I.

[483] Gesners Nachfolger im Rectorate der Thomasschule wurde Johann August Ernesti, der erst 1732 als Conrector angestellt worden war.1 Ernesti war 1707 geboren, kam also in sehr jugendlichem Alter an die Spitze der Schule. Eine in lebendiger Auffassung der antiken Schriftsteller wurzelnde Gelehrsamkeit und Bildung, eine hervorragende Begabung für methodische Lehre befähigten ihn dazu. Unter seiner Leitung nahm die Schule einen großen Aufschwung, er zeigte sich in dieser Hinsicht seines Vorgängers würdig, den er in eignen wissenschaftlichen Arbeiten durch Klarheit, Sicherheit und eine maßgebende Reinheit des lateinischen Stils noch übertraf. Dagegen fehlte ihm die anregende Genialität, die liebenswürdige Menschlichkeit und die Weite der Bildung, worauf Gesners segensreiches Wirken zumeist beruhte; es fehlte ihm auch dessen Weisheit und feiner Takt. Ernesti bekleidete das Rectorat bis 1759, dann erhielt er eine theologische Professur an der Universität.

Bach, den fünfzigen nahe, stand anfänglich mit seinem Vorgesetzten, dessen Vater er hätte sein können, in ganz guten Beziehungen. Indem seine Familie fortfuhr sich zu vergrößern, hatte er Ernesti schon 1733 zum Pathen eines Sohnes gebeten und that dies nach der im September 1735 erfolgten Geburt seines letzten Sohnes Johann Christian abermals. Das freundliche Verhältniß sollte indeß nicht lange dauern. In den von den Alumnen gebildeten Singchören bekleideten die Präfecten als Stellvertreter des Cantors, und unter ihnen namentlich der erste Präfect ein wichtiges Amt. Im Jahre 1736 hatte ein gewisser Gottfried Theodor Krause aus Herzberg diese Stelle inne. Er war von Bach mit Nachdruck angewiesen worden, über die ihm unterstellten kleineren Knaben strenge Aufsicht[483] zu führen, und wenn in Bachs Abwesenheit bei kirchlichen Veranlassungen sich Unordnung zeigte, mit angemessenen Strafen dagegen einzuschreiten. Als Krause der Ungezogenheiten der Knabenschaar durch Ermahnungen nicht mehr Herr werden konnte und gelegentlich einer Brautmesse das ungebührliche Betragen gar zu arg wurde, wollte er einige der schlimmsten züchtigen. Sie widersetzten sich und erhielten endlich eine derbere Tracht Schläge, als ihnen zugedacht gewesen war. Es wurde Klage beim Rector geführt; dieser gerieth über den Präfecten in heftigsten Zorn. Krauses Vergangenheit war tadellos, er stand im Begriff zur Universität zu gehen und war auf dem Schulactus am 20. April als Redner aufgetreten.2 Trotzdem dictirte ihm Ernesti die schimpflichste Strafe zu: körperliche Züchtigung in Gegenwart der gesammten Schule. Bach legte sich ins Mittel und er klärte Krauses Fehler auf sich nehmen zu wollen, konnte aber nichts erreichen. Als ein zweimaliges Gesuch um Entlassung vom Rector zornig abgeschlagen war, verließ Krause um der ihm zugedachten Schande zu entgehen eigenmächtigerweise die Schule. Seine Habseligkeiten und allmählig bis zu 30 Thalem aufgesammelten Singgelder, die der Rector in Verwahrung hatte, wurden von diesem eingezogen, mußten jedoch nachdem Krause beim Rath bittstellig geworden war, durch Verfügung desselben vom 31. Juli wieder herausgegeben werden.3

Bach fühlte sich in der Person seines Präfecten selbst beleidigt, und diese Vorgänge pflanzten eine Abneigung gegen Ernesti in seine Seele, die von üblen Folgen werden sollte. Die 1723 erlassene Schulordnung bestimmte als Amt und Recht des Cantors, daß derselbe die vier Singchöre mit den geeigneten Schülern besetzen und die Chorpräfecten zu erwählen habe. Für letzteres sollte er die Genehmigung des Schulvorstehers einholen, zu der Zusammensetzung [484] der Chöre hatte der Rector seine Einwilligung zu geben, derselbe besaß jedoch zu keiner Initiative das Recht. Die althergebrachte Gewohnheit räumte dem Cantor noch weitergehende Befugnisse ein und machte ihn in allen Angelegenheiten des Chors so ziemlich zum unumschränkten Herrn; wie in vielen andern Dingen so war die Praxis auch hier trotz der neuen Schulordnung die alte geblieben. Als nun der Präfect Gottfried Krause sich geweigert hatte, die über ihn verhängte entehrende Strafe zu empfangen, hatte ihn der Rector vom Amte suspendirt, zugleich aber eigenmächtiger Weise dem zweiten Präfecten, Johann Gottlob Krause aus Groß-Deuben4, die Stelle des ersten einstweilig übertragen. Dem Cantor war diese Persönlichkeit schon lange nicht nach dem Sinne gewesen und er hatte das nicht verschwiegen. Am 22. Trinitatis-Sonntag (6. November) des vorhergehenden Jahres hatte der Tertius der Thomasschule,M. Abraham Krügel in Collmen bei Colditz mit der Tochter des dortigen Pastors Wendt Hochzeit gemacht. Ernesti und Bach waren eingeladen gewesen; als sie des Abends mit einander nach Hause fuhren, kam das Gespräch auf die Neubesetzung der Präfecturen, welche jedesmal vor den Weihnachtsumgängen stattfand. Seinem Alter und Range nach hatte Johann Krause Anwartschaft auf eine solche; Bach aber war bedenklich und sagte, er sei »sonst ein liederlicher Hund gewesen«. Ernesti gab das zu, meinte jedoch, da er sich durch Begabung auszeichne und auch sittlich zu bessern scheine, könne man ihn wohl nicht übergehen, falls er übrigens genügende musikalische Tüchtigkeit besässe. Mit den Präfecturen waren besondere Geldeinnahmen verbunden, Krause konnte sich auf diesem Wege von seinen Schulden befreien und der Schule wurde dadurch eine üble Nachrede erspart. Musikalisch hielt ihn Bach für brauchbar genug, wenigstens zu den untern Präfecturen; so wurde er denn vierter, dritter und endlich zweiter Präfect. Auch seine vorläufige Beförderung zur ersten Stelle hatte sich Bach gefallen lassen, obschon ihn des Rectors Eigenmächtigkeit erboste. Nach einigen Wochen indessen überzeugte er sich, daß Krause für dieses besonders verantwortliche und schwierige Amt nicht genüge; [485] er setzte ihn also an die zweite Präfectur zurück, nahm den tüchtigem Samuel Küttler aus Belgern5 an die erste Stelle, und zeigte beides vorschriftsmäßig dem Rector an. Ernesti machte ein saures Gesicht, fügte sich aber; nicht so Krause selbst. Er beschwerte sich beim Rector und wurde von diesem an den Cantor gewiesen. Nun brach Bachs Verstimmung und Gereiztheit hervor. Er ließ sich Krause gegenüber zu der Antwort hinreißen: der Rector habe ihn seiner Zeit eigenmächtiger Weise in die erste Präfectur geschoben, er der Cantor setzte ihn jetzt wieder ab, weil er dem Rector zeigen wolle, wer hier Herr im Hause sei. Dasselbe sagte er auch dem Rector auf seiner Stube ins Gesicht. Ernesti glaubte sich ein solches Auftreten nicht bieten lassen zu dürfen, ließ sich vom Schulvorsteher ermächtigen und forderte Bach brieflich auf, Krause wieder einzusetzen. Bach mußte einsehen, daß er zu weit gegangen war; er zeigte sich einer gütlichen Vergleichung geneigt und versprach sogar, Ernestis Aufforderung nachzukommen. Allein in der nächsten Singstunde bewährte sich Krause so schlecht, daß ihm dies unmöglich schien. Um den 20. Juli verreiste er und kehrte erst gegen den 1. August zurück. Ernesti, der Krauses Wiedereinsetzung erwartete – es scheint, daß Bachs Benehmen ihn hierzu berechtigte – wurde ungeduldig, und als dieser sich immer noch nicht regte, schrieb er ihm Sonnabend den 11. August einen kategorischen Brief: wenn Bach nicht sofort das Verlangte thue, werde er Sonntags früh die Stellenbesetzung selbst vornehmen. Bach schwieg auch jetzt, Ernesti führte seine Drohung aus und ließ Bach durch Krause selber davon benachrichtigen.

