X.

[873] Fünf Texte zu kirchlichen und weltlichen Gesangscompositionen.


1.


(Zu S. 335.)


Erbauliche | Gedancken | Auf den | Grünen Donnerstag und Charfreytag | Uber den | Leidenden | JESUM, | In einem | ORATORIO | Entworffen | Von | Picandern. | 1725. |


Zion, Chor.


Aria.


Sammlet euch, getreue Seelen,

Die ihr JEsum werth geacht.

[873] Drücket ihm vor seinem Ende,

Noch die Hände,

Nehmt die letzte gute Nacht.

Sammlet euch, getreue Seelen,

Die ihr JEsum werth geacht.


Evangelist.


Am Abend, der vor Ostern war,

Aß JEsus nebst der Jünger-Schaar

Das Oster-Mahl;

Und weil die Stunde seiner Quaal

Und seines Leidens nicht mehr weit,

So setzt er, unter Brod und Wein,

Zum Zeichen seiner Gütigkeit,

Sein Fleisch und Blut

Im Testament den Jüngern ein.


Johannes.


Aria.


Ach! wie meynt es JEsus gut!

Daß ich soll an ihn gedencken,

Will er mir ein Kleinod schencken,

Und das ist sein eigen Blut.

Ach! wie meynt es JEsus gut.


Evangelist.


Und nach gesprochnen Lob-Gesang,

War JEsus erster Gang

Zum Oel-Berg in den Garten,

Um seine Bande zu erwarten.


Soliloquium der Seele.


Schau hier, mein Hertz,

Wie JEsus seine Hände ringt,

Das Hertze kocht, die Zunge trocknet ein;

Das Auge sieht, wo Helffer seyn;

Die Seele will ersticken;

Die Sünden-Last der gantzen Welt

Liegt jetzt auf seinen Rücken:

Ja! sieh mein Hertz,

Wie ihm der Schweiß herunterwerts

Durch seine Schläfe dringt,

Und blutend auf die Erde fällt.


[874] Aria.


Rolle doch nicht auf die Erde,

Süßer und doch Schmertzens-Thau!

Halt doch ein,

Hier soll jetzt mein Hertze seyn,

Sencke dich doch da hinein,

Daß mein Glaubens Acker-Bau,

Zu dem Himmel fruchtbar werde.

Rolle u.s.w.


Evangelist.


Und endlich kam die Mörder-Schaar

Mit Spießen und mit Stangen,

Und Judas, der ihr Führer war,

Gab JEsum, nach gemachten Schluß,

Der Feinde Raserey gefangen.

Da wollt es Petrus wagen,

Mit seinem Schwerdte drein zu schlagen.


Petrus.


Aria.


Verdammter Verräther, wo hast du dein Hertze?

Haben es Löwen und Tyger verwahrt!

Ich will es zerfleischen, ich will es zerhauen,

Daß Ottern und Nattern die Stücken zerkauen,

Denn du bist von verfluchter Art.

Verdammter u.s.w.


Evangelist.


Doch JEsus gieng gelassen fort,

Und kam zum Hohenpriester

Caipha.


Soliloquium der Seele.


Philister!

Philister über dir!

So steht die Unschuld da,

Die Boßheit soll ihr Richter seyn,

Die Nacht verklagt den Sonnenschein,

Und niemand ist der ihn vertritt.

Die Jünger sind von dir geflogen,

Der eine hier,

Der andre dort:

[875] Ich aber komme nachgezogen,

Ach nimm mich doch, mein Heyland, mit.


Choral.


Ich will hier bey dir stehen u.s.w.


Evangelist.


Zwar Petrus blieb von weiten,

Und da ihm eine Magd,

Daß er des Heylands Jünger sey,

Ins Angesicht gesagt,

So wolt er dennoch sonder Scheu

Ihr solches wiederstreiten.

Da krähete der Hahn,

Und JEsus sahe Petrum an,

Da gieng er wiederum in sich.


Petrus.


Aria.


1.


Ihr seht mich an, ihr starren Augen,

Ihr Sonnen meiner Seeligkeit,

Da euer Abend nicht mehr weit.

Und dieses nicht von ungefehr,

Denn mein Gesicht ist auch ein Meer,

Aus diesem wollt ihr Wasser saugen.

Ach ja!

Mein Thränen-Regen ist schon da.

Ihr seht u.s.w.


Evangelist.


