IV.

Die Ordnung des lutherischen Gottesdienstes in Chursachsen gründete sich auf die Agende Herzog Heinrichs, welche im Jahre 1540 publicirt wurde. Die Agende hatte nicht sowohl den Zweck, überall in den, damals noch herzoglichen, sächsischen Landen eine völlige Gleichmäßigkeit des Cultus herzustellen, als vielmehr nur die Grundlinien anzudeuten, innerhalb derer die einzelnen Gemeinden nach ihrem Wunsch und Bedürfniß sich den Gottesdienst angemessen gestalten könnten. So war es auch Luthers Meinung gemäß, der in seiner Schrift über die deutsche Messe und Ordnung des Gottesdienstes (Wittenberg, 1526) mit besonderm Nachdruck betont, ein jeder möge in christlicher Freiheit nach eignem Gefallen von seinen Vorschlägen nur Gebrauch machen, »wie, wo, wann und wie lange es die Sachen schickten und forderten«. Das ist denn wirklich geschehen und fortgesetzt, auch nachdem die im Jahre 1580 ausgegebene Kirchenordnung des Churfürsten August sich die Herbeiführung[93] einer größeren Übereinstimmung der Gottesdienstordnung in den verschiedenen Städten und Dörfern ausdrücklich zum Ziel gesetzt hatte. So gab es auch im Leipziger Cultus Gebräuche, die ihm sein besonderes Aussehen verliehen. Die lutherische Gottesdienstordnung stellt sich als eine Umbildung der katholischen Meßhandlung dar. In manchen Orten und Gegenden entfernte man sich rascher und weiter von derselben; in Leipzig wurde ein engerer Anschluß längere Zeit und auch noch während Bachs Wirksamkeit gewahrt. Er offenbarte sich theils in äußerlichen Ceremonien und Erscheinungen, wie z.B. in dem Gebrauch des Glöckchens bei der Consecration von Brod und Wein für das heilige Abendmahl, in der Beibehaltung von Meßgewändern und Chorhemden für die fungirenden Geistlichen und Chorknaben, theils in der fortgesetzten Pflege der Originalformen gewisser Theile des katholischen Cultus und, im Zusammenhange damit, einem ausgedehnteren Gebrauche der lateinischen Sprache. Diese Gewohnheit machte sich selbst im außergewöhnlichen kirchlichen Leben sehr bemerkbar geltend. Die noch zu Bachs Zeit nicht ungebräuchlichen testamentarischen Stiftungen, welche für öffentliche Absingung von gewissen Chorälen in der Kirche am Sterbetage des Stifters den Thomanern ein Legat bestimmten, klingen deutlich an katholische Anschauungen an1. Auch bei den Umgängen der Chorschüler durch die Stadt waren neben deutschen Gesängen noch lateinische Hymnen und Responsorien üblich. Es fehlte nicht an ängstlichen Gemüthern, welche die auffällige Ähnlichkeit des protestantischen Cultus zu Leipzig mit dem katholischen Cultus gern beseitigt gesehen hätten. Der Rath selbst glaubte im Jahre 1702 die Sache einmal in die Hand nehmen zu müssen, und wandte sich unter dem 13. Februar an den König-Churfürsten mit der Bitte, daß andächtige und in den Kirchen des sächsischen Landes approbirte deutsche Gesänge, Gebete und Texte durchgehends eingeführt würden. Zur Zeit der Reformation hätten die Verhältnisse anders gelegen. Man habe nicht durch allzu große und schnelle Veränderung der Kirchenceremonien bei den einheimischen katholischen[94] Geistlichen und den Einfältigen und Neubekehrten irgend einen Anstoß verursachen wollen, auch wohl gehofft, auf diese Weise mehre noch zur evangelisch-lutherischen Kirche herüber zu ziehen. Jetzt aber sei Gefahr vorhanden, daß mancher durch die scheinbar nicht große Ungleichheit der Kirchengebräuche zu einer irrigen Meinung von der lutherischen Lehre verleitet werde. Zur Erweckung der Andacht seien »geistreiche« deutsche Lieder viel besser geeignet, als die alten lateinischen Responsorien u. drgl., die doch von den meisten nicht verstanden würden. Doch fand der Antrag keine genügende Unterstützung. Die Leipziger wußten, daß die Formen ihres Gottesdienstes grade ihrer Besonderheit wegen interessant waren, und selbst die Geistlichkeit meinte, daß doch noch einige und besonders die Fremden an den lateinischen Liedern Gefallen hätten. Er hatte deshalb sehr geringen Erfolg. Nur in Betreff der Schülerumgänge wurde, und auch erst im Jahre 1711, bestimmt, daß anstatt des Responsoriums »Sint lumbi vestri circumcincti« (Ev. Luc. 13, 35) deutsche, auf das jüngste Gericht bezügliche Lieder gesungen werden sollten, nämlich »Es ist gewißlich an der Zeit«, »Wachet auf, ruft uns die Stimme« und »O Ewigkeit, du Donnerwort«2.

Eine genaue Kenntniß der Gottesdienstordnung in der Thomas-und Nikolai-Kirche ist für die Würdigung der Bachschen Kirchenmusiken von großer Wichtigkeit, denn nur im engen Zusammenhange mit ihr lassen sich dieselben nach Wesen und Wirkung vollständig begreifen. Über den Vormittagsgottesdienst des ersten Adventssonntags besitzen wir Bachs eigenhändige Aufzeichnung, die er sich machte, als er 1714 in Leipzig war3. Da sie als solche ein gewisses Interesse hat, so mag sie hier Platz finden, obgleich aus dem folgenden hervorgehen wird, daß sie nicht überall genau und vollständig ist.


»Anordnung des Gottes Dienstes in Leipzig

am 4. Advent-Sonntag frühe.


(1) Praeludieret. (2) Motetta. (3) Praeludieret auf das Kyrie, so gantz musiciret wird. (4) Intoniret vor dem Altar. (5) Epistola verlesen. [95] (6) Wird die Litaney gesungen. (7) Praeludieret auf den Choral. (8)Evangelium verlesen. (9) Praeludieret auf die Haupt Music. (10) Der Glaube gesungen. (11) Die Predigt. (12) Nach der Predigt, wie gewöhnlich einige Verse aus einem Liede gesungen. (13) Verba Institutionis. (14) Praeludieret auf die Music. Und nach selbiger wechselsweise praeludieret und Choräle gesungen, biß die Communion zu Ende et sic porrò.«

Die Gottesdienstordnung war verschieden an den gewöhnlichen Sonntagen, den Festtagen und in der Passionswoche. Beginnen wir mit den gewöhnlichen Sonntagen. Die Reihe der kirchlichen Acte, während welcher den ganzen Tag hindurch die Thore geschlossen gehalten wurden und aller öffentliche Verkehr ruhte, eröffnete die um 51/2 Uhr beginnende Mette in der Nikolaikirche. Für diese Kirche existirte neben dem Thomanerchor noch ein besonderes vom Cantor der Nikolai-Kirche dirigirtes Choralisten-Institut, das durch städtische Stipendien unterhalten wurde. Es bestand aus Studenten und besaß seine eignen sehr genauen und strengen Satzungen4. Der Thomas-Cantor führte indessen eine gewisse Oberaufsicht über dasselbe, wie denn auch die nöthigen Musikalien seiner Obhut anvertraut waren5. Die Choralisten sangen das Invitatorium »Venite, exultemus Domino«, dann einen Psalm, ein Responsorium, darauf einer von ihnen das Sonntags-Evangelium lateinisch vom Pulte und hernach verlas es ein andrer ebenso in deutscher Sprache. Es folgte das Te Deum laudamus, das vom Organisten angestimmt und einen Vers um den andern wechselsweise von ihm und den Choralisten ausgeführt wurde. Den Schluß machte das Da pacem, oder eine andre für die Zeit passende Antiphone und endlich das Benedicamus Domino.

[96] Der Vormittags-Gottesdienst begann in beiden Hauptkirchen präcis um 7 Uhr. Ein Orgelpraeludium bereitete auf eine dem Evangelium des jedesmaligen Sonntags angemessene und gewöhnlich lateinische Motette vor. Zur Zeit der Fasten oder wenn Landestrauer war und somit die Orgel nicht gespielt wurde, blieb die Motette fort, und es wurde mit dem Lobgesange Zachariae Benedictus Dominus Deus Israel und dem Vivo ego angefangen6. Der Introitus, mit welchem Herzog Heinrichs Agende den Gottesdienst begonnen wissen will, folgte erst jetzt; darnach das Kyrie. Es wurde abwechselnd in der einen Kirche lateinisch, in der andern deutsch gesungen; geschah das letztere, so wurde die Version: »Kyrie, Gott Vater in Ewigkeit« benutzt. Zuweilen wurde auch das »Kyrie« in concertirender Form gemacht, vermuthlich während der kirchlichen Trauerzeiten, d.h. also, da an den drei letzten Adventsonntagen, in der Fastenzeit und an den Bußtagen keine concertirende Musik stattfand, am ersten Adventsonntage, was zu Bachs oben gegebener Aufzeichnung stimmt. Ein anderer Tag, an welchem das Kyrie ebenfalls concertmäßig musicirt wurde, wird hernach unter den Festtagen namhaft gemacht werden. Nunmehr wurde von dem vor dem hohen Altar knieenden Geistlichen das Vaterunser gebetet und sodann von dem Küster der Abendmahlskelch auf den Altar gesetzt. Einer der Diaconen intonirte dasGloria in excelsis, worauf entweder der Chor mit dem Et in terra pax hominibus, oder die Gemeinde mit dem Liede »Allein Gott in der Höh sei Ehr« antwortete. Es folgte in lateinischer Fassung der Gruß des Geistlichen: Dominus vobiscum, mit der Antwort des Chors: Et cum spiritu tuo. Die hierdurch eingeleitete Collecte wurde ebenfalls lateinisch gelesen, d.h. im Collectenton gesungen; nach der darauf erfolgenden Absingung der Sonntags-Epistel vom Pulte, wurde in der Advents- und Fastenzeit die Litanei in der Weise gesungen, daß sich die Gemeinde nicht nur respondirend daran betheiligte, sondern auch in die Gegenstände der Bitten mit einstimmte; angestimmt wurde die Litanei in der Thomaskirche von vier hierzu bestellten Knaben, »Altaristen« genannt; der Chor respondirte7. [97] Darnach ein Gemeindelied, welches zum Evangelium paßte, während an den übrigen Sonntagen das Gemeindelied sich gleich an die Epistel anschloß und die Litanei fortblieb. Es folgte die Absingung des Evangeliums vom Pulte, darnach das von dem Geistlichen, welcher die Woche hatte, vor dem Altar intonirte Credo in unum Deum, worauf dann an den drei letzten Adventsonntagen und in der Fastenzeit, ebenso an den Aposteltagen das ganze Symbolum Nicaenum vom Chor lateinisch gesungen wurde. An den andern Sonntagen schloß sich an die Intonation des Geistlichen sofort das Praeludium zur Hauptmusik, und daran diese selbst8. War sie beendigt, so wurde von der Gemeinde der deutsche Glaube (»Wir glauben all an einen Gott«) gesungen. Wie früher gesagt ist, wurde in jeder der beiden Hauptkirchen an den gewöhnlichen Sonntagen nur einen um den andern Sonntag Figural-Musik gemacht. Wo sie nicht stattfand, schloß sich also an die Intonation desCredo gleich der deutsche Glaube an9. Nun kam die Predigt über das Evangelium, welche vor Verlesung desselben noch einmal durch das Gemeindelied »Herr Jesu Christ dich zu uns wend« unterbrochen wurde. Die Predigt dauerte eine Stunde, von 8 bis 9 Uhr, wie denn überhaupt die Gottesdienstordnung auf eine genaue Zeiteintheilung berechnet war; um sie streng innehalten zu können, war auf dem Orgelchor eine Sanduhr angebracht10. Nach der Predigt wurde die Kirchen-Beichte nebst den gewöhnlichen Kirchengebeten verlesen und nach den üblichen Abkündigungen der Act auf der Kanzel mit dem Vaterunser und dem paulinischen Wunsche »Der Friede Gottes, welcher höher ist, [98] denn alle Vernunft« u.s.w. beschlossen. Während der Prediger die Kanzel verließ, wurden ein paar Verse eines passenden Gemeindeliedes gesungen. Den letzten Haupttheil des Gottesdienstes bildete die Communion. Ob an gewöhnlichen Sonntagen den Einsetzungsworten Luthers Paraphrase des Vaterunsers mit der sich anschließenden Abendmahlsvermahnung vorherging, oder nicht, ist nicht ganz klar; indessen kann man es unter Berufung auf Herzog Heinrichs Agende als wahrscheinlich annehmen. Unter der Communion wurden deutsche Abendmahlslieder gesungen; es wurde aber zuweilen vor denselben selbst an gewöhnlichen Sonn- und Festtagen noch eine Figural-Musik gemacht, wie dieses aus Bachs obiger Aufzeichnung und aus einer über den zweiten Theil einer Continuostimme seiner Trinitatis-Cantate »Höchst erwünschtes Freudenfest« gesetzten Notiz hervorgeht. Den Beschluß des ganzen Gottesdienstes machte, wie es scheint ohne vorhergegangene Collecte, die Benediction »Gott sei uns gnädig und barmherzig und gebe uns seinen göttlichen Segen«.

Die Zeitdauer des Vormittagsgottesdienstes richtete sich nach der Anzahl der Communicanten. Manchmal war er erst um 11 Uhr zu Ende, dauerte also gegen 4 Stunden. Hieraus allein erklärt sich schon der frühe Beginn desselben. Die Folge war, daß er zur Winterszeit großentheils, die Kirchenmusik vor der Predigt immer bei Beleuchtung stattfand11.

Der Mittagsgottesdienst, welcher um 113/4 Uhr seinen Anfang nahm, war liturgisch nur sehr einfach ausgestattet. Er bestand aus einer Predigt mit zwei vorhergehenden und einem nachfolgenden Gemeindegesange. Der Chor war in ihm nicht beschäftigt.

Um 11/4 Uhr begann der Vespergottesdienst mit einer Motette, an welche sich ein Gemeindelied schloß. Einer der Diaconen sang vom Pulte einen Psalm, das Vaterunser und eine Collecte. Dann wieder ein Gemeindelied und die Predigt, welche über die Epistel, in der Adventszeit über den Katechismus und in den Fasten über die Passionsgeschichte gehalten wurde. Nach der Predigt wurde das [99] deutsche Magnificat auf die von Joh. Hermann Schein vierstimmig gesetzte Melodie gesungen12, und nach einer vor dem Altare recitirten Collecte und dem Segen der Gottesdienst mit dem Gemeindelied »Nun danket alle Gott« beendigt.

Was die Festtage betrifft, so zeichneten sich unter ihnen die drei hohen Feste, deren jedes drei Tage hindurch gefeiert wurde, durch einen besonders reichen Cultus aus. Die Mette in der Nikolai-Kirche erlitt keine Veränderung, außer daß sie anstatt um 51/2 Uhr um 5 Uhr begann. Der Vormittags- und Vesper-Gottesdienst wurde an allen drei Tagen durch einen vom Chor gesungenen Hymnus eingeleitet, diese Hymnen waren: zu Weihnachten: Puer natus in Bethlehem, zu Ostern: Heut triumphiret Gottes Sohn, zu Pfingsten: Spiritus sancti gratia. Im Vormittagsgottesdienst kam dann das Orgelpraeludium mit der Motette. Der Collecte, welche der Epistel voranging, scheint ein auf das Fest bezüglicher Versikel vorgefügt zu sein13. Nach dem der Predigt folgenden Liede wurde als Einleitung des Communionsactes die vollständige lateinische Präfation gesungen und sodann das Sanctus als Figuralmusik gemacht, außerdem während der Communion entweder eine Motette oder ein concertirendes Stück. Den ganzen Gottesdienst beschloß nach geschehener Benediction ein Festlied der Gemeinde. In der Vesper blieb die Collecte vor der Predigt fort, nach der Predigt wurde das Magnificat lateinisch und zwar als Figuralmusik gesungen. Kirchencantaten wurden an den beiden ersten Festtagen in beiden Kirchen sowohl im Vormittags-Gottesdienst, als in der Vesper aufgeführt; in letzterer nahmen sie den Platz der ausgelassenen Collecte ein. Es wurden jedoch für diesen Zweck an jedem Festtage nur zwei Cantaten gebraucht, da die Cantate, welche des Vormittags in der einen Kirche musicirt war, des Nachmittags in der andern aufgeführt wurde, und umgekehrt. Diejenige Kirche, in welcher der zeitige Superintendent zugleich Pastor war, also zu Bachs Zeit die Nikolaikirche, hatte hier den Vorrang, d.h. in ihr fungirte am ersten Festtage Vormittags jedesmal der erste und geübteste Chor unter Bachs eigner Leitung, [100] während am zweiten Festtage Vormittags in der Thomaskirche die sogenannte Principal-Musik stattfand. An den dritten Festtagen wurde nur in einer der beiden Kirchen Musik gemacht14.

Die Auszeichnung durch eine doppelte Kirchenmusik theilten mit Weihnachten, Ostern und Pfingsten noch das Neujahrs-, Epiphanias-, Himmelfahrts- und Trinitatis-Fest, sowie Mariae Verkündigung. Die Festhymnen waren: zu Neujahr und Epiphanias: Puer natus in Bethlehem, zu Himmelfahrt: Heut triumphiret Gottes Sohn, zu Trinitatis: Spiritus sancti gratia, also dieselben, wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Zu Neujahr und Epiphanias wurde nur in einer der Hauptkirchen Mittagspredigt gehalten. Unter den drei Marienfesten hatten nur Mariae Reinigung und Mariae Verkündigung einen besonderen gottesdienstlichen Charakter. An ersterem wurde mit dem Hymnus Ex legis observantia im Vormittags- und Vesper-Gottesdienst sowohl begonnen als geschlossen. Das Fest Mariae Verkündigung wurde am 25. März gefeiert. Fiel aber auf dieses Datum zugleich Gründonnerstag oder Charfreitag oder Ostern, so wurde es am Palmsonntage begangen; trotz der Fastenzeit war Figuralmusik und Orgelspiel. Das Reformationsfest wurde nur als halber Festtag begangen und zwar immer am 31. October; nur wenn dieser Tag auf Sonnabend oder Montag fiel, fand es am nachfolgen den oder vorhergehenden Sonntage statt15. Der Vormittagsgottesdienst begann mit Orgelspiel und Motette. Das dem Introitus folgendc Kyrie wurde concertmäßig musicirt. Als Episteltext wurde Thessal. II, 2, 3–8 abgesungen, als Evangelium Offenbarung Johannis 14, 6–8. Nach der Predigt sang der Chor das Te Deum mit Begleitung von Trompeten [101] und Pauken und im Anschluß daran die Gemeinde »Nun danket alle Gott«. Ohne Besonderheiten verliefen die Johannis-und Michaelis-Gottesdienste. Allen diesen Festtagen aber war gemeinsam, daß unter der Predigt ein Festlied gesungen wurde; wahrscheinlich wurde auch an allen die Epistel-Collecte durch einen passenden Versikel ausgezeichnet, die Collecte am Reformationstage scheint die lateinische pro pace gewesen zu sein16.

