und dann für Tenor eine Arie, d.h. ein vierstrophiges Lied mit Ritornell, was an den Schluß des vorhergehenden Bibelspruches anknüpft und Betrachtungen über die dort gegebenen Verheißungen anstellt. So geschah es auch in der ersten und zweiten Cantate, nur vier- und dreistimmig; es ist dies ein neuer Fingerzeig auf die spätere Kirchencantate und besonders die Bachschen Passionen hin, worin ja die Arie eben diese poetische Bedeutung hat. Den Schluß bilden die sechste und achte Strophe des Chorals »Herr Jesu Christ, du höchstes Gut«, die den Vorsatz äußern, sich dem Heiland gnadeflehend zu nähern, und um einen seligen Tod bitten. Die sechste Strophe singt wieder der Sopran allein mit vierstimmiger Begleitung von Geigen und Orgel, die letzte aber der Chor mit ausdrucksvoller melodischer Auszierung, eindringlicher, vernehmlich auf Bach deutender Harmonisirung und einzelnen periodischen Erweiterungen. In die Zeilenabschnitte fügen sich Zwischenspiele, unter denen ein zweimal wiederkehrendes auch noch für Buxtehudes Stil überraschend und unerhört erscheint:


3.

[302] Der Amensatz ist kunstreicher als gewöhnlich, mit hübschen canonischen Führungen und reicherer selbständiger Betheiligung der Instrumente ausgestattet, so daß man wohl schließen darf, dem Componisten habe dieser Dialogus besonders am Herzen gelegen. Das zarte, tiefempfindende Gemüth, was sich darin ausspricht, verleiht ihm in der That eine hervorragende Bedeutung unter Buxtehudes Cantaten, obgleich die Stimmung zu wenig wechselt und es an belebenden Gegensätzen fehlt.

Die siebente Cantate ist über Martin Schallings schönen dreistrophigen Gesang gebaut: »Herzlich lieb hab ich dich, o Herr«, muß also im engsten Wortverstand eine Choralcantate heißen. Mit Anwendung dieser Form steht Buxtehude in seiner Zeit durchaus nicht allein, die Leipziger Cantoren Knüpfer und Schelle haben sie fleißig angebaut, und eine gleiche Arbeit Pachelbels erwähnten wir schon. Aber im Einzelnen und in der darin sich äußernden Stimmung ist es doch eine ganz eigenthümliche Composition. Die erste Strophe ist wieder dem Vortrage des Soprans anvertraut und wird von einer selbständigen fünfstimmigen Begleitung getragen und zum Theil überbaut. Thematisch ist diese auch hier nicht, daher unruhig und nicht grade tief; es hat aber, wie gesagt, die Uebertragung des Chorals auf die Menschenstimme die vortheilhafte Folge, daß dieser nun entschieden als Hauptsache sich geltend macht und dem Tonsatze Einheit giebt. Der sinnliche Eindruck ist bestrickend, besonders wenn die beiden Geigen sich hoch hinaufschwingen und die Melodie von allen Seiten ein Klangmeer umfluthet, der poetische Ausdruck ein ganz persönlicher durch die schwärmerische, ans Weichliche streifende Harmonik und durch das äußerliche Mittel der Tempoveränderung, so daß der Ausruf: »Herr Jesu Christ!« in der vorletzten Zeile einen beinahe sinnlichverlangenden Eindruck macht. Dagegen [303] haben die zerstreuten harmonischen Lagen Buxtehudes wieder etwas ätherisches, man meint oft in ein Gespinnst von Silberfäden zu sehen. Von der zweiten Strophe an beginnt die motettenartige Durcharbeitung der Melodie. Wir dürfen darin keine einfache Nachahmung von Buxtehudes ähnlich angelegten Orgelchorälen sehen, da vielmehr dieselben ihrerseits Nachahmung des Motettenstils waren. Aber einzelne dort ausgebildete Züge finden wir in Menge wieder, besonders die Verknüpfung des Choralthemas mit selbständigen Gegengedanken, und die ununterbrochen einander folgenden verschiedenartigen Combinationen der Themen. Masseneinsätze (Tuttis, könnte man sagen) wechseln mit den polyphonen Verarbeitungen ab und bringen es zu schönen breiten Wirkungen. Den Ausdruck mehr zu versinnlichen wird oft zum Taktwechsel und gar zu einer Art instrumentaler Tonmalerei gegriffen, die ins Gebiet des Oratoriums hineinreicht. Merkwürdig ist schon eine Stelle in der zweiten Strophe: »auf daß ichs trag geduldiglich«, wo durch acht gewichtig lastende, harmonisch kaum bewegte Accorde das Tragen des Kreuzes illustrirt wird. Tiefer empfunden sind zwei Momente der dritten Strophe, zuerst der Anfang:


Ach Herr, laß dein lieb Engelein

Am letzten End die Seele mein

In Abrahams Schooß tragen.