Es war vor dem Frühgottesdienst. Bach begab sich sofort zu dem Superintendenten Deyling, stellte ihm die Sache vor, und Deyling versprach nach eingezogenen Erkundigungen auf eine Entscheidung des Streites hinzuwirken. Inzwischen hatte der Gottesdienst begonnen. Bach holte Küttler, der auf des Rectors Befehl als zweiter Präfect in die Nikolaikirche gegangen war, von dort weg in die Thomaskirche und jagte hier den Krause mitten unter dem Gesänge davon, indem er sich unbefugter Weise auf einen Befehl des Superintendenten berief. Ernesti sah dies, sprach nach der Kirche [486] beim Superintendenten vor und wußte ihn auf seine Seite zu bringen. Er ließ Bach hiervon unterrichten, der ihm in immer wachsendem Grimme entgegnete, daß er sich daran durchaus nicht kehre, es möchte kosten, was es wolle, übrigens habe er dem Rathe eine Beschwerdeschrift übergeben. Vor Beginn des Vespergottesdienstes erschien der Rector auf dem Orgelchor und untersagte den Schülern öffentlich unter Androhung der härtesten Strafen, Bachs Anordnung wegen der Präfecten Folge zu leisten. Als Bach kam und Krause wieder an der Stelle des ersten Präfecten fand, trieb er ihn mit Ungestüm abermals vom Chor. Da aber die Alumnen durch den Rector eingeschüchtert waren, fand sich nun keiner, der die Motette dirigiren wollte; Bachs Schüler Krebs, welcher seit 1735 auf der Universität studirte und zufällig anwesend war, übernahm auf seines Lehrers Bitte die Direction. Eine zweite Beschwerde des in seiner Autorität und seinem Selbstgefühl empfindlichst gekränkten Künstlers war die Folge. Als am Abend der Präfect Küttler bei Tische erschien, wies ihn Bach zornig hinaus, weil er dem Rector, und nicht ihm gehorcht habe.6

Am folgenden Sonntage (19. Aug.) wiederholten sich dieselben ärgerlichen Auftritte. Den vom Rector bestimmten Präfecten wollte Bach nicht dirigiren und vorsingen lassen, unter den übrigen Schülern wagte keiner es zu thun. Bach mußte sich entschließen, gegen das Herkommen die Motette selbst zu dirigiren, als Vorsänger trat wieder ein Student ein. Noch an demselben Tage richtete Bach an den Rath eine dritte Beschwerdeschrift. Er stellte vor, daß auf diese Weise das öffentliche Ärgerniß und die Unordnung immer größer werden würden, und daß, wenn der Rath nicht unverzüglich ein Einsehen thue, er ferner kaum im Stande sei, seine Autorität den Schülern gegenüber zu behaupten. Inzwischen war auch Ernesti zum Bericht aufgefordert worden, der sich in gewandter Weise zu rechtfertigen und dem Cantor alle Schuld zuzuschieben suchte. Das dringend nothwendige Eingreifen des Raths aber erfolgte nicht.

Bach versuchte es nun mit andern Mitteln. Sein unter dem 27. Juli 1733 in Dresden eingereichtes Gesuch um Verleihung eines [487] Hoftitels war unbeantwortet geblieben, die politischen Wirren am Anfang der Regierung Augusts III. und dessen fast zweijährige Abwesenheit von Sachsen (3. Nov. 1734 – 7. Aug. 1736) mögen der Grund davon gewesen sein. Seitdem hatte Bach sich durch mehre Festmusiken dem Hofe angenehm zu machen versucht, die Zeiten waren ruhiger geworden, eine Erneuerung seines Antrags hatte Aussicht auf besseren Erfolg. Seine Künstlerschaft hatte nicht vermocht, ihn vor einer unwürdigen, ja verächtlichen Lage zu sichern. Eine vom Hofe ihm beigelegte Wichtigkeit sollte jetzt dazu dienen, ihn aus dieser Lage befreien. Am 27. September 1736 setzte er ein neues Gesuch auf;7 da vom 29. Sept. ab der König einige Tage in Leipzig weilte, wird es ihm hier überreicht worden sein. Einen unmittelbaren Erfolg erlebte Bach freilich auch jetzt nicht. Durch die Unerträglichkeit der Lage gepeinigt hatte er im November schon eine vierte Beschwerde verfaßt, welche diesesmal ans Consistorium zu Leipzig gehen sollte, als die ersehnte Bestallung eintraf:


»Decret | Vor Johann Sebastian Bach, als | Compositeur bey der Königlichen Hof Capelle.


Demnach Ihro Königliche Majestät in Pohlen, und Churfürstliche Durchlaucht zu Sachßen p.t. Johann Sebastian Bachen, auf dessen beschehenes allerunterthänigstes Ansuchen, und umb seiner guten Geschickligkeit willen, das Praedicat als Compositeur bey der Hof Capelle, allergnädigst ertheilet; Als ist demselben darüber gegenwärtiges Decret, unter Ihro Königlichen Majestät höchsteigenhändigen Unterschrifft und vorgedruckten Königlichen Insiegel ausgefertiget worden. So geschehen und geben zu Dreßden, den 19. Nov. 1736.«8 Die Übermittlung hatte der russische Gesandte am königlich – churfürstlichen Hofe besorgt, dem das Decret am 28. November zugestellt worden war. Er hieß Baron von Kayserling und wird uns bei einer andern Gelegenheit wieder begegnen.

[488] Das Vertrauen indessen, welches Bach auf die Wirkung des Hoftitels gesetzt hatte, sollte ihn täuschen. Der Conflict mit Ernesti dauerte fort und der Rath machte noch immer keine Miene einzugreifen. So mußte die im November aufgesetzte aber noch zurückgehaltene Eingabe an das Consistorium am 12. Februar 1737 dennoch abgehen. Sechs Tage zuvor hatte man sich auf dem Rathhause zum Erlaß einer Verfügung allerdings aufgerafft, sie blieb aber zwei Monate liegen: am 6. April wurde sie Ernesti, am 10. Bach, am 20. Deyling zugestellt. Große Mühe, in den Kern der Streitfrage einzudringen, hatte sich der Rath nicht genommen. Er wählte das bequemste Auskunftsmittel und gab beiden Unrecht; im übrigen blieb Johann Krause erster Präfect, »dessen Aufenthalt auf der Schule zu Ostern zu Ende gehe«. Ostern fiel auf den 21. April, der Entscheid hatte also für Bach keine erhebliche praktische Bedeutung mehr. Aber Ernesti hatte, soweit es sich um Krause handelte, doch gesiegt, denn Bach war thatsächlich nicht im Stande gewesen, den untauglichen Präfecten von seinem Platze zu entfernen.