Der Cultus der Passionswoche theilte zunächst mit der gesammten Fastenzeit die Eigenthümlichkeit, daß in ihm nicht die Orgel gespielt und auch keine concertirende Musik gemacht wurde. Indessen galt dieses Gesetz nicht ausnahmslos. Daß es außer Kraft trat, wenn Mariae Verkündigung auf Palmsonntag fiel oder verlegt wurde, ist schon gesagt. Falls der Palmsonntag als solcher gefeiert wurde, verlief der Gottesdienst folgendermaßen. Ein Orgelpraeludium leitete sofort zum Kyrie über. Nach der Gloria-Intonation folgte das Gemeindelied »Allein Gott in der Höh sei Ehr«. Anstatt des Evangeliums sang der Archidiaconus vor dem hohen Altar unter Mitwirkung eines Schülerchors die Passion deutsch nach dem Evangelisten Matthäus. Darauf folgte die Motette von GallusEcce quomodo moritur justus17. Die Abendmahls-Handlung wurde nicht durch die volle Präfation eingeleitet, sondern es wurde nur eine, wie es scheint lateinische Eingangsformel zum Vaterunser, die sogenannte praefatio orationis dominicae verlesen18, was übrigens auch schon an den vorhergehenden Fastensonntagen von Oculi an zu geschehen pflegte. Dann wurde wieder eine Motette gesungen und von der Gemeinde Passions- oder Communionlieder. Für die Mette, die um 51/2 Uhr begann19, ist zu erwähnen, daß die Choralisten in ihr [102] den Hymnus Gloria, laus et honor tibi sit, Rex Christe sangen. Auch am Gründonnerstage wurde der Anfang mit einem Orgelpraeludium gemacht. Als Introitus wurde gesungenHumiliavit semet ipsum (Philipp. 2, 8), nach der Epistel der Hymnus Crux fidelis inter omnes und während der Communion die Motette Jesus Christus Dominus noster. Der Charfreitag hatte mit dem Gründonnerstage den Introitus gemeinsam, aber jetzt blieb die Orgel gänzlich stumm. Zur Epistel und zum Evangelium wurden Psalm 22 und Jesaias 53 ein Jahr um das andre abwechselnd benutzt. An Stelle aber des gesungenen Evangeliumstextes trat, wie am Palmsonntage die Passion nach Matthäus, so jetzt diejenige nach Johannes. Die Passionsberichte des Marcus und Lucas wurden von der Liturgie nicht berücksichtigt. Es folgte nun aber nicht die Motette Ecce quomodo, sondern das deutsche Gemeindelied »O Traurigkeit! o Herzeleid!« Der Communion ging wieder die Praefatio orationis dominicae vorher, dagegen blieb unter der Communion die Motette fort, es wurden nur Abendmahls- und Passionslieder von der Gemeinde gesungen. Bis zum Jahre 1721 hatte man in den Leipziger Hauptkirchen keine andern als choralische Passionsaufführungen gekannt. Der Andrang der Opernmusik war aber allmählig so stark geworden, daß man ihm endlich auch in der Charwoche nachgab. Mit dem genannten Jahre eroberte sich die im Figuralstil gehaltene moderne madrigalische Passionsmusik in der Charfreitags-Vesper ihren Platz. Kuhnau, der so viel über den verderblichen Einfluß der Opern auf die Kirchenmusik geklagt hatte, mußte sich nun sogar herbeilassen, selbst noch eine solche zu componiren. Sie ist – wenigstens als Skizze – erhalten und wird weiter unten genauer charakterisirt werden. Die neuen Passionsaufführungen fanden in jahrweiser Abwechslung bald in der Nikolai- bald in der Thomaskirche statt. Doch kam die Thomaskirche dieses Mal zuerst an die Reihe, vielleicht weil sie die für größere Musikaufführungen geeigneteren Räumlichkeiten hatte20. Diese Einrichtung hat fast ein halbes Jahrhundert Bestand gehabt, bis durch eine Consistorial-Verfügung vom [103] 20. März 1766 die choralischen Passionen ganz abgeschafft wurden. Die Diaconen waren meistens der Musik unkundig gewesen, die Aufführungen hatten schlecht geklungen und die Erbauung nicht gefördert. Von 1766 ab sind die madrigalischen Passionsmusiken im Vormittagsgottesdienste aufgeführt worden, und zwar eine und dieselbe in der Thomas- und Nikolai-Kirche, doch so, daß sie das eine Jahr auf Palmarum in der Thomaskirche, auf Charfreitag in der Nikolaikirche und das andre Jahr in umgekehrter Weise stattfanden. Mit der Zeit sind sie aus dem Cultus ganz verschwunden. Der Vesper-Gottesdienst des Charfreitags verlief also zu Bachs Zeit in folgender Ordnung. Mit einer Motette wurde begonnen, dann sang die Gemeinde das Lied »Da Jesus an dem Kreuze stund«. Darauf folgte die Passionsmusik. Die nun folgende Predigt war vor 1721, bis wohin auch nur in der Thomaskirche Charfreitagsvesper stattgefunden hatte, immer über das Begräbniß Christi gehalten worden. Regel ist dieses zweifelsohne auch später geblieben, obgleich es einen Mißstand mit sich führen mußte, wenn die Passion, wie beide Bachschen, zweitheilig war. In solchem Falle wurde nämlich der eine Theil vor, der andre nach der Predigt gemacht und somit der continuirliche Fortgang in der Idee der Cultushandlung gestört. Nach der Predigt ertönte außerdem wieder die Motette Ecce quomodo. Die Gemeinde stimmte abermals das Lied »O Traurigkeit! o Herzeleid!« an, Collecte und Segen wurden gesungen und den Schluß machte das Gemeindelied »Nun danket alle Gott«21.

Es ist noch übrig, über den sonn- und festtäglichen Cultus in der Universitätskirche das nöthige zu sagen. Derselbe verlief bedeutend einfacher. Der Vormittagsgottesdienst begann um 9 Uhr mit einem Orgelpraeludium und dem Gemeindegesang »Allein Gott in der Höh sei Ehr«. Es folgte ein dem Tage angemessenes anderes Lied, dann der Glaube und dann die von einem der theologischen Universitätsprofessoren über das Evangelium gehaltene Predigt. Nach der Predigt wurde wieder ein Gemeindelied gesungen, an welches sich die Kirchenmusik schloß. Zu Kuhnaus Zeit fand sie nur an den hohen Festen und während der Messen statt. Seit Bach und [104] Görner sich in die Direction theilten, war sie häufiger; ob allsonntäglich oder in welcher Ordnung sonst, wissen wir nicht. Nach der Musik wurde vom Prediger mit der Benediction »Gott sei uns gnädig« der einfache Schluß gemacht. Am Nachmittag wurde von 31/4 – 4 Uhr eine kurze Vesper gehalten, die nur aus einem Gemeindelied, einer von einem Candidaten gehaltenen Predigt und dem Schlußliede »Ach bleib bei uns Herr Jesu Christ« bestand. Eine Charfreitags-Vesper mit Orgelspiel und Kirchenmusik (vermuthlich ebenfalls einer Passionsaufführung) wurde 1728 eingeführt22. Dahin hatte es Görner mit der Zeit gebracht.

Aus der Zahl der Wochengottesdienste bedürfen nur die in der Thomaskirche gehaltenen einer Erwähnung. In der Nikolai-Kirche wurde die Liturgie durch die Choralisten besorgt und in der Universitätskirche fand kein Wochengottesdienst statt. Die Wochentage, an denen der Thomanerchor in der Kirche beschäftigt war, waren Dienstag, Donnerstag, Freitag und Sonnabend. Am Dienstag um 63/4 Uhr wurde gepredigt mit vorausgehendem Gemeindelied. Der Chor sang einige lateinische Psalmen, das Canticum Zachariae, einen deutschen Psalm und zum Schluß das Benedicamus Domino. Am Donnerstag zu derselben Zeit war Predigt mit Communion; die Liturgie stimmte mit der des Dienstages überein, nur wurde vor der Predigt noch der Glaube gesungen. Am Freitag, dem gewöhnlichen Bußtage, war um 11/2 Uhr große Betstunde, in welcher die Litanei gesungen wurde. Am Sonnabend um 2 Uhr wurde, zunächst für diejenigen, welche Sonntags zum Abendmahl gehen wollten, ein Beichtgottesdienst gehalten. Die Thomaner begannen mit einem Gesange (ob Motette, Hymnus oder Psalm, ist nicht zu sagen); nach der Bußpredigt wurde das Magnificat, eine Collecte und der Segen gesungen. Während dann Privatbeichte gesessen wurde, fand auf dem Orgelchor die Hauptprobe zur Sonntagsmusik statt. In diesen Wochengottesdiensten konnten keine Bachschen Compositionen zur [105] Aufführung kommen; höchstens daß einmal am Sonnabend die Möglichkeit gewesen wäre. Ihre Erwähnung erscheint aber deshalb nicht unwichtig, weil sie das Bild des kirchlichen Lebens vervollständigen, in welches Bachs Kirchenmusiken als integrirender Theil hineingehören. In dem vollen Reichthum seiner Bestandtheile ist das Bild auch hiermit noch nicht dargestellt. Es würde zu diesem Zwecke noch die Beschreibung des Gottesdienstes in der Neuen und Peters-Kirche erforderlich sein, zu dessen Liturgie Bach wenigstens in einem losen Verhältniß stand, sowie endlich des Gottesdienstes in der Johannis- und Georgen-Kirche. Indessen genüge deren Nennung; daß das kirchliche Leben Leipzigs von einer seltenen Mannigfaltigkeit war, wird man erkennen. Und diese vielen gottesdienstlichen Acte waren nicht etwa aus andersgesinnten Zeiten überkommen und wurden nicht nur respectvoll conservirt, sondern grade die letzte Generation war es gewesen, welche 1699 den Gottesdienst in der Neuen Kirche, 1711 denjenigen in der Peterskirche wiederhergestellt und 1710 den bisher nur vereinzelt stattfindenden Gottesdienst in der Universitätskirche zur Freude der ganzen Stadt23 in einen regelmäßig sonntäglichen umgewandelt hatte. Es steht also außer Zweifel, daß damals in Leipzig ein sehr reger kirchlicher Sinn herrschte und daß Bach im Rechte war, wenn er sich von der Wirkung einer bedeutenden Kirchenmusik an diesem Orte etwas versprach.

Die feste und bis ins einzelne ausgebildete Form der Gottesdienste erstreckte sich auch auf die Theilnahme der Gemeinde. Nicht nur wo sie in das Ganze einzugreifen, sondern auch womit sie es zu thun hatte, war in der Mehrzahl der Fälle vorgeschrieben. In dem Cultus der gewöhnlichen Sonntage hatten, wie gezeigt worden ist, die Gemeindelieder »Allein Gott in der Höh«, »Wir glauben all«, »Herr Jesu Christ dich zu uns wend«, »Nun danket alle Gott«, »Ach bleib bei uns Herr Jesu Christ« ihren festen Platz, während für das Lied zum Evangelium und nach der Predigt eine wenn auch immer beschränkte Auswahl offengelassen war. An den Festtagen galten genauere Bestimmungen. Zwischen Epistel und Evangelium wurden des Vormittags gesungen: Weihnachten »Gelobet seist du, Jesu [106] Christ«, Ostern »Christ lag in Todesbanden«, Pfingsten »Komm heiliger Geist, Herre Gott«: nach dem Eingange der Predigt: Weihnachten »Ein Kindelein so löbelich«, Ostern »Christ ist erstanden«, Pfingsten »Nun bitten wir den heilgen Geist«. In der Vesper wurde nach der Kirchenmusik gesungen: Weihnachten »Vom Himmel hoch da komm ich her«, oder »Vom Himmel kam der Engel Schaar« oder »Lobt Gott, ihr Christen allzugleich«, Ostern »Christ lag in Todesbanden«, Pfingsten »Komm heiliger Geist, Herre Gott«. Zu Neujahr wurden an denselben Stellen wiederum die Weihnachtslieder, dazu dann aber noch Neujahrslieder gesungen; die Weihnachtslieder kamen ferner noch am Epiphaniasfeste und dem Feste Mariae Reinigung zur Anwendung, doch wurde an jenem außerdem gesungen »Was fürchtst du, Feind Herodes, sehr«, an diesem, aber nur in der Vesper, »Mit Fried und Freud ich fahr dahin«. Für Mariae Verkündigung war als Evangeliumlied festgesetzt »Herr Christ, der einig Gott's Sohn«, als Lied zwischen der Predigt »Nun freut euch lieben Christen g'mein«. Dieser selbe Gesang wurde am Himmelfahrtstage vor dem Evangelium angestimmt, während zwischen der Predigt »Christ fuhr gen Himmel« ertönte. Am Trinitatisfeste wurde vor dem Evangelium »Gott der Vater wohn uns bei«, am Johannisfeste an derselben Stelle »Christ unser Herr zum Jordan kam« gesungen. Am Michaelisfeste durfte der Gesang »Herr Gott dich loben alle wir« nicht fehlen. Der Reformationstag wurde durch das Evangeliumlied »O Herre Gott dein göttlich Wort«, das Predigtlied »Erhalt uns Herr bei deinem Wort« charakterisirt, außerdem schloß sich, wie schon im Vorbeigehen erwähnt wurde, an das Te Deum der Gesang »Nun danket alle Gott«. Als Evangeliumlied galt für den die Charwoche einleitenden Palmsonntag »Aus tiefer Noth schrei ich zu dir«, für Gründonnerstag »Jesus Christus unser Heiland, der von uns den Zorn Gottes wandt«. Am Charfreitage wurde Vormittags vor der Passion das Lied »Da Jesus an dem Kreuze stund«, nach derselben »O Traurigkeit! o Herzeleid!«und zwischen Predigt und Communion »O Lamm Gottes unschuldig« gesungen. Die Lieder des Vesper-Gottesdienstes, der in seiner Gestalt zu Bachs Zeit für uns ein besonderes Interesse hat, sind oben schon im Zusammenhange seiner sämmtlichen Bestandtheile angeführt24.

[107] Ein allgemeines Gesangbuch war in den Leipziger Kirchen nicht eingeführt; nach obigem lag dazu auch keine dringende Nothwendigkeit vor. Das Gesangbuch von Vopelius war im Gebrauch, scheint aber mehr nur allgemeinen Orientirungszwecken gedient zu haben25. Gesner wünschte, daß jeder Schüler im Besitz eines Dresdenischen Gesangbuchs sei und solches in der Kirche immer bei sich habe, worüber der Cantor und der Conrector, als die Inspectoren in der Kirche, zu wachen hätten26. Dies wird sein das »Neuauffgelegte Dreßdnische Gesang-Buch, Oder Gottgeheiligte Kirchen- und Hauß-Andachten«; es war mit Melodien versehen und erschien im Jahre 1707 zu Dresden und Leipzig in Quart27. In der Kirche des St. Georgen-Waisenhauses wurde das von Johann Montag in Halle gedruckte Gesangbuch benutzt28. Ein eignes Leipziger Gesangbuch in Octav gab 1747 C.G. Hofmann heraus; er war in der Einrichtung Vopelius gefolgt, hatte aber die Melodien fortgelassen. Indessen scheint den Leipziger Kirchgängern das handliche Volumen nicht sonderlich zugesagt zu haben, denn fünf Jahre später ließ Hofmann sein Gesangbuch in Quart auflegen. Bach selbst bediente sich des reichhaltigen [108] Gesangbuches, welches Paul Wagner zusammenstellte, und nach dessen Tode Magister Johann Günther, Diaconus an der Nikolai-Kirche, im Jahre 1697 zu Leipzig unter dem Titel »Andächtiger Seelen geistliches Brand- und Gantz-Opfer« in acht Octavbänden erscheinen ließ29.

Die nach und nach herrschend gewordene Sitte, den Gemeindegesang stets mit der Orgel zu begleiten, existirte damals in Leipzig noch nicht. In Zeiten der Landestrauer, bei Bußtagen und in der Fastenzeit hatte das gänzliche oder theilweise Schweigen der Orgel den Zweck, die düstre Stimmung des Cultus zu verstärken. Aber auch an den Fest- und gewöhnlichen Sonntagen wurde wenigstens das Kanzellied stets ohne Orgelbegleitung gesungen30. Die so herbeigeführte Abwechslung machte den Cultus reicher und farbiger. Bei der Combination von Orgel und Chorgesang zeigt sich dasselbe Bestreben. Die Choralisten der Nikolai-Kirche sangen in der Mette das Te Deum so, daß sie Vers um Vers mit der Orgel alternirten. Es ist Grund anzunehmen, daß der chorale Gesang des Geistlichen und des Chors in der Regel ohne Orgelbegleitung war. Freilich sprachen hier praktische Rücksichten so laut mit, daß wohl kaum in irgend einer Kirche darüber eine ganz feststehende Norm herrschte. Bei der Litanei namentlich wurde in den sächsischen Kirchen die Orgel mehrfach verwendet, um das Herunterziehen aus der anfänglichen Tonhöhe zu verhindern31. In der Figuralmusik war der A capella-Gesang mehr und mehr in Abnahme gekommen. Mattheson sagte im Jahre 1717 anläßlich seines Streites mit Buttstedt: »wo sind die Vocalisten, die ohne Instrumente, ohne ein Fundament, es sei des Claviers oder der Orgel, anjetzo singen? (die Trio, welche mitten im Stücke vorkommen, haben eine andre Beschaffenheit) wo sind die Sänger, frage ich, die eine einzige Arie ohne Instrumente singen und im Ton bleiben können? Der Gegner wird sich vermuthlich [109] in die Currente verliebt haben, denn sonst wüßte ich kein Exempel von solchen Sängern«32. Und hiermit übereinstimmend belehrt uns Bachs Schüler Kirnberger, dessen Zeugniß also für die Leipziger Praxis von besonderer Bedeutung ist: »Von jeher wurden Kirchenmusiken, wenn dieselben auch ohne Instrumente waren, vier- acht- oder mehrstimmig gesungen, mit der Orgel zum Fundament und Aufrechthaltung der Musik begleitet, oder wenigstens ein Positiv gebraucht, wenn eine Musik beim Grabe Christi oder andern Gelegenheiten unten in der Kirche aufgeführet wurde, wobei Contra-Violons nach Proportion der Anzahl von Sängern waren. Man begleitete zwar auch auf eine andere Art jede Singstimme mit Posaunen und Zinken33, ließ aber dabei nie die Anwendung wenigstens eines Positives außer Acht«34. Die Art, in der Motette Instrumente mit den Singstimmen zu verbinden, wurde mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts üblich, wo die reine Form der Motette anfing auszuarten und in andre Gebiete hinüberzugreifen35. Mußte sie sich auf diese Weise mit der concertirenden Musik oft sehr nahe berühren, so blieb doch der Grundunterschied bestehen, daß die begleitenden Instrumente nicht obligat sein durften36; nur hinsichtlich des Generalbasses wurde hier und da eine Ausnahme gestattet. So sehr verschmolz im 18. Jahrhundert diese Art der Instrumentalbegleitung als eine selbstverständliche Zubehör mit dem Begriff der Motette, daß man Chormusik mit Orgelaccompagnement einfach »bloße Vocalmusik« oder »A cappella-Musik« zu nennen pflegte37. [110] Matthesons Ausspruch greift wohl zu weit, aber sicher nicht viel. Die Thomaner, welche nie ohne einen unterstützenden Streichbass übten, nahmen, wenn sie außer ihren Straßenumgängen auswärts zu singen hatten, überallhin ein der Schule gehöriges Regal mit38. Daß die im 17. Jahrhunderte beliebte Weise, die Motetten mit Zinken und Posaunen zu begleiten, in Leipzig noch nicht abgekommen war, beweisen nicht nur verschiedene eigne Compositionen Bachs, sondern auch die von ihm eigenhändig geschriebenen Stimmen für Zinken, Posaunen und Orgel zu einer Palestrinaschen Messe. Daß endlich die Begleitung der Orgel zur Motette hier das allgemein übliche war, lehrt eine aufmerksame Betrachtung der Gottesdienstordnung. Am Charfreitag-Vormittag, wo die Orgel gänzlich schwieg, blieb auch vor der Predigt und unter der Communion die Motette fort; in der Vesper, wo, schon der Passionsmusik wegen, die Orgel wieder gebraucht werden mußte, war auch die Motette da; ebenso am Palmsonntag und Gründonnerstag39. An gewöhnlichen Sonntagen praeludirte zur Motette die Orgel, was ohne Sinn gewesen wäre, wenn sie zur Motette selbst hätte schweigen sollen. An den Festtagen stand das Praeludium zwischen dem Hymnus und der Motette, also jener war ohne, diese mit Orgelbegleitung. So tritt überall die Absicht hervor, die im Cultus gebräuchlichen musikalischen Mittel abwechslungsreich zu verwenden und diesen selbst zu einer Art von Kunstwerk zu gestalten. Es darf hier noch daran erinnert werden, daß man die Singstimmen auch durch mitgehende Streichinstrumente zu verstärken pflegte40.

Die Orgeln der beiden Hauptkirchen, die Bach als Cantor zwar nicht zu spielen hatte, die aber doch für die von ihm geleitete Kirchenmusik von hoher Bedeutung waren, entsprachen nur mäßigen Anforderungen: sie waren alt und gebrechlich. In der Thomaskirche befanden sich zwei. Die größere war im Jahre 1525 aufgestellt worden, nachdem sie zuvor in der Marienkirche der Antonier-Mönche zur Eiche unweit Leipzig ihren Platz gehabt hatte. Sie wurde im [111] 17. Jahrhundert zweimal renovirt, erfuhr 1670 auch eine Vergrößerung. Im Jahre 1721 war sie abermals erneuert worden, wie schon gelegentlich erwähnt worden ist. Die Arbeit, welche außer in einer gründlichen Ausbesserung auch in der Einfügung von 400 neuen Pfeifen zu Mixtur-Registern bestand41, hatte Johann Scheibe besorgt, der geschickteste Leipziger Orgelbauer jener Zeit, der auch von einem so strengen Richter, wie Bach es war, hochgeschätzt wurde42. Obgleich während Bachs Amtsführung auch die Orgelbauer David Apitzsch und Zacharias Hildebrand zur Instandhaltung des Werks herbeigezogen wurden, so hat doch Scheibe die Hauptarbeiten, welche sich in dieser Zeit nöthig machten, auch fernerhin besorgt. Die erste fand im Jahre 1730 statt und bestand darin, daß das Rückpositiv vom Hauptwerk unabhängig gemacht und mit einer eignen Manual-Tastatur versehen wurde43. Die zweite wurde im Sommer 1747 vorgenommen, wo die Orgel wieder so verfallen war, daß sie fast nicht mehr gebraucht werden konnte. Bach und Görner überwachten die Reparatur, deren Kosten auf 200 Thaler normirt waren, gemeinsam und fanden, daß Scheibe alles tüchtig und gut ausgeführt habe44. Die Disposition der Orgel war diese:


Oberwerk:

1. Principal16 Fuß

2. Principal8 –

3. Quintatön16 –

4. Octave4 –

5. Quinte3 –

6. Superoctave2 –

7. Spiel-Pfeife8 –

8. Sesquialteradoppelt

9. Mixtur6-, 8- bis 10fach.


Brustwerk.

1. Grobgedackt8 Fuß

2. Principal4 –

3. Nachthorn4 –

4. Nasat3 –

5. Gemshorn2 –

6. Cymbel2fach

7. Sesquialtera

8. Regal8 Fuß

9. Geigenregal4 –


[112] Rückpositiv.

1. Principal8 Fuß

2. Quintatön8 –

3. Lieblich Gedackt8 –

4. Klein Gedackt4 –

5. Querflöte4 –

6. Violine2 –

7. Rauschquintedoppelt.

8. Mixtur4 fach

9. Sesquialtera.45

10. Spitzflöte4 Fuß

11. Schallflöte1 –

12. Krummhorn16 –

13. Trompete8 –


Pedal

1. Subbass von Metall16 Fuß

2. Posaune16 Fußmit Körpern von

verzinntem Blech.46

3. Trompete 8 –mit Körpern von

verzinntem Blech.

4. Schalmei 4 –mit Körpern von

verzinntem Blech.

5. Cornet 3 –mit Körpern von

verzinntem Blech.