Schüchtern, aber inbrünstig beginnen zwei Singstimmen die Bitte, der ganze Instrumentalchor schweigt; da lassen im sechsten Takte die Geigen ein flüsterndes Beben, in wiederholten Achteln und bald Sechzehnteln hören; still und verlassen gehen die Stimmen weiter, wie in einsamer Sterbestunde, aber es umweht und umrauscht sie von allen Seiten, es klingt in Wahrheit wie Flügelschlag himmlischer Boten. Das Geigen-Tremolo, was jetzt längst die Bedeutung eines besondern Effects verloren hat, war damals etwas neues; es ist aber so geistvoll hier motivirt und ausgeführt, daß man sich auch heute noch eines mystischen Schauers bei der Stelle nicht erwehren kann. Weiterhin heißt es:


Den Leib in sein'm Schlafkämmerlein

Gar sanft ohn einig Qual und Pein

Ruhn bis zum jüngsten Tage.


Ueber der letzten Zeile erhebt sich folgendes Tonbild: der Singbass [304] vom tiefen Instrumentalbass gestützt, setzt auf dem Worte »ruhn« im Dreizweiteltakt das e ein und hält es aus, einen Takt später folgen ebenso zweiter Sopran und Alt mit 3., im folgenden Takt endlich faßt der Tenor die Quinte h dazu und läßt sie, als die übrigen verstummen, weitertönen wie in verhüllte Fernen hinaus. Dann wiederholt sich die allmählige Accordbildung, aber von oben herab mit Q, 3., ē, e, und indem die Stimmen je um einen Takt vor einander aufhören, verhallt der Accord träumerisch nach der Tiefe zu. Zu der ganzen Stelle aber wiegen sich in den schattigen Lagen der kleinen und eingestrichenen Octave mit Viertelnoten die Geigen schwach bewegt in geheimnißvollem Lispeln.

Eine andre Behandlung ist in der elften Cantate dem Kirchenliede Johannes Francks »Jesu, meine Freude« geworden. Sie ist nur für zwei Soprane, Bass, zwei Violinen, Fagott und Orgel gesetzt. Nach einer Sonate wird die erste Strophe von den drei Singstimmen mit zwei darübergebauten Geigen, also fünfstimmig vorgetragen; der Gang der Choralmelodie, die sehr feinsinnig und gewählt harmonisirt ist, wird vollständig beibehalten, und nur Zwischenspiele und ein Schlußritornell sind zugefügt. Die zweite Strophe erhält der erste Sopran allein, den nur die Orgel stüzt: er ergeht sich in Colorirung der Melodie, bewahrt aber, wie es Buxtehude auch in seinen kleinen Orgelchorälen zu thun pflegt, genau die Ausdehnung der Perioden. Dagegen übernimmt die dritte Strophe der Bass allein, unter Betheiligung der Instrumente. Das Streben nach möglichst individuellem Ausdruck sprengt die Umschließung der Perioden, und erweitert durch emphatische Declamation und ihr dienende motivische Fortsetzungen die einzelnen Melodiezeilen. Die Instrumente wiederholen zuweilen das von der Stimme Vorgetragene. Es ist kaum möglich, hier nicht auf das lebhafteste an Bach erinnert und überzeugt zu werden, daß er dieses Stück gekannt und es ihm bewußt oder unbewußt im Sinne gelegen haben muß, als er seine köstliche Motette »Jesu, meine Freude« schrieb. Ganz wie dort beginnt Buxtehude (auch Takt und Tonart stimmen überein) mit den kampfestrotzigen, abgebrochenen Ausrufen: »Trotz! trotz! trotz dem alten Drachen!«41 [305] ebenso rollen die Passagen zu den Worten »Tobe, Welt, und springe«, und das »Stehen und Singen in sichrer Ruh« wird, obschon mit andern Mitteln, doch auch malerisch genug dargestellt. Höchst charakteristisch sind die Zeilen ausgedrückt:


Erd und Abgrund muß verstummen,

Ob sie noch so brummen.