Und weinte bitterlich.


Petrus.


Aria.


2.


Ich flehe dich um meiner Zähren,

Verschliesse doch dein Angesicht

Vor mir an jenem Tage nicht!

Nimm mich bekannt und freundlich an,

Und laß nicht, wie ich dir gethan,

Den Rücken zu mir kehren.

[876] Ach nein!

Mein Hertz soll nicht mehr wanckend seyn.

Ich flehe u.s.w.


Evangelist.


Der Heyland wird verklagt;

Und ob die Lügen-Zunge gleich

Ein falsches Zeugniß sagt,

Muß doch Pilatus selber sprechen:

Er find an ihm kein straffbares Verbrechen.


JEsus.


Aria.


Aus Liebe will ich alles dulden,

Aus Liebe sterb ich vor die Welt.

Aus Lieben und nicht aus Verschulden,

Bin ich der Sünder Löse-Geld.

Aus Liebe u.s.w.


Evangelist.


Doch diesem ungeacht

Ward doch der Heyland angebunden,

Und ihm mit Geisseln tausend Wunden

In seinen Leib gemacht,

Und noch zu letzt,

Dem Haupte Dornen aufgesetzt.


Zion.


Aria.


Kommt heraus, und geht vorüber,

Seht, ihr Töchter, wie mein Lieber

So erbärmlich zugericht!

Ach ihr Augen! ach ihr Wangen,

Wie ist eure Pracht vergangen,

Seyd ihrs? oder seyd ihrs nicht?

Kommt u.s.w.


[Soliloquium.]


Wie sieht dein Haar,

Das wie die Wolle lockicht war,

Zerrauffet und zerrissen?

Wie ist dein Angesicht,

[877] Das schöner als der Sonnen-Licht,

Durchgraben und zerschmissen?

Wie schändlich hat dich nicht

Des Speichels Unflath zugericht?


Arioso.


Jedoch der Eiter deiner Beulen,

Soll meiner Kinder Wunden heilen.


Evangelist.


Doch dieses nicht genung,

Nunmehr verdammt man ihn zur Creutzigung.

Er muste selbst sein schweres Creutz

Bey Stossen, und bey harten Schlagen,

Zur Schädelstädte tragen.

Die Weiber folgten nach,

Wiewohl sie in den Thränen-Güssen,

Nicht gehen, sondern schwimmen müssen,

Zu welchen JEsus sprach:


JEsus.


Aria.


Brechet mir doch nicht das Hertz,

Welches selbst vor Leiden bricht;

Liebste Seelen, weinet nicht!

Euer Jammer mehrt den Schmertz:

Brechet u.s.w.


Maria, Soliloquium:


Brechet mir doch nicht das Hertz.

Ach du geplagtes Hertz!

Das in dem Blute schwimmt,

Und wie ein Wurm sich windt und krümmt,

Verwehre mir doch nicht,

Daß mir

Mein JEsu, auch mit dir

Das Hertz vor Wehmuth bricht.

Brechet mir doch nicht das Hertz,

Welches selbst vor Leiden bricht!

Ach Sohn, wie beugst du mich!

Der Jammer raubt mir den Verstand,

Und meine Seel ist ausser sich,

Liebste Seelen!

Ja wohl ist dir bekannt,

[878] Wie offt ich dich

Vor dem aus reiner Liebe küste,

Da du die Milch der treuen Brüste,

Als noch ein zartes Kind gesogen,

Und so, ach! so, bin ich dir noch gewogen.

Liebste Seelen weinet nicht!

Ach!

Weinet nicht!

Wie kanst du das von mir begehren?

Ich will vor dich mit Lust

Und Lachen zwar erblassen,

Doch da du selber sterben must,

Kan ich die Zähren

Unmöglich unterlassen.


Choral.


Wein, ach! wein, itzt um die Wette,

Meiner beyden Augen Bach.

Ach! daß ich gnug Zähren hätte,

Zu bedauren deine Schmach!

O! daß aus den Thränen-Brunnen,

Käm ein starcker Strohm gerunnen!


Evangelist.


Und als die Schaar

Zur Schädelstätte kommen war,

Ward JEsus an das Creutz gehefftet,

Und weil er gantz entkräfftet,

So gab man ihm vergällten Wein

Zu trincken ein.


Die Seele.


Aria.


Nimm es nicht, mein ander Leben,

Was sie dir zu trincken geben.