Er war denn auch nicht gesonnen, sich bei der Verordnung des Rathes zu beruhigen. Das Consistorium hatte sofort nach Bachs Eingabe vom 12. Februar dem Rath und dem Superintendenten die Weisung zu gehen lassen, die Sache zu untersuchen und dieselbe ohne Weiterung beizulegen, auch zu verfügen, daß beim Gottesdienste kein Hinderniß und Aufsehen verursacht werde. Deyling stand aber auf Ernestis Seite und hat gewiß nichts gethan, der Rathsverordnung einen andern Charakter zu geben, als sie ihn schließlich zeigte. Bachs Verhältniß zu Deyling war damals natürlich ein gespanntes. Man kann dies aus folgendem Vorfalle erkennen. Am 10. April, einem Mittwoch, hatte nach der üblichen Wochenpredigt des Superintendenten in der Nikolaikirche der zum Vorsingen abgeordnete Thomasschüler das Communionlied zu tief angestimmt, so daß die Gemeinde nicht mitsingen konnte. Anstatt deshalb mit Bach private Rücksprache zu nehmen, wie es der Geringfügigkeit der Sache angemessen gewesen wäre, beschwerte sich Deyling durch den Küster beim Rathe. Dieser ließ den Cantor auch sogleich vorladen, trug ihm auf den Fall zu untersuchen, dem Vorsinger einen Verweis zu ertheilen, und künftig tüchtige Personen [489] zu diesem Geschäfte abzusenden.9 Bach erhielt auf solchem Wege wieder einmal eine Nase.

Dem Consistorium aber stellte Bach unter dem 21. August folgendes vor. Der Rector habe öffentlich in der Kirche und in Gegenwart sämmtlicher Primaner diejenigen Schüler mit Relegation und Verlust der zukömmlichen aufgesammelten Singgelder bedroht, welche Bachs Anordnung Folge leisten würden. Dies betrachte er als eine Verletzung seines Ansehens und persönliche Verunglimpfung, für die er eine ebenso persönliche Genugthuung zu fordern berechtigt sei. Ferner bestritt er die Maßgeblichkeit der Schulordnung von 1723, auf welche die Verfügung des Rathes sich gestützt hatte. Dieselbe ermangle der nothwendigen Bestätigung des Consistoriums, weshalb sie auch schon von dem alten Ernesti, dem Vorgänger Gesners, nicht als gültig anerkannt sei, und thatsächlich sei auch, was die Rechte des Cantors betreffe, bisher nicht nach ihr, sondern dem alten Herkommen gemäß gehandelt worden. Namentlich wendete er sich gegen die Bestimmung, daß der Cantor einen oder den andern Schüler von der einmal aufgetragenen Verrichtung zu suspendiren oder auszuschließen nicht vermögend sein solle, »gestalt Fälle vorkommen, da in continenti eine Änderung vorgenommen werden muß, und nicht erstlich eine weitläufige Untersuchung in solchen geringfügigen Disciplinar- und Schulsachen vorgenommen werden kann, dergleichen Änderung auch auf allen Trivialschulen dem Cantori in Sachen die Musik betreffend zustehet, indem sonsten die Jugend, wenn sie weiß, daß man ihr gar nichts thun kann, zu gouverniren und seinem Amt ein Genügen zu leisten unmöglich fallen will«. In dem Schreiben vom 12. Februar hatte Bach die »Concurrenz« des Rectors bei Besetzung der Präfecturen sogar unter Berufung auf die neue Schulordnung bestritten. Dieser Versuch läßt sich insofern begreifen, als dem Rector an der Besetzung keine positive Betheiligung, sondern nur das Recht der Verhinderung zustand. Indessen mußte Bach inzwischen doch wohl eingesehen haben, daß er auf Grund der neuen Schulordnung dasjenige was er wollte: völlige Unabhängigkeit des Cantors in allen musikalischen Angelegenheiten, nicht erreichen konnte.

[490] Nun theilte zwar das Consistorium unter dem 28. August Deyling und dem Rathe mit, daß Bach sich mit neuen Vorstellungen und Gesuchen an dasselbe gewendet habe, und forderte binnen vierzehn Tagen über die Angelegenheit Bericht ein. Als aber der Bericht nicht erfolgte, beruhigte es sich auch dabei. So sah denn Bach nur noch einen Weg übrig, um zu seinem Rechte zu gelangen. Er ging unter dem 18. October direct an den König. Dieser ließ durch ein Schreiben vom 17. December das Consistorium auffordern, es solle auf die Beschwerde Bachs »nach Befinden die Gebühr verfügen«. Am 1. Februar 1738 wurde das Schreiben dem Consistorium eingehändigt, unter dem 5. Februar verlangte dasselbe von Deyling und dem Rathe nochmals energischerweise Bericht binnen vierzehn Tagen. Zur Ostermesse kam der König selbst nach Leipzig. Wir erzählten schon, daß Bach ihm bei dieser Gelegenheit eine Abendmusik brachte, die mit allgemeinem Beifalle aufgenommen wurde. Nunmehr fand seine Sache ihre endliche Erledigung, und wie wir aus den Umständen schließen dürfen in einem ihm günstigen Sinne. Das plötzliche Versiegen der archivalischen Quellen deutet darauf hin, daß sie durch persönliches Eingreifen des Königs herbeigeführt wurde.

Fast zwei Jahre hatte der Streit gedauert, beinahe so lange als vor mehr denn 60 Jahren seines Oheims in Arnstadt Ehehandel.10 Beide Männer hatten sich als echteste Sprossen ihres Geschlechts gezeigt und mit äußerster Hartnäckigkeit um ihr Recht gekämpft.11

Aber nicht um deswillen allein sind diese unerfreulichen Vorgänge hier ausführlicher erzählt worden. Sie wurden für Bachs ganze übrige Lebensperiode bestimmend. Ich betrachte es als einen besonders glücklichen Zufall, dies noch nachweisen und damit für das Bild der letzten zwölf Jahre den festen Hintergrund herstellen zu können. Johann Friedrich Köhler, ein Pastor zu Taucha bei Leipzig, legte 1776 eine Geschichte der Leipziger Schulen an, in welcher er auch Bach gebührendermaßen berücksichtigte. Seine Kenntniß jener Zeit schöpfte er großentheils aus mündlichen Mittheilungen ehemaliger Thomaner. Er erzählt wörtlich12: »Mit Ernesti [491] zerfiel er [Bach] ganz. Die Veranlassung war diese. Ernesti entsetzte den Generalpräfecten Krausen, der einen unteren Schüler zu nachdrücklich gezüchtigt hatte, verwies ihn, da er entwichen war, von der Schule, und wählte an dessen Stelle einen andern Schüler zum Generalpräfecten – ein Recht, das eigentlich dem Cantor zukommt, dessen Stelle der Generalpräfect vertreten muß. Weil das gewählte Subject zur Aufführung der Kirchenmusik untauglich war, traf Bach eine andre Wahl. Darüber kam es zwischen ihm und Ernesti zur Klage und beide wurden seit der Zeit Feinde. Bach fing nun an die Schüler zu hassen, die sich ganz aufHumaniora legten und die Musik nur als Nebenwerk trieben, und Ernesti ward Feind der Musik. Traf er einen Schüler, der sich auf einem Instrumente übte, so hieß es: Wollt ihr auch ein Bierfiedler werden? – Er brachte es durch sein Ansehen bey dem Bürgermeister Stieglitz dahin, daß ihm, wie seinem Vorgänger Gesner, die besondere Schulinspection erlassen und dem vierten Collegen übertragen wurde. Traf nun die Reihe der Inspection den Cantor Bach, so berief sich dieser auf Ernesti, kam weder zu Tische noch zu Gebet, und diese Vernachlässigung hatte den widrigsten Einfluß auf die sittliche Bildung der Schüler. Seit der Zeit hat man, auch bey wiederholter Besetzung beyder Stellen, wenig Harmonie zwischen Rector und Cantor bemerkt.«