In den »Abgrund« tritt zweimal der Bass mit mächtigen Octaven hinunter (e-E und d-D), und das »Brummen« wollen wir durch ein Notenbeispiel veranschaulichen:


3.

Eine Art von grimmiger Freudigkeit, die Bach wie Luther zuweilen auszeichnet, lebt, wenngleich viel schwächer, auch in diesem Tonbilde. Sehen wir mehr auf die Gesammtanlage der Cantate, so bildet sie die Vorläuferin jener gewaltigen Bachschen Werke, in denen er Kirchenlieder, wie »Christ lag in Todesbanden« mit Wahrung der Originalmelodie durchcomponirte. Sie fallen freilich in die Zeit seiner höchsten Entwicklung; trotzdem möchte ich glauben, daß er auch als Jüngling schon sich in dieser Gattung versuchte und vielleicht war die bereits erwähnte Sinfonia vor der ebengenannten Cantate von einem solchen Jugendwerke hergenommen. Wir erkannten es an einem schlagenden Beispiele, und werden deren noch mehre antreffen, wie grade die Eindrücke seiner Jugendzeit lebendig in ihm [306] fortwirkten und plötzlich nach vielen Jahren in verklärter und durchgeistigter Gestalt wieder emportauchten. – Zur vierten Strophe werden alle drei Singstimmen verwendet, und die Instrumente treten abwechselnd dazu und dazwischen. Auch sie beginnt mit leidenschaftlichen Ausrufen: »Weg! weg! weg mit allen Schätzen«; ebenso contrapunctirte Bach in der Motette. Die fünfte Strophe ist dem zweiten Sopran zugetheilt, der im Sechsachteltakt die Melodie colorirt und ausweitet, die Orgel allein begleitet. In der sechsten Strophe endlich vereinigen sich alle und in reicher fünfstimmiger Harmonie schließt das interessante Werk. Noch zwei andre Cantaten der handschriftlichen Sammlung sind über Kirchenlieder gesetzt, die eine über Michael Pfefferkorns »Was frag ich nach der Welt«, die andre auf das Lied »Meine Seele, willst du ruhn« von Angelus Silesius. An ihre ursprünglichen Melodien aber hat sich Buxtehude nicht gebunden, sondern sie nur als benutzbare geistliche Dichtungen aufgefaßt und ganz frei mit seiner Musik ausgestattet, ein Verfahren, was Hammerschmidt und Schütz selbst bei alten Kernliedern nicht gescheut hatten.

Ein bemerkenswerthes Zeichen der Zeit ist, daß mehre Cantaten nur für eine Singstimme geschrieben sind. Zu ihnen gehört die Composition: »Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren« u.s.w. Ihr erster Abschnitt, dem eine Symphonie vorhergeht, ist dadurch auffallend, daß er sich aus dem Arioso zu bestimmterer Form herauszuarbeiten sucht, und wenn er auch das steife Wesen der Ritornelle noch nicht ablegt, doch durch Wiederholung des melodischen Hauptgedankens gegen das Ende eine Abrundung anstrebt. Es ist derselbe Fall, wie in dem Tenor-Solo und der Sopran-Arie von Bachs Ostercantate. Auch der zweite Abschnitt ist formell bedeutungsvoll, da er eine ganz artige Fuge zwischen dem Tenor und den beiden Violinen entwickelt, in die jedoch der stützende Bass nicht mit hineingreift. Hier taucht der entschiedene Versuch auf, zu einem neuen Stile zu gelangen42. Ferner ist für eine Solostimme geschrieben die Cantate »Herr, wenn ich nur dich habe«; in ihr wird erst der Bibelspruch ariosoartig durchgeführt, dann folgt eine [307] zweistrophige Arie, darauf ein instrumentales Zwischenstück, und endlich ein langes »Amen«, dergestalt, daß die Singstimme jedesmal eine mehrtaktige Coloratur über der ersten Wortsilbe anstimmt, auf welche die Instrumente antworten, und so bis ans Ende. Auch die 17. Cantate: »Ich bin eine Blume zu Saron« ist merkwürdiger Weise nur einer Bassstimme gegeben, obgleich die Worte – es ist der Anfang des zweiten Capitels vom Hohenliede – das Gespräch zweier Liebenden enthalten43.