Ist ein saurer bittrer Wein;

Aber hier aus meinen Augen

Kanst du süsse Thränen saugen

Weil sie aus Lieb und Treu geflossen seyn.

Nimm u.s.w.


Evangelist.


Und um die neundte Stunde,

Rief unser Heyl mit lauten Munde

[879] Es ist vollbracht!

Da gab der Geist dem Leibe gute Nacht.


Soliloquium der Seelen:


So hat mein JEsus nun die Augen zu gethan,

Mein Hertz, so lege du die Trauer an.

Erinnre dich zu allen Stunden,

Des Heylands Wunden;

Und wenn du einst verscheiden must,

So stirb geruhig und mit Lust!

Die Schulden, so dir angeschrieben,

Hat JEsus alle gut gemacht;

Auch nicht das allermindeste

Ist er noch schuldig blieben,

Er sagt es selbst: Es ist vollbracht!


Aria.


Es ist vollbracht!

Nun kan ich sterben,

Das Grab ist mir ein Ruhe-Hauß,

Komm sanffter Tod, und spann mich aus!

Welt, gute Nacht!

Nun kan ich sterben,

Es ist vollbracht!


Evangelist.


Zur Abends Zeit

Bath Joseph um die starre Leiche;

Die nahm er ab,

Und hüllte sie, auf Jüdische Gebräuche,

In reine Leinwand ein,

Und legte sie darauf in sein selbst eigen Grab,

Und weltzte vor die Grufft noch einen Stein.


Chor der Gläubigen Seelen:


Aria.


Wir setzen uns bey deinem Grabe nieder,

Und ruffen dir im Tode zu:

Ruhe sanffte, sanffte ruh!

Erquicket euch, ihr ausgesognen Glieder,

Verschlafet die erlittne Wuth;

Ruhet sanffte, sanffte ruht!

Unsre Thränen,

Werden sich stets nach dir sehnen;

[880] Endlich soll dein Leichen-Stein,

Unser weiches Bette seyn,

Recht vergnügt schlummern wir auf solchem ein.


2.


(Zu Seite 457.)


Drama

Per Musica,

Welches

Bey dem Allerhöchsten

Crönungs-Feste

des

Aller-Durchlauchtigsten und Groß-

mächtigsten

Augusti III.

Königs in Pohlen und Churfür-

sten zu Sachsen

in unterthänigster Ehrfurcht aufgeführet wurde

in dem

Collegio Musico

durch

J.S.B.


Leipzig, den Janr. 1734.


Gedruckt bey Bernhard Christoph Breitkopf.

Tapferkeit, Gerechtigkeit, Gnade, Pallas.


Tutti.


Blast Lermen, ihr Feinde! verstärcket die Macht,

Mein Helden-Muth bleibt unbewegt.

Blitzt, donnert und kracht,

Zerschmettert die Mauren, verbrennet die Wälder,

Verwüstet aus Rachgier die Aecker und Felder,

Und kämpft bis Roß und Mann erlegt.


D.C.


Tapferkeit.


Ja, ja!

Nunmehro sind die Zeiten da,

Daß ich den Völckern kan entdecken,

Ich sey, wie in der alten Zeit,

Auch noch jetzt der Vermessenheit

Ein offenbares Schrecken.

[881] Man kan ja sehn,

Was nur bisher durch meine Stärcke

Dort in Sarmatien geschehn,

Wie ich es frisch gewaget,

Und jenen frechen Feind,

Eh er es selbst vermeint,

Mit Schande fort gejaget;

Ich habe mich, ob er gleich oft gedräuet,

Doch nie vor seinem Stoltz gescheuet,

Jetzt setz ich auch dem Würdigsten der Teutschen Helden

Die Crone auf sein Fürstlich Haupt,

Und will, wofern es mir erlaubt,

Der Völcker Redlichkeit, der Länder Urtheil, melden.

Nun blühet das Vergnügen,

Nachdem August den Thron besteigt,

Da sich an Ihm nur Großmuth zeigt,

Die Feinde zu besiegen:

So blühet das Vergnügen.


Gerechtigkeit.


Und wie? Hat mein August,

Da er nach Pohlen kommen,

So Kron, als Scepter, angenommen?

O! was vor seltne Lust

Erreget diß bey Jung- und Alten,

Weil ihnen längst bekandt,

Daß Er das Land

Durch meinen Beystand wird erhalten.