Die Orgel lag dicht an der westlichen Wand der Kirche. Erst im Jahre 1773 ist sie in eine bessere Stellung gebracht und weiter hervorgerückt worden; bei diesem Umbau wurde das Rückpositiv ganz beseitigt47. Auch das Orgelchor hat zu Bachs Zeit eine andre Gestalt gehabt, als jetzt. Es war sehr viel kleiner, außerdem befanden sich auf demselben die Kirchenstühle für die Lehrer der Thomasschule. Hiller vertrieb sie aus denselben und placirte die Trompeter und Pauker hinein48. Aber auch so wollte der Raum mit der Zeit nicht mehr ausreichen. Deshalb wurde im Jahre 1802 nach dem Vorschlage des Cantors Müller das Orgelchor ganz umgebaut, erhöht und an der vorderen Brüstung mit einem durchbrochenen Gitter versehen. Eine Erweiterung hat dann noch im Jahre 1823 stattgefunden49.

Die kleinere der beiden Thomasorgeln war die ältere, sie wurde 1489 erbaut. Als die größere Orgel hereingeschafft wurde, setzte man die kleinere neben sie ebenfalls an die Westwand der Kirche. [113] Hier hat sie aber nicht lange gestanden. Im Jahre 1638 wurde die jetzt noch vorhandene quer über den Kirchenraum hin gestreckte Emporkirche über dem hohen Chore erbaut und auf dieser die kleine Orgel aufgestellt, so daß sie nun sich der großen gegenüber befand. Ostern 1639 wurde sie an diesem Orte, nachdem sie ausgebessert war, zum ersten Male gespielt, und stand dort auch noch zu Bachs Zeit50. 1727 setzte sie Zacharias Hildebrand noch einmal in Stand51; aber es war nicht mehr viel mit ihr zu machen und 1740 mußte sie Scheibe ganz abtragen. Was sich von ihren Bestandtheilen noch brauchbar erwies, benutzte er zum Bau der Orgel in der Johanniskirche, den er von 1742 – 1744 zur vollsten Befriedigung der Revisoren Bach und Hildebrand ausführte52. Hier die Disposition der kleinen Thomasorgel:


Oberwerk.

1. Principal8 Fuß

2. Gedackt8 –

3. Quintatön8 –

4. Octave4 –

5. Rauschquinte3 und 2 Fuß53

6. Mixtur4, 5, 6, 8 bis 10fach.

7. Cymbel2fach.


Brustwerk.

1. Trichter-Regal8 Fuß

2. Sifflöte1 –

3. Spitzflöte2 –


Rückpositiv.

1. Principal4 Fuß

2. Lieblich Gedackt8 –

3. Hohlflöte4 –

4. Nasat3 –

5. Octave2 Fuß

6. Sesquialteradoppelt.

7. Dulcian8 Fuß

8. Trompete8 –


Pedal.

1. Subbass von Holz16 Fuß

2. Fagott16 –

3. Trompete8 –54


[114] Die Orgel wurde nur an den hohen Festtagen benutzt. Es war nicht ungebräuchlich, dort, wo zwei Orgeln vorhanden waren, dieselben bei doppelchörigen Motetten oder Arien so zu verwenden, daß jeder Chor sein eignes Orgelaccompagnement hatte, wodurch denn auch eine räumlich größere Entfernung beider Chöre von einander bedingt war. In Wismar wurde noch im Anfange des 18. Jahrhunderts die Keimannsche, von Hammerschmidt componirte Arie »Freuet euch, ihr Christen alle«55 zum Weihnachtsfeste in solcher Weise gesungen. Das einleitende Hallelujah wurde vom gesammten Chore und mit begleitenden Zinken und Posaunen angestimmt. Dann sang jedesmal, unterstützt von der einen Orgel, eine einzelne Stimme den Anfang der Strophe, bei den Worten »Freude, Freude über Freude« wurde sie von einem vollen Chore unter Begleitung der andern Orgel abgelöst, das Schluß-Hallelujah sangen und musicirten wieder alle zusammen56. Die nicht unbeträchtliche Entfernung, welche in der Thomaskirche zwischen den beiden Orgeln bestand, erschwerte freilich ein präcises Zusammengehen der Chöre. Indessen mit solchen Schwierigkeiten suchte man fertig zu werden, und wenn einmal Unordnung eintrat, so entschädigte dafür die feierliche Wirkung, welche die von verschiedenen Orten der Kirche zusammenströmenden Tonwellen sonst machen mußten. Kuhnau führte zur Reformationsjubelfeier im Jahre 1717 in der Universitätskirche eine dreichörige Festmusik auf, bei welcher die Chöre an drei verschiedenen Stellen der Kirche postirt waren: der eine befand sich auf dem Raume vor der neu erbauten Orgel, die beiden andern in geräumigen, der Orgel gegenüber liegenden Kirchenstühlen (wahrscheinlich hinter der Kanzel), [115] wo zwei starke Positive und ebenfalls Instrumentalmusiker aufgestellt waren57. Früher hatte in der Universitätskirche gar der seltsame Zustand geherrscht, daß der musicirende Chor weit von der Orgel entfernt stand: die Orgel war hinter der Kanzel, der Stand des Chors an der dem Altar gegenüberliegenden Kirchenwand. Trotzdem hatte man mit einander musicirt und es war gegangen, wenn auch Kuhnau und Vetter die neue Einrichtung mit Freude begrüßten, weil nun die früher gespürten Differenzen zwischen der Musik und der Orgel leichter verhütet werden könnten58.

Die Nikolaikirche besaß eine aus den Jahren 1597–1598 stammende Orgel. Die letzte Reparatur vor Bachs Zeit hatte sie 1692 erfahren. Sie bestand danach aus folgenden Stimmen:


Oberwerk.

1. Principal8 Fuß

2. Sesquialtera11/5

3. Mixtur6fach

4. Superoctave2 Fuß

5. Quinte3 –

6. Octave4 –

7. Gemshorn8 –

8. Grobgedackt8 Fuß

9. Quintatön16 –

10. Nasat3 –

11. Waldflöte2 –

12. Fagott16 –

13. Trompete8 –


Brustwerk.

1. Schalmei4 Fuß

2. Principal4 –

3. Mixtur3fach

4. Quinte3 Fuß

5. Octave2 Fuß

6. Sesquialtera11/5

7. Quintatön8 –


[116] Rückpositiv.

1. Principal4 Fuß

2. Gedackt8 –

3. Viola da Gamba4 –

4. Gemshorn4 –

5. Quinte3 –

6. Quintatön4 Fuß

7. Octave2 –

8. Sesquialtera11/5

9. Mixtur4fach

10. Bombart8 Fuß


Pedal.

1. Cornet2 Fuß

2. Schalmei4 –

3. Trompete8 –

4. Octave4 Fuß

5. Gedackter Subbass16 –

6. Posaune16 –59


Im Jahre 1725 wurde das Werk durch Scheibe neu hergestellt. Die Arbeit war sehr tiefgreifend und kostete 600 Thaler60. Welche Veränderungen durch sie etwa hinsichtlich der Register erfolgt sind, kann leider nicht angegeben werden. In dem nun geschaffenen Zustande blieb die Orgel bis in Bachs Todesjahr, wo Zacharias Hildebrand sie noch einmal auffrischte.

In der Thomaskirche sowohl als in der Nikolaikirche standen die Orgeln im Chorton. Diese Stimmung war wie überall so auch in Leipzig damals die herrschende. Auch die Orgel der Neuen Kirche hatte sie61.

Gegenüber diesen mittelmäßigen und »wandelbaren« alten Orgelwerken besaß aber die Universitätskirche seit dem 4. November 1716 eine Orgel, die hohen Anforderungen genügte, und die Bach, wenn er zum eignen Vergnügen spielte oder sich vor andern hören ließ, wohl meistens benutzt haben wird. Ihre Beschaffenheit kennen zu lernen dürfte deshalb ebenfalls von hervorragendem Interesse sein.


Hauptwerk.

1. Groß Principal von reinem Bergzinn16 Fuß

2. Groß Quintatön16 –

3. Klein Principal8 Fuß

4. Schalmei8 –

5. Flûte allemande8 –

[117] 6. Gemshorn8 Fuß

7. Octave4 –

8. Quinte3 –

9. Quint-Nasat3 –

10. Octavina2 –

11. Waldflöte2 Fuß

12. Große Mixtur5 und 6fach

13. Cornetti3fach

14. Zink2fach

Brustwerk.

1. Principal von reinem

Bergzinn im Gesichte8 Fuß

2. Viola di gamba natu-relle62

3. Grobgedackt mit weiter Mensur8 –

4. Octave4 –

5. Rohrflöte4 –

6. Octave2 Fuß

7. Nasat3 –

8. Sedecima1 –

9. Schweizer Pfeife 1 –

10. Largo63

11. Mixtur3fach

12. Helle Cymbel2fach


Unter-Clavier.

1. Lieblich Gedackt8 Fuß

2. Quintatön8 –

3. Flûte douce4 –

4. Quinta decima4 –

5. Decima nona3 –

6. Hohlflöte2 –

7. Viola2 Fuß

8. Vigesima nona11/2

9. Weitpfeife1 –

10. Mixtur3fach

11. Helle Cymbel2 –

12. Sertin8 Fuß64


Pedal.

Sechs Register, die durch eine neue und besondere Erfindung auf den großen Manual-Windladen angebracht waren:

1. Groß Principal von reinem

Bergzinn im Gesichte16 Fuß

2. Groß Quintatön16 –

3. Octave8 Fuß

4. Octave4 –

5. Quinte3 –

6. Mixtur5- und 6fach


[118] Register auf den kleinen Brust-Pedal-Windladen:

7. Großer heller Quintenbass

im Gesichte6 Fuß

8. Jubal8 –65

9. Nachthorn4 Fuß

10. Octave2 –


Register auf den großen Windladen zu beiden Seiten:

11. Groß Principal von reinem

Bergzinn im Gesichte16 Fuß

12. Subbass16 –

13. Posaune16 Fuß

14. Trompete8 –

15. Hohlflöte1 –

16. Mixtur4fach


Bei-Register.

Ventilezum Hauptwerk

Ventilezum Brustwerk

Ventilezu den Seiten-Bässen

Ventilezur Brust und Manual66

Ventilezum Stern

Ventilezum Hinterwerk

Calcanten-Glöcklein.67


Wie früher erzählt worden ist68, war Bach die ehrenvolle Aufgabe gestellt gewesen, dieses Orgelwerk, dessen Bau von Vetter hatte überwacht werden müssen, nach seiner Vollendung zu prüfen. Er war damals grade von Weimar nach Cöthen übergesiedelt. Sein Urtheil hatte er in einem schriftlichen Berichte an die Universität niedergelegt, der hier folgt69.

»Da auf Verlangen Ihrer HochEdlen Magnificenz Herrn D. Rechenbergs, der Zeit Rectoris Magnifici bey der Hochlöblichen Academie [119] zu Leipzig die Untersuchung des theils neu Verfertigten, theilsreparirten Orgel Wercks in der Pauliner Kirche auf mich genommen, so habe solches nach Möglichkeit bewerckstelliget, die etwanigen Defecta remarquiret und überhaupt vom gantzen Orgelbau folgendes ausfertigen wollen, als:

1.) Die gantze Structur anlangend ist freylich nicht zu läugnen, daß solche sehr enge gefast, und daher schwerlich iedem Stücke beyzukommen, so sich etwan mit der Zeit einiges zu repariren finden solte, solches excusiret nun Herr Scheibe als Verfertiger schon berührter Orgel damit, daß vors erste das Orgelgehäuße von ihme nicht verfertiget, und er also so gut es immer sich hätte wollen thun laßen, mit dem Eingebäude nach selbigen sich richten müßen, vors andere man Ihme den noch verlangten Raum, um die Structur commoder einzurichten, gar nicht gestatten wollen.

2.) Die gewöhnlichen Hauptpartes einer Orgel, als Windladen, Bälge, Peiffen, Wellen-Breter und übrigen Stücke sind mit gutem Fleiße verfertiget, und ist dabey nichts zu errinnern, als daß der Wind durchgehends aequaler gemacht werden muß, damit dem etwanigen Windstoßen abgeholfen werden möge, die Wellen Breter solten zwar in Rahmen gefaßet seyn, um alles Geheule bey schlimmen Witterungen zu vermeiden, da Herr Scheibe aber nach seiner Arth solche mit Tafeln verfertiget, und dabey versichert, daß solche eben das thäten, was die mit Rahmen sonst thun müsten, so hat man solches passiren lassen.

3.) Die in der Disposition so wohl, als sämtlichenContracten berührten Stücke sind so wohl qualitate als quantitate befindlich, außer 2 Rohrwercke, nehmlich: Schallmey 4. F. und Cornet 2. F., welche vermöge eines Hochlöblichen Collegii Befehl haben unterbleiben müßen, an dero Statt aber die Octava 2. F. im Brustwerck, und dann die Hohlflöte 2. F. im Hinterwerck beygebracht worden.

4.) Die etwanigen Defecta wegen der inaequalitate der Intonation gezeiget, müßen und können so fort von dem Orgelmacher verbeßert werden, als nehmlichen, daß die tiefesten Pfeiffen im Posaunen und Trompeten-Bass nicht so groß und blatterend ansprechen, sondern einen reinen und firmen Thon angeben und behalten, und dann die übrigen Pfeiffen so inaequal, fleißig corrigiret und zur Gleichheit gebracht werden, welches denn vermittelst nochmahliger[120] Durchstimmung des gantzen Wercks und zwar bey beßerer Witterung, als vorietzo, gar füglich geschehen kan.

5.) Die Tractirung des Wercks sollte zwar etwas leichter seyn und die Clavire nicht so tief fallen, weilen aber vermittelst der gar zu engen Structur solches nicht anders hat seyn können, so muß man dißfalls es gelten laßen, iedoch ist es noch so zu spielen, daß man eines Stecken Bleibens im Spielen sich nicht zu befürchten.

6.) Weilen auch der Orgelmacher eine neue Brust Windlade noch über die Contracte hat verfertigen müßen, indem die alte Windlade, so statt der neuen hat kommen sollen, vors erste mit einem Fundament Brete, und also falsch und verwerflich; zweytens auch in solcher nach der alten Art die kurtze Octave noch befindlich, und die übrigen Claves so noch fehlen, nicht haben angebracht werden, und dadurch alle 3.Claviere zur Gleichheit kommen können, sondern vielmehr eine deformité verursachet hätten, so ist höchstnöthig geweßen daß eine neue verfertiget, die besorgenden baldigen Defecta vermieden, und eine schöne conformité beybehalten worden: sind also ohne mein Errinnern dem Orgelmacher die über dieContracte noch neu verfertigten Stücke zu verguten, und er also schadloß zu halten.

Weiln auch der Orgelmacher mich ersuchet Einem Hochlöblichen Collegio vorstellig zu machen, wie daß man solche Stücke so ihme nicht veraccordiret, als nehmlich die Bildhauer-Arbeit, das Vergulden,item die Espeçen, so der Herr Vetter pro inspectione bekommen, und was etwa sonst noch seyn möchte, zur Bezahlung anrechnen wollen, und er doch solches nicht schuldig zu thun, auch sonst niemahls gebrauchlich geweßen (Er sich sonst wohl beßer würde prospiciret haben) so läßet er gantz gehorsamst bitten ihn dieserwegen in keine Unkosten zu bringen.

Nun kan schließlichen nicht ohnerrinnert laßen, daß 1.) das Fenster, so weit es nehmlich hinter der Orgel in die Höhe steiget vermittelst einer kleinen Mauer, oder eines starck eisernen Bleches von inwendig verwahret, und dadurch der noch mehr zu besorgende Wetter-Schade verhütet werden möchte. 2.) ist gewöhnlich und höchstnothig, daß der Orgelmacher ein Jahr wenigstens die Gewähre leiste, um die etwa sich noch ereignenden Mängel völlig abzuthun, welches er auch willigst über sich nehmen dürfte, daferne man ihme [121] nur zu baldigster und völligster Satisfaction seiner noch über die Contracte aufgewendeten Kosten beförderlich seyn würde.

Dieses wäre also dasienige, so bey Untersuchung der Orgel zu remarquiren vor nöthig gefunden, mich fernerhin Ihrer Hoch Edlen Magnificenz dem HerrnD. Rechenberg, und sämtlichen Hochlöblichen Collegio zu allen möglichen gefälligen Diensten bestensrecommendirend und verharrend


Dero

Leipzig. d. 17. Decembris

aõ 1717.

gehorsamst-ergebenster

Joh. Seb: Bach.

Hochfürstlich Anhalt-Cöthenscher

CapellMeister«70.


Als Scheibe im Jahre 1710 den Orgelbau übernehmen sollte, trauten Kuhnau und Vetter seiner Geschicklichkeit noch nicht eben viel zu, bezeichneten ihn aber sonst als einen redlichen, billigen und fleißigen Arbeiter. Um so ehrenvoller war es für ihn, daß das endlich vollendete Werk vor einer so scharfen und von so eminent sachkundiger Seite vorgenommenen Prüfung Stich hielt. Der Organist, der nach Görners Abgang das gewaltige Tonwerkzeug zu spielen und zu besorgen hatte, hieß Johann Christoph Thiele, ein Mann über dessen künstlerisches Wirken sonst nichts bekannt geworden ist.

Mit den üblichen Vor- und Nachspielen trat die Orgel in das Ensemble der Gottesdienst-Handlung als selbständige Macht ein. Der technische Ausdruck hierfür war Praeludiren, ohne Rücksicht auf die Stelle, an welcher der Organist sich allein hören ließ. Dies erklärt sich einfach daraus, daß das Postludium am Schlusse des Gottesdienstes nicht überall gebräuchlich war. Es diente weniger einem praktisch liturgischen als einem allgemein künstlerischen Zwecke, wogegen die Vorspiele zunächst und hauptsächlich die Gemeinde auf das zu singende Lied vorbereiten und sie allenfalls mit einer weniger bekannten Melodie vertrauter machen sollten. Je höher die Kunst der Orgelmusik stieg, je mehr einerseits die Choralvorspiele zu selbständigen, erschöpfenden Tonstücken, also zu Orgelchorälen, sich abrundeten, desto verbreiteter mußte andrerseits auch die Sitte des Postludirens werden, wo der Organist in freien [122] Fantasien und Fugen sich Genüge thun konnte. Es wird in den Quellen von dem Orgelspiel zum Ausgang in den Leipziger Kirchen nirgends ausdrücklich gesprochen. Daraus folgt nicht, daß es unterlassen worden sei. Vielmehr läßt sich aus den Äußerungen Johann Adolph Scheibes, eines geborenen Leipziger Musikers, der längere Zeit in seiner Vaterstadt wirkte, der Schluß ziehen, man habe es auch hier geübt71. Für die eigentlichen Praeludien galt es als Grundsatz, die weitest ausgeführten und kunstvollsten vor dem zwischen Epistel und Evangelium gesungenen Gemeindeliede und vor den Communionliedern anzubringen72. Der Grund war wieder ein praktischer: in der Auswahl dieser Lieder herrschte eine größere Freiheit, es wurden daher zuweilen Lieder mit weniger bekannten Melodien gesungen, während die übrigen Gemeindegesänge ziemlich dieselben blieben. Diese Vorspiele beschäftigten sich natürlich mit der Melodie des nachfolgenden Gesanges. Einen besonderen Charakter hatte das der concertirenden Kirchenmusik regelmäßig vorhergehende Orgelpraeludium. Es verfolgte den praktischen Zweck, den Instrumentisten das Einstimmen ohne Störung der andächtigen Gemeinde zu ermöglichen. Der Organist durfte deshalb nicht im strengen Stil spielen, sondern mußte ganz frei fantasiren und sich dabei hauptsächlich und lange in denjenigen Tonarten aufhalten, welche der Stimmung der verwendeten Instrumente entsprachen. War eingestimmt, so gab der Musikdirector ein Zeichen und der Organist mußte schließen. Dabei sollte aber sein Praeludium zugleich auf das nachfolgende Musikstück vorbereiten und eine Art von abgeschlossenem Ganzen für sich bilden. Er hatte hier also eine schwierige Aufgabe zu lösen, wenn er überhaupt gesonnen war, seine Sache ordentlich zu machen. Dies war freilich bei der Rohheit, mit der die Kirchenmusik vielerwärts abgethan wurde, keineswegs immer der Fall, und man hörte häufig nur ein wüstes, übelklingendes Tongewirr73.