Diese Erzählung giebt uns zugleich einen deutlichen Wink, auf wessen Seite sich in dem Conflict zwischen Rector und Cantor die öffentliche Meinung allmählig gestellt hatte. Bach war durch seine Leidenschaftlichkeit zu mehren Ungehörigkeiten fortgerissen worden, aber in der Hauptsache hatte er Ernesti gegenüber Recht. Er hätte es gehabt, auch wenn er sich mit weniger Grund auf das alte, bisher stets unbeanstandet gebliebene Herkommen hätte berufen können. Seines Amtes walten, wie er selbst es wünschte und alle von ihm verlangten, konnte er nur, wenn er die Angelegenheiten des Thomanerchors ganz nach eignem Ermessen leitete. Dies mußte Ernesti einsehen, auch wenn er von der Größe seines Gegners und der Lächerlichkeit einem Bach ins Handwerk schulmeistern zu [492] wollen keine Ahnung hatte. Aber obgleich er sich den Anschein giebt, den Streitfall nur vom disciplinarischen Standpunkte aus zu behandeln, so maßt er sich doch an beweisen zu wollen, was eben nur der Musiker beurtheilen konnte, daß Krause nicht untüchtig zur ersten Präfectur sei, und wenn Bach behauptet, er könne nicht dirigiren, beruft er sich auf die entgegenstehende Ansicht der Schüler. Vollends zu Ungunsten Ernestis muß das Urtheil ausfallen, wenn man Ton und Haltung in den Schriftstücken beider vergleicht. Bachs Sprache ist rücksichtslos und scharf, aber streng sachlich. Man wird in seinen zahlreichen Auslassungen nicht ein Wort finden, das auf die Person des Gegners zielte. Ernesti verfährt anders. Nicht nur daß er die Gelegenheit wahr nimmt, Bach überhaupt als einen nachlässigen Beamten, der an dem Unglück des »armen« Gottfried Krause eigentlich allein schuld sei, und als einen hochmüthigen Künstler, dem es »unanständig« erscheine einen einfachen Choral zu dirigiren, dem Rathe denuncirt. Er giebt ihm Schuld, eine Dirigirprobe mit dem Präfecten nur vorgenommen zu haben, um ihn in die Falle zu locken; er bezichtigt ihn der »Lüge«, weil Bach nur die Beförderung Johann Krauses zum Präfecten in der Neuen Kirche, und nicht auch seine frühere Anstellung als vierter Präfect bei den Neujahrsumgängen erwähnt. Er scheut sich sogar nicht, Bach als bestechlich hinzustellen, und meint, »er könne schon andre Proben anführen, daß man sich auf Bachs testimonia nicht allezeit verlassen könne, und wohl eher ein alter Species-Thaler einen Discantisten gemacht habe, der so wenig einer gewesen, als er selbst sei«. Solche Beschuldigungen soll niemand aussprechen, ohne sie sofort durch Thatsachen zu belegen. Wer dies unterläßt, ist ein Verleumder.

Die schlimmen Folgen des Streites entfallen demnach größtentheils auf Ernestis Rechnung. Seine Verdienste um die Thomasschule als wissenschaftliche Bildungsanstalt bleiben in Ehren, aber das harmonische Zusammenwirken der Lehrkräfte, Gesners segensreiches Werk, hat er zerstört. Nicht mehr als edles Bildungsmittel, sondern als Störenfried wurde die deutscheste aller Künste jetzt angesehen. Und zwar keineswegs von ihm allein. Da die übrigen Lehrer, die zum Theil selbst Ernestis Schüler gewesen waren, ganz ihres Rectors Wegen folgten, so gerieth Bach mehr und mehr in [493] eine einsame, mißachtete Stellung. Wie er diese mehren seiner unmittelbaren Nachfolger zum Erbe hinterließ, so Ernesti den seinigen einen musikfeindlichen Gelehrtendünkel, und beide den ihrigen das Vermächtniß innerer Abgeneigtheit. Bach, aus der Schule gewissermaßen herausgedrängt, verlegte nun entschiedener noch als zuvor seinen Schwerpunkt in die freie musikalische Thätigkeit. Schon früher hatte er es vermieden, vor der Öffentlichkeit als Cantor zu erscheinen, sicherlich nicht aus kleinlicher Eitelkeit.13 Jetzt fühlte er sich überwiegend als königlicher Hofcomponist, als Capellmeister der Fürstenhöfe Weißenfels und Cöthen – Ämter, welche ihn von fern als Musiker beschäftigten, ohne ihm das gewünschte Maß von Freiheit zu beeinträchtigen. Seine Leipziger Behörden mußten dies deutlich empfinden; daß sie nicht davon erbaut waren ist begreiflich. Eine gewisse Verstimmung gegen ihn dauerte bei ihnen selbst über seinen Tod hinaus. In einer Rathssitzung vom 7. August 1750 wurde mit ironischer Anspielung vorgetragen, »der Cantor an der Thomasschule, oder vielmehr der Capelldirector, Bach sei verstorben.« Wegen der Neubesetzung der Stelle meinte einer der Räthe, »die Schule brauche einen Cantor und keinen Capellmeister, obgleich er auch die Musik verstehen müsse.«14

Indessen ist gerechterweise anzuerkennen, daß bei dem Zerwürfniß zwischen dem gelehrten Schulmann und dem Künstler noch tieferliegende Mächte mitwirkten. Die Musik war anfangs des 18. Jahrhunderts auf eine Höhe der Entwicklung gekommen, daß ihre engere Verbindung mit der Schule unhaltbar wurde. Der frische Lebensdrang, in welchem auch die protestantischen Schulen jener Zeit anfingen sich zu recken und dehnen, konnte das Mißverhältniß nicht ausgleichen. Er stand zu der Potenz, welche in der Musik sich ans Licht rang, im wesentlichen Gegensatze. Wie die Musik in der Geschichte überhaupt die jüngste unter den Künsten ist, so hat sie sich auch im Verlauf der einzelnen Culturperioden immer gleichsam als Nachzüglerin eingestellt. Die Tonkunst des 18. Jahrhunderts wurzelt im 16., im Zeitalter der Renaissance. Aber sie gedieh erst als alle andern großen und glänzenden Erscheinungen [494] dieser Zeit verblühten, gleichsam das letzte, ätherisch verklärte Spiegelbild derselben. Nur so erscheint es möglich, auch bei vollster Berücksichtigung der günstigen Eigenart der Deutschen, daß die Musik aus der Zerstörung des dreißigjährigen Krieges unversehrt hervorgehen konnte. Sie war in einer langsam aufsteigenden, nicht zu hemmenden Entwicklung gewesen, die erst im folgenden Jahrhundert ihre Siege feiern sollte. Wissenschaft aber und die naheverwandte Poesie begannen in eben dem Jahrhundert einen Lauf zu neuen, andersartigen Zielen. Man wollte verschiedenes, man verstand sich weniger und weniger, und endlich haben grade unsere größesten Dichter und Gelehrten der Musik mit Gleichgiltigkeit oder offener Geringschätzung gegenüber gestanden. Es sind die Anfänge dieser Divergenz, was in dem Streit zwischen Bach und Ernesti sich zeigt. Aber auch abgesehen hiervon war an ein dauerndes Hand-in-Hand-Gehen zwischen gelehrter Ausbildung und Musik nicht mehr zu denken. Die Musik wuchs so mächtig in die Höhe und Breite, daß sie die enge Umfriedung der Schule sprengen mußte, wenn man sie nicht aus derselben verpflanzte. Bach war keineswegs der einzige, welcher hart an diese Schranken anrannte. Schon über dreißig Jahre früher war das Verhältniß zwischen Rector und Cantor Gegenstand heftigen Streites und weitläufiger Erörterungen gewesen. Gegen das Jahr 1703 hatte der Schulrector zu Halberstadt gelegentlich der Beerdigung eines vornehmen preußischen Beamten sämmtlichen Chorschülern auf öffentlicher Straße unter Androhung der Verweisung aus dem Chor und der Schule verboten dem Cantor Folge zu leisten, obgleich von diesem ihm wie üblich die Mitwirkung des Chors vorher angezeigt war. Hieraus nahm Johann Philipp Bendeler, Cantor zu Quedlinburg, Veranlassung, die Gränzen der Befugnisse zwischen Cantor und Rector in eingehender Untersuchung festzustellen.15 Die musikalische [495] Superiorität stehe dem Cantor zu. Der Rector sei freilich das Haupt der Schule, aber was habe die Kirchenmusik mit der Schule zu thun? was gehe es einen Musikdirector an, wem seine Adjuvanten außer der Musik unterworfen seien? Über die Einsetzung des Präfecten müßten sieh Cantor und Rector verständigen, doch dürfe dieser wider den Willen des ersteren keinen Präfecten einsetzen können. »Wenn ich zu einem musikalischen Actu verlanget werde, so melde ich es dem Rector und bestelle meine Classe, gebe daneben den Schülern auf, daß ein jeder bei seinen Herren Lehrern seine Abwesenheit gebührend entschuldige.« Der Cantor solle die Macht haben, einen Chorschüler wenn er musikalisch unbrauchbar sei von der Kirchenmusik, vom Chor und von den Beneficien auszuschließen; er solle nicht gehalten sein, deshalb zuvor bei der Obrigkeit oder dem Rector anzufragen. »Wer einem Cantor die obgedachte Macht nimmt, der wird eine Ursache vieler Sünden und handelt am Cantor nicht viel besser, als wenn er ihn mit gebundenen Händen einem Schwarm Bienen, Hummeln und Hornissen freistellt.« »Wenn die Schüler kommen sollen bleiben sie aus, wenn sie bleiben sollen laufen sie davon u.s.w. Und damit sie dießfalls desto mehr außer Gefahr sein mögen, insinuiren sie sich auf allerhand Art und Weise bei dem Rector, verleumden den Cantor u.s.w. Wodurch denn der Rector ihnen desto eifriger beizustehen, der Cantor aber desto mehr auf seine Conservation zu gedenken bewogen wird.« Den Schluß der Abhandlung bilden drei über den Gegenstand eingeholte Gutachten, welche sämmtlich im Sinne Bendelers abgegeben sind. Sie rühren her von den Universitäten Halle und Helmstädt und – von dem churfürstlich sächsischen Schöppenstuhl zu Leipzig. Überhaupt, wenn man diese Schrift liest, kann man sich einbilden, es handle sich garnicht um Halberstadt oder Quedlinburg, und derjenige der schreibt, sei nicht Bendeler sondern Bach.