Herr! Dein Eifer vor die Rechte

Macht, daß jeder Deiner Knechte

Schutz und Hülfe finden kan.

Wird die Unschuld künfftig klagen,

Werd ich sagen:

Geh, fleh Deinen Schutz-Gott an.


Da Capo.


Der Unterthan ist nun erfreut,

Da ihm Dein Hohes Krönungs-Fest

Ein frohes Vivat! ruffen läßt;

Sein Hertze brennt vor innigstem Verlangen

Von Dir allein Gesetz und Rechte zu empfangen.


Gnade.


Laßt uns zum Augusto fliehen,

Denn Sein eifriges Bemühen,

[882] Jedes Hertz an Sich zu ziehen,

Gründet sich auf unser Wohl

Kommt! laßt uns den Scepter küssen,

Hört ihr nicht? Er läßt uns wissen,

Daß wir sollen Schutz genüssen,

Der beständig dauern soll.


Gnade und Pallas.


Gnade.


Der Chur-Hut wird vor heute abgelegt,

Und da mein Fürst auch Kron und Purpur trägt,

So können wir mit gutem Grunde hoffen,

Es steh uns nun der Weg zu größrer Gnade offen.


Pallas.


Wohlan! so will ich mich

Auch jetzt zu Deinem Throne wagen,

Und Dir in Unterthänigkeit,

Bey dieser höchst-beglückten Zeit,

Des Geistes treue Regung sagen;

Doch, ich will lieber schweigen.


Gnade und Pallas.


Nein, nein! er wird sich gegen dich

Doch nein! er wird sich gegen mich,

Als wie ein Vater, zeigen.


Pallas.


Großer König unsrer Zeit!

Laß doch Deine Tapferkeit

Mich hinfort beschützen,

Und die Musen ruhig sitzen.

Unser Hertz bleibt Dir geweyht,

Großer König unsrer Zeit!

Drum laß Deine Tapferkeit

Mich hinfort beschützen,

Und die Musen ruhig sitzen.


Pallas und Tapferkeit.


Pallas.


Großmächtigster August!

Laß Dir diß Ehrfurchtsvolle Bitten

Nur nicht zuwider seyn,

[883] Die Ruhe, so die Musen lieben,

Hat mich hierzu vor dißmahl angetrieben.


Tapferkeit.


So höre an,

Was mir Dein Herr,

Dir zu berichten, kund gethan:

Er schützet Deine Ruh

Und sagt Dir Friede zu,

Nur sollt du Ihm auch Seinen Willen

In allen suchen zu erfüllen.


Pallas.


Mein König! mein August!

Der Pierinnen Freud und Lust.


Tapferkeit.


Dein König, dein August.


Pallas.


Du Schutz-Herr meiner Ruh!


Tapferkeit.


Der Schutz-Herr deiner Ruh.


Pallas.


Du sollt in der noch späten Zeit,

Die Dir Dein Nahme Prophezeyht,

Von mir verehret werden.


Tapferkeit.


Dein König, Dein August,

Der Pierinnen Freud und Lust,

Der Schutz-Herr deiner Ruh,

Soll auch in der noch späten Zeit,

Die Ihm Sein Name prophezeyht,

Von dir verehret werden.

So lebe nunmehr ohne Schrecken,

Ich werde selbst den Helicon bedecken.

So lebet, ihr Musen! auf Helicons-Höhen,

Im Seegen und Ruh.

Kommt! eilet herzu,

Seht, hier grünt euer Wohlergehen.


Da Capo.


[884] Gerechtigkeit, Gnade und Pallas.


a 3.


Ihr Söhne, laßt doch künfftig lesen,

Was euch Augustus Guts gethan,

Damit die Nachwelt sehen kan,

Sein Ruhm sey Cronen-werth gewesen.


Gerechtigkeit.


Dein König wird, ohn Ansehn der Personen,

Fleiß und Gelehrsamkeit belohnen.


Gnade.


So viele Tropfen heilig Oel

Bey Seiner Salbung heute fliessen;

So viele Huld soll auch dein Musen-Chor genüssen.


Pallas.


Nun trifft es ein,

Was ich schon längst gedacht:

Augustus kan mit Recht ein Gott der Erden seyn.


Gerechtigkeit und Gnade.


Wir bleiben billig bey dir stehn,

Und wollen, gleichwie du, des Königs Ruhm erhöhn.