[123] Während der Kirchenmusik selber mußte der Organist aus einer bezifferten Bassstimme, über welcher bei Recitativen zuweilen noch die Singstimme notirt war, den Generalbass spielen74. Der Orgel fiel hier die Rolle zu, welche in der Kammermusik dem Cembalo gehörte75. Seit die concertirende Kirchenmusik allgemein geworden war, bildete dieses Accompagnement einen Theil der beständigen Pflichten des Organisten, und daß auch Bach die Sache so ansah, geht aus der von ihm gemachten Eingabe in Sachen seines Streites mit der Universität hervor, in welcher er sagt, der Organist habe nicht nur vor und nach der Predigt die Kirchenmusik abzuwarten, sondern auch bis zum allerletzten Liede die Orgel zu schlagen. Ausnahmsweise dürfte er jedoch die Generalbassbegleitung auch wohl einmal einem andern übertragen haben, namentlich wenn es sich dabei um Görner handelte, dessen Leistungen ihn manchmal wenig befriedigt haben werden. Wie er das Accompagnement ausgeführt wissen wollte, darüber ist schon an einem andern Orte ausführlich gesprochen worden76. Die Verweisung darauf würde hier genügen, wenn nicht inzwischen ein bisher unbekanntes Document zu Tage gekommen wäre, durch welches der Gegenstand in eine noch schärfere Beleuchtung gerückt wird. Heinrich Nikolaus Gerber hatte unter Bachs Anleitung die Kunst des Generalbass-Spiels an den Albinonischen Violinsonaten üben müssen, und später seinem Sohne, dem Lexicographen, die Begleitungsart überliefert, die er bei diesen Sonaten von Bach erlernt hatte. Der Sohn erzählt, daß er besonders in dem Gesange der Stimmen unter einander nie etwas vortrefflicheres gehört habe; dies Accompagnement sei an sich schon so schön gewesen, daß keine Hauptstimme dem Vergnügen, welches er dabei [124] empfunden, etwas hätte hinzuthun können. Es liegt jetzt eine solche Generalbassbegleitung des älteren Gerber vor; sie ist durchweg von ihm selbst geschrieben und mit eigenhändigen Correcturen Bachs versehen77. Der Correcturen sind verhältnißmäßig wenige, der Lehrer war offenbar durch die Arbeit befriedigt; in jedem Falle ist nach Einfügung der Bachschen Änderungen nunmehr ein ganz dem Sinne Bachs entsprechendes Accompagnement eines Solos gewonnen. Seine Beschaffenheit lehrt, daß ich aus den Worten des jüngern Gerber einen falschen Schluß gezogen habe, wenn ich annahm, jene Begleitungsart sei eine polyphone gewesen. Die Schuld trägt jedoch Gerber selbst, der sich ungenau und übertrieben ausgedrückt hat. Der Begriff »polyphon« ist freilich ein dehnbarer, indessen wenn es sich um Bach handelt, versteht man darunter doch nur die thematisch-selbständige Führung der Stimmen. Von einer imitatorischen Benutzung gewisser aus der Hauptstimme entnommener oder frei erfundener Motive findet sich aber in der Gerberschen Generalbassstimme nichts. Sie stellt einen fließenden mehrstimmigen Satz dar, bei welchem man an keiner Stelle das Gefühl verliert, daß die ihn bewegende Kraft durchaus außerhalb liegt. Nur insofern eine ungezwungene und nirgendwo ins Stocken gerathende Folge von Harmonien eine gewisse melodische Führung von selbst mit sich bringt, kann man bei diesem Accompagnement von Melodie sprechen und es paßt genau auf dasselbe die Charakterisirung, welche der jüngere Telemann von einem guten Accompagnement giebt: es ist »ein guter Gesang«, d.i. eine verhältnißmäßige und angenehme Folge der [125] Klänge«78. Vier der wenigen Bachschen Correcturen verdanken dem Streben nach einer solchen »angenehmen Folge« ihr Dasein (1, 2, 9 und 10). Außerdem bemerkt man, wie Bach dem Schüler sogar gestattete, die von Albinoni vorgeschriebenen einfachen Harmonien außer Acht zu lassen, theils um die harmonische Bewegung stetiger und treibender, theils um sie interessanter zu machen. Eine Selbständigkeit der Behandlung ist demnach in der That vorhanden, nur ruht sie nicht, wie man dieses aus des jüngern Gerbers Worten entnehmen mußte, auf dem melodischen Gebiet: mit sicherm Takte ist die Gränze beobachtet, welche Homophonie und Polyphonie oder, was hier dasselbe ist, Nebensache und Hauptsache scheidet. Auf andre lehrreiche Seiten dieser Generalbassstimme: auf die durchgängige Vierstimmigkeit, womit sie der Forderung entspricht, welche auch Kirnberger für ein Bachsches Accompagnement erhebt, auf die Unisono-Verstärkung der ohne Begleitung einsetzenden Themen im zweiten und dritten Satze, ein Verfahren, das auf dieselbe Weise zu erklären ist, wie die vereinzelten Füllaccorde in den dreistimmigen Sonaten für Violine und Clavier79, kann an dieser Stelle nur flüchtig hingewiesen werden. Nachdem wir aber in den Stand gesetzt sind, den genauesten Sinn der Gerberschen Worte festzustellen, kann von der hierdurch gewonnenen Grundlage aus auch der Ausspruch Mizlers präciser gedeutet werden, Bach accompagnire einen jeden Generalbass zu einem Solo so, daß man denke, es sei ein Concert, und die Melodie, welche er mit der rechten Hand mache, sei schon vorher dazu gesetzt worden. Mizler selbst hat an einer andern Stelle einen Fingerzeig gegeben, wie diese Worte aufzufassen sein dürften; es fehlte nur bisher ein sicherer Anhaltepunkt, um die Auslegung zu unternehmen. In einer Besprechung der Werckmeisterschen Generalbasslehre führt er aus derselben den Satz an, daß zu einer angenehmen Fortschreitung der Harmonien im Accompagnement mehr gehöre, als Quinten und Octaven vermeiden. Dieses »mehr«, sagt Mizler, sei die Melodie, und Melodie sei eine solche Veränderung der Töne, die man bequem singen könne und die dem [126] Gehöre angenehm sei. Da man aber in den besten Melodien die wenigsten Sprünge bemerke, so folge, daß ein Generalbassist keine auffälligen Sprünge machen dürfe, wenn er das Wesen der Melodie nicht verderben wolle80. Offenbar läuft seine Beschreibung der Bachschen Begleitungsart auf dasselbe hinaus, was Heinrich Nikolaus Gerbers Generalbassstimme lehrt, auf eine glatte Verbindung der Harmonien, die alsdann die Hervorbringung einer Art von Melodie in der Oberstimme zur Folge hatte. Daß Bachs Schüler diese Eigenschaft so stark betonen, wird erklärlich wenn man erfährt, wie unordentlich und geschmacklos bei der Ausführung des Basso continuo vielfach verfahren wurde. Erzählt doch Löhlein, ein bekannter Musiklehrer des 18. Jahrhunderts, daß Solospieler, sogar Violoncellisten, nicht gern ein Clavier zur Begleitung nähmen, sondern ein kindisches Accompagnement mit der Bratsche oder gar Violine vorzögen, wo dann die Grundstimme immer über der Melodie herumklettere, als sähe man jemanden auf dem Kopfe gehen81. Und auch bei einem Accompagnement auf Clavier oder Orgel begnügten sich sehr viele damit, die Accorde ohne Rücksicht auf ihre Lage und Verbindung nur zu greifen wie sie ihnen eben in die Finger kamen. Doch dürfen obige Ergebnisse nicht zu der Behauptung verleiten, Bach habe seinem Organisten jede durch Imitationen ausgeschmückte Generalbassbegleitung verboten. Wenn man auch darauf kein großes Gewicht legen wollte, daß Kuhnau, Heinichen, Mattheson, Schröter und andre Autoritäten jener Zeit ein mit Discretion ausgeführtes Imitiren als feinste Kunst des Begleiters preisen, so sind doch immer noch einige Zeugnisse vorhanden, aus denen hervorgeht, daß speciell auch Bach beim Begleiten zuweilen polyphon verfuhr, und wären sie es nicht, so hätte man ein Recht, es aus seiner musikalischen Natur im allgemeinen zu schließen. Wohl aber bestätigt Gerbers Arbeit das Resultat der früheren Auseinandersetzung, daß ein Unterschied gemacht werden müsse zwischen dem was Bach in dieser Beziehung gestattete und dem was er forderte. Über letzteres kann, nachdem Kirnbergers Accompagnement zu einem Bachschen Trio und dasjenige Gerbers zu einer Albinonischen Solosonate vorliegt, [127] ein Zweifel nicht mehr bestehen. Man kann auch die Beweiskräftigkeit des letzteren nicht dadurch zu schwächen versuchen, daß dasselbe nicht zu einer Bachschen Originalcomposition gefügt sei und Bach zu einer solchen eine andre Begleitungsart verlangt haben könne. Ein jeder fertige Künstler entnimmt den Maßstab für das, was er für angemessen und schön hält, den eignen Werken. Wenn eine polyphone Bereicherung eines Solostückes vermittelst der Generalbassbegleitung Bach überhaupt erforderlich geschienen hätte, so würde er seinen Schüler auch hier, wo es eine ausschließlich zu Lernzwecken angefertigte Arbeit galt, dazu angehalten haben. Man kann dessen um so gewisser sein, als die einfachen, weiten Räume des Harmonienbaus der Albinonischen Sonate zur Einfügung kunstvolleren Details ganz besonders geeignet waren, und mochte er dem simplen Stile des gesammten Werkes noch so sehr Rechnung tragen, irgend welche Spuren polyphoner Arbeit müßten doch bemerkt werden können. Wenn nun Bachs Generalbassspieler über das von ihm Geforderte hinausging, so that er es auf eigne Gefahr. Gelang ihm eine hier und da versuchte künstlichere Ausführung, so verschaffte er dem Kennerohr eine unerwartete angenehme Empfindung, mißlang sie, so verdarb er das Ganze und zog unfehlbar den Zorn des Dirigenten auf sich herab. Löhlein sagt einmal: »Das künstliche oder geschmückte Accompagnement, da nämlich die rechte Hand einigermaßen eine Melodie führet und Manieren, auch Nachahmungen anbringt, ist für diejenigen, die dem simpeln schon gewachsen sind, und erfordert große Behutsamkeit und Einsicht in die Composition. Herr Mattheson in seiner Organistenprobe hat viele Beispiele davon gegeben. Da aber dergleichen schöne Zierrathen mehr verderben als gut machen, so sind sie mit Recht nicht mehr Mode«82. Dieses Wort trifft auf die richtige Stelle; das geschmückte Accompagnement war eine musikalische Modesache, ebenso wie die Spielmanieren des Clavieristen und die Fiorituren des Sängers. Es ist dieselbe Anschauung, wenn Adlung, nachdem er von den Accenten, Mordenten, Trillern gesprochen hat, die ein Generalbassspieler mit der rechten Hand anbringen könne, fortfährt: »aber die beste Manier ist die Melodie«83. [128] Wie alle Moden, so dient auch diese zur Charakterisirung ihrer Zeit. Bach wirkte in einer Periode weitausgebreiteter, üppiger musikalischer Schaffensthätigkeit. Die Darstellung eines Tonwerks beruht auf der Reproduction, einem Acte, der ohne Beimischung eines subjectiven Elementes überall unmöglich ist, und dieses Element äußerte sich damals zu einem großen Theile in der eigenmächtigen Auszierung der vorgeschriebenen Melodiereihen, auch wohl in weitergehenden entstellenden Veränderungen derselben. Der Künstler ließ sich dieses gefallen, weil die etwa entstehende Schädigung seiner Gedanken aufgewogen wurde durch die eindringliche Lebendigkeit, mit welcher derjenige ein Gegebenes vorträgt, der sich einen selbstschöpferischen Antheil daran zuschreiben darf. Gewiß hat sich auch Bach diesem allgemeinen Zuge seiner Zeit nicht ganz entziehen wollen und können. Aber je eigenartiger eine Persönlichkeit ist, desto sorgfältiger wird sie sich gegen das Eindringen fremder Elemente in ihre Schöpfungen zu sichern suchen. Ohne Zweifel ist Bach unter den großen Tonkünstlern jener Epoche die aparteste, subjectivste Erscheinung. Er mußte sich denn auch in der That von Johann Adolph Scheibe vorwerfen lassen, daß er »alle Manieren, alle kleinen Auszierungen und alles was man unter der Methode zu spielen versteht, mit eigentlichen Noten ausdrückte«84, also für die Subjectivität des Reproducirenden die Zugänge möglichst versperrte. Was Scheibe von Bachs Gesang- und Instrumentalstücken sagt, gilt nun auch von seinen Continuostimmen, die er, wenn Zufälligkeiten es nicht verhinderten, in penibelster Weise zu beziffern pflegte. Selbst auf die Ritornelle und ritornellartigen Sätzchen, in denen allgemein dem Accompagnisten freie Hand gelassen wurde, da er bei einiger Einsicht von selbst finden mußte, wie er hier zu spielen habe, erstreckte sich zuweilen Bachs Vorsicht. So zeigt er in dem Terzett der Cantate »Aus tiefer Noth schrei ich zu dir«85 durch Bezifferung ganz genau den Contrapunkt an, welcher zu dem im Basse liegenden Hauptgedanken des Ritornells mit der rechten Hand gespielt werden soll. Sein Schüler Agricola hatte für die Besorgtheit um genaue Ausführung seiner Intentionen, welche Scheibe tadelt, ein besseres Verständniß: [129] um Entstellungen vorzubeugen, meint er, sei es dem Componisten nicht zu verdenken, wenn er seine Gedanken so deutlich auszudrücken suche, als es ihm möglich sei86. Und wenn man die Klagen ernster Musiker über gewisse eitle und unverständige Organisten liest, die im Gegensatze zu solchen, welche nicht einmal das Nothdürftigste ordentlich ausführten, bei jeder Gelegenheit »ihren Sack mit Manieren auf einmal ausschütteten, mit allerhand phantastischen Grillen und Läufen angezogen kamen, und, wenn der Sänger eine Passage zu machen hatte, mit ihm um die Wette laufen zu müssen glaubten«87, so wird man Bachs Sorgsamkeit doppelt erklärlich finden. Nicht minder ist nunmehr begreiflich, warum die Bachsche Schule das polyphone oder überhaupt verzierte Accompagnement zum wenigsten, wie Philipp Emanuel Bach es thut, auf das geringste Maß beschränkt wissen und nur als Ausnahme gelten lassen will88, sonst aber rundweg verwirft. Kirnbergers Meinung war, weil der Generalbassist nur die Harmonie anzugeben habe, so müsse er sich aller Zierrathen, die nicht wesentlich zur Harmonie gehörten, enthalten und sich überhaupt allezeit der Einfalt befleißen89. Johann Samuel Petri, ein Freund und Schüler Friedemann Bachs, der besonders auch hinsichtlich des Accompagnements von diesem gelernt zu haben erzählt, verbietet dem Organisten den Triller und überhaupt das Spielen einer Melodie mit der rechten Hand, verlangt daß er bei seinen Accorden bleiben soll und stellt den Grundsatz auf: das Orgelaccompagnement diene nur zur Füllung der Harmonie und zur Verstärkung des Basses90. Dasselbe sagt der den Söhnen und Schülern Bachs nahestehende Christian Carl Rolle91. Aber auch [130] andere Musiker, die außerhalb des Bachschen Kreises standen, theilten mit Entschiedenheit diese Ansicht. Johann Adolph Scheibe bezeichnet mit der ihm eignen Schärfe der ästhetischen Beurtheilung das polyphone Accompagnement eines Solos als etwas sinnwidriges, das die Intention des Componisten zerstöre92.

Die Frage über das Wie? der Generalbassbegleitung erstreckt sich auch auf die Benutzung des Klangmaterials, welches die Orgel darbot. Es gab in dieser Beziehung feststehende Gebräuche. Der Bass wurde gewöhnlich von der linken Hand allein gespielt, die rechte griff die füllenden Harmonien. Stand eine Orgel mit mehren Manualen zur Benutzung, so ging die Linke gern auf ein eignes, stärker registrirtes Clavier. Das Pedal spielte in der Regel den Bass mit, und es konnte dann die linke Hand auch wohl einige Mittelstimmen greifen93. Wenn der Bass stark figurirt war, so wurde es für genügend angesehen, durch das Pedal nur die für die Harmonienfortschreitungen wesentlichen Töne kurz zu markiren94. Um ein unordentliches Gepolter zu vermeiden ließ man es aber, da gewöhnlich noch andre Bass-Instrumente mitgingen, in solchen Fällen auch wohl ganz fort95 Bei schwach besetzten Stücken gebrauchten es einige nur zu den Ritornellen96. Zur Begleitung der Arien und Recitative wurde allgemein nur das achtfüßige Gedackt genommen, welches deshalb auch den Namen »Musikgedackt« führte97. Beim [131] Secco-Recitativ wurden, auch wenn auszuhaltende Basstöne notirt waren, doch die Accorde der Orgel, die man wie auf dem Cembalo arpeggirt anzugeben pflegte, in der Regel nicht ausgehalten, um die von der Singstimme gesungenen Worte in voller Deutlichkeit bemerkbar werden zu lassen98. Indessen meint Petri, wenn man eine recht still gedeckte Flöte habe, so könne man auch die Accorde in der Tenorlage liegen lassen und müsse dann den Wechsel der Harmonie jedesmal durch einen kurzen Pedalton andeuten. Um dem Sänger einen Stützpunkt zu verschaffen, durfte der Organist zuweilen auch den Basston allein aushalten, während er die Accorde kurz absetzte. Größere Freiheit hatte er beim begleiteten Recitativ; hier konnte er je nachdem es ihm angemessen erschien entweder die Accorde mit dem Bass oder nur diesen allein fortklingen lassen99. Es ist nöthig darauf aufmerksam zu machen, daß die unterbrochene Spielart, welche jetzt allgemein als dem Wesen der Orgel unangemessen gilt, den Musikern jener Zeit nicht durchaus so erschien. Die Bildung von Fugenthemen aus mehrfach repetirten Tönen, auch das wiederholte Anschlagen voller Accorde diente nach Ansicht der nordländischen Organistenschule zur Erzielung eines besonders reizvollen Effects. Christoph Gottlieb Schröter in Nordhausen, einer der durchgebildetesten Organisten seiner Zeit, spielte durchweg staccato. Hierdurch provocirte er allerdings den Widerspruch der Bachschen Schule, die nach Anleitung ihres Meisters das gebundene Spiel als das stilvollere erklärte100, und ihrem Einflusse ist es jedenfalls zu zuschreiben, daß die andre Spielart allmählig verschwand und vergessen wurde. Doch nur für selbständige Orgelstücke machte sie die gebundene Spielart mit Bestimmtheit geltend. Für das Accompagnement blieb auch innerhalb der Bachschen Schule das gehobene Spiel im Gebrauch. Kittel, der durch eine fünfzigjährige Lehrthätigkeit die Bachschen Grundsätze in der thüringischen Organistenwelt verbreitete, lehrte es so, und noch leben Ohrenzeugen, die einen seiner besten Schüler, Michael Gotthardt Fischer in Erfurt, die Kirchencantaten in der Weise accompagniren hörten, daß er immer mit kurz [132] angeschlagenen Accorden der rechten Hand dem Gange des Tonstückes folgte, den Bass aber legato und mit hervortretender Stärke spielte101. Desgleichen verlangt Petri, der Organist solle so kurz als möglich accompagniren und die Finger gleich nach Anschlagung der Accorde von der Tastatur abziehen102. Hieraus darf freilich nimmermehr geschlossen werden, Bach habe immer nur so und nicht anders begleiten lassen. Wie der Stil seiner Compositionen ein gebundenerer war, als derjenigen aus Kittels und Petris Zeit, so hat er zuverlässig auch in der größeren Anzahl der Fälle ein Legato-Accompagnement gefordert, und dasjenige, was er als »melodische« Begleitung lehrte, ist überhaupt auf diese Weise allein recht ausführbar. Nur daß er die andre Art ebenfalls kannte und gelegentlich anwandte, sollte hier hervorgehoben werden; Beispiele bieten die Adur-Arie der Cantate »Freue dich, erlöste Schaar«, und die G dur-Arie der Cantate »Am Abend aber desselbigen Sabbaths«103. Überhaupt richteten sich alle derartigen Gebräuche mehr oder minder nach den jedesmaligen Verhältnissen. Die Originalhandschriften zu Bachs Matthäuspassion, zu seinen Cantaten »Was frag ich nach der Welt«, »In allen meinen Thaten« beweisen, daß auch er zu den Secco-Recitativen den Organisten kurze Accorde anschlagen ließ. Daß an schwächern Stellen einige der Bässe schweigen mußten, kam bei ihm ebenfalls vor. In der Bass-Arie des 5. Theils des Weihnachts-Oratoriums hat eines der verstärkenden Bass-Instrumente durchaus zu schweigen104. In der H moll-Arie der Cantate »Wir danken dir Gott« spielen die sämmtlichen Bässe fast nur zu den Ritornellen mit105. Etwas ähnliches erkennt man aus einer Stelle des ersten Chors der Cantate »Höchst erwünschtes Freudenfest«. Hier werden außer dem Orgelbass noch Streichbässe und Fagotte verwendet, die nach Maßgabe der Stimmen ohne Unterbrechung mitzuspielen hätten. Takt 86 aber steht in der Basszeile der Partitur: Organo solo, und Takt 97 wieder:Bassoni e Violoni. Der Chor ist in der Form der französischen Ouverture [133] gehalten; die Stelle entspricht den stereotypen und in den wirklichen Ouverturen den 2 Oboen und dem Fagott gebührenden zarten Triostellen, welche dem pomphaft einherrauschenden vollen Orchester sich entgegensetzen. Um den Contrast recht wirkungsvoll zu machen, läßt Bach die Orchesterbässe schweigen und die Orgel allein spielen. Er muß es für genügend gehalten haben, den Instrumentisten in der Probe mündlich seinen Willen kund zu thun. Daß Bach ferner das Gedackt zur Begleitung für vorzüglich geeignet hielt, sagt er selbst in der Disposition zur Reparatur der Mühlhäuser Orgel106. Nun darf man gewiß folgern, daß er an ähnlichen Stellen häufiger ein Theil der Bässe pausiren, besonders auch in Arien sämmtliche Bassinstrumente nur zu den Ritornellen mitwirken ließ, daß die Seccorecitative unter seiner Leitung vielfach kurz accompagnirt, daß zu Recitativen und Arien in der Regel das Gedackt gebraucht werden mußte. Indessen eine für alle Fälle gültige Observanz wird man daraus nicht ableiten dürfen, vielmehr anzunehmen haben, daß Bach, von äußern Umständen ganz abgesehen, eine künstlerische Freiheit sich überall wahrte, je nach dem Inhalte des Stückes die kurzen Recitativaccorde mit gehaltenen, das Gedackt mit einem andern speciell geeigneten Register wechseln ließ, und auch sonst von dem allgemein gebräuchlichen zu Gunsten des besondern Falles abwich. Dies lag in seiner Natur, in der Zeit und in der Sache selbst.