Es waren eben derartige Conflicte in den Verhältnissen nur zu tief begründet, noch zu Bachs Lebzeiten ereignete sich in Freyberg Ähnliches. Die Musik drängte sich hinaus in die Freiheit des Concertwesens. Ihr diese Freiheit zuzuerkennen, dazu war in Deutschland die Zeit noch nicht gekommen. Bach steht noch auf dem alten Boden, aber ein Hauch aus dem neuen Lande streift über sein Künstlerthum. Wie derselbe sich in Bachs Compositionen offenbart, [496] ist schon mehrfach gezeigt worden. Nun haben wir ihn auch mittelst seiner äußern Lebensstellung entdecken können.

Man wolle das Gesagte nicht so verstehen, als habe der Bachschen Kunst etwas gefehlt, um sich völlig ausleben zu können, als sei besonders in der späteren Zeit ihr weiteres Gedeihen durch die Unzulänglichkeit der Verhältnisse gehemmt worden. Wir wiederholen es: sein Lebensweg hat ihn im ganzen günstig geführt, der Beschwerlichkeiten waren nicht mehr, als sein Genius ungeschädigt überwinden konnte. Als die Wendung in Bachs Schicksalen eintrat, welche sein Zerwürfniß mit der Schule bezeichnet, hatte er das Höchste erreicht. Man empfängt beim Überblick über sein gesammtes Wirken nicht den Eindruck, als sei irgend etwas unvollendet geblieben. In Verhältnissen, wie sie Händel in London umgaben und seinen Schöpfungen zur Voraussetzung dienten, läßt sich Bach garnicht denken. Er hatte sich früh und rasch entwickelt, naturgemäß kam er auch früher zum Stillstande. Zu der Zeit, da Bach seine Passionen, Weihnachtsoratorium, die ersten beiden Theile der H moll-Messe schrieb, war Händel seinem Ziele noch ziemlich fern, und als Händel recht begann, fing Bach an aufzuhören. Vorzugsweise hieraus muß es doch erklärt werden, daß Bach an dem Umschwunge, welcher im Leipziger Leben während der vierziger Jahre des Jahrhunderts sich allmählig anbahnte, nicht mehr Theil nahm, obgleich dieser Umschwung grade das herbeiführen sollte, worauf auch in Bachs Werken schon manches hinweist: das Zurückweichen der Kirche als Hauptpflegestätte für die Musik, und das Hervortreten des freien öffentlichen Concerts. Der gegebene natürliche Anknüpfungspunkt für dieses waren die beliebten Collegia musica. In älteren Zeiten bestanden sie nur aus wöchentlichen Zusammenkünften berufsmäßiger Musiker, und waren als solche wenigstens in Sachsen ziemlich allgemein. Der Zweck war, wie Kuhnau einmal sagt, »sich immer weiter in ihrer herrlichen Profession zu üben, und auch aus der angenehmen Harmonie eine gleichmäßige wohlklingende Übereinstimmung der Gemüther, welche bei dergleichen Leuten bisweilen am allermeisten vermißt wird, unter einander herzustellen.«16 Kuhnau selbst war 1688 Mitglied eines [497] solchen Collegium musicum in Leipzig.17 Dann begannen am Anfang des 18. Jahrhunderts die studentischen Musikvereine, unter welchen der 1704 gegründete Telemannsche, den später auch Bach dirigirte, die größte Bedeutung gewann. Das Streben, der gemeinsamen Musikübung eine weitere, freiere Form zu geben, ist bei ihnen unverkennbar, um so mehr als es hier nicht nur Ausübende, sondern auch Zuhörer gab. Jedoch beschränkten sie sich im allgemeinen auf die Kreise der akademischen Jugend. Erst in den vierziger Jahren erfaßte der Zug auch die Bürgerschaft. Ein Mitglied des angesehenen Kaufherrengeschlechtes Zehmisch nahm 1741 die Bildung einer neuen Concertgesellschaft in Angriff.18 In Folge des ersten schlesischen Krieges mögen die Vorbereitungen einen langsamen Fortgang gehabt haben. Erst zwei Jahre später fand die förmliche Gründung statt. »Den 11. März [1743] wurde von 16 Personen, sowohl Adel als bürgerlichen Standes das große Concert angeleget, wobey jede Person jährlich zur Erhaltung desselben 20 Thaler, und zwar vierteljährig 1 Louisd'or erlegen mußten, die Anzahl der Musicirenden waren gleichfalls 16 auserlesene Personen, und wurde solches erstlich in der Grimmischen Gasse bey dem Herrn Bergrath Schwaben, nachgehends in 4 Wochen darauf, weil bey ersterm der Platz zu enge, bey Herr Gleditzschen dem Buchführer aufgeführet und gehalten.«19 Das Unternehmen nahm gleich einen so glänzenden Aufschwung, daß man sich veranlaßt sah am 9. März 1744 den Jahrestag seines Bestehens durch eine solenne Festcantate zu feiern.20 In den Leipziger Adressbüchern von 1746 und [498] 1747 wird seiner unter den ständigen musikalischen Instituten folgendermaßen gedacht: »3) wird auch Donnerstag eines [nämlich ein Collegium musicum] von 5 bis 8 Uhr unter Direction der Herren Kaufleute und anderer Personen in den drey Schwanen im Brühle gehalten, allwo sich die größten Maîtres, wenn sie hierher kommen, hören lassen, deren Frequenz ansehnlich, auch mit großer Attention bewundert wird.«21 Die Übersiedlung aus Privaträumen in ein öffentliches Local zeigt wiederum das rasche Anwachsen der neuen Concertgesellschaft. Es ist dieselbe, welche noch heute als Gewandhausconcert besteht, auch der Tag der wöchentlichen Aufführungen und ungefähr die Stundenzeit sind dieselben geblieben. Während des siebenjährigen Krieges wurden die Concerte unterbrochen, 1763 aber unter Johann Adam Hillers Direction wiederaufgenommen.22 Das Local war wieder in den »drey Schwanen«, Zehmisch stand noch immer an der Spitze des Ganzen und jemand schrieb 1768 über ihn: »Wer wird nicht auch in Zukunft den Eifer für die Aufnahme der Tonkunst rühmen, die wir unserm Freunde dem Herrn Zehmisch seit sieben und zwanzig Jahren zu verdanken haben? Dessen unermüdete Bemühung dem Leipziger Concerte eine Gestalt gab, die ihm nicht nur ungeschmeichelte Lobsprüche so vieler ausländischer Virtuosen und Kenner erwarb, sondern selbst, schon viermal, die Begnadigung der höchsten Gegenwart errang, und eines Beifalls gewürdiget ward, an dessen Ehre alle Mitglieder der Gesellschaft Antheil haben.«23 Der plötzlich erwachte Musiksinn der Leipziger Bürger äußerte sich auch noch in andrer Weise. Als Beneficium für die Thomasschüler waren seit langem aus der Casse der Nikolaikirche 50 Gülden (43 Thlr. 18 gr.) jährlich gezahlt worden. Von 1746 an ließ der Rath dieselbe Summe aus dem Aerar der Thomas-, und 25 Thaler aus dem der Neuen-Kirche ebenfalls zahlen, zur Unterhaltung der Thomasschule »und wegen Bestellung der Kirchenmusik.«24 Die Quelle der öffentlichen Unterstützung, [499] welche bisher der Musikübung nur Tropfen gespendet hatte, fing jetzt mit einem Male an reichlicher zu fließen. Auch konnte es Bach wagen, 1745 seinen Schüler Altnikol als Bassisten beim Kirchenchor auf eigne Faust anzustellen. Als derselbe am 19. Mai 1747 sich dafür seine Remuneration erbat, meinte einer der Räthe zwar, Bach solle dergleichen künftig vorher anzeigen; aber man zahlte doch.25