Gerechtigkeit.


Schwartze Raben

Werden eher Schwäne haben,

Eh August die Rechte bricht.


Gnade.


Und das helle Sonnen-Licht

Eher diese Welt verlassen,

Eh August die Sanfmuth hassen.


Gerechtigkeit und Gnade.


Der Eifer zu strafen, verewigt den Held,

Die Liebe zu seegnen, verewigt den Held,

Und macht Ihn zum Wunder der künfftigen Welt.


Pallas.


Wohlan! wir wollen uns mit viel Ergötzen

Auf meines Berges Spitzen setzen;

[885] Ein jeder Musen-Sohn

Nimmt euch mit tausend Freuden auf.

Ihr Winde! fliegelt euren Lauf,

Ihr sollt, was jetzt der Sachsen Musen singen,

Vor unsers Königs Throne bringen.


Tutti.


Vivat! August, August, Vivat!

Bis der Bau der Erden fällt.

Herr! Dein Königlich Erhöhen

Laß Dein Hohes Wohlergehen

In erwünschtem Wachsthum stehen,

Alsdenn ists wohl um Reich und Land bestellt.


D.C.


3.


(Zu Seite 461.)


Drama

Per Musica.

Welches

Bey dem Allerhöchsten

Geburths-Feste

Der

Allerdurchlauchtigsten und Großmäch-

tigsten

Königin in Pohlen

und

Churfürstin zu Sachsen

in unterthänigster Ehrfurcht

aufgeführet wurde

in dem

Collegio Musico

Durch

J.S.B.


Leipzig, dem 8. December 1733.

Gedruckt bei Bernhard Christoph Breitkopf.

Irene. Bellona. Pallas. Fama.


Aria.


Thönet ihr Paucken! Erschallet Trompeten!

Klingende Saiten erfüllet die Luft!

Singet itzt Lieder ihr muntren Poeten!

[886] Königin lebe! wird fröhlichst geruft.

Königin lebe! diß wünschet der Sachse.

Königin lebe und blühe und wachse.


Da Capo.


Recitativ.


Irene.

Heut ist der Tag,

Wo jeder sich erfreuen mag.

Diß ist der frohe Glantz

Der Königin Geburths-Fests-Stunden,

Die Pohlen, Sachsen, und uns gantz

In gröster Lust und Glück erfunden.

Mein Oelbaum

Kriegt so Saft als fetten Raum.

Er zeigt noch keine falbe Blätter.

Mich schreckt kein Sturm, Blitz, trübe Wolken, düstres Wetter.


Aria.


Bellona.

Blaßt die wohlgegriffnen Flöten,

Daß Feind, Lilien, Mond erröthen!

Schallt mit jauchzendem Gesang!

Thönt mit eurem Waffen Klang!

Dieses Fest erfordert Freuden,

Die so Geist als Sinnen weiden.


Recitativ.


Bellona.

Mein knallendes Metall,

Der in der Luft erbebenden Carthauen;

Der frohe Schall;

Das angenehme Schauen;

Die Lust, die Sachsen itzt empfindt,

Rührt vieler Menschen Sinnen.

Mein schimmerndes Gewehr,

Nebst meiner Söhne gleichen Schritten

Und ihre Heldenmäßge Sitten

Vermehren immer mehr und mehr

Des heutgen Tages süße Freude.


Aria.


Pallas.

Fromme Musen! Meine Glieder!

Singt nicht längst bekannte Lieder.

Dieser Tag sey eure Lust!

Füllt mit Freude eure Brust!

Werft so Kiel als Schriften nieder!

Und erfreut euch dreyhmal wieder.


[887] Recitativ.


Pallas.

Unsre Königin im Lande,

Die der Himmel zu uns sandte,

Ist der Musen-Trost und Schutz.

Meine Pierinnen wissen,

Die in Ehrfurcht ihren Saum noch küssen,

Vor ihr stetes Wolergehn

Danck und Pflicht und Thon stets zu erhöhn.

Ja Sie wünschen, daß ihr Leben

Möge lange Lust uns geben.


Aria.


Fama.

Cron und Preiß gecrönter Damen,

Königin! mit Deinem Rahmen

Füll ich diesen Creyß der Welt.

Was der Tugend stets gefällt,

Und was nur Heldinnen haben,

Seyn Dir angebohrne Gaben.


Recitativ.


Fama.