Die noch übrigen Stücke bieten keine wesentlich neuen Formen dar, welche wir aufzeigen müßten, so viel einzelne Schönheiten und Feinsinnigkeiten auch noch in ihnen niedergelegt sind44. Besonders zeichnet sich die Composition: »Ich habe Lust abzuscheiden« durch große Weichheit und Innigkeit und durch einen sehr schönen, hinsterbenden Schluß aus, der eine Empfindung anregt, welche in Bachs Cantate »Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit« voll ausschwingen sollte.

Fußnoten

1 Gleich nach seiner Rückkehr hielt ihm das Consistorium in einer Sitzung am 21. Febr. 1706 vor, daß er eine wohl viermal so lange Zeit fortgeblieben sei, als ihm erlaubt gewesen. S. das späterhin mitgetheilte Protokoll. Damit stimmt die Angabe bei Mizler, S. 162, daß sein Aufenthalt in Lübeck fast ein Vierteljahr gewährt habe, wenn man die Zeit der Hin- und Rückreise und auf letzterer etwa einige Rasttage in Hamburg und Lüneburg hinzurechnet.


2 Nach Walther soll Johann Theile sein Lehrer gewesen sein, was auf einem offenbaren Irrthume beruht, da dieser neun Jahre jünger war als Buxtehude.


3 H. Jimmerthal, Beschreibung der großen (von 1851–1854 erbauten) Orgel in der St. Marien-Kirche zu Lübeck. Erfurt und Leipzig, G.W. Körner. 1859. S. 44.


4 Ein Passus aus seinem Hochzeitscarmen (auf der Lübecker Stadtbibliothek) scheint dies verstohlen anzudeuten:


»Zwar es kahm Ihm sauer an, und er wolte, wie zuvoren,

nicht so gar gebunden sein, doch die Freiheit war verloren,

weil der Jungfer Huld-Gebehrden und der ungewohnte brand,

mit verlangter selbst-Vergnügung, nahme bei Ihm überhand.«


Ebenda wird auch von dem hohen Ansehen gesprochen, in welchem er als Künstler bei den Lübeckern stand.


5 Die vollständige Disposition ist mitgetheilt Anhang B. IV.


6 Die außerordentlich reiche Musikalien-Bibliothek der Marienkirche wurde von der Stadt Lübeck im Jahre 1814 der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien zum Geschenk gemacht, s. C.F. Pohl, Die Gesellschaft der Musikfreunde (Wien, 1871), S. 114 und 115.


7 Die hauptsächlichste gedruckte Quelle über Buxtehude ist: Johannis Molleri Cimbria Literata (Havniae, 1744) Tom. II, p. 132 und 133. Dort wird unter anderm auch eine Stelle aus Conrad von Hövelns »beglücktem und geschmücktem Lübeck«, S. 114, angeführt, wo ausführlicher über die Abendmusiken »des Welt-berühmten Organisten undComponisten Dietrich Buxtehude« gesprochen wird. Anderes Material bieten die Kirchen-Register, Ausga be-Bücher und Vorstands-Protokolle der Marienkirche, dessen Mittheilung ich der Güte des Herrn Professor Mantels in Lübeck verdanke. Auch Mattheson im Vollkommenen Capellmeister, S. 216, Anmerk. gedenkt der Abendmusiken.


8 Mattheson, Ehrenpforte, S. 26.


9 Walther, Lexicon unter »Erich« und »Leiding«.


10 Mattheson, Große General-Bass-Schule, S. 42.


11 Mattheson, Ehrenpforte unter »Händel«, S. 94.


12 Die Kirchen-Register geben an der betreffenden Stelle den Namen dieses Kindes nicht an, wohl aber im Verlaufe die aller übrigen – Buxtehude hatte sechs Töchter –; da nun der nachmalige Organist Schieferdecker eine Tochter Buxtehudes Namens Anna Margaretha heirathet, so kann das nur jene erste gewesen sein. Sie führte dieselben Namen wie ihre Mutter; es ist außerdem das Natürliche, daß die Stelle an die Heirath mit der ältesten Tochter geknüpft war.