Neben diesen neuen Erscheinungen verloren die Musikvereine der Studenten ihre frühere Bedeutung. Görner zwar hielt sein Collegium musicum mit der ihm eignen Zähigkeit zusammen. Der Telemannsche Verein aber gerieth sichtlich ins Schwanken. Bach gab die Direction auf; 1746 leitete ihn Gerlach, 1747 Johann Trier, ein Student der Theologie; letzterer wird den Verein wohl bis zu Bachs Tode behalten haben, da er ein tüchtiger Musiker war und erst 1754 Leipzig verließ. Die Leitung ging also, nachdem sie lange Zeit in den Händen bewährter Künstler gelegen hatte, unter die Studentenschaft zurück, wo sie anfänglich gewesen war. Solche rückläufige Bewegungen sind allemal das Zeichen eines Niederganges. Warum Bach von der Direction zurücktrat, ist nicht überliefert, wir wissen auch nur im allgemeinen, daß es zwischen 1736 und 1746 geschah. Vermuthen läßt sich wohl, daß er keine Lust verspürte, an der Spitze einer Musikgesellschaft zu bleiben, welche durch die Verhältnisse in die zweite Linie gedrängt wurde. Aber von einer Theilnahme an dem neugegründeten Concertinstitut der Bürgerschaft findet sich auch nirgends eine Spur. Bei seiner überragenden Bedeutung und großen Berühmtheit konnte man ihn, wenn er überhaupt berücksichtigt werden sollte, nur zum Leiter desselben machen. Da dieses nicht geschah, ist es von vornherein anzunehmen, daß er einen Einfluß auf dasselbe nicht gewann, oder gewinnen wollte. Man meldet, daß die größten »auswärtigen« Meister sich in den Concerten der neuen Gesellschaft hören ließen, der einheimische allergrößte Meister wird nicht erwähnt. 1744 zur Jahresfeier [500] des Bestehens wurde eine Festcantate aufgeführt, aber nicht Bach componirte sie, sondern ein 28jähriger Student, Johann Friedrich Doles, der seit 1738 in Leipzig weilte, Bach zwar nicht ganz fern stand, aber eine völlig andere, modern gefällige Richtung nahm. Doles kam fünf Jahre nach Bachs Tode an dessen Stelle und bekleidete sie bis 1789. Er und neben ihm Johann Adam Hiller führten in Leipzig eine Zeit herbei, die sich von Bach abwandte. Insofern ist es bezeichnend, daß sein Name gleich mit den Anfängen des »großen Concerts« verknüpft ist. Was dieses anstrebte, waren Ziele die in Bachs Leben und Werken zwar hier und da schon angedeutet werden, die aber mit dem Grundwesen des Meisters doch nichts gemein hatten.

Sein hohes Ansehen war unter der Bevölkerung festgegründet und wurde auch jetzt nicht erschüttert. Er bildete eine Berühmtheit der Stadt. Kein Musiker von Belang berührte sie, der Bach nicht seinen Respect erwiesen hätte. Schüler strömten zu und ab, Empfehlungen von ihm waren vielbegehrt. Nach wie vor rechnete man ihn unter die ersten Autoritäten des Orgelbaus. Er mußte 1744 die von Johann Scheibe erbaute Orgel der Johanniskirche prüfen; obgleich dessen Sohn, der Verfasser des »kritischen Musicus«, sich Bachs Unwillen zugezogen hatte, hielt man ihn für unparteiisch genug, und Bach erklärte die Orgel für untadelhaft.26 Johann Scheibe vollendete zwei Jahre später ein auf 500 Thaler veranschlagtes Orgelwerk zu Zschortau bei Delitzsch, auch hierhin wurde Bach zur Prüfung berufen, welche er Anfang August 1746 vornahm.27 Einiges seiner weltlichen Musik scheint ins Volk gedrungen zu sein und sich dort lange gehalten zu haben. In einer Schilderung der Kirmeß zu Eutritzsch bei Leipzig aus dem Jahre 1783 heißt es: »Das Chor Musikanten streicht wacker zu; debütirt mit Sonaten von Bach und schließt mit Gassenhauern«.28 Hiermit können nur [501] Stücke aus Orchesterpartieen gemeint sein, in der Sprache der Stadt-und Thurmmusikanten behielt das Wort »Sonate« noch bis ins 19. Jahrhundert die ursprüngliche Bedeutung eines einzelnen mehrstimmigen Instrumentalstücks.29 Jedenfalls beweist jene Bemerkung, wie Bachs Name im Volke weiterlebte. Als 1781 der Concertsaal im Gewandhause vollendet war, sah man auf dem Oeserschen Deckengemälde die alte Musik, welche verjagt, und die neue, welche eingeführt wird. Unter der letzteren Darstellung hielt ein Genius ein fliegendes Blatt mit der Inschrift: Bach. Forkel bemerkt, dieses Denkmal sei für Bach eine der größten Lobreden.30 Wenigstens war es als solche gemeint; selbst diese Generation, die den Meister weniger verstanden hatte, als irgend eine andre, hat ihm den höchsten Ruhm nicht vorenthalten wollen. Noch immer klang über eine Kluft von mehr als dreißig Jahren der Name des Gewaltigen ehrfurchtgebietend und stolzerweckend herüber.