So dringe in das weite Erden-Rund

Mein von der Königin erfüllter Mund!

Ihr Ruhm soll bis zum Axen

Des schön gestirnten Himmels wachsen

Die Königin der Sachsen und der Pohlen

Sey stets des Himmels Schutz empfohlen.

So stärckt durch Sie der Pol

So vieler Unterthanen längst erwünschtes Wohl.

So soll die Königin noch lange bey uns hier verweilen;

Und spät ach! spät zum Sternen eilen.


Aria.


Irene.

Blühet ihr Linden in Sachsen wie Cedern!

Bellona.

Schallet mit Waffen und Wagen und Rädern!

Pallas.

Singet ihr Musen! mit völligem Klang!

Fama.

Fröliche Stunden! ihr freudigen Zeiten!

Gönnt uns noch öffters die güldenen Freuden:

Königin, lebe, ja lebe noch lang!


4.


(Zu Seite 93.)


»Als die von E. Hoch-Edlen und Hoch-Weisen Rath der Stadt Leipzig umgebauete und eingerichtete Schule zu S. Thomae den 5. Jun. durch [888] etliche Reden eingeweyhet wurde, ward folgende CANTATA dabey verfertiget und aufgeführet von Joh. Sebastian Bach, Fürstl. Sächs. Weißenfels. Capellmeister, und besagter Schulen Cantore, und M. Johann Heinrich Winckler, Collega IV.

Leipzig, gedruckt bey Bernhard Christoph Breitkopf.«


Aria.


Froher Tag, verlangte Stunden,

Nun hat unsre Lust gefunden,

Was sie fest und ruhig macht.

Hier steht unser Schul-Gebäude,

Hier erblicket Aug und Freude

Kunst und Ordnung Zier und Pracht.

Da Capo.


Wir stellen uns jetzt vor,

Was unser Musen-Chor

Vor dem vor einen Aufenthalt gehabt.

Zwar war es wohl zufrieden,

Ihm war ein Haus beschieden,

In welchem seine Brust,

Der freyen Künste Lust,

In Fried und Ruh genüßen konnte.

Allein von der Beqvemligkeit,

Die selbiges anjetzt erfreut,

War wenig zu erblicken.

Nun hat ein einzig Jahr,

Was alt und schlecht und wankend war,

Verwandelt und verkehrt,

Und das davor gewährt,

Wornach es längst gestrebet,

Und was ihm Sinn und Geist ermuntert und belebet.


Aria.


Väter unsrer Linden-Stadt,

Eure Vorsicht hat erbauet,

Was hier die Verwundrung schauet.

Weise Väter, jeder Morgen

Zeigt und weist auf Euer Sorgen,

Wie es diesen Sitz beglückt,

Lehr- und Wohn-Platz ausgeschmückt.

D. C


Begierd und Trieb zum Wissen

Macht zwar vor sich schon aufgeweckt,

[889] Und pflegt die Unlust zu versüßen,

Die uns ein rauher Ort erweckt.

Allein die Lust nimmt weit mehr zu,

Wenn man in ungestöhrter Ruh

In einem Platze wohnt,

In dem die Anmuth thront,

Die Sinn und Leib und Blut ermuntert und vergnüget.

Des Lehrers Mund trägt ganz begierig vor,

Was in der Brust verborgen lieget.

Der Schüler merkt und brauchet Aug und Ohr,

Um jeden Spruch und Satz in Herz und Geist zu schreiben.


Tutti.


So last uns durch Reden und Mienen entdecken,

Wie lebhaft das Herze, wie freudig es sey!

Eröffnet euch, Lippen, die Väter zu loben,

Die Unsere Schule so prächtig erhoben,

Erschallet in Worten, so wie sie uns ziemen,

Erkläret die Triebe durch Danken und Rühmen,

Erkläret die Freude natürlich und frey!

D.C.


Nach den Reden.


Aria.


Geist und Herze sind begierig,

Den verdienten Dank zu weyhn.

Doch vermögen sie den Willen

Auch im Werke zu erfüllen?

Nein, ach! nein, ihr ganz Bestreben

Kan sie weiter nicht erheben.

D.C.


So groß ist Wohl und Glück,

Das GOtt durch sein Geschick

Und unsrer weisen Väter Hand

Der Schule zugewandt.

Die ganze Stadt, das ganze Land

Wird Nutz und Frucht davon erfahren.