Schröter und Petri geben auch die Regel, daß bei der Begleitung von Kirchenmusiken alle Rohrwerke und Mixturen gänzlich unverwendet bleiben müßten107. Sie wollen damit nur betonen, daß die Orgel niemals die Singstimmen und Instrumente überschreien dürfe. Übrigens war die Aufgabe der Orgel nicht allein, zu stützen und zusammenzuhalten, sondern auch der gesammten Klangmasse eine einheitliche Farbe zu geben. Sie nahm den übrigen Instrumenten gegenüber in gewisser Beziehung eine ähnliche Stellung ein, wie in dem modernen Orchester das Streichquartett. Wie um dieses als Mittelpunkt sich die Blasinstrumente gruppiren, so um jene die Instrumente[134] überhaupt. Unterschieden war das Verhältniß wieder dadurch, daß die Orgel mehr nur innerlich und bloß dynamisch wirkte, und daß die Instrumente auf ihrem Grunde sich nicht sowohl als Soloinstrumente bewegten, als vielmehr in chorischen Gruppen wirksam wurden. Eine dieser Gruppen bildete das Streichquartett, eine andre Oboen und Fagott, eine dritte Zink und Posaunen, eine vierte Trompeten (zuweilen Hörner) und Pauken. Weniger selbständig standen in der Gesammtmasse des Bachschen Orchesters die Flöten da, welche aber im 17. Jahrhundert ebenfalls einen Chor für sich bildeten. Eine Individualisirung der einzelnen Instrumente, wie sie das Haydnsche Orchester zeigt, war hierdurch ausgeschlossen; es wirkten vielmehr nur die großen Klangmassen mit und nach ein ander, ein Verfahren das dem Charakter des Grundinstrumentes, der Orgel, auch völlig entsprach. Das stilvolle Wesen der Kirchenmusik Bachs beruht mit darin, daß er dieses Verhältniß der Klangkörper zu einander, welches sich im 17. Jahrhundert festgestellt hatte, im Großen und Ganzen unverändert ließ. Er lehnt sich in dieser Beziehung, wie auch in andern Dingen, entschiedener an die Vergangenheit an, als seine Zeitgenossen, die das Herannahen der modernen Concertmusik viel stärker noch durch alle Glieder spürten, dadurch aber auch mit dem was das traditionelle Tonmaterial verlangte in fühlbaren Widerspruch geriethen: die Empfindung eines tief inneren künstlerischen Mißverständnisses wird man kaum bei einer der gleichzeitigen Kirchencantaten gänzlich los. Außerdem aber lag, um auf den Vergleich zwischen Orgel und Streichquartett zurückzukommen, ein wesentlicher Unterschied auch darin, wie sich beide Klangkörper zu den Singstimmen verhielten. Bei einer Verbindung von Singstimmen und Instrumenten ist es das natürliche Verhältniß, daß jene herrschen, diese dienen, daß jene demnach den Grundcharakter des Stückes feststellen, diese nur stützen und ausschmücken. Nun war aber die Vocal-Musik des 16. Jahrhunderts in einer schwachen, sehr oft nur einfachen Besetzung der einzelnen Stimmen groß geworden. Diese dünnen Chöre blieben das ganze 17. Jahr hundert hindurch bis tief ins 18. hinein mit geringen Ausnahmen allgemein gebräuchlich, wogegen die Instrumentalmasse an Fülle und Vielfarbigkeit stetig zunahm. So war es zu Bachs Zeit dahin gekommen, daß auch ein nach unsern Begriffen schwaeh besetztes [135] Orchester die Zahl der Sänger etwa um seinen dritten Theil übertraf. In der Neuen Kirche musicirten unter Gerlach nur 4 Sänger und dazu 10 Spieler108. Bach selbst normirt in dem Memorial vom 23. August 1730 die Zahl der Sänger auf 12, die der Instrumentisten, ausschließlich des Orgelspielers, auf 18. Ein Verhältniß also von 2 zu 3, bei welchem von einem Dominiren des Gesanges nicht mehr die Rede sein konnte; die natürliche Proportion war in Folge einer eigenthümlichen Entwickelung gradezu umgedreht worden. Händel und Bach, die beiden musikalischen Spitzen der Zeit, haben ein jeder in seiner Weise die Dinge wieder zurecht zu rücken gesucht. Der Chor, mit welchem Händel in England seine Oratorien aufführte, war numerisch zwar auch dem Orchester unterlegen. Aber er bestand aus viel geschulteren Sängern, als sie die deutschen Kirchenchöre besaßen, und war folglich von ausgiebigerem Klange; überdies war bei Händel die Verwendung der Orgel eine viel eingeschränktere. Der Zug die Singstimmen wieder über die Instrumente zu erheben, ist bei ihm ganz offenbar, wie er auch seiner Musik mit so zwingender Kraft inne wohnt, daß schon einige Decennien nach Händels Tode in England das richtige Verhältniß zwischen Chor und Orchester bei der Aufführung seiner Oratorien hergestellt, d.h. die Zahl der Sänger eine stärkere war als die der Spieler. In Deutschland kam man dahin nicht so bald. Die Massenaufführung des Messias, welche Johann Adam Hiller am 19. Mai 1786 in der Domkirche zu Berlin veranstaltete, zeigt noch das alte Verhältniß: 118 Sänger, 186 Instrumentisten109. Daß auch bei uns in dieser Beziehung allmählig eine Änderung eintrat, ist der von England ausgehenden Einwirkung zuzuschreiben. Aber nur für das eigentliche Oratorium ist sie angemessen, für die deutsche oder was hier dasselbe sagt für die Bachsche Kirchenmusik war sie es nicht. Bei Händels Oratorien [136] ist, mag der Chor häufig auch nur wenig oder selbst gar nicht persönlich aufzufassen sein, dennoch für das Erfassen der Kunstidee im Gesammten das Bewußtsein von durchgreifender Bedeutung, daß es eben singende Menschen sind, durch welche das Kunstwerk dargestellt wird. Bei Bach ist der Werth der Singstimme ein viel abstracterer: sie gilt mehr als ein Tonwerkzeug, dessen Eigenthümlichkeit es ist, mit und in den Tönen zugleich Worte und Sätze hörbar werden zu lassen. Händels Oratorienstil drängte auf eine immer stärkere und entschiedenere Betonung des vocalen Factors hin, der Bachsche Chor läßt nur in bestimmten engen Gränzen eine stärkere Besetzung zu und befand sich von Anfang an zu den Instrumenten in keinem unrichtigen Verhältniß. Es ist für die deutsche Musikübung ein verhängnißvoller, wenn auch geschichtlich wohl erklärbarer Irrthum gewesen, einerseits das Oratorium der Kirchenmusik zuzuzählen, andrerseits Kirchenmusik unter dem Gesichtspunkte des Oratoriums zu betrachten. Der zwitterhafte Zustand des deutschen Oratoriums in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat hierin einen seiner Hauptgründe; allerdings trugen auch äußere Verhältnisse zu seiner Entstehung bei, aber so tief steckte jene Verquickung den deutschen Tonsetzern im Blute, daß sie, auch nachdem ein öffentliches Concertwesen bei uns zu Stande gekommen war, noch lange merkbar geblieben ist. In Bachs Kirchenmusik herrscht nicht der Chor und der Menschengesang; will man einen ihrer Factoren als den herrschenden bezeichnen, so kann es nur die Orgel sein. Um es recht scharf auszudrücken: der Tonkörper, welcher Bachs Kirchencompositionen zur Darstellung bringt, ist gleichsam eine große Orgel mit verfeinerten, biegsameren und bis zum Sprechen individualisirten Registern. Allerdings muß man die Orgel nicht als ein todtes mechanisches Instrument auffassen, sondern als Trägerin und Symbol der kirchlichen Gemeinempfindung, wozu sie ja im Laufe des 17. Jahrhunderts und durch Bach selbst geworden war. Indem Bach ihr diese Stellung in seiner Kirchenmusik anwies, konnte er auch seinerseits das Mißverhältniß zwischen Gesang und Instrumentenspiel beseitigen und in einem höheren Dritten aufheben; er konnte es aber in seiner Lage auch nur auf diese Weise. Händel und Bach, von theilweise gleichen Grundlagen ausgehend, sind demnach auch in dieser, wie in so mancher andern Beziehung, an den entgegengesetzten [137] Zielen angelangt. Das sind Ergebnisse, die schon aus der Betrachtung ihrer Werke an und für sich fließen. Immerhin ist es aber werthvoll, Zeugnisse dafür zu besitzen, daß Bach selbst sich der Eigenart seiner Werke bewußt war. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts war mit der Verdünnung protestantisch-kirchlicher Empfindung auch das Verständniß für den Geist Bachscher Kirchenmusik ins Schwinden gekommen. Ingrimmig sah Kirnberger zu, wie man überall in der Kirchenmusik die Mitwirkung der Orgel beschränkte, den weltlich theatralischen Stil förderte, die ganze Gattung ins niedrige hinabzog. Mit ihm opponirte diesen Bestrebungen die Bachsche Schule und viele andre Musiker, deren Anschauungen in der besseren ältern Zeit wurzelten. Der mehrfach erwähnte Rolle hat das Urtheil dieser Männer formulirt und auf die Nachwelt gebracht. Er sagt: »Bei theatralischen Vorstellungen, in ernsthaften Opern, sonderlich auch bei dem Operetten-Spiele, ferner in Concertsälen, wo Solo-Cantaten, dramatische große Singstücke u.s.w. aufgeführt werden, sind wir gewohnt die concertirenden Singstimmen auf das allerdeutlichste zu vernehmen, indem es durch keine Orgel- oder sonstige starke Begleitung gehemmt, verdunkelt und zerstöret wird. Es verleitet uns dieses, dergleichen feine Empfindung auch bei der Kirchenmusik zu verlangen. Viele Tonkünstler aber als Sachverständige urtheilen ganz anders. Sie sagen: wir müssen die rechte wahre Gestalt der Kirchenmusik nicht verkennen. Wir müssen die prachtvolle Orgel, ganz besonders bei Chören, mehr herrschend als leidend oder zur bloßen Begleitung dabei handhaben und behandeln, sollten auch die feinen Auszierungen der Singenden und Spielenden uns dadurch entzogen werden. Wir verlangen zwar gute schöne Melodien, welche ohnedem jede einzelne Stimme haben kann und haben muß; aber wir verlangen auch über dem noch herrliche, vollständige, prächtige Harmonie«110.

Was den vocalen Theil der Kirchenmusik an sich betrifft, so wurde er von Knaben- und Männerstimmen ausgeführt. In Thüringen und andern Gegenden Mitteldeutschlands verstärkten sich die Kirchenchöre durch sogenannte Adjuvanten, d.h. Dilettanten aus den Bürgerkreisen, welche zu ihrem Vergnügen bei den Aufführungen [138] mitwirkten. In Leipzig scheint diese Sitte nicht in gleichem Maße geherrscht zu haben; nur vereinzelt findet sich einmal erwähnt, daß ein Rechtsconsulent zu Kuhnaus Zeit manchmal die Kirchenmusik auf der Orgel begleitet habe111. DieCollegia musica unter Schotts, Bachs und Görners Leitung bestanden fast ausschließlich aus Studenten, diese allerdings wirkten auch in den Kirchenmusiken mit. Die Ausführung der Sologesänge für Sopran und Alt fiel in der Regel den Knaben des Thomanerchors zu. Bei den von Bach selbst componirten Stücken war sie keine leichte Aufgabe, da in seinen Arien an Kehlgeläufigkeit und Kunst der Athemvertheilung bekanntlich oft viel gefordert wird, und die Zeit, während der eine Knabenstimme brauchbar ist, durchschnittlich zu einer gründlichen technischen Ausbildung kaum ausreicht. Wirklich sollen seine Sänger über die Schwierigkeit dieser Musik immer geklagt haben112. Jedoch darf darauf hingewiesen werden, daß gewisse technische Künste damals verbreiteter waren als jetzt und so zu sagen in der Luft lagen, folglich auch vom einzelnen leichter erlernt wurden. Es war damals immer noch die Blüthe-Periode der italiänischen Gesangskunst, welche auch in Deutschland überall gekannt und bewundert wurde. So wenig geeignet die deutschen Schulchöre waren, dieselbe voll und ganz für sich zu verwerthen, so fand doch die Pflege gewisser glänzender Äußerlichkeiten derselben bei ihnen Eingang, und mit einer Art von Erfolg. Hierher ist z.B. das Studium des Trillers zu rechnen, das mit wichtiger Miene und großem Eifer in den Schulgesangstunden getrieben wurde. Schon der Sorauische Cantor Wolfgang Caspar Printz lehrte den Triller in seiner 1678 erschienenen Gesangschule113, das gleiche thut 100 Jahre später noch Petri, der wie Printz ein Schulcantor war114, und Hiller, einer der Amtsnachfolger Bachs an der Thomasschule115. Beide fordern, daß man mit dem Triller früh beginne und ihn fleißig, ja täglich üben lasse. Aus Bachs[139] Compositionen geht hervor, daß auch er Fertigkeit im Trillern von seinen Sängern verlangte. Die deutsche Gesangskunst jener Zeit war ein Gemisch von Rohheit und Überfeinerung, das ein großer Künstler, wie Bach, für sein Ideal nur brauchbar machen konnte, indem er es in die unvergleichlich höher stehende damalige Instrumentalkunst gleichsam einschmolz. Noch viel weniger genügend erscheint uns jetzt eine Knabenstimme um den Empfindungsgehalt der Bachschen Arien zum Ausdruck zu bringen: die Tiefe und Leidenschaftlichkeit derselben scheint vor allem einen hohen Grad innerer künstlerischer Reife als unumgängliche Vorbedingung zu fordern. Da Bach auf einen solchen nicht rechnen durfte116, so kann man der Consequenz nicht ausweichen, daß es außerhalb seiner Absicht liegen mußte, jenen leidenschaftlichen Zug im Gesange stark hervortreten zu lassen. Wirklich wird auch die subjective Empfindung durch seine Musik mehr nur angeregt als voll ausgestaltet; hier liegt der Schlüssel dafür, daß Bach in der nachbeethovenschen Zeit von neuem so tief zu wirken anfing, denn gerade in ihr waren die Gemüther für diese Art der künstlerischen Erregung besonders disponirt. Zu Bachs eigner Zeit glich eine Arie seiner Composition dem zugefrornen See, über dessen Fläche die sorglose Knabenstimme hinglitt unbekümmert um die unten schlummernde Tiefe. Das Zurücktreten der persönlichen Empfindung wird übrigens schon durch das Wesen der Kirchenmusik an sich gefordert, es gilt nicht nur für die Sopran- und Alt-Arien, sondern für die Bachsche Musik insgesammt und liegt ihren Stileigenthümlichkeiten als tiefstes Gesetz zu Grunde. Was dieses Gesetz erheischte, waren auch Knabenstimmen zu leisten im Stande. Daß indessen jene Sologesänge immer nur von Knaben ausgeführt seien, darf man nicht behaupten für eine Zeit, da die Kunst des Falsettgesanges unter den Männern noch eifrig geübt wurde. Diese Kunst, welche jetzt aus der Praxis so vollständig verschwunden ist, daß selbst ihre mechanischen Grundlagen fast ein Geheimniß geworden zu sein scheinen, war auch in Leipzig zu Bachs Zeit etwas ganz gewöhnliches. In den Musikvereinen, wo jahraus jahrein [140] vollstimmige Cantaten aufgeführt wurden, wirkten nur Männer; die Studenten, welche unter Hoffmanns Direction zeitweilig den vierstimmigen Gesang besorgten, sind oben namhaft gemacht. Auch später hatte Gerlach für die concertirende Musik in der Neuen Kirche nur vier Studenten zur Verfügung, die Choralisten der Nikolai-Kirche mußten, wenn sie vierstimmig zu singen hatten, dies ebenfalls durch sich allein zu Stande bringen. Durch das Falsettiren konnte der Tenor zum Sopran, der Baß zum Alt umgewandelt werden. Es wird ausdrücklich bezeugt, daß diese Singart nicht nur bei Chören, sondern ganz besonders auch bei Arien zur Anwendung kam, und daß ein falsettirender Sopranist es bis zu der erstaunlichen Höhe des dreigestrichenen e und f bringen konnte117.

Wenn von Singgebräuchen die Rede ist, darf der Vortrag des Recitativs nicht übergangen werden. Die Sänger heutiger Zeit pflegen Bachs Recitative vorzutragen, wie sie geschrieben sind, wobei sie die Absicht leitet, denselben einen würdevollen, vom Theatralischen unterschiedenen Charakter zu verleihen. Es fragt sich aber, ob hierdurch unsere Praxis zu der früheren nicht in einen unbeabsichtigten Widerspruch gerathen ist. Die freie Abänderung einzelner Töne und Intervalle in den recitativischen Tonreihen fand zu Bachs Zeit im theatralischen Recitativ nicht oder doch nur sehr selten statt, häufiger schon bei Kammermusik, dagegen im weitesten Maße grade im Kirchen- Recitativ118. Der Grund liegt in dem damals als allgemein gültig anerkannten Stilprincip, nach welchem das Kirchen-Recitativ mehr melodisch als declamatorisch behandelt wurde119, wogegen es in der Oper umgekehrt sein sollte. Jene Abänderungen aber dienen eben größtentheils dazu, einen melodischen Fluß der Tonreihen herzustellen. In welchen Fällen sie regelmäßig einzutreten pflegten, darüber sind wir durch Telemann und Agricola genau unterrichtet. Telemann hat in dem Vorbericht einer von ihm im Jahre 1725 herausgegebenen Sammlung selbstcomponirter Cantaten [141] diese Gebräuche durch Beispiele erläutert120. Sie beziehen sich einerseits auf den namentlich in Schlußfällen üblichen abwärts führenden Quartensprung. Wendungen wie:


4.

sollen demnach immer so gesungen werden:


4.

Andrerseits betreffen sie die Anwendung des sogenannten Accents. d.h. eines durch die nächsthöhere oder nächsttiefere Tonstufe hergestellten Vorschlags. Um dieses Verfahren deutlich zu machen, giebt Telemann ein Recitativ aus einer in jenem Werke befindlichen Cantate zugleich in der gebräuchlichen Notirungsweise und in der Art der wirklichen Ausführung.


4.

4.

[142] Auch bemerkt er, daß es nichts verschlage wenn der Accent bisweilen mit der Harmonie collidire, und eine Wendung wie diese:


4.

müsse dennoch so gesungen werden:


4.

Die an dem längeren Beispiele verdeutlichten Vortragsmanieren erschöpfen, wie Telemann selbst sagt, nicht die Fülle der Möglichkeiten, sie enthalten aber die gebräuchlichsten ihrer Art. Agricola führt einen Theil derselben ebenfalls an, daneben noch einige andre und besonders zierliche. Will man nun Bachs Stellung zu den Recitativ-Manieren zu erkennen suchen, so ist vor allem zweierlei zu berücksichtigen: einmal, daß von allen Kirchencomponisten er unstreitig am meisten nach melodischer Gestaltung des Recitativs strebte, sodann aber, daß er es nicht liebte, der Willkür des Vortragenden einen allzuweiten Spielraum zu gönnen. Das erste mußte ihm einen häufigen Gebrauch der Manieren wünschenswerth erscheinen lassen, das zweite ihn treiben, dieselben in Noten möglichst genau auszudrücken. Mustert man unter diesem doppelten Gesichtspunkt die [143] Bachschen Recitative, so ergiebt sich das entsprechende Resultat. Den cadenzirenden Quartensprung läßt er stets so ausführen, wie es Telemann lehrt, aber er schreibt ihn auch immer aus. Wo er sich geschrieben findet, wie man ihn gewöhnlich notirte, soll er auch genau den Noten gemäß gesungen werden. Ein solcher übrigens höchst seltener Fall findet sich im zweiten Theil der Matthäuspassion, wo Jesus singt: »daß ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen in den Wolken des Himmels«121; hier zeigt es auch die Harmonie der begleitenden Geigen deutlich an, daß am Schluß der Phrase zweimal h und nicht é h zu singen ist. Soll der Quartenschritt überdies noch ausgeziert werden, so schreibt es Bach natürlich ebenfalls vor. Es geschah solches, indem man den Quartenraum durch seine Zwischenstufen ausfüllte, wobei auch noch Mordente, Triller und ähnliche Ornamente angebracht wurden122. Wenn der arglistige Herodes im Weihnachtsoratorium den Weisen aus dem Morgenlande aufträgt, fleißig nach dem Kindlein zu forschen, so würde was Bach ihn hier schließlich singen läßt, in der gewöhnlichen Weise so geschrieben sein:


4.

Um den tückischen Hohn des Herodes auszudrücken, wollte Bach den Quartenschritt verziert vorgetragen wissen; er schreibt deshalb vollständig hin:


4.

123


Die Anwendung des Accents, welche in der Regel nur über einer betonten Note eintrat, war in ab- und aufsteigender Bewegung möglich. Die absteigende Bewegung ließ ihn beim Terz- und Secundschritt zu. Wenn beim Terzschritt nur eine betonte Note folgt, wie am Schluß des längeren Telemannschen Beispiels, so schreibt Bach die abweichende [144] Ausführung sehr häufig vor. Es ist beiläufig darauf hinzuweisen, daß er beim Terzschritt den Accent auch über einer unbetonten Note nicht verschmäht: Stellen, wie:


4.

124


oder:


4.

125


und viele andre beweisen es. Folgen zwei Noten, deren erste betont ist, wie in Takt 4–5 des Telemannschen Beispiels, so schreibt Bach auch hier die Ausführung nicht selten hin; z.B. in der Cantate »Barmherziges Herze«:


4.

126


Wenn die Stimme nur eine Secunde abwärts schreitet, und es folgt eine betonte Note, so konnte ebenfalls der Accent angebracht werden; er findet sich bei Bach mehrfach ausgeschrieben, wie in der Cantate »Komm du süße Todesstunde«:


4.