Aber in seiner letzten Lebensperiode hörte er auf, der Mittelpunkt der Musik in Leipzig zu sein. Erwägt man alles, so drängt sich die Überzeugung auf, daß er wohl bewundert, aber wenig mehr verstanden und geliebt worden ist. Sein Schicksal hat eine gewisse Ähnlichkeit mit demjenigen Beethovens, den in späteren Jahren Rossini dem Wiener Publikum trotz alles bleibenden Respects mehr und mehr entfremdete. Bach sah auch ziemlich theilnahmlos herab auf das, was die junge Welt zu seinen Füßen trieb. Eine 1738 zu Leipzig gegründete »Societät der musikalischen Wissenschaften« machte von sich reden. Ihr Urheber und Mittelpunkt war Lorenz Christoph Mizler, am 25. Juli 1711 zu Heidenheim31 in Würtemberg [502] geboren, auf dem Gymnasium zu Anspach gebildet und vom 30. April 1731 mit einer Unterbrechung bis zum Jahre 1734 Student der Leipziger Universität. Schon seit seinen Knabenjahren hatte er Musik eifrig getrieben, und wurde in Leipzig, vermuthlich durch Gesners Vermittlung, Bachs Schüler im Clavierspiel und in der Composition. 1734 erwarb er die Magisterwürde und disputirte am 30. Juni öffentlich über eine Dissertation »quod musica ars sit pars eruditionis philosophicae«. Er widmete seine Schrift vier Tonkünstlern, nämlich Mattheson, Bach, Bümler und Ehrmann; letzter, ein anspachischer Musiker, hatte ihn die musikalischen Anfangsgründe gelehrt. In der vom 28. Juni datirten Anrede sagt er: »Großen Gewinn habe ich, berühmter Bach, aus deiner Unterweisung in der praktischen Musik gezogen und bedaure, daß ich sie nicht auch ferner genießen kann«.32 Er verließ nämlich Leipzig und wandte sich bald darauf zu weiteren Studien nach Wittenberg. Seine Dissertation war von denen, an welche sie zunächst sich gerichtet hatte, freundlich aufgenommen worden.33 Es mußte dies ein Grund für ihn sein, nach Leipzig zurückzukehren, wo er von 1736 an Vorlesungen über Mathematik, Philosophie und Musik hielt und eine kritische Monatsschrift unter dem Titel »Neueröffnete musikalische Bibliothek« herauszugeben anfing. Mizler besaß einen Gönner und Freund in dem musikalischen Grafen Lucchesini, welcher Rittmeister im Sehrischen Cürassierregiment des Kaisers Carl VI war, und als solcher 1739 den Soldatentod starb. Als in Folge der polnischen Erbfolgestreitigkeiten 1735 der Kaiser von Frankreich und dessen Verbündeten hart bedrängt wurde, widmete Mizler dem Grafen eine kleine lateinische Scherzschrift, in welcher er den muthmaßlichen Verlauf des Krieges durch das Zusammen- und Entgegenwirken [503] verschiedener Töne darstellte.34 Lucchesini war ihm zur Gründung der »Societät der musikalischen Wissenschaften« als der erste behülflich. Von den vier musikalischen Gönnern, denen er seine Dissertation widmete, unterstützte ihn nur einer, der alte Bümler in Anspach. Mattheson war schon damals Mizler nicht mehr hold, in dessen Musikalischer Bibliothek er sich »etwas verdeckter Weise angezwackt« fühlte, und wurde bald sein entschiedener Gegner. Bach hielt sich nur aus innern Gründen fern. Der Zweck der Societät, die Wissenschaft der Musik zu verbessern und in ein System zu bringen, war ihm im Grunde etwas gleichgültiges. Er hatte sein Leben hindurch nach eignen Grundsätzen gelehrt und gehandelt und war wohl dabei gefahren. Was ging es ihn an, wenn die Gesellschaft die Frage zur Untersuchung stellte, warum Quinten- und Octavenfolgen falsch seien? Er sagt in seiner Generalbasslehre: »Zwey Quinten und zwey Octaven müssen nicht auf einander folgen, denn solches ist nicht nur ein vitium sondern es klingt übel«; damit gut. Oder wenn Mizler den Generalbass mit der Mathematik verbinden wollte? »Im Generalbass spielet die linke Hand die vorgeschriebenen Noten, die rechte greift Con- und Dissonantien dazu, damit dieses eine wohlklingende Harmonie gebe zur Ehre Gottes und zulässiger Ergötzung des Gemüths. Wo dieses nicht in Acht genommen wird, da ists keine eigentliche Musik sondern ein teuflisches Geplärr und Geleyer«. Abgemacht. Es war eine bekannte Thatsache, daß Bach sich um das Verhältniß der Mathematik zur Tonkunst keine grauen Haare wachsen ließ. Mattheson bemerkt: »Dieser [Bach] hat ihm [Mizler] gewiß und wahrhaftig ebensowenig die vermeinten mathematischen Compositionsgründe beigebracht, als der nächstgenannte [Mattheson]. Dafür bin ich Bürge.«35 Auch die Verfasser des Nekrologs melden: »Bach ließ sich nicht in tiefe theoretische Betrachtungen der Musik ein«.36 Nun gar Gesetze aufstellen, [504] wie man Cantaten machen müsse, gemeinsam mit andern einen Muster-Jahrgang componiren unter gegenseitiger Beaufsichtigung! Vereinigungen, wie die Societät sie sein sollte, können ihren Nutzen haben, die etwaigen Resultate aber kommen eigentlich nur dem Durchschnitts-Menschen zu gute. Dem Genius sagen sie entweder zu wenig oder zu viel. Außerdem mußte Bach Mizlers Persönlichkeit und Beanlagung entgegen sein. Mizler besaß eine umfassende Bildung, war auch für seine Verhältnisse ganz gut in der musikalischen Praxis, er hatte regsamen Fleiß und wußte es in der Welt zu etwas zu bringen. Aber er war eitel und großsprecherisch, und endlich doch ein unfruchtbarer Geist; seine Compositionen vollends, die er unklug genug war zu veröffentlichen, konnten den Musikern höchstens ein mitleidiges Lächeln erregen. So erklärt es sich denn leicht, daß Bach abseits auch dieser musikalischen Vereinigung stehen blieb. Mizler empfand recht wohl den stummen Tadel, der hierdurch auf sein Unternehmen fiel. In den Gesetzen der Societät hieß es freilich, bloße praktische Musikverständige könnten deswegen in ihr keinen Platz finden, weil sie nicht im Stande seien, etwas zur Aufnahme und Ausbesserung der Musik beizutragen.37 Allein hiermit waren Männer von Bachs Schlage nicht gemeint. Denn vorzugsweise praktische Musiker, wie Telemann und Stölzel, traten in die Societät schon im zweiten Jahre ihres Bestehens und der Urprakticus Händel wurde 1745 sogar zum Ehrenmitgliede einstimmig erwählt. Überdies war Bach, wenn er auch keine Abhandlungen schrieb, grade als gelehrter Componist bekannt genug.38 Mizler, der schon 1743 nicht mehr in Leipzig, sondern beim Grafen Malachowski in Polen weilte, gab sich alle Mühe, Bach zum Eintritte zu bewegen. 1746 meldet er erfreut, es sei im Werke, daß nächstens die Gesellschaft wieder mit drei ansehnlichen Mitgliedern vermehrt werde.39 Es waren Graun, Bach und Sorge. Graun trat schon im Juli desselben Jahres ein. Bach hatte es nicht [505] eilig, er wartete noch bis zum Juni 1747.40 Einmal Mitglied erfüllte er aber auch seine Pflichten; ein dreifacher sechsstimmiger Canon und die canonischen Veränderungen über »Vom Himmel hoch da komm ich her« sind von ihm für die Societät gearbeitet worden. Nach seinem Tode meinte man, er würde unfehlbar noch viel mehr gethan haben, wenn ihn nicht die kurze Zeit, da er nur drei Jahre Mitglied gewesen sei, daran gehindert hätte.41 Dies mag mehr als eine leere Vermuthung sein. In seinen letzten Lebensjahren trat bei Bach die Neigung zu tiefsinnigen, einsamen musikalischen Problemen stärker hervor, als je. Für sie fand er in der Societät ein zwar sehr kleines, aber doch urtheilsfähiges Publikum.

Fußnoten

1 S. S. 91 dieses Bandes.


2 S. Ernestis Schulprogramm zum 20. April 1736, S. 15 (auf der Bibliothek der Thomasschule).


3 Krauses Eingabe ist vom 26. Juli datirt; s. Leipziger Rathsacten »Die Schule zu St. Thomae betr. Fasc. II.« sign. VIII, B. 6. – Daß bei eigenmächtigem Entweichen eines Alumnen der Hausrath verfiel, war allerdings rechtens und stand in der formula obligationis, die von den Alumnen vor ihrer Aufnahme unterschrieben werden mußte; s. Rathsacten »Schuel zu S. Thomas. Vol: III. Stift. VIII. B. 2.« Fol. 295.