Die Kirche wird nach späten Jahren

In Geist erfüllten Lehrern sehn,

Was unsrer Linden-Stadt geschehn,

Da ihrer Schule Bau so wohl besorget worden.


Aria.


Doch man ist nicht frey und los,

Wenn man seine Schuld zu groß,

[890] Sich zu unvermögend findet.

Pflicht und Amt ist nicht erfüllt

Wenn man seine Schwäche schilt,

Und den Dank in Worte bindet.

D.C.


Wenn Weisheit und Verstand

In Gönnern und Patronen

Als wie in schönen Tempeln wohnen:

So wird, was dem Vermögen fehlt,

Von ihrer Güte dargezehlt.

Nur lege man an Tag,

Was unser Armuth noch vermag,

Und ruffe zu des Höchsten Huld,

Dass sie an unsrer Statt die Schuld,

Durch tausendfaches Wohl ersetzen und vergelten wolle.


Tutti.


Ewiges Wesen, das alles erschafft,

Segne die Väter mit daurender Kraft,

Segne die Väter und Pfleger der Schule.

Stärke die Häupter, die Leipzig verehrt,

Schenke, was Hoffnung und Freude vermehrt,

Gründe die Kinder zur Wohlfahrt der Sachsen,

Laß sie stets grünen und blühen und wachsen.

D.C.


5.


(Zu Seite 465.)


Apollo et Mercurius


Aria à 2tto


Ten. A. Erwehlte Pleißen Stadt

Vergnügte Pleißen Stadt

Alt. M. Erwehlte Pleißen Stadt

Vergnügte Pleißen Stadt

Dein A. Scheinen15 2. wächst und glänzt vor andern allen

Dein M. Blühen 2. wächst und glänzt vor andern allen

à 2 Wer seine Lust an A. deinen Prangen hat16

à 2 Wer seine Lust an M. deinen Prangen hat


[891] à 2

Wird deiner Gegend niemahls satt17

Dem kann es nirgends mehr gefallen.

D.C.


Ten: A.

Ihr Städte die man in der Welt,

Vor weit berühmt und auserlesen hält

Komt, eilt herbey

Und sagt, ob Leipzig nicht

Ein Sonnen-Licht

Und jener Glanz ein schwaches Stern

Licht sey.


Aria


Angenehmes Pleiß Athen

Wie die Diamanten dauern

Also werden deine Mauern

Unbeweglich feste stehn.

Angenehmes Pleiß Athen

Welt berühmtes Pleiß Athen

Wer dich höret, wer dich nennt

Wer dich liebet, wer dich kennt

Wird dein Lob noch mehr erhöhn

Weltberühmtes Pleiß Athen.


Alt M.

Nicht die Gelehrsamkeit allein

Muß, Leipzig, dein Gelücke seyn.

Mein Handel, den ich hier

Beständig pflanze

Verschaffet dir

Das meiste Theil zu deinem Glanze

Und dich, geliebter Handels Plaz

Will ich als einen theuren Schaz

In meiner Seele tragen

Und aller Welt von deinem Ruhme sagen.


Aria


Mit Lachen und Scherzen

Mit freudigen Herzen

Verleib ich mein Leipzig der Ewigkeit éin

Ich habe hier meine Behausung erkohren

Und selber den Göttern geschworen

Hier gerne zu seyn.


[892] Alt

Drum ist gewiß

Dein Glanz sieht keine Finsterniß

Tenor Ap.

Das macht, weil die,

So an dem Ruder sizen18

Durch Sorg und Müh

Das Wohlergehen unterstüzen19.

Alt M.

Der Himmel cröne sie dafür

Mit angemeßenen Vergnügen

Tenor A.

So, Leipzig, wird das Glück in dir

Noch größer, als es schon gestiegen.


Aria à 2tto


Alt. M.

Heyl und Seegen

Muß euch, theure Schaar verpflegen20

Wie ein Fluß die Auen labt

Ten. A.

Und die Wonne, die ihr habt

Soll und wird sich mit Ersprießen

Milder21 als ein Strohm ergießen.

A.

So bleibet22 das Wißen im Blühen beglückt

M.

So bleibet der Handel im Wachsen beglückt

à 2

So werden die Zeiten mit Ehren geschmückt.

Quelle:
Spitta, Philipp: Johann Sebastian Bach. Band 2, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1880., S. 873-893.
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