Folgten zwei oder mehr Noten (Telemann, T. 1–2), so wurde die erste, falls sie betont war, um eine Stufe erhöht, was Bach im Himmelfahrts-Oratorium genau so vorschreibt:


4.

127


[145] War aber die zweite betont, so erhielt sie den Accent, und es entstand dann eine melodische Folge, wie bei Telemann T. 2–3 und T. 6; daß diese von Bach in Noten ausgeschrieben worden sei, dafür habe ich kein sicheres Beispiel gefunden. Was die aufsteigende Bewegung betrifft, so scheint in ihr der extemporirte Accent nur beim Secundschritt gebräuchlich gewesen zu sein. Eine besonders ausdrucksvolle Wendung konnte entstehen, wenn zwei Noten folgten, von denen die erste betont war (Telemann, T. 5–6 und 6–7); daher findet sich diese Art der Accentverwendung bei Bach vielfach ausgeschrieben. Man sehe die Stelle aus der Matthäus-Passion:


4.

128


Oder aus dem Weihnachts-Oratorium:


4.

129


So auch, wenn nur eine betonte Note folgt, wie in der Cantate »Was Gott thut, das ist wohlgethan«:


4.

130


Wenn zwei Noten folgten und die zweite betont war, so konnte der Accent eintreten, wie ihn Bach an einer Stelle der Matthäuspassion ausgeschrieben hat:


4.

[146] Endlich konnte der Accent bei der aufsteigenden Secunde, wenn eine betonte Note folgte, auch mit der unteren Hülfsnote gebildet werden (Telemann, T. 3–4). Demnach schreibt Bach in der Cantate »Gott fähret auf mit Jauchzen«:


4.

Die Versuchung liegt nicht fern, mit Rücksicht auf obige Einzelheiten den Schluß zu wagen: da Bach überhaupt die Verzierungen auszuschreiben liebte, und da er sie nachweislich in den Recitativen sehr häufig ausgeschrieben hat, so wollte er sie an allen übrigen etwa geeigneten Stellen nicht angewendet wissen. Allein ich fürchte, daß mit diesem summarischen Verfahren seiner Absicht doch nicht ganz Genüge geschehen möchte. Agricola, in dessen Worten wir schon oben eine Hindeutung auf Bachs Gewohnheit die Manieren auszuschreiben zu constatiren hatten, fügt nachdem er diese Gewohnheit gebilligt hat noch hinzu, man müsse aber dabei die wesentliche Ausfüllung wohl von der zufälligen unterscheiden und bedenken, daß eine Sache schön, aber auch, und zwar in vielen Graden, noch schöner sein könne. Wenn Bach irgendwo die Anbringung einer Manier vorschrieb, so sah er sie an dieser Stelle als wesentlich an. Man erkennt dies auch daraus, daß er sie häufig durch die begleitende Harmonie unterstützte, während es sonst üblich war, die Accente, welche immer Dissonanzen sein mußten, frei anzuschlagen. Belege dafür bieten die beiden letzten der obigen Beispiele; es ist nicht zu leugnen, daß hierdurch die Manier eigentlich aufhört, Manier zu sein, manche Stellen an ihrem Recitativ-Charakter Einbuße [147] erleiden und die Hinneigung zum Arioso, die dem Bachschen Recitativ im allgemeinen eigen ist, noch verstärkt wird. So ganz und gar aber hat er sich der allgemeinen Sitte schwerlich entzogen, daß er es einem Sänger von verläßlichem Geschmack nicht auch sollte überlassen haben, mit den einfachsten und allgemein gebräuchlichen Mitteln das Verschönerungswerk an einer schönen Sache, um Agricolas Ausdruck beizubehalten, vorzunehmen. Scheibes Ausspruch, daß Bach »alle« Manieren, »alle« kleinen Auszierungen mit eigentlichen Noten ausdrücke, unterrichtet uns mit erwünschter Bestimmtheit über einen Bachschen Grundsatz; buchstäblich aber auf jeden einzelnen Fall darf man ihn schwerlich anwenden. Außerdem ist wohl zu beachten, daß, falls ein Sänger es Bach nicht recht machte, diesem immer noch das Correctiv der mündlichen Anweisung blieb, und wie er sich dessen seinen Musikern gegenüber bediente, hat schon ein oben angeführter Fall gezeigt131. Es scheint mir zweifellos, daß sehr viele Stellen in den Bachschen Recitativen durch Anwendung des Accents geschmeidiger, ausdrucksvoller und ihrem innern Wesen überhaupt entsprechender sich gestalten, so daß anzunehmen ist, Bach selbst habe ihn bei der Erfindung mitgedacht. Die letzte Entscheidung hat in solchen Fällen freilich der Geschmack. Bevor man ihm folgt, muß aber jedesmal erwogen werden, ob nicht positive Gründe erkennbar sind, die Stelle so zu singen, wie sie geschrieben ist, und nicht selten werden sich solche Gründe finden. Wenn Petrus in der Johannes-Passion Jesum verleugnet, läßt ihn Bach zum ersten Male singen:


4.

das zweite Mal:


4.

An der zweiten Stelle ebenfalls den Accent anbringen, hieße die Idee des Componisten zerstören, da die gesteigerte Aufregung, mit welcher sie gesungen werden soll, am Tage liegt132. Bach liebt derartige fein psychologische Züge; dem oben aus der Matthäuspassion angeführten Beispiele, wo beim aufsteigenden Secundschritt die erste und betonte der beiden folgenden Noten erhöht wird, entspricht [148] eine vorhergehende, an welcher der Accent ebenfalls ausgeschrieben ist133. Beide Male spricht Pilatus, das erste Mal in zweifelnder Frage: Was hat er denn Übels gethan?, das zweite Mal bestimmt abwehrend: Da sehet ihr zu. Die Gleichheit seiner innersten Stimmung und Gesinnung ist durch die beide Male gleich gestaltete Phrase ausgedrückt. Wenn kurz nach einander dieselbe Wendung einmal mit, das andre Mal ohne Accent dasteht, so wird man überhaupt immer zunächst eine Absicht annehmen müssen. Deshalb ist es sicher richtig, folgende Stelle aus dem Weihnachts-Oratorium:


4.

genau nach der Notenangabe und ohne Erhöhung der vorletzten Note zu singen.

Dieses alles aber soll, wie gesagt, nur von den Accenten, als einfachsten und landläufigsten Recitativ-Manieren gelten. Seltenere und gewähltere Verzierungen hat Bach – man darf es mit Bestimmtheit annehmen – immer in Noten ausgedrückt. Hierher wäre die Manier zu rechnen, bei mehren auf derselben Stufe verweilenden Noten, eine der betonteren mit einem Mordent oder etwas ähnlichem zu versehen134; Stellen, an denen Bach in seiner Weise diesem Gebrauche genügt, sind z.B.:


4.

135


oder:


4.

oder:


4.

136


[149] Ferner alle ausgeführteren Fiorituren, wie:


4.

137


und namentlich längere Melismen am Schlusse, wie sie im Kirchen-Recitativ häufig waren138; die beiden berühmten Melismen über die Worte »und ging hinaus und weinete bitterlich« aus der Johannes- und Matthäuspassion gehören in diese Kategorie.

Was von Bachs Recitativen gilt, findet auch auf seine Arien Anwendung. Freie Abweichungen von der Notirung waren in den Arien ebenfalls und an gewissen Stellen in noch ausgedehnterem Maße Sitte der damaligen Zeit. Sie bestanden theils in kleinen Ausschmückungen der Melodie durch Accente, Triller, Mordente und dergleichen, theils in Erweiterungen der Cadenzen, theils endlich in variirender Veränderung der Melodiereihen. Dieses letztere Verfahren trat zumeist in dem dritten Theile der Arie ein. Es sollte verhüten, daß der Hörer sich durch eine bloße Wiederholung gelangweilt fühle, oder, wenn der Künstler seine Aufgabe tiefer erfaßte, den Affect des ersten Theils steigern und somit den ganzen psychologischen Vorgang zu einer leidenschaftlicheren Entwicklung bringen. Arten solcher Variirungen gab es wiederum drei: man setzte wenigen Noten mehre hinzu, man vereinfachte mehre zu wenigeren, man vertauschte eine bestimmte Anzahl von Noten mit ebensoviel andern139. Von ihrer Anwendung konnte für Bach überhaupt nur dann die Rede sein, wenn eine wirkliche Da capo-Arie vorlag, deren erster Theil in der Haupttonart vollständig abschloß. Diese Gestalt [150] ist aber unter den Arien Bachs keineswegs die regelmäßige. Ihm, der überall bemüht war, die bestehenden Formen aus sich heraus zu erweitern und unter einander neu zu combiniren, konnte das Schablonenhafte der Da capo-Arie unmöglich dauernd gefallen. Ihre Form erscheint deshalb bei ihm in verschiedenfachen Umbildungen, deren wichtigste darin besteht, daß der erste Theil in der Dominant- oder einer andern nahe verwandten Tonart abschließt und der dritte dann nicht gänzlich als Wiederholung des ersten Theiles auftritt, sondern zum Schluß einen andern Modulationsgang einschlägt, oft aber auch außerdem dem ersten Theile durch neue Combinationen und Wendungen ein andres Ansehen giebt. Die Tendenz also, welche zur Variirung des dritten Arientheiles führte, ist hier vertieft und verinnerlicht: derselbe erscheint nicht nur in einem äußerlich neuen Aufputz, sondern ist seinem Wesen nach ein andrer geworden. Wo aber ein wirkliches Da capo vorliegt, muß man an Emanuel Bachs Ausspruch denken, daß die Freiheit zum Verändern durch ein simples Accompagnement der Mittelstimmen bedingt werde140. Der polyphone Satz der Bachschen Arien, die Bedeutsamkeit jeder einzelnen Melodienote, der harmonische Reichthum lassen in den meisten Fällen keine nennenswerthe Veränderung zu. Wenn schon im allgemeinen zur richtigen Ausführung solcher Variationen eine gründliche Einsicht in die Gesetze der Composition gefordert wurde, so galt eine solche Forderung hier noch viel mehr, aber grade unter den Thomasschülern fand sich wohl nur selten jemand, der ihr zu genügen vermocht hätte. Es ist schwer glaublich, daß Bach seinen Sängern gestattet haben sollte, mit diesen tiefsinnigen, festgefügten Tonbildern nach Laune zu verfahren. Etwas an ders wird er es mit den Cadenzen gehalten haben. Die Ausschmückung derselben beschränkte sich in den älteren Zeiten der Gesangskunst auf einen Triller über der mittleren der drei Noten, welche den eigentlichen Schlußfall bilden. Hernach fing man an, auf der Note vor dem Triller eine kleine Auszierung anzubringen, ohne jedoch dabei aus dem Takte zu kommen. Dann wurde noch weiter gegangen: man sang den letzten Takt langsamer und suchte ihn endlich durch allerhand Läufe, Sprünge und andre mögliche Figuren auszuschmücken. Diese Art der Cadenzirung, [151] welche zwischen den Jahren 1710 und 1716 aufgekommen sein soll, war die zu Bachs Zeit allgemein übliche141. Ein deutliches Bild kann man sich von ihr durch die Stellen verschaffen, wo sie Bach, seiner Neigung folgend, vollständig ausgeschrieben hat, wie z.B. am Schluß des zweiten Theils der ersten Bassarie in der Cantate »Freue dich, erlöste Schaar«142. Wo das nicht geschehen ist, läßt Bach vielfach die Singstimme doch in so ausdrucksvollen Wendungen zu Ende gehn, daß für die Willkür des Sängers nicht viel Raum bleibt. Daß er aber eine gewisse Verzögerung des Zeitmaßes, verbunden mit sparsamen Verzierungen, zuließ, sieht man deutlich aus den sehr zahlreichen Stellen, wo die übrigen begleitenden Instrumente vor den Schlußtakten aussetzen, und der Generalbass allein weiter geht. Dieses kann eben keinen andern Zweck haben, als der Singstimme Raum zu ungehinderter, willkürlicher Bewegung zu schaffen. Was endlich die kleinen Ausschmückungen der fortlaufenden Melodie betrifft, so ist auch ihnen gegenüber von dem Grundsatze auszugehen, daß Bach sie genau vorschrieb, wo er sie zur Erreichung des gewollten Ausdrucks für wesentlich hielt. In andern Fällen ließ er seinen Sängern bald geringere bald größere Freiheit, da er es endlich bei den Proben doch immer noch in der Hand hatte, sie mündlich nach seinem Willen zu dirigiren. Daß er sich hierauf verließ, aber auch daß ihm an manchen Stellen nicht viel daran lag, ob eine Verzierung angebracht wurde oder nicht, geht oft sehr deutlich aus einer Vergleichung der Instrumental-Ritornelle mit der Gesangsmelodie hervor, sowie aus solchen Partien, wo ein Instrument eine Gesangsmelodie mitspielt: häufig weist hier die eine Stimme Verzierungen auf, welche der andern fehlen, und nicht nur wenn sie nach einander eintreten, sondern auch wenn sie mit einander gehen. Ob und wo in solchen Fällen eine Übereinstimmung herzustellen ist, darüber kann in unserer Zeit nur der Geschmack entscheiden.

Auch auf den Vortrag der Chöre lassen sich die hier angestellten Erörterungen ausdehnen. Es mag befremden, daß bei ihnen von willkürlichen Auszierungen überhaupt nur die Rede sein kann. Aber wirklich bediente man sich der sogenannten Manieren auch beim [152] Chorgesange, und Petri giebt sogar Anweisungen, wie man lernen solle, für einen vierstimmigen Choralgesang richtige Mittelstimmen zu extemporiren143. Diese Erscheinung erklärt sich aus der schwachen Besetzung der Chöre und dem geringen Unterschiede, welcher zwischen Solo- und Chorsänger bestand. Zwar wurden die Sänger in Concertisten und Ripienisten eingetheilt, aber jene standen diesen nicht in unnahbarer Vornehmheit gegenüber, sondern sie führten außer den Solopartien auch die mehrstimmigen Sätze aus und bildeten den eigentlichen Kern des Chors, welchem sich die Ripienisten verstärkend anschlossen. Thatsache ist indessen auch, daß durch die freie Anbringung von Manieren oft ein wüstes unharmonisches Wesen entstand, weshalb gediegene Musiker davon nichts wissen wollten: nur wenn eine Stimme ein mit Manieren ausgestattetes Thema vorsinge, solle es die nachahmende Stimme in derselben Weise auch ohne ausdrückliche Vorzeichnung derselben nachsingen, da der Componist sein Thema das zweite Mal gewiß eben so gedacht habe, als das erste Mal144. Wer Bachsche Chöre angesehen hat, weiß, daß es an allerhand Verzierungen, sei es vollständig ausgeschriebenen, sei es nur angedeuteten, in ihnen nicht fehlt. Daß diese wirklich und vollständig ausgeführt werden sollten, ist nach allem was bisher gesagt wurde eben so sicher, wie daß es den Sängern in der Regel nicht erlaubt war, eigne hineinzufügen.

Die Instrumente, welche zur Ergänzung und Bereicherung des aus Orgel und Menschengesang bestehenden Tonkörpers von Bach herbeigezogen wurden, konnten von den Stadtpfeifern und Kunstgeigern nur zum Theile besorgt werden. In die Lücken mußte er geeignete Schüler einschieben. So war es vor ihm gewesen, so wurde es nach ihm gehalten, bis Hiller es dahin brachte, das ganze Orchester nur mit Thomanern besetzen zu können145. Die hieraus entstehende Beschränkung auf die jedesmal zufällig vorhandenen Mittel würde Bach in Entfaltung seiner Kunst hinderlicher geworden sein, wenn er Orchester und Chor nach moderner Art verwendet hätte. Die ältere Art der Orchesterbehandlung hatte freilich wieder [153] andre und eigenartige Mißstände im Gefolge. Alle Holzblasinstrumente ziehen sich, wenn sie eine Zeit lang gespielt sind, in die Höhe. Das Saitenquartett kann in diesem Falle sich accommodiren, die Orgel nicht. Außerdem wurden bei der älteren Orchesterbehandlung die Bläser viel andauernder in Thätigkeit gesetzt, folglich verstimmten sich ihre Instrumente rascher. Versuche zur Beseitigung dieses Übelstandes wurden nach verschiedenen Richtungen angestellt. Johann Scheibe erfand einen Mechanismus, durch welchen mittelst größerer oder geringerer Beschwerung der Blasbälge die Stimmung der Orgel höher oder tiefer gemacht wer den konnte, und wandte ihn zuerst bei einem im Jahre 1731 verfertigten kleinen Orgelwerke an, das 12 Manual-Stimmen mit zwei Manual-Clavieren und im Pedal ein sechzehnfüßiges Fagott besaß146. Es scheint aber nicht, daß er mit dieser Erfindung großen Erfolg gehabt hat, da es zur Erreichung des nämlichen Zweckes noch ein einfacheres Mittel gab: man hielt von jeder Gattung der Holzblasinstrumente mehre Exemplare in Bereitschaft und griff, wenn das eine durch Überblasen unrein geworden war, zu einem andern147. Der Chorton, in welchem damals noch allgemein die Orgeln standen, während die meisten übrigen Instrumente in den gewöhnlichen, sogenannten hohen Kammerton gestimmt wurden, brachte ebenfalls eine Unbequemlichkeit mit sich. Sie pflegte durch Transposition der Orgelstimme gehoben zu werden. Wenn aber zufällig nur Holzbläser im tiefen, eine kleine Secunde unter dem gewöhnlichen stehenden Kammertone zur Verfügung waren148, so mußten, falls nicht auch für diese transponirte Stimmen angefertigt werden sollten, die Streichinstrumente umstimmen. Zu Kuhnaus Zeit waren bei der Leipziger Kirchenmusik derartige Flöten und Oboen im Gebrauche; auch in Bachs Trinitatis-Cantate »Höchst erwünschtes Freudenfest«, welche in den Anfang seiner Leipziger Thätigkeit fällt, kommen sie noch vor. Sicher geschah es, um das für Klang und reine Stimmung nachtheilige fortwährende Umstimmen der Streichinstrumente zu vermeiden, wenn Kuhnau sehr häufig auch dort in den Chorton gestimmte Geigen anwandte, wo keine [154] Holzblasinstrumente mitwirkten. Im Chorton standen regelmäßig die Trompeten, sie konnten aber durch einen am Mundstück angebrachten Aufsatz in den Kammerton heruntergestimmt werden, so daß sich dasselbe Instrument für Kammerton–D dur und –C dur gebrauchen ließ149. Die anhaltende Mitwirkung eines Posaunenchors endlich machte oft die Anstellung mehrer einander ablösender Bläser nothwendig, weil namentlich die Bassposaune, wenn sie wie üblich den Singbass in Chören verstärkend begleitete, einen Aufwand von physischer Kraft erforderte, den ein einziger Bläser nicht zu leisten vermochte. Noch größere Anstrengung verursachte in solchen Aufgaben die Discantposaune; es war dies sicherlich auch ein Grund, weshalb man sie lieber durch den weniger angreifenden Zink ersetzte150.

Eine besondere Besprechung erfordert noch die Direction der Kirchenmusiken, da auch in dieser Beziehung sich die Gebräuche seither vielfach geändert haben. Sie waren übrigens auch zu Bachs Zeit unter sich recht verschieden. Johann Bähr, seiner Zeit Concertmeister in Weißenfels, sagt, der eine taktire mit dem Fuß, der andre mit dem Kopfe, ein dritter mit der Hand, andre mit beiden Händen, einige nähmen eine Papierrolle, wieder andre einen Stecken in die Hand. Ein jeder ordentliche Dirigent werde sein Verfahren nach Ort, Zeit und Personen angemessen einzurichten wissen; wer darüber allgemein gültige Regeln geben wolle, verdiene ausgelacht zu werden, »denn was dich nicht angeht, das sollst du nicht blasen, laß du einen andern taktiren wie er will, und taktire du, wie du willst, so geschieht keinem Unrecht«151. Alle die angeführten Arten haben mit der heutigen Praxis das gemeinsam, daß von einer leitenden Person durch das ganze Stück hindurch das Zeitmaß sichtbar markirt wurde. Abbildungen aus den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts, welche Musikchöre und Dirigenten darstellen, machen die Sache ganz klar. In einer Sammlung von Kupferstichen, welche vor 1725 bei Johann Christoph Weigel in Nürnberg herauskam und die verschiedenartigsten Musiker in Action vorführt, findet man auch [155] einen Musikdirector, welcher eine Notenrolle in jeder Hand aus der vor ihm aufgestellten Partitur stehend eine vierstimmige MotetteLaudate Dominum dirigirt; darunter ist zu lesen:


Ich bin, der dirigirt bey denen Music-Chören,

Zwar still, was mich betrifft, doch mach ich alles laut.

Erheb ich nur den Arm, so lässet sich bald hören,

Was unsern Leib ergötzt, und auch die Seel erbaut.

Mein Amt wird ewiglich, dort einsten auch, verbleiben,

Wann Himmel, Erd und Meer in pures Nichts verstäuben.