13 Mizler, a.a.O., S. 162: »in Arnstadt bewog ihn einsmals ein besonderer starker Trieb, den er hatte, so viel von guten Organisten, als ihm möglich war, zu hören, daß er, und zwar zu Fuße, eine Reise nach Lübeck antrat, um den dasigen berühmten Organisten an der Marienkirche, Diedrich Buxtehuden, zu behorchen.« Der sich aufdrängende Gegensatz zwischen Händel und Bach verleitete Forkel, das Wort »behorchen« als »heimlich belauschen« aufzufassen (S. 6), während es doch hier nichts bedeutet, als »mit Aufmerksamkeit und Lernbegierde zuhören«. Daß Bach, damals doch schon ein hervorragender Künstler, nicht gewagt haben sollte, Buxtehudes Bekanntschaft zu machen, während Händel schon zwei Jahre vorher frisch auf dessen Orgel ins Zeug ging, und von allen Seiten Schüler zu ihm heranzogen, hat gar keinen Sinn.


14 Gerber, N.L. I, Sp. 590 giebt ein Verzeichniß von Buxtehudes gedruckten Werken, und führt ungenau Mollers Cimbria litterata als Quelle an, da er mit dem dort Gebotenen Notizen Walthers (Lex., S. 123) und Matthesons combinirte. Mollers Verzeichniß lautet so: »Unterschiedliche Hochzeit-Arien. Lubecae 1672. in fol. – Fried- und Freudenreiche Hinfahrt des alten Simeons, bey Absterben seines Vaters, Joh. Buxtehuden, 32jährigen Organisten in Helsingör (der zu Lübeck am 22. Jan. 1674. 72jährig verstorben) in zwey Contrapuncten musicalisch abgesungen. Lub. 1674. in fol. – Abend Musick in IX. Theilen. Lub. 1678–1687. in 4. – Hochzeit des Lammes. Lub. 1681 in 4. – VII. Sonate a doi, Violino & Viola di gamba, con cembalo. Lub. 1696. in fol. – Anonymi hundertjähriges Gedichte vor die Wolfahrt der Stadt Lübeck; am 1. Jan. des Jubeljahres 1700. in S. Marien Kirche musicalisch vorgestellt. Lub. 1700. in fol. – Castrum doloris dem verstorbenen Keyser Leopoldo und Templum honoris dem regierenden Keyser Josepho I; in zwey Musicken, in der Marien Kirche zu Lübeck, gewidmet. Lub. 1705. in fol.« – Dazu fügt er zwei Werke, die im Leipziger Katalog der Frühjahrsmesse von 1684 von Buxtehude in Aussicht gestellt waren: »1. Himmlische Seelen Lust auf Erden über die Menschwerdung und Geburt unsers Heylandes Jesu Christi. 2. Das allerschröcklichste und allererfreulichste, nemlich das Ende der Zeit, und der Anfang der Ewigkeit, Gesprächsweise vorgestellet.«


15 Mattheson, Vollkommener Capellmeister, S. 130.


16 Nur daß er H dur und B moll, wohl wegen der Temperatur, vermied.


17 Walther schrieb in den genannten Sammelbänden eigenhändig eine große Menge Buxtehudescher Choralbearbeitungen zusammen, was aus Bachs Hause stammt, steht in dem Manuscript Andreas Bachs, zwei vorzüglich schönen, aus Kirnbergers oder Agricolas Nachlaß herrührenden Handschriften auf der Bibliothek des Joachimsthaler Gymnasiums in Berlin, und den Krebs'schen Büchern.


18 »XIV Choralbearbeitungen für die Orgel von Dietrich Buxtehude – herausgegeben von S.W. Dehn. Leipzig, C.F. Peters.« Einiges wenige veröffentlichten noch Commer (Musica sacra I, Nr. 8) und G.W. Körner (Gesammtausgabe der classischen Orgel-Compositionen von Dietrich Buxtehude. Erfurt und Leipzig, G.W. Körner [nur ein Heft erschienen]); letzterer zum Theil dieselben Sachen wie Dehn.


19 Dies Praeludium ist abgedruckt in Busbys Geschichte der Musik, übers. von C.F. Michaelis (Leipzig, 1822), Bd. II, S. 677–679.


20 Diese erste Fuge ist im III. Bande von A.G. Ritters Kunst des Orgelspiels und darnach in dem von Körner zusammengestellten Hefte Buxtehudescher Orgelcompositionen einzeln veröffentlicht, was aus den genannten Gründen kein ganz glücklicher Griff war.