4 S. S. 66 dieses Bandes, und Ernestis Schulprogramm zum 6. Mai 1737 (auf der Bibliothek der Thomasschule).


5 S. S. 66 dieses Bandes, und Ernestis Schulprogramm vom 6. Mai 1737.


6 Bach muß in dieser Woche die Schulinspection gehabt haben, in Folge deren er mit den Alumnen zusammen zu speisen hatte.


7 Staatsarchiv zu Dresden, Abtheilung XVI, Nr. 1507.


8 Staatsarchiv zu Dresden »Die Italiänischen Sänger und Sängerinnen, das Orchestre, die Täntzer und Täntzerinnen, auch andere zur Opera gehörige Persohnen betr. anno 1733. 1739 und 1801. 1802.« Fol. 57.


9 Rathsacten »Die Schule zu St. Thomae betr. Fasc. II«. sign. VIII, B. 6.


10 S. Band I, S. 160.


11 S. die Anhang B. XI mitgeteilten Actenstücke.


12 Beiblatt zu S. 94. – Das Manuscript des nicht gedruckten Werkes auf der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden. Vrgl. S. 88, Anmerk. 73 dieses Bandes.


13 S. S. 51 f. dieses Bandes.


14 Rathsarchiv, Protokoll »in die Enge« vom 19. Mai 1747 – 28. December 1755. VIII, 65. Fol. 235.


15 »Directorium | musicum, | oder | Gründl. Erörterung | Demjenigen | Streit-Fragen, | Welche bißhero hin und wieder zwischen | denen Schul-Rectoribus und Cantoribus über dem Directorio Musico moviret | worden. | Nebst beygefügten Responsis einiger hochberühmten | Juristen Collegiorum. | Zum Druck übergeben | Von | Joh. Phil. Bendelern, Cant. | zu Quedlinb. | Gedruckt im Jahr 1706.« Königliche Bibliothek zu Berlin, Abtheilung Bibliotheca Dieziana. Quart 2899.


16 Kuhnau, Der Musicalische Qvack-Salber. 1700. S. 12.


17 S. das Gratulationsgedicht am Schlusse von Kuhnaus Jura circa musicos ecclesiasticos. Leipzig, 1688.


18 Genaueres über diesen für Leipzigs Concertwesen wichtigen Mann kann ich nicht beibringen. Der Zehmisch gab es zu jener Zeit mindestens drei; ich habe in den Kirchenregistern gefunden einen Johann Friedrich Zehmisch, einen Gottlieb Benedict Zehmisch, beides Kaufherrn, und einen Johann Gottfried Zehmisch, Doctor juris utriusque.


19 Ich führe diesen Bericht nach dem Programm des Gewandhausconcerts vom 9. März 1843 an, das eine Erinnerungsfeier des hundertjährigen Bestehens war. Als Quelle ist dort angegeben »Continuatio Annalium Lips. VOGELII. Tom. II. pag. 541. anno 1743.« Diese ist bis jetzt nicht wieder aufzufinden gewesen; die Verläßlichkeit der Programm-Mittheilung steht jedoch außer Zweifel.


20 »Continuatio Annalium Lips. Tom. II. pag 565.anno 1744;« s. die vorige Anmerk.


21 »Das jetzt lebende und florirende Leipzig.« 1746, S. 69; 1747, S. 76 f.


22 Hiller, Lebensbeschreibungen. 1784. S. 308.


23 Historische Erklärungen der Gemälde, welche Gottfried Winkler in Leipzig gesammlet. Leipzig, gedruckt bey B.C. Breitkopf und Sohn 1768. S. VII.


24 Rechnungen der Thomaskirche und Neuen Kirche von 1747 an.


25 Rathsacten »Protocoll in die Enge« vom 19. Mai 1747 – 28. Dec. 1755. VIII, 65. Fol. 2. – Rechnungen der Thomaskirche 1747–1748, S. 54: »6 Thlr. H. Johann Christoph Altnikoln Bassisten daß er in denen beyden Haupt Kirchen dem Choro Musico von Michael. 1745. bis 19. May 1747. assistiret.«


26 Agricola bei Adlung Musica mechanica. S. 251, sagt freilich auch, es sei die strengste Untersuchung gewesen, die vielleicht jemals über eine Orgel ergangen sei.


27 Bachs Gutachten darüber befand sich bis 1872 im Besitz des Generalconsul Clauss in Leipzig. Für seine Bemühung erhielt Bach 5 Thaler 12 gr. Die Einweihung der Orgel fand am 9. Trinitatis – Sonntag (7. August) statt (nach Mittheilungen des Herrn Pastor Mylius zu Zschortau).


28 »Tableau von Leipzig im Jahre 1783.« s.l. 1784.


29 »Bey dem Abblasen vom Thurme, besonders, werden, ausser dem einfachen Choralspiele, eigene dazu componirte Sonaten, mit diesen weittönenden Instrumenten, sämmtlichen Bewohnern eines Orts, einer ganzen Stadt zu hören gegeben«. Ch. C. Rolle, Neue Wahrnehmungen zur Aufnahme der Musik. Berlin, 1784. S. 41. – Auch Friedrich Schneider (1786–1853), ein geborner Sachse, componirte als Jüngling noch zwölf sogenannte Thurmsonaten für zwei Trompeten und drei Posaunen; s. dessen chronologisches Compositionen-Verzeichniß bei Kempe, Friedrich Schneider als Mensch und Künstler. Dessau, 1859.


30 Forkel, Musikalischer Almanach für Deutschland auf das Jahr 1783. Leipzig, im Schwickertschen Verlag. S. 152 f.


31 Sein Geburtsort nach den Inscriptionsbüchern der Leipziger Universität. Im übrigen Mattheson, Ehrenpforte S. 228 ff.


32 »Magno quoque cum fructu usus sum Tua, Celeberrime Bachi informatione in Musica practica, et doleo ulterius illa frui mihi non licere.« 1736 er schien eine zweite Auflage der Schrift unter dem Titel »Dissertatio quod musica scientia sit et pars eruditionis philosophicae,« und mit einer andern Vorrede. Ich kannte die erste, sehr selten gewordene Ausgabe noch nicht, als ich, Mattheson folgend, Band I, S. 650, Anmerk. 20 schrieb, daß Mizler, wenn auch nicht Schüler so doch ein guter Bekannter Bachs gewesen sei.


33 »Quod autem a vobis petii, ejus particeps factus hie amplissimas habere gratias et debui et volui, cum litteris tum sermonibus vestris musicae scientiae ampliorem accuratioremque notitiam edoctus«. Vorrede zur 2. Aufl. der Dissertatio.


34 »Lusus ingenii de praesenti bello augustissimi atque invictissimi imperatoris Caroli VI cum foederatis hostibus ope tonorum musicorum illustrato«. Frankreich ist der Grundton C, Spanien die Quinte G, Sardinien die Terz E, der Kaiser Carl die Octave C. Die drei ersteren wollen durch Ausweichungen aus ihrem ursprünglichen Ton die Octave von C auf H herabziehen; dies gelingt ihnen nicht, durch Hülfe Englands (A) werden sie gezwungen wieder einzulenken.


35 Ehrenpforte, S. 231. Anmerk. *.


36 S. 173.


37 Musikalische Bibliothek. Erster Band. Vierter Theil. S. 74.


38 Im »Musikalischen Staarstecher« (Leipzig, 1740), S. 86 nennt Mizler »praktische Musiker« solche, die nur singen oder spielen, nicht aber componiren. Vielleicht ist der Ausdruck in den Gesetzen der Societät auch nur so zu verstehen.


39 Musikalische Bibliothek. Dritter Band. Zweiter Theil. S. 357.


40 Musikalische Bibliothek. Vierter Band. Erster Theil. S. 107.


41 Nekrolog, S. 173.

Quelle:
Spitta, Philipp: Johann Sebastian Bach. Band 2, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1880..
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