Auf andern Abbildungen steht der mit der Notenrolle bewaffnete Dirigent bald neben dem Organisten und Bassspieler an der Orgel, bald von dem Organisten und den Trompetern getrennt in der Mitte der rechts und links von ihm gruppirten Sänger und Geiger vor der Brüstung des Orgelchors152. Übrigens war doch der Dirigent nicht immer »still, was ihn betraf«. Manche Cantoren bedienten sich auch beim Dirigiren der Violine, um vermittelst dieser den Sängern zu Hülfe zu kommen, wenn es nöthig war153. Von den dreißiger Jahren des Jahrhunderts an änderte sich die Praxis. Der durchtaktirende stehende Dirigent kam aus der Mode, es wurde mit der Zeit immer allgemeinerer Gebrauch, von einem Cembalo aus zu dirigiren, d.h. je nachdem es nöthig war bald mit der Hand den Takt zu markiren, bald das betreffende Tonstück mitzuspielen, und also nicht nur durch stumme Zeichen sondern durch hörbares musikalisches Eingreifen die Ordnung aufrecht zu erhalten. Nur bei ganz großen Aufführungen mit weitläufig aufgestellten Massen blieb die ältere Praxis üblich, weil sie unumgänglich war. Sonst wurde jene unmerkliche, bescheidene Art der Leitung zu einem Ruhme für die deutschen Musikaufführungen, die sich hierdurch sehr vortheilhaft von den französischen unterschieden, wo der Takt mit einem großen [156] Stocke hörbar vorgeschlagen wurde, und von denen trotzdem Rousseau sagte: Die Oper in Paris ist das einzige Theater in Europa, wo man den Takt schlägt, ohne ihn zu beobachten, an allen andern Orten beobachtet man ihn, ohne ihn zu schlagen. Das Dirigiren am Cembalo fand besonders deshalb eine eifrige Nachahme, weil Hasse diese Methode in Dresden mit so großem Glücke anwendete, daß die dortigen Opernvorstellungen sich unter seiner Leitung zu einer kaum irgendwo übertroffenen Vollendung erhoben. Von der Aufstellung des Orchesters, welche er einführte, hat Rousseau uns eine Zeichnung überliefert154. Aus derselben ersieht man, was auch durch die Sache selbst geboten war, daß der Capellmeister an seinem Flügel nicht zugleich das Geschäft des Generalbassspielers übernahm. Für diesen war ein besonderes Clavecin d'accompagnement links längs der Bühnenwand aufgestellt, während der Capellmeister mit seinem Clavier die Mitte des Orchesters einnahm. Die Anwendung des Cembalos als Directions-Instruments war jedoch auch früher schon nichts unbekanntes mehr gewesen. In Torgau hatte man zu den Osteraufführungen 1660 das Spinett, ein kleines cembaloartiges Instrument, mit benutzt155, und auch in Leipzig gab es zu Kuhnaus Zeit auf dem Orgelchor der Thomas- und Nikolai-Kirche ein Cembalo, dessen er sich ab und an bediente; lieber wandte er statt dessen allerdings die italiänische Laute an, deren durchdringenden Klang er zur Zusammenhaltung der Musik für besonders geeignet hielt156. Als Bach sein Amt antrat, ließ er sofort das unbrauchbar gewordene Cembalo in der Thomaskirche neu in Stand bringen und erwirkte vom Rath, daß die Summe von jährlich sechs Thalern für ein regelmäßiges Stimmen desselben ausgeworfen wurde, setzte es aber im Jahre 1733 bis Ostern 1734 und sodann von Michaelis 1743 ab wieder außer Gebrauch157. In der Nikolai-Kirche, deren Orgelchor beschränkter war, benutzte er das dort befindliche [157] Cembalo wie es scheint mit einer noch längeren Unterbrechung; die erste Herrichtung desselben ließ er zum Charfreitag 1724 vornehmen, wo er in der Nikolai-Kirche die Passions-Musik aufzuführen hatte158, dann werden deutliche Spuren seines Gebrauches erst wieder im Jahre 1732 sichtbar und führen bis 1750159. Von Neujahr 1731 an bis ebendahin 1733 besorgte Bachs Sohn Philipp Emanuel, der am 1. October 1731 die Leipziger Universität bezog, das Stimmen des Flügels in der Thomaskirche. Mit Bezug hierauf wird eine Erörterung desselben über das Cembalo als Directions-Instrument von besonderer Bedeutung. »Das Clavier«, sagt er160, »welchem unsere Vorfahren schon die Anführung anvertrauten, ist am besten im Stande, nicht allein die übrigen Bässe, sondern auch die ganze Musik in der nöthigen Gleichheit vom Takte zu erhalten; diese Gleichheit kann auch dem besten Musico, ob er schon übrigens sein Feuer in seiner Gewalt hat, im andern Falle durch die Ermüdung schwer werden. Da dieses nun bei einem geschehen kann, so ist die Vorsicht, wenn viele zusammen musiciren, um so viel nöthiger, jemehr hierdurch das Takt-Schlagen, welches heut zu Tage blos bei weitläuftigen Musiken gebräuchlich ist, vollkommen ersetzet wird. Der Ton des Flügels, welcher ganz recht von den Mitmusicirenden umgeben stehet, fällt allen deutlich ins Gehör. Dahero weiß ich, daß sogar zerstreuete und weitläuftige Musiken, bei welchen oft viele freiwillige und mittelmäßige Musici sich befunden haben, blos durch den Ton des Flügels in Ordnung erhalten worden sind. Steht der erste Violinist folgends, wie es sich gehört, nahe am Flügel, so kann nicht leicht eine Unordnung einreissen. Bei Singe-Arien, worinnen das Zeit-Maß sich schleunig verändert, oder worinnen alle Stimmen gleich lärmen und die Singe-Stimme allein lange Noten oder Triolen hat, welche wegen der Eintheilung einen deutlichen Takt-Schlag erfordern, haben die Sänger auf diese Art eine große Erleichterung. Dem Basse wird es ohnedem am leichtesten, die Gleichheit des Taktes zu erhalten, je weniger er gemeiniglich mit schweren und bunten Passagien beschäftiget [158] ist, und je öfter dieser Umstand oft Gelegenheit giebt, daß man ein Stück feuriger anfängt als beschließet. Will jemand anfangen zu eilen oder zu schleppen, so kann er durchs Clavier am deutlichsten zu rechte gebracht werden, indem die andern wegen vieler Passagien und Rückungen mit sich selbst genug beschäftiget sind; besonders haben die Stimmen, welche Tempo rubato haben, hierdurch den nöthigen, nachdrücklichen Vorschlag des Takts. Endlich kann auf diese Art, weil man durch das zu viele Geräusch des Flügels an der genauesten Wahrnehmung nicht gehindert wird, sehr leicht das Zeit-Maß, wie es oft nöthig ist, um etwas weniges geändert werden, und die hinter, oder neben dem Flügel sich befindenden Musici haben einen in beiden Händen gleichen, durchdringenden und folglich den merklichsten Schlag des Takts vor Augen.« Hier haben wir eine umfassende Darlegung der Vortheile, welche das Dirigiren am Cembalo bietet, aus sachkundigstem Munde und zugleich das offene Zeugniß, daß Sebastian Bach sich dieser Methode bedient hat. Denn die Worte: »schon unsere Vorfahren vertrauten dem Clavier die Anführung an« lassen nur die Deutung zu: derjenige, welcher die Musik anführte, also der Dirigent, that dieses vom Flügel aus und vermittelst desselben. Man nehme dazu die schöne und lebendige Schilderung, welche Gesner von Bachs Direction entwirft, der ihn unterdessen ebenfalls am Flügel sitzen läßt, so wird man ein deutliches und zutreffendes Bild derselben sich machen können. Es ist mit diesem Bilde durchaus vereinbar, wenn Emanuel Bach und Agricola von Seb. Bachs Directionsthätigkeit rühmend erzählen: »Im Dirigiren war er sehr accurat, und im Zeitmaße, welches er gemeiniglich sehr lebhaft nahm, überaus sicher«161. Denn die Benutzung des Cembalo schloß ein theilweises Taktiren ja nicht aus; das Instrument war nur zu dem Zwecke da, die Sache im Gang zu erhalten und die Fehlenden rasch und unvermerkt wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Natürlich wurde meistens aus der Partitur dirigirt, zuweilen jedoch, wenn dieses aus irgend einem Grunde unthunlich war, auch aus einer bloßen Directionsstimme. Die Beschaffenheit einer solchen offenbart die Thätigkeit des Dirigenten sehr deutlich. Sie weist zwei Systeme auf, das untere für den Bass, das obere zur [159] Andeutung der dem Dirigenten nothwendigen Anhaltepunkte. Gewöhnlich ist hier nur die oberste Stimme notirt, bei fugirten Sätzen werden die Eintritte der Stimmen meistens im Bass-System vermittelst der den Stimmen entsprechenden Schlüssel angedeutet, zuweilen auch auf dem obern System. Außerdem steht hier alles, was zur Orientirung über die Gliederung der Composition und das in ihr verwendete Tonmaterial nöthig ist: ob ein gewisser Satz von einem Instrument oder von einem Sänger vorgetragen wird, und von welchem, ob mehre Stimmen, ob alle, ob sie mit oder ohne Instrumente singen, wo Ritornelle eintreten u.s.w. Kuhnau hatte sich zur Leitung der Aufführung seiner Marcus-Passion ein solches »Directorium sive Quasi-Partitura« angelegt; auch zu seiner Cantate »Welt ade, ich bin dein müde« ist eine solche Directionsstimme, welche zugleich als Generalbass-Stimme gedient zu haben scheint, vorhanden162. Die Methode, das Clavier als Directionsinstrument zu gebrauchen, wurde so probat erfunden, daß sie sich bis in unser Jahrhundert erhalten hat, z.B. bei den Aufführungen der Berliner Singakademie. Auch bei bloßen Instrumentalwerken wandte man sie an, und Haydn dirigirte in Salomons Concerten in London seine Symphonien am Flügel163. Doch findet sich in dieser Zeit neben dem Flügel-Dirigenten auch schon ein besonderer taktirender Dirigent. Bei der im Jahre 1808 in Wien stattfindenden Aufführung der Haydnschen Schöpfung saß Kreuzer am Flügel und Salieri leitete das Ganze164. Als im Jahre 1815 ebendort Beethovens Christus am Oelberg aufgeführt wurde, dirigirte Wranitzky und Umlauf hatte den Platz am Clavier165. In der Berliner Singakademie ließ Zelter in seinen späteren Jahren einen seiner Schüler Rungenhagen oder Grell den Flügel spielen, während er selber nur taktirte166. Es hatte hier der Cembalist auch die Aufgabe, die Secco-Recitative als Generalbassist zu begleiten, was bei Bachs Aufführungen Sache des Organisten war. Das Cembalo als selbständiges Instrument drang allmählig auch in [160] die Kirchenmusik ein, innerhalb der Bachschen Schule jedoch nur zum Zwecke der Klangverstärkung bei solchen Recitativen und Arien, welche der Componist ohne Orgelbegleitung ausgeführt wissen wollte. Wenigstens empfiehlt Emanuel Bach, dieses zu thun, wogegen freilich Rolle meint, in der Kirche bleibe eine derartige Klangverstärkung ziemlich illusorisch, und das namentlich in den Wintermonaten beständig nöthige Befiedern und Stimmen mache überhaupt den Gebrauch des Flügels in der Kirche beschwerlich und kostspielig167. Möglich, daß dieses der Grund war, weshalb auch Bach in seinen späteren Jahren mehr davon abkam. Indessen bot ihm in der Thomaskirche seit 1730 das selbständig spielbare Rückpositiv einen Ersatz und zugleich die Bequemlichkeit, manchmal selber die Generalbassbegleitung ausführen zu können, ohne den Organisten von seinem Platze verdrängen zu müssen168. Wie er es zu halten pflegte, wenn die mitwirkenden Sänger und Spieler so zahlreich waren, daß ein durchgängiges Taktiren nothwendig wurde: ob er in solchem Falle einen andern, beispielsweise seine Söhne Friedemann oder Emanuel den Flügel behandeln, oder ob er ihn ganz schweigen ließ und alles durch seine Direction allein zwang, läßt sich nicht mehr erkennen. Ist das erstere aus inneren Gründen wahrscheinlich, so ist es das letztere mit Hinblick darauf, daß er über haupt den Flügel jahrelang entbehren konnte; er muß also beim freien Dirigiren eine große Energie, Sicherheit und Klarheit entwickelt haben, was ja auch Emanuel Bach und Agricola ausdrücklich bezeugen. Was sonst noch über die Aufstellung der Musiker zu sagen wäre, ist größtentheils in Emanuel Bachs oben angeführten Worten schon enthalten. Es mag nur noch das besonders bemerkt werden, daß die Bässe – oder wenigstens ein Theil derselben, denn man liebte es zur Aufrechterhaltung der Ordnung die [161] Bassstimme recht stark zu besetzen – überall ganz nah bei dem Dirigenten ihren Platz zu haben pflegten, unter Umständen also hinter seinem Rücken am Cembalo, so daß sie nöthigenfalls mit ihm aus der Partitur spielen konnten. Ferner wurden die Trompeten und Pauken immer etwas entfernt von den übrigen aufgestellt, damit sie namentlich die Singstimmen nicht übertönten169. Ein beliebter Platz für sie war dicht an der Orgel, rechts und links vom Organisten170.

Fußnoten

1 Um ein Beispiel anzuführen, so wurde vom 19. Nov. 1736 an für eine Frau Anna Elisabeth Seeber jährlich in der Neuen Kirche der Choral »O Jesu Christ, mein's Lebens Licht« gesungen, wofür 15 Thaler Jahreszinsen zur Vertheilung kamen. S. Rechnungsbücher der Neuen Kirche vom obigen Jahre.


2 Rathsarchiv »Acta die Kirchen-Musik E.w.d.a. betr.« VII. B. 31. Fol. 1, 2, 4, 6. – M. Johann Jacob Vogels Leipziger ANNALES Dritter Band. S. 1051.


3 S. Band I, S. 513 f.


4 Dieselben wurden im Jahre 1628 gegeben, wo also vermuthlich das Institut ins Leben trat. Gottfried Vopelius, der bekannte Verfasser des Neuen Leipziger Gesangbuchs von 1682, und seiner Zeit Cantor der Nikolaikirche, hat sie 1678 nochmals niedergeschrieben. Das Manuscript befindet sich jetzt in der Bibliothek der Nikolaischule zu Leipzig. – Der Nikolai-Cantor zu Bachs Zeit war Magister Johann Hieronymus Homilius.


5 Als im Jahre 1767 der Palmsonntags-Hymnus Gloria, laus et honor tibi sit, Rex Christe gesungen werden sollte, erklärte der Cantor Doles, die Noten dazu hätten sich verloren. »ACTA die veränderte Einrichtung des öffentlichen Gottesdienstes zu Palmarum und am Char-Freytage u.s.w. 1766«; Ephoral-Archiv zu Leipzig.


6 Das Verbot des Orgelspiels während der Fastenzeit wurde erst im Jahre 1780 insofern eingeschränkt, als von da ab wenigstens die Communionlieder mit Orgelbegleitung gesungen werden durften; s. Rechnungen der Nikolaikirche von Lichtmeß 1780 – Crucis 1780, S. 38.


7 Dieses erweist eine Verordnung des Leipziger Consistoriums vom 31. Januar 1810, welche den bisherigen Gebrauch abschafft. »Acta Ephor. Das gestattete Orgelschlagen an den Bußtagen und zu andern Zeiten betr.«, auf dem Ephoral-Archiv zu Leipzig; außerdem die Rechnungen der Thomaskirche von 1719, S. 34.


8 In Bachs Aufzeichnung findet sich unter 8) hinter den Worten »Evangelium verlesen« die nachher durchstrichene Bemerkung »und Credo intoniret«; Bach hatte also irrthümlich die ihm ertheilte Auskunft zuerst auch auf den ersten Adventsonntag bezogen.


9 So entstand, was Rochlitz als eine kaum glaubliche Ungeheuerlichkeit erzählt (Für Freunde der Tonkunst. 4. Bd. 3. Aufl. S. 278, Anmerk.), daß unmittelbar vor dem deutschen Credo das lateinische »munter« gesungen wurde.


10 »12. ggr. vor reparirung der Sand Uhr auf der Orgel.« Rechnungen der Thomaskirche von 1739–1740, S. 62.


11 Für die Beleuchtung auf dem Orgel-Chor hatte, wenn Figural-Musik war, der Cantor, sonst der Conrector zu sorgen. Der Cantor erhielt zu diesem Zwecke aus den Mitteln der Thomaskirche jährlich 11 Thaler 15 ggr., aus denen der Nikolaikirche, in welcher das Chor kleiner war, 7 Thaler 21 ggr. ausgezahlt (Rechnungen der Thomas- und Nikolai-Kirche).


12 S. Vopelius, Neu Leipziger Gesangbuch, S. 440 ff.


13 Ich schließe dies aus Vopelius, der Versikeln für alle Feste in sein Gesangbuch aufgenommen hat.


14 S. »Texte zur Leipziger Kirchen-Music, auff die heiligen Oster-Feyertage, ingleichen auff Jubilate, Cantate, und das Fest der Himmelfarth Christi, Anno 1711. LEIPZIG, gedruckt bey Jmmanuel Tietzen.« 8. 13 S. S., und »Texte zur Leipziger Kirchen-Music, Auf die Heiligen Weyhnachts-Feyertage, und den Sonntag darauf, 1720. Ingleichen auf das Fest Der Beschneidung Christi, den drauf folgenden Sonntag, Das Fest der Offenbahrung, und den Sonntag darauf, des 1721 sten Jahres. Leipzig, gedruckt bey Jmmanuel Tietzen«. 8. 8 Bll. Beide Heftchen auf der Bibliothek des Vereins für die Geschichte Leipzigs.


15 »ACTA die Feyer des Reformations-Festes betr.Superintendur Leipzig 1755.«, Leipziger Ephoralarchiv. – Gerber, Historie der Kirchen-CEREMONIEN in Sachsen. Dresden und Leiptzig. 1732. 4. S. 227.


16 Wenigstens war sie es im Jahre 1755, wo übrigens die Ordnung des Reformationsgottesdienstes ein paar Veränderungen erlitt. Vrgl. auch Schöberlein, Schatz des liturgischen Chor- und Gemeindegesangs. Erster Theil. Göttingen, Vandenhoeck und Ruprecht. 1865. S. 487.


17 Vopelius, S. 263 ff. – Johann Adam Hiller sagt in der Vorrede seiner ierstimmigen lateinischen und deutschen Chorgesänge. Erster Theil. Leipzig, 1791., daß diese Motette zur Fastenzeit noch immer in den Kirchen gesungen werde.


18 S. über diese Schöberlein, a.a.O., I, S. 371 und 373.


19 Die Quellen »61/2 Uhr«. Dies muß ein Versehen sein, da schon um 7 Uhr der Vormittagsgottesdienst anfing, und die Mette am Palmsonntag zu keiner andern Zeit gehalten sein wird, als an den andern Sonntagen.


20 Man sieht dies daraus, daß Bach seine erste Passionsaufführung gegen seinen Wunsch in der Nikolai-Kirche veranstalten mußte. Rathsarchiv »Acta die Kirchen-Musik E.w.d.a. betr.« VII. B. 31. Fol. 12.


21 »ACTA die veränderte Einrichtung des öffentlichen Gottesdienstes zu Palmarum und am Char-Freytage u.s.w. 1766«; Ephoralarchiv zu Leipzig.


22 Antonii Weizii Verbessertes Leipzig. Leipzig, 1728. S. 12: In der Paulinerkirche »wurde dieses 1728. Jahr die erste Char-Freytags-Vesper-Predigt gehalten, zu denen Teutschen Liedern die Orgel gespielet, auch dazu mit Instrumenten musiciret«. Diese letzteren Worte können selbstverständlich nur eine concertirende Kirchenmusik bedeuten, da außer demTe Deum kein Gemeindelied mit Instrumenten außer der Orgel begleitet wurde.


23 S. Anhang B, IV, C, Eingang.


24 Der in obigem gegebenen Beschreibung des Leipziger Cultus haben außer den in ihrem Verlaufe schon angeführten noch folgende Quellen gedient: »Leipziger Kirchen-Staat, Das ist Deutlicher Unterricht vom Gottes-Dienst in Leipzig« u.s.w. Leipzig, 1710. – »Neo-Annalium Lipsiensium Continuatio II. Oder Des mit dem 1715ten Jahre neu-angegangenen Leipziger Jahr-Buches Dritte Probe, Auf das 1717 Jahr ausgefertiget von Christoph Ernst Sicul«. 2. Aufl. 1719. S. 565 ff. (»Etwas Neues. Von itziger Verfassung des Leipziger Gottesdiensts.«) – Bruno Brückner, Betrachtungen über die Agende der evangelisch-lutherischen Kirche im Königreich Sachsen. I. Leipzig, Edelmann, 1864. 4.


25 Ein Exemplar desselben wurde 1722 für den Schülerchor der Neuen Kirche angeschafft; s. Rechnungen der Neuen Kirche von Lichtmeß 1722 – ebendahin 1723. S. 34.


26 Rathsacten »Die Schule zu St. Thomas betr. Fasc. I. sign. VIII, B. 5. Anmerckungen über die Ordnung der Schule zu St. Thomas, 1. Des Herrn Gesners Lit. A.« S. 3. – Vrgl. S. 58 dieses Bandes.


27 Die erste Auflage erschien 1694. Im Jahre 1741 wurde auch ein Dresdener Gesangbuch in Octav herausgegeben.


28 Wahrscheinlich »Gläubiger Christen Himmel-aufsteigende Hertzens-und Seelen-Music«, ein hallesches Gesangbuch in 8., von dem 1710 die fünfte Auflage erschien. Sicul a.a.O. S. 572 f. sagt, weil jeder von dem dort gebrauchten Gesangbuch wisse, habe man dort jetzt die Einrichtung getroffen, an schwarze Tafeln nur die Nummern der Lieder anzuschreiben.


29 S. das im Anhang B mitgetheilte Inventar des Bachschen Nachlasses.


30 Bei der Reformationsfeier im Jahre 1755 und 1757 wurde von dieser Sitte abgewichen. »ACTA die Feyer des Reformations-Festes betr. Superintendur Leipzig 1755.«


31 Gerber, Historie der Kirchen-Ceremonien. S. 280. – »Acta Ephor. Das gestattete Orgelschlagen an den Bußtagen und zu andern Zeiten betr.«; Ephoralarchiv zu Leipzig. – Scheibe (Critischer Musikus S. 421) spricht von einer Einrichtung, nach welcher bei Responsorien der Geistliche allein, der Chor mit Orgelbegleitung singt.