21 Erhalten in dem Buche des Andreas Bach unter dem Titel: Fuga di D.B.H. B.H. ist BuxteHude; um Verwechslungen zwischen Namen gleicher Anfangsbuchstaben vorzubeugen, pflegte man bei Abkürzungen hier und da noch den Anfangsconsonant einer Mittelsilbe zuzufügen.


22 In den Handschriften der Bibliothek des Joachimsthals zu Berlin und der Leipziger Stadtbibliothek fehlt dieses Stück auch; die handschriftliche Vorlage, nach der es Commer, Musica sacra I, Nr. 8, herausgegeben hat, ist mir nicht vor die Augen gekommen. An der Echtheit zweifle ich aber nicht.


23 Ich verdanke sie der freundlichen Mittheilung des Herrn Musikdirector Ritter in Magdeburg, der sie im Jahre 1838 aus einem dem Organisten Hildebrand in Mühlhausen gehörigen und von Georg Grobe 1675 geschriebenen Tabulaturbuche entnahm.


24 S. z.B. Mattheson, Vollkommener Capellmeister, S. 233, vergl. dessen »Neu eröffnetes Orchestre«, S. 185, und Walther im Lexicon unter Passacaglio.


25 Die damaligen Componisten, auch Seb. Bach, pflegten Passacaglia zu schreiben, und so ist Buxtehudes Stück betitelt.


26 Letztere Bearbeitung existirt noch in einer ganz alten, vielleicht zu Buxtehudes Lebzeiten gefertigten Handschrift auf der Bibliothek des königl. Instituts für Kirchenmusik in Berlin, aber nicht vollständig.


27 Commer, Musica sacra I, Nr. 5. Ebendaselbst unter Nr. 6 ist eine Choralbearbeitung von Bruhns über »Nun komm der Heiden Heiland« mitgetheilt, welche ganz im Stile der großen Buxtehudeschen Choräle gehalten ist, und da von ihnen bis jetzt nichts veröffentlicht wurde, dem, der sich für die Sache weiter interessirt, einstweilen zur Veranschaulichung dienen kann.


28 Auch hierfür bietet der genannte Bruhns'sche Choral veranschaulichende Analogien.


29 Vergl. Dehn, Vierzehn Choralbearbeitungen Buxtehudes, Nr. 5.


30 Dehn, a.a.O. Nr. 14.


31 Eine theilt Körner mit a.a.O., S. 8, die ich auch für echt halte, besonders weil sich einige kleine Sonderbarkeiten des Meisters darin wiederfinden.


32 So z.B. in Nr. 8 und 13 bei Dehn.


33 Anleitung zur musik. Gelahrth., S. 693.


34 Walther in Matthesons Ehrenpforte, S. 388.


35 In Stimmen auf der Lübecker Stadtbibliothek. Sie datiren der Reihenfolge nach vom 2. Juni 1673, 1. März 1675, 8. Juli 1695, 14. März 1698, 7. Sept. 1705.


36 S. Anhang A. Nr. 13.


37 B.-G. I, S. 97.


38 Walther sagt von den Trompeten mit Sordinen, daß sie »gantz sanffte klingen, als wenn sie von weiten wären«.


39 Winterfeld, Evang. Kirchengesang, II, 414 und die Notenbeispiele.


40 Mattheson, Ehrenpforte, S. 93.


41 Bach hat eine spätere Version componirt, die am Anfang und Ende der Strophe einige schöne, kräftige Ausdrücke und Bilder ausmerzte.


42 S. Anhang A. Nr. 14.


43 Nach Takt 32 ist übrigens in der Handschrift irgend ein Fehler; ich vermuthe, daß der Schreiber nur den Abschluß der Singstimme (etwa gis e) im folgenden Takte vergaß.


44 Sie lauten nach ihren Anfängen: »Lauda Sion salvatorem«, für zwei Soprane und Bass (die Instrumentalbegleitung gebe ich nicht weiter an); »Nichts soll uns scheiden von der Liebe Gottes«, für Sopran, Alt und hohen Bass (Bassetto); »Ich halte es dafür«, für Sopran und Bass; »Also hat Gott die Welt geliebet«, für Sopran; »Lauda, anima mea, Dominum«, für Sopran; »Jesu, meine Freud und Lust«, für Alt. – Die Sammlung sollte übrigens noch fortgesetzt werden, denn auf Fol. 86b. steht der durchstrichene Anfang einer Cantate in G dur für Sopran: »Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat«.

Quelle:
Spitta, Philipp: Johann Sebastian Bach. Band 1, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1873.
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