32 Mattheson, Das beschützte Orchestre. Hamburg, 1717. S. 83.


33 »In den vorigen Zeiten war in den Kirchen die Music mit Zincken und Posaunen gebräuchlich, da nemlich die Moteten annoch herrschten.« Ruetz, Widerlegte Vorurtheile von der Beschaffenheit der heutigen Kirchenmusic. Lübeck, 1752. S. 27.


34 Kirnberger, Grundsätze des Generalbasses. Berlin, 1781. S. 64.


35 Vrgl. Band I, S. 53 ff.


36 Scheibe, Critischer Musikus. S. 182.


37 Ch. G. Thomas aus Leipzig nennt in dem Programm eines von ihm am 19. Mai 1790 in Berlin veranstalteten Kirchenconcerts unter Nr. 5 »Den 149. Psalm, für zwey Chöre, bloße Vokalmusik«, fügt aber sofort hinzu, daß die Orgel begleiten werde. – Zelter nennt den Eingangschor der Bachschen Cantate »Sehet welch eine Liebe« (B.-G. XVI, Nr. 64) »a capella gearbeitet«; s. dessen Katalog zur Amalienbibliothek auf dem Joachimsthalschen Gymnasium zu Berlin.


38 S. Anhang B, IV, B, unter 1 und 2.


39 Sicul a.a.O. S. 569 sagt ganz allgemein, daß, wenn die Orgel nicht gespielt werde, auch die Motette ausfalle.


40 S. Band I, S. 59 f. und S. 79, Anmerk. 29.


41 Rechnungen der Thomaskirche von Lichtmeß 1721 – ebendahin 1722.


42 Über verschiedene sinnreiche Erfindungen Scheibes in der Mechanik des Orgelbaues ist ausführlicheres zu lesen in der Leipziger Neuen Zeitung von gelehrten Sachen. XVIII, S. 833 f. Scheibe starb am 3. September 1748.


43 S. Anhang A, Nr. 4.


44 Rechnungen der Thomaskirche von 1747–1748, S. 52. Bach und Görner waren demnach auch die Verfasser des Contracts, welcher erhalten und Anhang B, VIII mitgetheilt ist.


45 Über dieses Register s. Anhang A, Nr. 4.


46 Vogel, Leipziger Chronicke, Buch III, Cap. 6, S. 110 f. – Derselbe, Leipzigisches Geschicht-Buch oder Annales. 1714. S. 113 und 742.


47 Rathsacten St. IX. A. 2. Vol. I. Bl. 125 ff.


48 Handschriftliche Bemerkung des Rectors Rost zu S. 35 der Schulordnung von 1723, in dem auf der Bibliothek der Thomasschule befindlichen Exemplare.


49 Rathsacten St. IX, A. 4. Bl. 64 und 187 ff.


50 Vogel, Leipziger Chronicke a.a.O. – DesselbenAnnales S. 562.


51 Rechnungen der Thomaskirche 1727–1728, S. 41.


52 Rechnungen der Johanniskirche von 1740 – 1744. – Agricola bei Adlung, Musica mechanica, S. 251.


53 D.h. die Quinte 3 Fuß und die Octave 2 Fuß.


54 Als Scheibe die Orgel abbrach, war sie schon um einige Register reducirt: es fehlte der Dulcian im Rückpositiv und im Pedale das Fagott und der Subbass. Auch waren aus Mixtur und Sesquialter einige Pfeifenreihen entfernt. Das Lieblich-Gedackt wird jetzt als Grobgedackt, das Trichter-Regal als Ranquet bezeichnet. Rathsacten St. IX. A. 2. Vol. I, Bl. 96.


55 Sie ist mitgetheilt von Winterfeld, Evang. Kirchenges. II, Musikbeilagen S. 102 ff.


56 Ruetz, Widerlegte Vorurtheile u.s.w. S. 86 f. – Ruetz sagt, der volle Chor habe jedesmal mit den Worten »Freuet euch mit großem Schalle« eingesetzt. Daß hier ein Schreib- oder Gedächtnißfehler vorliegt, ist selbstverständlich, denn mit diesen Worten beginnt der Refrain nicht. Ob die von ihm genannte einzelne Stimme nicht auch drei gewesen sind, wie es das Original vorschreibt, muß dahingestellt bleiben.


57 Sicul, Die andere Beylage zu dem Leipziger Jahrbuche auf 1718. S. 73. – Auch im Jahre 1716 hatte Kuhnau ebendort eine dreichörige lateinische Ode aufgeführt; s. Sicul, Beylage zu des Leipziger Jahrbuchs Dritten Probe. 1717. S. 11, vrgl. S. 20.


58 Archiv der Leipziger Universität, Repert. II/III No. 5. Litt. B. Sect. II. – Ch. G. Thomas, auch ein Leipziger Musiker, veranstaltete 1790 in der Garnisonkirche zu Berlin ein Concert mit drei- und vierchörigen Compositionen: der erste Chor stand auf der Emporkirche der Orgel gegenüber, der zweite auf dem Orgelchor, der dritte rechts und der vierte links auf der Mitte der Emporkirche. Er versicherte in seiner Ankündigung, die Musik werde trotz der weiten Entfernungen dennoch zusammentreffen (Sammelband der königl. Bibliothek zu Berlin, Abtheilung Bibliotheca Dieziana. Quarto 2900).


59 Vogel, Leipziger Chronicke, S. 97.


60 Rechnungen der Nikolaikirche von Lichtmeß 1724 –1725, S. 49 und Lichtmeß 1725 – 1726, S. 53. Der Contract wurde am 11. Dec. 1724 abgeschlossen, am 22. Dec. 1725 war die ganze Arbeit vollendet.


61 S. Anhang A, Nr. 5.


62 Scheibe unterschied genau zwischen der wirklichen und der sogenannten Viola di gamba; jene hatte eine engere Mensur. In der Orgel der Neuen Kirche arbeitete er 1722 eine sogenannte Viola di gamba mit großer Geschicklichkeit zu einer wirklichen um.


63 Die Fuß-Bezeichnung fehlt.


64 Was für ein Register dieses sein soll, ob es überhaupt eines und der Name nicht etwa aus Serpent verschrieben oder verdruckt ist, kann ich nicht angeben.


65 Ein Octav-Register, s. Adlung, Musica mechanica, S. 107.


66 Wörtlich. Der Sinn wird sein sollen: zum Brustwerk und zwar Pedal und Manual.


67 Sammlung einiger Nachrichten von berühmten Orgel-Wercken in Teutschland mit vieler Mühe aufgesetzt von einem Liebhaber der Musik. Breßlau, 1757. 4. S. 54.


68 Band I, S. 621.


69 Archiv der Leipziger Universität »ACTA. Den Orgel- und andern Bau, ingl. Verschreibung der Capellen, Verlosung der Stühle und was dem mehr anhängig, in der Pauliner Kirche betr. De aõ. 1710.Volum. III.« Repert. II/III, No. 5. Litt. B. Sect. II. Fol. 63–64.


70 Durchweg von Bachs eigner Hand. Die Adresse fehlt.


71 Critischer Musikus S. 428. – Dagegen lehrt Petri, Anleitung zur praktischen Musik. Leipzig, 1782. S. 297, daß das Postludiren auch gegen Ende des 18. Jahrhunderts nur erst »in einigen Städten gebräuchlich« war.


72 Petri, a.a.O., S. 299. – Türk, Von den wichtigsten Pflichten eines Organisten. Halle, 1787. S. 121 f.


73 [Voigt], Gespräch von der Musik zwischen einem Organisten und Adjuvanten. S. 92 f. – Adlung, S. 731. – Rathschläge um dem Unwesen bei diesem Praeludium zu steuern geben Petri, S. 176 ff., und Türk, S. 136 ff.


74 Voigt a.a.O. S. 27 meint zwar, zum Überschreiben der Singstimme werde sich kein Cantor die Mühe nehmen. Es kommt bei Bach aber doch bisweilen vor, z.B. bei der Cantate »Christus der ist mein Leben«, B.-G. XXII, Nr. 95. – S. auch Anhang A, Nr. 7.


75 Bei Voigt a.a.O. S. 101 sagt der Adjuvant: »Ich dächte es wäre in der Kirche viel schwerer zu spielen als in einem Collegio Musiko, und könnten die Fehler besser auf der Orgel als auf einem Clavicympel angemercket werden«.


76 Band I, S. 710 ff.


77 Ich erwarb sie im Frühjahr 1876 aus der Musikaliensammlung des kurz zuvor verstorbenen Musikdirectors Rühl in Frankfurt a.M. Rühl hatte das Manuscript aus dem Nachlasse des Hofrath André, André aus dem Nachlasse des jüngeren Gerber erworben. Eine auf demselben befindliche Notiz des jüngeren Gerber lautet: »Von Heinr. Nic. Gerber ausgesetzt und von Sebast. Bach eigenhändig corrigirt«. Die Hauptstimme und die Bezifferung fehlen, ebenso eine Angabe, aus welchem Werke Albinonis die Sonate entnommen ist. Sie steht aber als sechste in Albinonis Trattenimenti Armonici per Camera divisi in dodici Sonate. Opera sesta., und konnte somit vollständig hergestellt und als Beilage 1 mitgetheilt werden. Ein Exemplar der Trattenimenti, von Walsh in London gedruckt, hat auf meine Anregung Herr Dr. Espagne vor einiger Zeit für die königliche Bibliothek in Berlin angekauft.


78 Georg Michael Telemann, Unterricht im Generalbaß-Spielen. Hamburg, 1773. S. 17.


79 S. Band I, S. 710.


80 Musikalische Bibliothek, Zweiter Theil. Leipzig, 1737. S. 52.


81 Georg Simon Löhlein, Clavier-Schule u.s.w. 4. Auflage. Leipzig, 1785. S. 114.


82 Löhlein, a.a.O. S. 76.


83 Adlung, Anleitung zu der musikalischen Gelahrtheit. S. 653.


84 Scheibe, Critischer Musikus. S. 62.


85 B.-G. VII, S. 296 ff.


86 In den Zusätzen zu Tosis Anleitung zur Singkunst. S. 74.


87 Kuhnau, Der Musicalische Qvack-Salber. 1700. S. 20 ff.


88 Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Zweiter Theil. S. 219 f. und S. 241.


89 Bei Sulzer, Allgemeine Theorie der schönen Künste. Erster Theil. 2. Aufl. S. 194. Über Kirnbergers Betheiligung an diesem Werke s. Gerber, N.L. IV, Sp. 304 f.


90 Anleitung zur praktischen Musik. S. 169 ff. Von seinem Verhältniß zu Friedemann Bach erzählt Petri in eben diesem Werke, welches zu den vortrefflichsten Musiklehren des 18. Jahrhunderts gehört, S. 101, 269 (s. dazu S. 268) und 285.


91 Neue Wahrnehmungen zur Aufnahme und weitern Ausbreitung der Musik. Berlin, 1784. S. 49.


92 Critischer Musikus. S. 416.


93 Adlung, S. 657. »Man redete sonst auch viel vom getheilten Spielen; das ist, wenn die Mittelstimmen zum Theil mit der linken Hand gegriffen werden. Es ist dieses gar wohl thunlich, wenn die Noten durch das Pedal können ausgedruckt werden, daß beyde Hände auf einem Claviere bleiben. Aber bey geschwinden Bäßen, so auf 2 Clavieren am besten vorzustellen, fällt diese Art zu spielen in die Brüche.« – Petri, S. 170.


94 Rolle, S. 51. »Die Bearbeitung des Pedals ist mit ungemeinen Schwürigkeiten verknüpft, um allemal die rechten Noten ausfindig zu machen, welche man angiebt (antritt) und solche, die man wegen Geschwindigkeit auszulassen gezwungen ist.« – Schröter, Deutliche Anweisung zum General-Baß. Halberstadt, 1772. S. 188, §. 348. – Türk, S. 153. – Dasselbe galt übrigens auch für die Contrabässe; s. Quantz, Versuch u.s.w. S. 221, §. 7.


95 Türk, S. 156.


96 Petri, S. 170.


97 Scheibe, Critischer Musikus, S. 415. – Adlung, S. 386. – Rolle, S. 50. – Vrgl. Gerber, Historie der Kirchen-Ceremonien, S. 280.


98 [Voigt], Gespräch u.s.w. S. 29. – Petri, S. 171, vrgl. S. 311. – Türk, S. 162 ff.


99 Schröter, S. 186, §. 344. – Türk, S. 174.


100 Gerber, L. II, Sp. 455.


101 So hörte es noch Herr Professor Eduard Grell aus Berlin, wie er mir mündlich mitzutheilen die Freundlichkeit hatte.


102 Petri, S. 170.


103 B.-G. V1, S. 352 ff. – X, S. 72 ff.


104 B.-G. V2, S. XVI.


105 B.-G. V1, S. 307 ff.


106 S. Band I, S. 353.


107 Schröter, S. 187 ff., wo genaue Registrirungsvorschriften für die verschiedenen Theile einer Cantate und mit Rücksicht auf den wechselnden Charakter derselben gegeben werden. – Petri, S. 169.


108 S. Anhang A, Nr. 3.


109 Hiller, Nachricht von der Aufführung des Händelschen Messias in der Domkirche zu Berlin, den 19. May 1786. 4. Das von Hiller durch Hinzufügung von Flöten, Oboen, Fagotten, Waldhörnern und Posaunen verstärkte Orchester bestand aus 38 ersten, 39 zweiten Violinen, 18 Bratschen, 23 Violoncellen, 15 Bässen, 10 Fagotten, 12 Oboen, 12 Flöten, 8 Waldhörnern, 6 Trompeten, 2 Posaunen, Pauken, Orgel und Cembalo. Der Chor, welchen sämmtliche Sänger der Berliner und Potsdamer Schulen, und sämmtliche Opern-Sänger und -Sängerinnen bildeten, zählte 37 Soprane, 24 Alte, 26 Tenöre, 31 Bässe.


110 Rolle, Neue Wahrnehmungen. S. 85 f. – S. Anhang A, Nr. 6.


111 S. Anhang B, IV, E, Anmerk. d.


112 Forkel, S. 36.


113 Musica modulatoria vocalis, oder manierliche und zierliche Sing-Kunst. 1678. S. 46 f.; er nennt den Triller Tremolo, das eigentliche Tremolo dagegen, mit welchem er sich auch beschäftigt (S. 57 f.), nennt er Trillo und Trilletto.


114 A.a.O. S. 203.


115 Anweisung zum musikalisch-richtigen Gesange. Leipzig, 1774. S. 38.


116 »Der feinere ausdrucksvollere Gesang ist vom Chorschüler nicht zu verlangen.« Forkel in seiner schönen Abhandlung über Kirchenmusik (Allgemeine Geschichte der Musik. Zweyter Band, S. 37).


117 Kuhnau, Der Musicalische Qvack-Salber. S. 336: »Denn wenn er das Clavier spielte, und sein Alt-Falsettgen (sonsten war seine rechte Stimme ein Baß) in etlichen verliebten Arien hören ließ, so wurde die Jungfer schon eingenommen«. – Petri, S. 205 f. giebt ausführlichere Anweisungen über die Ausbildung des Falsetts.


118 Tosi-Agricola S. 150 ff.


119 Scheibe, Critischer Musikus. S. 163.


120 Georg Philipp Telemann, »Harmonischer GOttes-Dienst, oder geistliche CANTATEN zum allgemeinen Gebrauche, welche, zu Beförderung sowol der Privat- Haus- als öffentlichen Kirchen-Andacht, auf die gewöhnlichen Sonn- und Fest- täglichen Episteln durchs ganze Jahr gerichtet sind«, u.s.w. Fol. Die Vorrede ist datirt: »Hamburg den 19. Decembr. 1725«.


121 B.-G. IV, S. 159, Takt 1.


122 Agricola, a.a.O. S. 151 f.


123 B.-G. V2, S. 236, T. 9 ff. – Ein andres Beispiel in der Cantate »Brich dem Hungrigen dein Brod«, B.-G. VII, S. 335.


124 B.-G. XVI, S. 15, T. 7 f.


125 B.-G. VII, S. 44, T. 3 und 4. – Eine Stelle wo dieser Accent in der Originalpartitur fehlt, in der autographen Stimme aber ausgeschrieben ist, findet sich in einem Duett B.-G. VII, S. 79, T. 3.


126 Kirchengesänge von Johann Sebastian Bach. Berlin, Trautwein und Co. III, S. 19, T. 10. – S. ferner B.-G. V1, S. 30, T. 1. – II, S. 27, T. 10.


127 B.-G. II, 34, T. 13–14.


128 B.-G. IV, S. 200, T. 8.


129 B.-G. V2, S. 246, T. 12–13.


130 B.-G. XXII, S. 241, T. 7–8. Vrgl. auch T. 10–11.


131 Vrgl. auch die Vorrede Rusts zu B.-G. XXII, S. XXI.


132 B.-G. XII1, S. 29, T. 14–15, und S. 33, T. 7.


133 B.-G. IV, S. 192, T. 13.


134 Agricola bei Tosi S. 155 f.


135 Matthäus-Passion. B.-G. IV, S. 29, T. 9–10.


136 Cantate »Ich hatte viel Bekümmerniß«. B.-G. V1, S. 30, T. 1 und 2; S. 31, T. 6–7.


137 Cantate »Ach wie flüchtig, ach wie nichtig«. B.-G. V1, S. 207, T. 6–7.


138 Tosi-Agricola, S. 151.


139 Agricola, a.a.O. S. 235. In der Instrumentalmusik wurden namentlich die Adagio-Sätze gern so vorgetragen. Beispiele bei Quantz, Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Tab. XVII – XIX, und in Wittings Ausgabe der Corellischen Violinsonaten. Wolfenbüttel, Holle. Zwei Beispiele variirter Arien, allerdings aus etwas späterer Zeit, giebt Hiller, Anweisung zum musikalisch zierlichen Gesange. Leipzig, 1780. S. 135 ff.


140 Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Theil II, S. 1.


141 Agricola, a.a.O. S. 195 f.


142 B.-G. V1, S. 347.


143 Petri, a.a.O. S. 211 f.


144 Petri, S. 210.


145 Gerber, N.L. II, Sp. 674.


146 Leipziger Neue Zeitung von gelehrten Sachen. XVIII, 833 f.


147 Petri, a.a.O. S. 183.


148 Adlung, Anleitung, S. 387.


149 S. Anhang A, Nr. 7.


150 Petri, a.a.O. S. 184.


151 Johann Beerens Musikalische Discurse. Nürnberg, 1719. S. 171 ff.


152 Auf den Kupfern vor »Der Durch das herrlich-angelegte Paradis-Gärt-lein Erquickten Seele Geist-volle Jubel-Freude bestehend In einem Kern auf allerley Anliegen und Zeiten angerichtete Lieder. Nürnberg, 1724.«, ferner »Altes und Neues aus dem Lieder-Schatze, Welcher von GOtt der einigen Evangelischen Kirchen reichlich geschencket« u.s.w., herausgegeben von M. Herrmann Joachim Hahn. Dresden, 1720., und vor Walthers Lexicon. Leipzig, 1732.


153 [Voigt], Gespräch von der Musik, S. 36. – Vrgl. dazu Petri, a.a.O. S. 172.


154 In seinem Dictionnaire de Musique, Planche G, Fig. I., abgedruckt bei Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden. II, S. 291.


155 Taubert, Die Pflege der Musik in Torgau. Torgau, 1868. S. 18, Anmerk. 3.


156 S. Anhang B, IV, A und B, 3 und 7.


157 Rechnungen der Thomaskirche.


158 S. Anhang B, IX.


159 Rechnumgen der Nikolai-Kirche.


160 Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Erster Theil. S. 5 f. Anmerk.


161 Mizlers Nekrolog S. 171.


162 Auf der Stadtbibliothek zu Leipzig.


163 Pohl, Mozart und Haydn in London. Zweite Abtheilung. Wien, Gerold. 1867. S. 119.


164 Gerber, N.L. II, Sp. 557.


165 Nottebohm, Beethoveniana. S. 37.


166 Nach mündlicher Mittheilung des Herrn Professor Grell.


167 Rolle, a.a.O. S. 56: »Den Flügel bey der Kirchenmusik einzuführen wird zwar sehr angerathen [bezieht sich auf die Band I, S. 831 mitgetheilte Äußerung Em. Bachs]. Da aber bey der Theatralmusik der Schall heraufgehet: bey der Kirchenmusik hingegen der Schall von dem Orgelchore herunterkommen muß, so giebt das Mitspiel des Flügels wohl keine sonderliche nach drückliche Unterstützung [E. Bach, a.a.O. hatte gesagt, daß man auch bei den stärksten Musiken, in Opern, sogar unter freiem Himmel den Flügel hören könne, wenn man sich an einem höher gelegenen Orte befände.]«.


168 S. Anhang A, Nr. 8.


169 Scheibe, Critischer Musikus, S. 713 ff.


170 S. das Kupfer vor der oben angeführten von Joachim Hahn herausgegebenen Liedersammlung; ferner den der Hillerschen Schrift über die 1786 veranstaltete Messias-Aufführung beigegebenen Grundriß der Aufstellung sämmtlicher Musicirenden. Zu vergleichen der Grundriß des Dresdener Orchesters, wo für die Trompeten und Pauken auf dem rechten und linken Flügel desselben zwei Tribünen gebaut waren, und endlich Petri, S. 188. – Hillers Grundriß ist von großem sowohl historischem als praktisch musikalischem Interesse, wenn auch für unsern Zweck daraus wenig zu gewinnen ist, da Bach über große Massen gewöhnlich nicht disponirte und in den Händelschen Oratorien das Cembalo eine andre Rolle spielt.

Quelle:
Spitta, Philipp: Johann Sebastian Bach. Band 2, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1880..
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